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BILDUNG/683: Auszubildende im Gesundheitswesen werden bald knapp (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7/2010

Ausbildung im Gesundheitswesen
Auszubildende sind besser als ihr Ruf und werden bald knapp

Von Jörg Feldner


Wer heute nicht im Gesundheitswesen ausgebildet wird, fehlt morgen: Heilberufe stellen sich auf einen zunehmenden Wettbewerb um den Nachwuchs ein.


Die Diskussion wird seit vielen Jahren geführt: Sind Deutschlands Schulabgänger nicht reif für das Arbeitsleben? Sind sie gar zu dumm und zu faul für eine Ausbildung? "Rund ein Viertel verlässt die allgemeinbildenden Schulen ohne ausreichende Ausbildungsreife", schrieb die Deutsche Handwerkszeitung; "Jeder zweite Schüler taugt nicht für die Lehre", hieß es in der Berliner Zeitung und Welt Online titelte kurz und knackig: "Generation kann nix".

So geht das seit Jahren; Handwerker, Sparkassen und Verwaltungen klagen, dass nicht genug geeignete Auszubildende zu bekommen seien. Stimmt das so? Oder ist jedenfalls was dran? Was heißt denn überhaupt "Ausbildungsreife"? Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat Ausbilder in Betrieben und Schulen sowie Fachleute aus Forschung, Behörden und Verbänden gefragt. Die haben übereinstimmend geantwortet, unter "Ausbildungsreife" seien die Fähigkeiten und Tugenden zu verstehen, die für alle Ausbildungsberufe wichtig seien - vom Gebäudereiniger bis zur Logopädin. Ausbildungsreif ist danach, wer zuverlässig, lernbereit, leistungsbereit, verantwortungsbewusst, konzentriert und sorgfältig ist und Stehvermögen hat; wer die Grundrechenarten und Kopfrechnen beherrscht; wer höflich, tolerant, selbstkritisch und anpassungsfähig ist - und sich von Vorgesetzten was sagen lässt. Das sind die Arbeits-, Leistungs- und Sozialtugenden, die von jedem und jeder Auszubildenden erwartet werden, egal in welchem Beruf.

Seit der ersten PISA-Studie vor zehn Jahren meint man zu wissen, dass Deutschlands Schulen mit der Entwicklung des Berufslebens nicht Schritt gehalten haben. Bestritten wird das nur noch von den jeweils gerade in der Regierungsverantwortung stehenden Bildungspolitikern, gleich welcher Partei. Die vom BIBB befragten Ausbilder wissen es besser und sagen: Seit 1990 geht es mit der schriftlichen Ausdrucksfähigkeit (das ist wichtig, um etwa einen Geschäftsbrief aufsetzen zu können), mit der Rechtschreibung und mit dem Kopfrechnen bergab. Mehr als zwei Drittel sagen weiter: Bergab geht es auch mit der Konzentrationsfähigkeit, Prozent-, Dreisatz-, Flächen- und Volumenberechnung, mit Durchhaltevermögen, Sorgfalt und Höflichkeit. - Und jetzt kommt etwas Unerwartetes. Nach gründlicher statistischer Durchleuchtung der Befragungsergebnisse zieht der BIBB-Expertenmonitor das Fazit: Schuld am Rückgang der Ausbildungsreife sind nicht in erster Linie die Schulen, sondern zunächst eine unzureichende Erziehung und Betreuung in den Familien. Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme werden anscheinend zuerst in den Familien gelernt, geübt, trainiert - und kaum woanders; und wer darin geübt ist, der hört auch in der Schule zu, wenn von Dreisatz oder Groß- und Kleinschreibung die Rede ist.

Das heißt auch: Ausbilder sehen das Problem differenzierter als Bildungspolitiker der jeweiligen Oppositionsparteien, für die immer die gerade regierenden Kultusminister an allem schuld sind. Bildungspolitiker der Opposition wollen an die Regierung gewählt werden und vermeiden es, Eltern (Familien/ Wähler) an ihre Erziehungspflichten zu erinnern; Regierungspolitiker haben oft noch größere Furcht davor, unangenehme Tatsachen beim Namen zu nennen. Anders dagegen Ausbilder, die vor keiner Wahl zittern müssen: Zu 90 Prozent fordern sie von den Eltern, diese müssten stärker

- ihren Kindern grundlegende Werte vermitteln (Arbeit ist keine Plage, sondern macht stolz),
- ihren Kindern Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit beibringen (unpünktlich bedeutet respektlos) und
- ihren Kindern vermitteln, was das Berufsleben so interessant und befriedigend macht.

