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MELDUNG/898: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 19.04.16 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Neues Forschungs-In-Institut der TH Köln
      "Innovative Arzneistoffe für eine alternde Gesellschaft"
→  Außergewöhnliche Organismen: Bakterien mit geomagnetischen Sensoren


Technische Hochschule Köln - 15.04.2016

Neues Forschungs-In-Institut der TH Köln "Innovative Arzneistoffe für eine alternde Gesellschaft"

Bis zu einer Million Euro über fünf Jahre erhält die TH Köln zur Gründung des neuen Forschungs-In-Instituts "Innovative Arzneistoffe für die alternde Gesellschaft" (InnovAGe) über den neuen Förderwettbewerb "FH Kompetenz" des Ministeriums für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW. Damit konnte sich die Hochschule direkt in der ersten Förderrunde des neuen Programms "FH Kompetenz" für Forscherteams mit kooperativen Promotionen mit ihrem Antrag durchsetzen. Thematisch ist InnovAGe auf die Identifizierung und Erforschung neuer Arzneistoffe für die beiden häufigsten Erkrankungen der alternden Bevölkerung in Deutschland ausgerichtet: Krebs und Neurodegeneration.

"Die beiden ausgewählten Indikationsgebiete sind von aktueller gesellschaftlicher Relevanz", erläutert Prof. Dr. Nicole Teusch, Projektsprecherin von InnovAGe. "Das neue Forschungs-In-Institut wird in einem besonderen Maße die große gesellschaftliche Herausforderung 'Gesundheit und Wohlergehen im demographischen Wandel' wissenschaftlich adressieren und somit eine wichtige Voraussetzung für Soziale Innovation, einem Kernwert der TH Köln, schaffen."

Durch den demographischen Wandel werden Krankheitshäufigkeit und Sterblichkeit insbesondere durch Krebserkrankungen und neurodegenerative Prozesse weiter zunehmen. Wenn keine geeigneten medizinischen Lösungen gefunden werden, werden diese nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch das allgemeine Wohlergehen der Gesellschaft nachhaltig belasten. InnovAGe soll innovative Lösungen für diese gesundheitsökonomisch und ethisch relevanten Herausforderungen finden und dazu beitragen, die Lebensqualität auch im höheren Alter aufrechtzuerhalten oder zumindest erheblich zu verbessern.

Das neue Forschungs-In-Institut InnovAGe wird gegründet von drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln in Kooperation mit dem Forschungsschwerpunkt Computational Intelligence plus (CIplus) der Fakultät für Informatik und Ingenieurwissenschaften der TH Köln.

Das Forscherteam von InnovAGe versteht moderne Arzneimittelforschung als disziplinen- und institutionenübergreifende Aufgabe. So bietet die Anbindung der Disziplin Computational Intelligence aus dem Bereich Informatik an die Disziplinen Medizinische Chemie, Pharmakologie und Pharmazeutische Technologie der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften ein hohes Innovationspotential. Die Zusammenarbeit eröffnet neue Möglichkeiten der computergestützten Modellierung und Optimierung von Wirkstoffen und den Aufbau einer eigenen und stetig wachsenden Wirkstoffdatenbank. "Die enge Verzahnung der involvierten Teildisziplinen im Rahmen von InnovAGe orientiert sich somit an der Wertschöpfungskette der präklinischen Arzneimittelforschung", ergänzt Prof. Dr. Sherif El Sheikh, Fachvertreter Medizinische Chemie.

"Das Forschungs-In-Institut InnovAGe wird die Forschungsstrategie der TH Köln im Sinne einer Hochschule neuen Typs signifikant und nachhaltig stärken", betont Prof. Dr. Klaus Becker, Geschäftsführender Vizepräsident der TH Köln. "Es bietet eine strategisch wichtige und wissenschaftlich attraktive Ausgangsposition für erfolgreiche naturwissenschaftliche Promotionen an der TH Köln und für disziplinen- und institutionenübergreifende Forschungsprojekte."

