Deutsches Krebsforschungszentrum - 08.06.2018
"Das wurde auch höchste Zeit" - HPV-Impfung für Jungen empfohlen
Die Ständige Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts hat soeben beschlossen, die Impfung gegen krebserregende humane Papillomviren (HPV) nun auch für Jungen im Alter von 9 bis 14 Jahren zu empfehlen. Diese Empfehlung ist die Grundlage für eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen. Der Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen, Wegbereiter der HPV-Impfung, fordert bereits seit Jahren, auch die Jungen zu impfen.
Herr zur Hausen, seit der HPV-Impfstoff 2007 in Deutschland zugelassen
wurde, fordern Sie, nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen gegen HPV zu
impfen. Freuen Sie sich über die STIKO-Entscheidung?
Zur Hausen: Das wurde auch höchste Zeit! Es gibt ja schon seit langem eine ganze Reihe an zwingenden Gründen dafür, auch Jungs zu impfen: Das offensichtlichste Argument ist, dass in nahezu allen Kulturen die jungen Männer mehr Sexualpartner haben als Frauen der gleichen Altersgruppe. Damit sind Männer die wichtigsten Verbreiter der Infektion. Ich habe immer plakativ gesagt: Würden wir nur die Jungs impfen, würden wir wahrscheinlich mehr Fälle von Gebärmutterhalskrebs verhüten als mit der ausschließlichen Impfung der Mädchen!
Profitieren denn die Männer selbst auch von der Impfung?
Zur Hausen: Auf jeden Fall, denn Männer sind nicht nur die Überträger,
sondern auch die Opfer der Viren! Die Impfung schützt ja nicht nur vor
Gebärmutterhalskrebs, sondern auch vor verschiedenen anderen Krebsarten,
die auch Männer treffen können, und die durch die gleichen HPV-Typen
ausgelöst werden, etwa Mund-Rachen-Krebs oder Analkrebs. Insgesamt gehen
pro Jahr in Deutschland etwa 1.000 Krebsfälle bei Männern auf das Konto
von HPV.
Neben dem wirksamen Schutz vor Krebs kann die Impfung auch vor den
weitverbreiteten Genitalwarzen schützen, die zwar nicht lebensbedrohlich,
dafür aber sehr hartnäckig und unangenehm sind. Werden Jungen geimpft, so
profitieren außerdem auch homosexuelle Männer, die ein besonders hohes
Risiko für HPV-bedingte Krebsarten haben.
Auch bislang war der Impfstoff schon für Jungen ab neun Jahren zugelassen
- doch die Eltern mussten die Impfung selbst bezahlen. Was war die
Konsequenz?
Zur Hausen: Das hatte zur Folge, dass bislang nur ein verschwindender
Bruchteil der Jungen gegen die krebserregenden HPV geschützt ist. Ohne
eine Impfung der Jungen können wir nie eine so genannte Herdenimmunität
erreichen. Darunter versteht man eine ausreichend hohe Immunisierungsrate,
die eine weitere Ausbreitung der HPV-Infektion verhindert. Die dafür
erforderliche Impfrate unterscheidet sich je nach Krankheitserreger. Bei
HPV schätzen wir, dass etwa 85 Prozent aller Jugendlichen geimpft sein
müssen, um die Infektionskette zu durchbrechen. Doch angesichts der in
Deutschland skandalös niedrigen HPV-Impfrate von Mädchen, die gerade mal
bei 40 Prozent liegt, sind wir meilenweite von einem solchen
Gemeinschaftsschutz entfernt.
Ich kann daher nur an die Eltern aller Jungs appellieren: Nutzen Sie die
Chance und schützen Sie Ihren Sohn und seine zukünftigen Partnerinnen vor
diesen vermeidbaren Krebserkrankungen!
Gibt es inzwischen Zahlen zum Rückgang von Gebärmutterhalskrebs unter den geimpften Frauen?
Zur Hausen: Kürzlich haben finnische Kollegen die Frauen untersucht, die
im Rahmen der Zulassungsstudien die Impfung erhalten haben. Bei den
geimpften Frauen wurde kein einziger Fall von HPV-bedingten Krebsarten
festgestellt, bei den nicht geimpften Kontrollen dagegen in der erwarteten
Anzahl.
Für die Frauen, die erst nach der Markteinführung der Vakzine, also nach
2006, geimpft wurden, ist es noch immer zu früh für statistisch gesicherte
Aussagen zum Rückgang von Gebärmutterhalskrebs: Nach einer HPV-Infektion
dauert es schätzungsweise 15 bis 30 Jahre, bis eine Krebserkrankung
festgestellt werden kann. Aber der signifikante Rückgang von
behandlungspflichtigen Krebsvorstufen, aus denen mit einer hohen
Wahrscheinlichkeit Krebs entsteht, spricht eine deutliche Sprache.
Harald zur Hausen, von 1983 bis 2003 Vorstandvorsitzender des Deutschen
Krebsforschungszentrums hat mit seiner Forschung den Zusammenhang von
Viren und Gebärmutterhalskrebs belegt und damit die Grundlage für die
Entwicklung der HPV-Impfstoffe geschaffen. Dafür wurde er 2008 mit dem
Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.
Die STIKO empfiehlt für Jungen eine Nachholimpfung bis zum Alter von 17 Jahren. Die HPV-Impfempfehlung für Mädchen bleibt unverändert.
Die Empfehlung der STIKO gilt erst mit der Veröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 34/2018 des Robert-Koch Instituts. Im Anschluss an diese Veröffentlichung prüft der Gemeinsame Bundesausschuss die Kostenübernahmen durch die gesetzlichen Krankenversicherer. Eltern, die ihre Söhne umgehend impfen lassen möchten, sollten bis dahin eine mögliche Kostenübernahme direkt mit ihrer Krankenkasse besprechen.
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution386
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Krebsforschungszentrum - 08.06.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2018
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