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VORSORGE/770: Couch Potatoes riskieren Arthrose - Mehr Bewegung im Alltag hilft (idw)


Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. - 12.10.2017

Couch Potatoes riskieren Arthrose: AE rät zu mehr Bewegung im Alltag


Ob Digital Natives, Schulkinder oder Büroarbeiter: Ein sitzender Lebensstil kann Knie- und Hüftgelenksarthrosen begünstigen. Gelenkknorpel wird spröde und baut sich ab, wenn im Rahmen von Bewegung nicht regelmäßig Nährstoffe und Flüssigkeit in seine Oberfläche gepumpt werden. Schmerzhafte Arthrosen und Bewegungseinschränkungen können die Folge sein. Menschen jeden Alters sollten sich deshalb täglich ausreichend bewegen, sagt die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE). Die Fachgesellschaft möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Bewegungsmangel nicht nur Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes und Krebs begünstigt*1, sondern auch den Gelenken schaden kann.

Seit der frühindustriellen Zeit hat sich die Zahl der Arthrosen mehr als verdoppelt. Das haben Forscher in einer soeben in den "Proceedings" der National Academy of Sciences ("PNAS") veröffentlichten US-Studie herausgefunden*2. "Auch wir beobachten zunehmend mehr Arthrosen und Gelenkschäden bei unseren Patienten", sagt Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Generalsekretär der AE. Inzwischen betrifft die weltweit häufigste Gelenkerkrankung in Deutschland ein Drittel der über 60-Jährigen. Bei Arthrose bildet sich das Knorpelgrundgerüst der Gelenke irreversibel zurück. Zugleich können Knochenwucherungen um die Gelenke herum entstehen. Auch wenn noch nicht alle Risikofaktoren für diese Entwicklung erforscht sind, ist klar: "Die längere Lebensdauer, Übergewicht, aber auch Über- und Unterbeanspruchung der Gelenke gehören zu den Hauptursachen für die steigenden Zahlen", so der Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig.

Viele Menschen bewegten sich kaum noch, im Beruf wie in der Freizeit. "Vielen ist nicht klar, dass der Gelenkknorpel regelmäßige Bewegung braucht, um Nährstoffe zu erhalten", so Professor Heller. Der Grund: "Anders als der Knochen, wird der Knorpel nicht durch Blutgefäße versorgt, sondern passiv durch Gelenkflüssigkeit, die Synovia". Damit das gut funktioniert, ist regelmäßige Be- und Entlastung notwendig: Die dadurch entstehenden Pumpbewegungen arbeiten das Nährsubstrat mechanisch in den Knorpel ein. "Wer sich bewegt, füttert und schmiert sein Gelenk", so Professor Heller. Auch wenn es bereits zu Arthrosen gekommen sei, könne maßvolle Bewegung helfen, das Fortschreiten einer Arthrose zu verlangsamen. Tierexperimentelle Studien hätten gezeigt, dass dies den Knorpel zwar nicht regenerieren, wohl aber die gelartige Puffersubstanz im Knorpel aufbauen könne*3. Der Orthopäde rät hier etwa zu Gymnastik, Fahrradfahren oder gehen mit Nordic Walking-Stöcken.

Insgesamt gelte es, mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren: "Man sollte möglichst alle 30 Minuten aufstehen, viel zu Fuß gehen und Fahrrad fahren sowie Aufzüge und Rolltreppen meiden", sagt Professor Dr. med. Henning Windhagen, Präsident der AE. Und statt abends stundenlang im Fernsehsessel zu versinken, besser noch einen Spaziergang um den Block machen. "Sinnvoll sind zudem mindestens weitere 150 Minuten in der Woche gezieltes Training." Sport-Extreme wie Marathons sollte man seinem Körper jedoch nur unter Aufsicht eines Orthopäden oder Sportmediziners zumuten. Denn sie bergen besondere Risikofaktoren für Gelenke, etwa Verletzungen, Überlastung und Verschleiß. Zudem sei nicht jeder Körper für sportliche Höchstleistungen gemacht. "Auf die Dosis kommt es an", betont Windhagen, der Direktor der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) im DIAKOVERE Annastift ist.


Quellen:

*1 Keith M. Diaz, Jeff Goldsmith, Heather Greenlee, Garrett Strizich, Qibin Qi, Yasmin Mossavar-Rahmani, Denise C. Vidot, Christina Buelna, Carrie E. Brintz, Tali Elfassy, Linda C. Gallo, Martha L. Daviglus, Daniela Sotres-Alvarez, Robert C. Kaplan: Prolonged, Uninterrupted Sedentary Behavior and Glycemic Biomarkers Among US Hispanic/Latino Adults: The Hispanic Community Health Study/Study of Latinos (HCHS/SOL); Circulation, 2017; 136(11); doi.org/10.1161/CIRCULATIONAHA.116.026858

*2 Ian J. Wallacea, Steven Worthingtonb, David T. Felsonc, Robert D. Jurmaind, Kimberly T. Wrene, Heli Maijanenf, Robert J. Woodsg and Daniel E. Liebermana: Knee osteoarthritis has doubled in prevalence since the mid-20th century; Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), 114 ( 35); 9332-9336, doi: 10.1073/pnas.1703856114

*3 I. Kiviranta, M. Tammi, J. Jurvelin, A. M.Säämänen, H. J. Helminen: Moderate running exercise augments glycosaminoglycans and thickness of articular cartilage in the knee joint of young beagle dogs. J Orthop Res. 1988;6(2):188-95. DOI: 10.1002/jor.1100060205

- Die AE-Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik verfolgt als unabhängiger Verein seit 1996 das Ziel, die Lebensqualität von Patienten mit Gelenkerkrankungen und -verletzungen nachhaltig zu verbessern und deren Mobilität wieder herzustellen. Mit ihren Expertenteams aus führenden Orthopäden und Unfallchirurgen organisiert sie die Fortbildung von Ärzten und OP-Personal, entwickelt Patienteninformation und fördert den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die AE ist eine Sektion der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1739

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V., Janina
Wetzstein, Thieme-PR, 12.10.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2017

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