Entsprechend der Forschungsstrategie der TH Köln wird das Forschungs-In-Institut InnovAGe mit nationalen und internationalen Forschungspartnern zusammenarbeiten und bereits bestehende Beziehungen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Hochschulbereich und der Industrie, wie etwa mit der Bayer Healthcare AG sowie klein- und mittelständischen Unternehmen, intensivieren. Eine besonders enge und erfolgreiche Kooperation mit der Universität zu Köln besteht bereits über den gemeinsamen Masterstudiengang "Drug Discovery and Development", der zum Wintersemester 2016/2017 starten wird.

Das Antragsteller-Team des Forschungs-In-Instituts InnovAGe Aus der Fakultät für Angewandte Naturwissenschaften der TH Köln: Prof. Dr. Sherif El Sheikh (Medizinische Chemie), Prof. Dr. Richard Hirsch (Pharmazeutische Technologie) und Prof. Dr. Nicole Teusch (Pharmakologie) Aus der Fakultät für Informatik und Ingenieurwissenschaften der TH Köln: Prof. Dr. Boris Naujoks (Angewandte Mathematik und Computational Intelligence)

Insgesamt waren beim Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes NRW 33 Wettbewerbsanträge zum Förderprogramm "FH Kompetenz" eingereicht worden, von denen sieben einen Zuschlag erhielten. Der neue Förderwettbewerb unterstützt Fachhochschulen in NRW bei der Weiterentwicklung ihrer Forschungsprofile bzw. Forschungsteams mit kooperativen Promotionen.

Die TH Köln bietet Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland ein inspirierendes Lern-, Arbeits- und Forschungsumfeld in den Sozial-, Kultur-, Gesellschafts-, Ingenieur- und Naturwissenschaften. Zurzeit sind mehr als 24.000 Studierende in über 90 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Die TH Köln gestaltet Soziale Innovation - mit diesem Anspruch begegnen wir den Herausforderungen der Gesellschaft. Unser interdisziplinäres Denken und Handeln, unsere regionalen, nationalen und internationalen Aktivitäten machen uns in vielen Bereichen zur geschätzten Kooperationspartnerin und Wegbereiterin. Die TH Köln wurde 1971 als Fachhochschule Köln gegründet und zählt zu den innovativsten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution21

Quelle: Technische Hochschule Köln, Petra Schmidt-Bentum, 15.04.2016

Raute

Universität Bayreuth - 15.04.2016

Bayreuther Mikrobiologe erhält bedeutendsten europäischen Forschungspreis

Prof. Dr. Dirk Schüler, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Mikrobiologie innehat, ist vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem hochdotierten ERC Advanced Grant ausgezeichnet worden. Für ein Forschungsvorhaben, das völlig neue Wege bei der Erforschung von Organismen mit magnetischen Eigenschaften beschreitet, erhält er in den nächsten fünf Jahren rund 2,3 Millionen Euro. Der ERC Advanced Grant ist der bedeutendste europäische Forschungspreis. Er fördert exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, deren Projekte für ihre jeweiligen Forschungsgebiete zukunftsweisend sind und herausragende Erkenntnisse erwarten lassen.

Außergewöhnliche Organismen: Bakterien mit geomagnetischen Sensoren

Biomagnetismus ist ein in der Natur seltenes Phänomen, das nur bei speziellen Arten von Bakterien vorkommt. Besonders gut erforscht ist das Bakterium Magnetospirillum gryphiswaldense. Es ist im Schlamm von Gewässern zuhause und besitzt die Fähigkeit, das Magnetfeld der Erde wahrzunehmen. Zu diesem Zweck stellen seine Zellen winzige Ketten aus eisenhaltigen, würfelförmigen Magnetitkristallen her, die als Magnetosomen bezeichnet werden und als geomagnetische Sensoren dienen. Sie verhalten sich wie zelleigene Kompassnadeln und versetzen das Bakterium in die Lage, die eigenen Schwimmbewegungen entlang den Feldlinien des Erdmagnetfelds auszurichten.

