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FORSCHUNG/2294: Infektionsforschung - Maus mit menschlichen Abwehrkräften (idw)


Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung - 05.10.2010

Maus mit menschlichen Abwehrkräften

Neues Verfahren soll Studium und Behandlung von Krankheiten erleichtern.


Wenn gängige Medikamente nicht mehr wirken, kann der Einsatz von Antikörpern gegen den Erreger eine Alternative bieten. Antikörper aus dem Blut von Tieren, beispielsweise Mäusen, lassen sich dafür bislang nicht nutzen: Das menschliche Immunsystem erkennt sie als fremd und stößt sie ab. Wissenschaftlern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig ist jetzt in einer internationalen Kooperation ein vielversprechender Lösungsansatz gelungen: Mit Hilfe von Stammzellen brachten sie Mäuse dazu, ein Immunsystem mit menschlichen Abwehrzellen auszubilden - das auch menschliche Antikörper produziert.

Diese Immunmoleküle könnten der Erforschung und Therapie von Krankheiten des Menschen dienen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "PLoSOne".

Antikörper sind kleine Proteine, die von B-Zellen im Laufe einer Immunantwort gebildet werden. Sie binden an eingedrungene Krankheitserreger und markieren sie dadurch, so dass Fresszellen die Keime erkennen und abtöten können. "Unser Immunsystem unterscheidet zwischen fremden und körpereigenen Strukturen - das ist seine Aufgabe", sagt Professor Carlos A. Guzmán, Leiter der Abteilung "Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie" am HZI. "Leider hat das zur Folge, dass für eine Antikörpertherapie ausschließlich menschliche Antikörper in Frage kommen." In Mäusen gebildete Antikörper bekämpft das menschliche Immunsystem, indem es wiederum eigene Antikörper gegen sie produziert - eine Gefahr für den Patienten. Außerdem ist es sehr aufwändig, Antikörper aus der Maus für die Anwendung beim Menschen zu verändern oder Antikörper bildende Zellen aus Menschen zu isolieren und am Leben zu erhalten.

Um Mäuse mit einem humanen Immunsystem auszustatten, nutzten die Wissenschaftler ein bereits etabliertes Verfahren: Sie injizierten menschliche Stammzellen in junge Mäuse, die aufgrund eines schweren Gendefekts keine Immunzellen besitzen. Die Stammzellen wandern in das Knochenmark der Jungtiere, vermehren sich und bilden in den Mäusen ein menschliches Immunsystem. "Bei unseren anschließenden Untersuchungen konnten wir alle wichtigen Immunzell-Typen in den Mäusen finden", sagt Dr. Pablo Becker, Wissenschaftler in der HZI-Abteilung "Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie".

Um die Immunantwort zu untersuchen, impften die Forscher die Mäuse gegen Hepatitis B oder Tetanus. Antikörper bildende B-Zellen zeigen dabei an, wie gut und erfolgreich die Immunantwort verläuft. Die Forscher isolierten diese Zellen und behandelten sie so, dass sie auch außerhalb des Körpers in der Zellkulturschale überleben und weiterhin Antikörper produzieren. Anschließend untersuchten die Wissenschaftler die Antikörper. Das Ergebnis lässt hoffen: "Die Antikörper zeigen im Test gute Eigenschaften, müssen aber für den Einsatz beim Menschen noch verbessert werden", sagt Becker. "Damit konnten wir jedoch erstmals zeigen, dass es möglich ist, humane Antikörper aus der Maus zu gewinnen." Es sei jetzt wichtig, dieses Mausmodell noch weiter zu entwickeln, um es eines Tages für die Entwicklung von Therapien gegen Krankheiten einsetzen zu können. "In Zukunft", hofft Becker zudem, "könnten diese Mäuse dazu dienen, therapeutische Antikörper für die Klinik zu entwickeln."


Originalartikel:
Becker PD, Legrand N, van Geelen CMM, Noerder M, Huntington ND, et al. 2010.
Generation of Human Antigen-Specific Monoclonal IgM Antibodies Using Vaccinated "Human Immune System" Mice.
PLoS ONE 5(10): e13137.
doi:10.1371/journal.pone.0013137

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution129


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Dr. Bastian Dornbach, 05.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2010