Und überhaupt: Die Qualifikation von Bewerbern um Ausbildungsplätze ist nicht nur schwächer, sondern auf bestimmten Feldern sogar besser geworden, sagen Ausbilder. Grundkenntnisse in der EDV haben zugenommen, auch Grundkenntnisse in Englisch. Letzteres geht sicher auf das Guthabenkonto der Schulen, wie auch der Befund, dass Schulabgänger heute selbstsicherer und teamfähiger sind: In unseren Schulen wird heute viel weniger eingeschüchtert als früher; Gruppenarbeit und Projektunterricht sind heute anerkannt, früher galt so etwas als gehobene Drückebergerei.

Zwischenfazit: Die Ausbildungsreife hat in vieler Hinsicht abgenommen, in manchen Bereichen aber auch zugenommen. Die Lehrpläne der Schulen hinken der Komplexität der Arbeitswelt und deren ständigem Umbau zwar hinterher; aber die Erziehungsversäumnisse der Eltern wiegen viel schwerer. Kinder und Jugendliche, die sich zuhause selbst überlassen sind, lernen "Bitte" und "Danke" und "Guten Tag" und Pünktlichkeit schwerer als andere. Hans-Peter Küchenmeister, Zahnarzt in Rickling (Kreis Segeberg) und Chef des Landesverbandes der Freien Berufe in Schleswig-Holstein, bringt es auf die Formel: "Weil der Zusammenhalt in den Familien deutlich nachgelassen hat, werden im Elternhaus gerade die Tugenden nur unzureichend eingeübt, die zu den wichtigsten Aspekten der Ausbildungsreife zählen." Hier müsse sich etwas tun, ebenso bei der Verbesserung der frühkindlichen Bildung (was auch zusammenhängt mit der Situation in den Familien) und bei den schulischen Ganztagsangeboten (Kinder nachmittags nicht sich selbst überlassen) wie bei der passgenauen Berufsorientierung im Unterricht. Die Suche nach geeigneten Bewerbern kann also schwierig sein, ist aber überhaupt nicht hoffnungslos, jedenfalls nicht in den klassischen "Helferin"-Berufen, die heute Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA), Medizinische Fachangestellte (MFA) und Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) heißen.

Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, sieht seine 730 Apotheken für die Zukunft gut aufgestellt: Jährlich bis zu hundert angehende PKA erhalten einen Ausbildungsvertrag und lernen, anders als in anderen Helferin-Berufen, vor allem viel Kaumännisches und Betriebswirtschaftliches. So viel, dass nicht wenige in besser bezahlte mittlere Positionen in Drogeriemärkten und Einkaufszentren abwandern - auch deswegen, weil ihr betriebswirtschaftliches Wissen in den Ausbildungsbetrieben oft zu wenig eingesetzt wird - die Apotheken gehen zum Steuerberater. PKA ist ein Frauenberuf, mit vielen familienfreundlichen Teilzeitarbeitsplätzen und einem erfreulich ansteigenden Anteil von Frauen mit Migrationshintergrund. Die nächsthöhere berufliche Stufe (PTA, Pharmazeutisch-technische Assistentin) ist sehr gefragt, es gibt mehr Stellen als Bewerberinnen; die Fachschule in Neumünster hat gerade eine zusätzliche Klasse geschaffen. PTA sind auch bei Krankenkassen und Industrie gefragt.

