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MELDUNG/828: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 23.04.15 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Am UKE wollen Forscher die Schwangerschaft als Modell nutzen,
      um Wege zur Prävention und Therapie von immunologischen Erkrankungen zu finden
→  Exzellenzprojekt: Neuartige passgenaue Unterstützung für Chirurgen
→  Hoffnung für Retinitis Pigmentosa-Patienten?


Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf - 22.04.2015

Phänomen Schwangerschaft: Neue Forschergruppe im UKE wird mit 3,4 Millionen Euro gefördert

Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wollen Forscher die Schwangerschaft als Modell nutzen, um Wege zur Prävention und Therapie von immunologischen Erkrankungen zu finden. Dazu werden die Mediziner und Naturwissenschaftler in den kommenden drei Jahren von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit zunächst rund 3,4 Millionen Euro unterstützt. "Wir wollen grundsätzlich verstehen, wie die immunologische Anpassung an die Schwangerschaft medizinische Vorteile, aber auch Nachteile für Mutter und Kind nach sich zieht", erklärt die Sprecherin der neuen Klinischen Forschergruppe KFO 296, Prof. Dr. Petra Arck von der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des UKE.

Um das Kind, das zur Hälfte väterliche Gene hat, nicht als Fremdkörper abzustoßen, verändert sich während der Schwangerschaft das Immunsystem der werdenden Mutter. Mit dieser Veränderung ist für die Frauen ein höheres Infektionsrisiko verbunden. Schwangere haben schwerere Krankheitsverläufe und sterben auch häufiger an Grippe als nicht schwangere Frauen. Frauen mit Autoimmunerkrankungen wie Rheumatoide Arthritis oder Multiple Sklerose (MS) profitieren dagegen von den immunologischen Veränderungen während der Schwangerschaft: "Es gibt kein Medikament, das so wirksam wie eine Schwangerschaft die Krankheitsschübe bei MS verhindern kann", sagt Prof. Arck. "Wenn wir diese immunologischen Vorgänge verstehen, können wir vielleicht eines Tages einen Schwangerschafts-ähnlichen Zustand simulieren und damit das Fortschreiten der Krankheit verhindern."

Wie die werdende Mutter mit dem reifenden Immunsystem des Föten kommuniziert, sei ein weiterer Schwerpunk der neuen KFO 296 ("Feto maternale immune cross talk: Consequences for Maternal and Offspring's Health"), so Prof. Arck. "Man weiß, dass Medikamenteneinnahme, Infektionen oder eine erhöhte Stressbelastung der werdenden Mutter das Immunsystem der ungeborenen Kinder prägen kann. Diese Kinder haben ein höheres Risiko für immunologische Erkrankungen im späteren Leben. Warum das so ist, wollen wir herausfinden."

Klinische Forschergruppen verbinden Labor und Krankenbett

Die neue Forschergruppe umfasst 14 Ärzte und Grundlagenforscher aus verschiedenen Kliniken und Instituten des UKE und des Heinrich-Pette-Instituts. Die Frauenheilkundler, Pränatalmediziner, Immunologen und Virologen werden zudem mit nationalen und internationalen Experten zusammenarbeiten. Kooperationspartner sind das Forschungszentrum Borstel, das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, die TU Dresden sowie die University of Edinburgh in Großbritannien. Durch die DFG-Förderung können nun Forschungsvorhaben fortgeführt werden, die seit 2011 dank einer Anschubfinanzierung durch die Behörde für Wissenschaft und Forschung der Freien und Hansestadt Hamburg begonnen wurden. Von der DFG unterstützte Klinische Forschergruppen sind auf krankheits- oder patientenorientierte klinische Forschung ausgerichtet. Durch die enge Zusammenarbeit von Grundlagenforschern und Ärzten sollen sie als wissenschaftliche Arbeitsgruppen dauerhaft in klinischen Einrichtungen implementiert werden.

* Weitere Informationen zur Experimentellen Feto-Maternalen Medizin am UKE:
www.uke.de/fmm

Kontakt:
Prof. Dr. Petra Arck
Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Martinistr. 52
20246 Hamburg
E-Mail: p.arck@uke.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution347

Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Christine Trowitzsch, 22.04.2015

