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AUSLAND/1832: Gaza - Weißer Phosphor im Verdacht, Geburtsschäden zu verursachen (IPPNW)


IPPNW - 8. Mai 2011
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Neue Studie zu Geburtsschäden in Gaza

Weißer Phosphor im Verdacht, Geburtsschäden zu verursachen



Laut einer neuen wissenschaftlichen Studie gibt es einen "starken Zusammenhang zwischen angeborenen Fehlbildungen bei Neugeborenen und der Exposition der Eltern bei Angriffen mit weißem Phosphor". Das ist das Ergebnis der Studie "Angeborene Fehlbildungen in Gaza: Häufigkeit, Typen, familiärer Zusammenhang und die Korrelation mit Umweltfaktoren", die am 4. Mai 2012 im International Journal of Environmental Research and Public Health veröffentlicht wurde. Ein Team von palästinensischen und italienischen Wissenschaftlern hatte die Studie am Al Shifa Krankenhaus durchgeführt, in dem 28% aller Babies des Gazastreifens geboren werden.

Bei der Geburtsmeldung gaben 27 % der Eltern von Neugeborenen mit Fehlbildungen an, weißem Phosphor ausgesetzt gewesen zu sein. Dagegen hatten nur 1,7 % der Eltern mit gesunden Neugeborenen Kontakt mit dieser Munition. Es ist der erste derartige Bericht im Gazagebiet. Von Mai bis September 2011 wurden 4.027 Kinder geboren. Die Eltern beantworteten Fragen zu klinischen, demographischen und familiären Zusammenhängen sowie zu Umwelteinflüssen. Die Ärzte registrierten in den fünf Monaten 55 angeborene Fehlbildungen, 94 späte Fehlgeburten und 30 Totgeburten. Die Fehlbildungen betreffen hauptsächlich das zentrale Nervensystem und die Nieren; ferner waren multiple Anomalien und Spaltbildungen häufig.

"Wir fordern eine Ächtung des Einsatzes von Weißem Phosphor und appellieren erneut an die Bundesregierung, sich für ein Verbot dieser Waffen einzusetzen", erklärt der IPPNW-Vorsitzende Matthias Jochheim. Der Einsatz von Brandwaffen gegen Zivilpersonen ist entsprechend dem Verbot von unterschiedslosen Angriffen in den Zusatzprotokollen von 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949 verboten, nicht jedoch ihr Einsatz im Allgemeinen. Israel und die USA haben das Zusatzprotokoll bisher nicht ratifiziert. Im Goldstone-Bericht vom 15. September 2009 wurde der Einsatz von Phosphormunition gegen Zivilisten durch israelische Streitkräfte im Gazakrieg 2008/2009 kritisiert.

Umstritten ist, ob Phosphorbomben wegen ihrer Giftigkeit auch als chemische Waffe anzusehen sind, deren Einsatz gegen die Chemiewaffenkonvention verstoßen würde. Andere Kritiker sehen zudem einen Verstoß nach Artikel 35 des ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen. Danach ist es verboten, Waffen, Geschosse und Material sowie Methoden der Kriegführung zu verwenden, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen. Aus Sicht der IPPNW sind die medizinischen Folgen des Einsatzes von Weißen Phosphor so inhuman, dass die Ärzteorganisation sich für ein generelles Einsatzverbot ausspricht.


Die Studie "Birth Defects in Gaza: Prevalence, Types, Familiarity and Correlation with Environmental Factors" finden Sie unter:
http://109.168.126.122/files/Study_Birth_Defects_in_Gaza.doc

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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - vom 8. Mai 2012
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges /
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012