Die MFA, die ehemalige Arzthelferin, wird in Schleswig-Holstein so gut ausgebildet wie sonst nur noch in Hessen. Was nicht allein an den ausbildenden Praxen, sondern auch an der Dreigliedrigkeit der Ausbildung liegt: In der Praxis bzw. vermehrt auch im Krankenhaus, in den Berufsschulen und überbetrieblich im Edmund-Christiani-Seminar (ECS) der Ärztekammer. In dieser Berufsbildungsstätte werden in jedem der drei Ausbildungsjahre alle Auszubildenden für eine Woche mit 44 Stunden in der überbetrieblichen Ausbildung unterwiesen. In dieser Zeit werden Ausbildungsinhalte trainiert, die in vielen Arztpraxen nur schwer oder gar nicht vermittelt werden können. Für Facharztpraxen, die nicht allgemeinmedizinisch orientiert sind, zum Beispiel Augenarztpraxen, werden zwei erweiterte überbetriebliche Ausbildungen von jeweils drei Tagen mit 26 Stunden durchgeführt, um eine ausreichende Übungskomponente der vermittelten Fertigkeiten zu gewährleisten. Volker Warneke, Bildungsreferent im ECS, hebt hervor: "Mit der Umstellung des Berufs von Arzthelferin auf MFA 2006 haben wir den Unterricht auch methodisch umgestellt, mit Gruppenarbeit und Handlungsorientierung kommen wir den Voraussetzungen der Schulabgängerinnen entgegen." Sodass auch das Drittel der Auszubildenden, das nur den Hauptschulabschluss vorzuweisen hat, gut zurechtkommt. Die geringe Abbrecherquote bestätigt seine Einschätzung: Von 600 im Kalenderjahr 2009 geschlossenen Ausbildungsverträgen wurden nur 47 wieder gelöst - die meisten jungen Frauen kamen jedoch mit einem Anschlussvertrag in einer anderen Praxis unter. Zum Vergleich: Es gibt Berufe, in denen nur die Hälfte der Azubis die Ausbildung durchsteht; Bäckereifachverkäuferin wird in diesem Zusammenhang genannt.

MFA ist immer noch ein Frauenberuf, aktuell 13 junge Männer haben sich für diese Ausbildung entschieden. Relativ neu und noch zu wenig bekannt ist die Möglichkeit der Ausbildung in Teilzeit, die vor allem für alleinerziehende Mütter und Menschen, die einen Angehörigen pflegen müssen, gedacht ist. Elf junge Frauen nutzen schon diese Möglichkeit, die übrigens vom Wirtschaftsministerium und den Industrie- und Handelskammern sowie den Handwerkskammern für alle Berufe ausdrücklich gefordert wird (www.ausbildung-teilzeit.de). Und die Berufsaussichten für MFA? Gut; viele verbringen ihr ganzes Berufsleben in einer Arztpraxis. Gut auch, dass viele, wenn nicht die meisten, mit Teilzeitarbeit Beruf und Familienaufgaben verbinden können. Gut auch, weil Krankenhäuser dazu übergehen, die in Dokumentation und Verwaltung gut ausgebildeten MFA auf Positionen einzustellen, die bisher von den - im Gehalt teureren - mit Pflege mehr als ausgelasteten Krankenschwestern mit übernommen werden mussten. Gut vor allem deswegen, weil es für MFA ausgesprochen vielfältige Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten gibt, gerade auch im Edmund-Christiani-Seminar der Ärztekammer.

Aktuell durchlaufen 1.400 junge Menschen in Schleswig-Holstein die drei Jahre der MFA-Ausbildung. Davon sind 1.220 bei niedergelassenen Ärzten beschäftigt (davon wiederum 550 bei Fachärzten), 88 in Krankenhäusern und 92 bei Polizei, Bundeswehr und ähnlichen Diensten. Trotz dieser eindeutigen Azubi-Zahlen ist nicht genau zu ermitteln, wie viele Arztpraxen ausbilden; als Ausbilder gemeldet sind knapp tausend Vertragsärzte; schätzungsweise beschäftigt jede ausbildende Praxis einen Azubi. Das ist sicher keine überragend hohe Ausbildungsquote. Mögliche Gründe dafür nennt der Bundesverband der Freien Berufe in seinem Ausbildungsreport 2006: In den Arztpraxen ist die Sorge, die Auszubildenden könnten im Anschluss nicht übernommen werden, Ausbildungshindernis Nummer eins. Knapp 30 Prozent der Ärzte empfinden Ausbildung als zu aufwändig und teuer. Der Grund "Wir finden keine geeigneten Bewerber" spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Der 113. Deutsche Ärztetag hat sich die besorgniserregende demografische Entwicklung für die nahe Zukunft angeschaut, mit diesem Ergebnis: "Bis 2030 wird die Anzahl der 17- bis 25-Jährigen - diejenige Gruppe also, die die Ausbildungsplatznachfrage im Wesentlichen bestimmt - von 7,7 Millionen auf 6,2 Millionen und damit um 19,7 Prozent sinken." Was tun, wenn es bald kontinuierlich weniger Berufsanfänger geben wird? Die Bundesärztekammer hat vor diesem Hintergrund im Januar 2010 ein Handlungskonzept verabschiedet, das die Länderkammern bei der Rekrutierung geeigneter Bewerberinnen unterstützen soll (www.bundesaerztekammer.de/Rekrutierungspapier). Die Planung der konkreten Umsetzung in Schleswig-Holstein ist schon weit gediehen; das reicht von verstärkter Öffentlichkeitsarbeit nach außen über mehr Ansprache der Mitglieder (z.B. Anschreiben von Ärzten, die noch nicht oder lange nicht mehr ausgebildet haben), Bestellung von ehren- und hauptamtlichen Ausbildungsberatern bis zum Begleiten von Aufstiegsfortbildungen - die komplette Liste ist wesentlich umfangreicher.