Die in den Bakterienzellen angesiedelten Magnetosomen haben, verglichen mit sonstigen Zellstrukturen im Reich der Bakterien, einen ungewöhnlich komplexen molekularen Aufbau. Die daraus resultierenden Materialeigenschaften, die mit technischen Mitteln bisher nicht erzeugt werden konnten, machen sie für eine Reihe biotechnologischer und biomedizinischer Anwendungen höchst attraktiv. Allerdings ist es schwierig, die in der Natur vorkommenden Magnetbakterien im Labor zu züchten, so dass eine breitere Anwendung bisher nicht möglich war.

Ein wegweisender Forschungserfolg: die Entdeckung von Genclustern

Prof. Schüler hat die Eigenschaften und Fähigkeiten dieses außergewöhnlichen Organismus seit vielen Jahren intensiv untersucht. Diese Forschungsarbeiten, die er seit 2014 an der Universität Bayreuth fortsetzt, führten zu bahnbrechenden neuen Einblicken in die von den Bakterien geleistete Synthese der Magnetosomen. Hierbei handelt es sich um einen genetisch gesteuerten Prozess. Mehr als 30 Gene sind daran beteiligt. Sie sind in Gruppen auf bestimmten Abschnitten des Genoms platziert. Die Arbeitsgruppe von Prof. Schüler konnte einige dieser "biosynthetischen Gencluster" aus verschiedenen Bakterien identifizieren. Und mehr noch: Erstmals gelang es, für die Herstellung des Magnetosoms zuständige Gencluster in die Zellen eines fremden Organismus - nämlich in das Photosynthese betreibende Bakterium Rhodospirillum rubrum - einzuschleusen. Damit war erstmals bewiesen, dass sich eine derart komplizierte Struktur in fremden Organismen genetisch überhaupt rekonstruieren lässt.

Das Forschungsziel: ein "genetischer Baukasten" für die Magnetisierung von Organismen

An diesen Erfolg knüpft das Forschungsvorhaben an, für das Prof. Schüler jetzt einen ERC Advanced Grant erhält. Es zielt darauf ab, neue Verfahren zu erschließen und zu erproben, mit denen sich magnetische Eigenschaften in Organismen übertragen lassen, die von Natur aus überhaupt keine derartigen Eigenschaften besitzen. Die genetisch gesteuerte Biosynthese der Magnetosomen, wie sie in M. gryphiswaldense abläuft, bildet den Ausgangspunkt der geplanten Forschungsarbeiten - aber sie ist kein unveränderliches Vorbild. Im Gegenteil: Angestrebt wird ein "Redesign", das den bakteriellen Prozess der Magnetosom-Herstellung so weit vereinfacht und verkürzt, dass er auf andere Arten von Mikroorganismen übertragen werden kann, die sich im Labor einfacher vermehren lassen. "Unser Ziel ist so etwas wie ein genetischer Baukasten: Dessen Elemente sollen beliebig kombinierbar sein und sich in die Zellen verschiedener Mikroorganismen einschleusen lassen. Hier sollen sie Syntheseprozesse in Gang setzen, welche die Mikroorganismen mit zelleigenen Nanomagneten ausstatten", erklärt Prof. Schüler.

Übertragung der Magnetosomen-Herstellung auf Bakterien und Hefe

Die Bayreuther Arbeitsgruppe will diese Übertragung zunächst an Escherichia coli-Bakterien erproben, die als Prototyp für die "künstliche" Magnetisierung von Organismen dienen. E. coli lässt sich im Labor nämlich besonders einfach und in großen Mengen züchten. In einem weiteren Schritt wollen die Mikrobiologen nicht nur von M. gryphiswaldense, sondern auch von anderen magnetischen Bakterienarten lernen, die in ihren Zellen eine große Vielfalt von Nanopartikeln mit magnetischen Eigenschaften produzieren. "Unser genetischer Baukasten zur Magnetisierung von Mikroorganismen soll möglichst reichhaltig ausgestattet sein. Denn so können wir voraussichtlich ein breites Spektrum unterschiedlich strukturierter Magnetosomen produzieren, die dann voraussichtlich bessere und vielleicht sogar ganz neue Materialeigenschaften haben", so Prof. Schüler.

