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DROGEN/240: Kommentar zum Jahresbericht zum Stand der Drogenproblematik in Europa (DBDD)


Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht - 14.12.2011

Kommentar
Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel, Leiter der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD), zum Jahresbericht zum Stand der Drogenproblematik in Europa der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA)


München - Seit 2004 beobachten wir in vielen Ländern Europas eine mehr oder weniger stabile Situation im Hinblick auf den Heroinkonsum, wenngleich aus einzelnen Regionen auch Meldungen über neue Konsumentengenerationen vorliegen. Durchschnittlich kommen auf ganz Europa gerechnet zwischen zwei und zehn problematische Opioidgebraucher auf je 1000 Einwohner.

Erfreulicherweise steigt gleichzeitig die Zahl der Konsumenten, die sich einer Substitutionstherapie unterziehen, seit Jahren leicht an. Befanden sich 2004 noch 123.000 Heroinabhängige in Behandlung, kletterte deren Zahl bis 2009 auf 143.000. Die medikamentengestützte Substitution in Kombination mit psychosozialer Betreuung gilt unbestritten als die wirksamste Option für die Behandlung von Opiatabhängigen.

Dennoch sind die Zahlen kein Grund, sich auf den erzielten Erfolgen auszuruhen. Zwar steigt die Anzahl an Substituierten in Osteuropa prozentual schneller als im Westen des Kontinents. In absoluten Zahlen sind die Unterschiede jedoch weiterhin gravierend. In einigen Regionen Europas trägt die Ausweitung der Substitutionsbehandlung bei gleichzeitig unzureichender Qualitätskontrolle zudem zu einer begrenzten Verfügbarkeit von Therapieplätzen sowie der Verschreibung zu geringer Behandlungsdosen bei. Oft führt dies zu einer Ausweitung der illegalen Märkte für Substitutionsmedikamente und einer erhöhten Bereitschaft zur Selbstmedikation bzw. dem zusätzlichen Gebrauch anderer Substanzen durch die Betroffenen.

Verschärft wird das Problem z.T. durch die derzeit erschwerte Verfügbarkeit von Heroin in einigen Teilen Europas und den damit einhergehenden steigenden Preisen für die Droge. Mögliche Gründe der Verknappung liegen wohl in einer Kombination aus Ernteausfällen in Afghanistan, der Zerschlagung mehrerer großer, internationaler Händlernetzwerke durch die Ermittlungsbehörden und der Sicherstellung von Rekordmengen des Heroingrundstoffs Essigsäureanhydrid sowie großen Erfolgen beim Abfangen von Drogenlieferungen an der türkischen Ostgrenze.

Alle diese Faktoren wirken sich negativ auf das Heroinangebot und die Preisbildung in Europa aus, was u.a. auch dazu führt, dass Abhängige auf Ersatzstoffe, insbesondere Substitute ausweichen, die auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. Es ist deshalb dringend notwendig, den Sicherheitsaspekt in der Substitutionstherapie nicht zu vernachlässigen. Mittlerweile existieren verschiedene Substitutionsmittel die darüber hinaus in verschiedenen Darreichungsformen und Kombinationen angeboten werden, so dass im Gegensatz zu früher eine deutlich bessere Anpassung der Medikation an die individuelle Situation der Betroffenen gewährleistet werden kann.

Dabei sollten weder das Aufkommen neuer Drogen wie "Spice" oder Mephedron und die sich damit verändernden Konsummuster noch die relative Stabilität im Bereich der klassischen Opioidabhängigkeit dazu verleiten, die Probleme und Bedürfnisse dieser "konventionellen" Klientel zu vergessen. Hinsichtlich der mit dem Konsum verbundenen Risiken für Erkrankungen (z.B. Infektionserkrankungen wie Hepatitis oder HIV) und Sterblichkeit sind Opiatabhängige nach wie vor die am stärksten belastete Gruppe.

Kontakt:
Dr. Tim Pfeiffer-Gerschel
Parzivalstraße 25
80804 München
http://dbdd.de


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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2011