Von Gehaltsfragen ist in den Rekrutierungsplänen nicht die Rede. Dass sie bei der Berufswahl eine Rolle spielen, darf jedoch angenommen werden. Dr. Gerald Hartmann, im Vorstand der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten verantwortlich für Helferinnenfragen, thematisiert diese Fragen im Gespräch. Noch handelt es sich lediglich um seinen persönlichen Standpunkt, wenn er prognostiziert: "Wenn der Beruf der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZMF) auch künftig so gefragt bleiben will wie heute, sollten wir Arbeitgeber uns für die nächsten zehn Jahre auf jährliche Gehaltssteigerungen von etwa 2,5 Prozent einstellen." Denn auch die Zahnärztekammer kennt die demografische Entwicklung. Noch ist ZMF ein sehr gefragter, geradezu ein Modeberuf für Schülerinnen. Hartmann zur Begründung: "Die Arbeitsplätze selbst und die Bedeutung der ZMF für die Patienten - das hat was Schickes." Noch kommen auf jeden freien Ausbildungsplatz eine bis vier Bewerberinnen, jeder Ausbildungsplatz kann besetzt werden, arbeitslose ZMF gibt es so gut wie nicht. Aber die konkurrierende Sogwirkung kaufmännischer Berufe sei bereits zu spüren, regelmäßig wiederkehrend in Zeiten konjunkturellen Aufschwungs. Zahnärzte sind fleißige Ausbilder, die Hälfte bis zwei Drittel der Praxen bilden aus. Die aus den Medien geläufigen Klagen über fehlende Ausbildungsreife kann Hartmann kaum bestätigen, die auftretenden Probleme seien lösbar: "Wir stellen zunächst die praktische Arbeit im Behandlungsbereich in den Vordergrund". So ist die Ausbildung in aller Regel auch für die rund 30 Prozent Hauptschülerinnen zu schaffen. 50 bis 60 Prozent der angehenden ZMF kommen von der Realschule, rund zehn Prozent haben Abitur (und denken zum Beispiel daran, sich nach der Lehre zur Berufsschullehrerin weiterzubilden - die Besoldung ist attraktiv). Die Fachlehrer an den Berufsschulen sind heute fast ausnahmslos ausgebildete Pädagogen, Zahnärzte als Lehrer im Nebenamt gibt es kaum noch. Teilzeit-Azubis sind noch die Ausnahme, Teilzeitarbeit ist üblich.

Kommen wir zum großen Bereich Krankenpflege mit den beiden wichtigsten Berufen Gesundheits- und Krankenpfleger und Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger. In 29 der landesweit 96 Krankenhäuser werden sie ausgebildet, mit 2.036 Plätzen für die Erwachsenen- und 276 Plätzen für die Kinderkrankenpflege. Ein vom Landtag angeforderter aktueller Bericht des Sozialministeriums (Landtagsdrucksache 17/452 vom 3. Mai 2010) nennt Details. Kinderkrankenpflege wird nur noch an vier Schulen angeboten: an beiden Standorten des UK S-H, am Städtischen Krankenhaus Kiel und im Ökumenischen Bildungszentrum Flensburg (getragen von den dortigen konfessionellen Krankenhäusern). In Flensburg gibt es keine eigene Kinderkrankenpflegeschule mehr; die angehenden Kinderkrankenpflegekräfte werden zwei Jahre gemeinsam mit Azubis der Krankenpflege unterrichtet und spezialisieren sich dann im dritten Jahr. Gesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg (FDP) will die gesamte Pflegeausbildung im Land nach diesem "Flensburger Modell" umbauen, bei dem auch die Altenpfleger mit Kinder- und Erwachsenenpflegern gemeinsam die ersten beiden Drittel der Ausbildung durchlaufen. Er erhofft sich davon ein generell höheres Niveau der Ausbildung. Aus den Oppositionsfraktionen, aber auch aus der CDU, war Skepsis zu hören; es sei besser, die Pflegeberufe attraktiver zu machen, als an der Ausbildung herumzuschrauben. In diesem Zusammenhang wurde der jüngst festgelegte Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gelobt. Ob heute ein Bruttomonatslohn von 1.400 Euro ausreichen wird, junge Menschen in Scharen für einen anspruchsvollen Ausbildungsberuf zu begeistern, darf allerdings bezweifelt werden.