Langfristig soll sogar versucht werden, die genetische Information zur Herstellung von Magnetosomen in Zellorganellen höherer Organismen einzuschleusen. Prototyp ist hier die Bäckerhefe, die zu den eukaryotischen Mikroorganismen zählt. Bei diesen Forschungsarbeiten will die Arbeitsgruppe Schüler eng mit Prof. Dr. Benedikt Westermann kooperieren, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für Zellbiologie innehat und ein international führender Spezialist für Organellen von Hefen ist.

Vielversprechende Anwendungspotenziale:
Von der biomedizinischen Forschung bis zu neuen Funktionsmaterialien

Welcher Nutzen ist von der erfolgreichen Übertragung der Magnetosomen-Produktion auf fremde Bakterien zu erwarten? Die Bayreuther Mikrobiologen verweisen zunächst einmal darauf, dass dies die biotechnologische Herstellung der bisher nur begrenzt verfügbaren Magnetosomen enorm erleichtern würde. Dadurch eröffnen sich spannende Perspektiven für die Herstellung magnetischer Nanomaterialien mit neuen, maßgeschneiderten Eigenschaften. Sie können auf zahlreichen Gebieten der biomedizinischen und biotechnologischen Grundlagenforschung zum Einsatz kommen, zum Beispiel als magnetische Diagnostika oder Therapeutika. In diesem Fall dienen die magnetisierten Organismen als Rohstoff-Lieferanten für Werkstoffe, welche die Welt der Funktionsmaterialien erheblich bereichern könnten.

"Wenn es gelänge, auch höhere Organismen genetisch so zu erweitern, dass sie zelleigene Nanomagnete herstellen, dann würde dies auch ganz neue Aussichten für die 'Magnetogenetik' eröffnen - eine noch junge Forschungsrichtung, die international als vielversprechend gilt", erklärt Prof. Schüler. So ließen sich zum Beispiel genetisch magnetisierte Zellen mit Hilfe von magnetischen Feldern manipulieren und sortieren. "Besonders reizvoll wäre es, die zelleigenen Nanomagnete für die gezielte Untersuchung, Steuerung und bildliche Darstellung von Strukturen und Prozessen in lebenden Zellen zu benutzen. Damit könnte man ganz neuartige Einsichten für die biomedizinische Grundlagenforschung gewinnen", so der Bayreuther Mikrobiologe.

• Zur Person:

Prof. Dr. Dirk Schüler wurde 1964 in Magdeburg geboren. Nach einem mit Auszeichnung abgeschlossenen Biologiestudium an der Universität Greifswald promovierte er 1994 mit summa cum laude am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried und der TU München. Für seine mikrobiologische Forschungsarbeit wurde er mit Promotionspreisen der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie und der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet.

Auslandsaufenthalte als Postdoc, die sein Interesse an der Erforschung der magnetischen Bakterien verstärkten, führten ihn anschließend als Postdoc in die USA, zunächst an die Iowa State University in Ames und später an die University of California in San Diego. Von 1999 bis 2006 leitete er eine Junior-Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen; das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hatte ihm hierfür einen "BioFuture"-Preis verliehen. 2004 wurde er an der Universität Bremen im Fach Mikrobiologie habilitiert. 2006 übernahm Prof. Dr. Dirk Schüler eine Professur an der LMU München, 2014 dann schließlich die Leitung des Lehrstuhls für Mikrobiologie an der Universität Bayreuth.

Kontakt:

Prof Dr. Dirk Schüler
Lehrstuhl für Mikrobiologie
Universität Bayreuth
95447 Bayreuth
E-Mail: dirk.schueler uni-bayreuth.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution4

Quelle: Universität Bayreuth, Christian Wißler, 15.04.2016

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. April 2016

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