Die Zusammenlegung unterschiedlicher Pflegeausbildungsgänge sieht Britta Schmidt, Leiterin des Bildungszentrums am Städtischen Krankenhaus Kiel, kritisch: "Bei meinen beruflichen Erfahrungen im OP habe ich Hochachtung vor den ganz speziellen Kenntnissen und Fertigkeiten von Kinderkrankenpfleger bekommen. Die sollten nicht vom Markt verschwinden. Ein kleiner Mensch von zehn Kilogramm Gewicht ist in Behandlung und Pflege doch deutlich anders als ein ausgewachsener." In Kiel wird man auch nach Neubau und Vergrößerung des Bildungszentrums an den beiden parallelen Ausbildungen festhalten. Im Übrigen gehe die Entwicklung im Gesundheitswesen eher nicht in Richtung Vereinheitlichung der Berufe, sondern in Richtung Spezialisierung, wie man am Beispiel der OTA - Operationstechnische Angestellte - sehen könne. Als dieser Beruf 2004 eingeführt wurde, ging ein irritiertes Grummeln durch die etablierte Pflegewelt. Die OTAAusbildung (in Krankenhäusern und bei ambulanten Operateuren, ergänzt durch überbetriebliche Ausbildung am Bildungszentrum des UK S-H und in der Berufsschule am Bildungszentrum Dithmarschen in Heide) qualifiziert ohne vorangestellte Ausbildungen direkt für die Mitarbeit in einem Operationsteam - und ist heute längst akzeptiert.

Noch wird die Pflege in den Krankenhäusern zu 98 Prozent von Fachkräften, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben, geleistet - in der Altenpflege sollen es nur noch etwa 50 Prozent sein. Aber auch auf die Krankenpflegeberufe kommen Nachwuchssorgen zu. Britta Schmidt: "Wir spüren das jetzt schon, haben heute schon weniger Bewerbungen für unsere Schulen als vor sechs, sieben Jahren. Noch können wir uns die Besten aussuchen, haben drei bis vier Bewerbungen für jeden Platz, aber das waren schon mal doppelt so viele."

Jetzt, jetzt sofort, müsse man damit beginnen, das Ansehen und die Position der Krankenpflegeberufe zu heben. Die Kluft zwischen Ausbildung/Theorie und dem sehr angespannten Arbeitsalltag auf den Stationen werde von vielen Auszubildenden als "Zerreißprobe" erlebt. Trotzdem brechen deutlich weniger als zehn Prozent die Ausbildung ab. Spielen dabei fehlende Kenntnisse aus der Schule eine Rolle? "Natürlich erleben wir auch Schüler, bei denen die Prozentrechnung nicht sitzt. Aber das fangen wir auf, und wer es mit der Theorie nicht so leicht hat, kann trotzdem top am Krankenbett sein. Auch ein Abitur ist noch keine Garantie für soziale Kompetenz", sagt Schmidt. Die Berufsaussichten in der Krankenpflege sind überall bestens; die meisten werden gleich von den eigenen Häusern übernommen.

Wie könnte ein Fazit aussehen? Vielleicht so: Wer heute nicht ausgebildet wird, fehlt schon in wenigen Jahren. In der Altenpflege wird sich die Personalsituation besonders dramatisch zuspitzen, darüber ist sich die Fachwelt einig. Die Bereitschaft, auszubilden, kann besonders bei Vertragsärzten noch verbessert werden.


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7/2010 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2010/201007/h10074a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Juli 2010
63. Jahrgang, Seite 8 - 13
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2010