Raute

Universität Bremen - 22.04.2015

Exzellenzprojekt: Neuartige passgenaue Unterstützung für Chirurgen

Zukünftig sollen Chirurgen während der Eingriffe am Gehirn oder an der Leber die zum jeweiligen Zeitpunkt benötigten komplexen Informationen optimal aufbereitet zur Verfügung gestellt bekommen. "Unsere Ausgangsidee ist, dass Chirurgen während der Operation nicht alle Informationen haben, die sie brauchen", erklärt Projektleiter Ron Kikinis, Informatikprofessor an der Universität Bremen und Professor für Radiologie an der Harvard Medical School in Boston sowie Institutsleiter von Fraunhofer MEVIS. Er ist ein Pionier der computergestützten Medizin und gründete bereits 1990 in Boston das "Surgical Planning Laboratory" (SPL). "In der Creative Unit gehen wir der Frage nach, wie welche Informationen zu welchem Zeitpunkt optimal als Bilddaten während der laufenden OP zur Verfügung gestellt werden können." Um ein vertieftes Verständnis vom klinischen Workflow zu erhalten, sollen Forscher ohne medizinischen Hintergrund, beispielsweise aus der Informatik, sich nicht nur eng mit medizinischem Personal und Chirurgen austauschen, sondern auch selbst vor Ort bei Operationen am Gehirn und der Leber hospitieren.

Die Bremer Wissenschaftler kooperieren mit zwei erfahrenen klinischen Spezialisten: Dem Leberchirurgen Professor Karl Oldhafer vom Klinikum Hamburg-Barmbek und dem Gehirnchirurgen Professor Arya Nabavi vom International Neuroscience Institute (INI) in Hannover. In beiden Kliniken haben die Informatiker, Ingenieure und Naturwissenschaftler bereits live Operationen begleitet. Später sollen Ergebnisse des dreijährigen Projekts dort auf ihre praktische Tauglichkeit hin getestet werden. "Bei der Tumor-OP am Gehirn schauen die Chirurgen durch ein Mikroskop. Hier können wir womöglich ansetzen und 3D-Infos direkt einspielen, wenn sie jeweils benötigt werden", berichtet Professor Rainer Malaka vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI), der das Know-how im Bereich Interaktion einbringt. "Im OP ist alles steril, der Chirurg braucht beide Hände für den Eingriff. Wir benötigen also eine Steuerung von außerhalb des Raumes installierter Hardware über Gesten oder Sprache. Die klassischen Interfaces wie Tastatur oder Maus funktionieren hier nicht."

Professor Gabriel Zachmann, der am TZI die Arbeitsgruppe Computer Graphics leitet, hat ein erstes Arbeitspaket für die automatische Ausleuchtung bei einer Leber-OP gestartet. "Hier steht ein Team rund um den OP-Tisch und arbeitet auch stärker gemeinsam, während bei der Gehirn-OP der Chirurg allein im Fokus steht. Mehrere Menschen sind beteiligt, bewegen sich am Tisch und verdecken so mit Händen oder anderen Körperteilen den Eingriffsbereich", berichtet Zachmann. Damit es nicht immer wieder Pausen gibt, in denen die OP-Lampen nachjustiert werden müssen, soll es eine automatische Steuerung der Ausleuchtung geben. "Wir wollen das über ein Echtzeit-Tracking der Menschen und den Einbau von Motoren in die Lampen erreichen", erklärt Zachmann.

Weitere wissenschaftliche Partner in der Creative Unit sind die Professoren Christian Freksa, Leiter der Arbeitsgruppe Kognitive Systeme, und Matthias Guenther, MEVIS und Forschungsgruppe MR-Physik am Zentrum für Kognitionswissenschaften. Eingebunden in ein weltweites Netzwerk aus klinischen und akademischen Partnern entwickelt Fraunhofer MEVIS praxistaugliche Softwaresysteme für die bildgestützte Früherkennung, Diagnose und Therapie. Im Mittelpunkt stehen Krebsleiden sowie Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, des Gehirns, der Brust, der Leber und der Lunge.

* Weitere Informationen:

Universität Bremen
Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI)
Knut Köstergarten
E-Mail: koestergarten@wortpiraten.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution59

Quelle: Universität Bremen, Eberhard Scholz, 22.04.2015

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 22.04.2015

Hoffnung für Retinitis Pigmentosa-Patienten?

Neue Substanzentwicklung erhält den Sonderstatus eines Arzneimittels für seltene Krankheiten.

Unter Federführung des Forschungsinstituts für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Tübingen forscht ein Zusammenschluss aus Firmen und Wissenschaftlern mit Unterstützung der Europäischen Union in dem Verbundprojekt "DRUGSFORD"*. Ziel ist es, neue Wege für die Behandlung von erblichen Seherkrankungen zu finden. Jetzt konnte für ein Präparat die "Orphan Drug Designation"** erwirkt werden. Dies ist ein wesentlicher Schritt in der Entwicklung einer Pharmakotherapie für erbliche Netzhauterkrankungen.

Retinitis pigmentosa (RP) ist eine erblichen Erkrankung der Netzhaut von der Schätzungen zufolge alleine in Europa etwa 130.000 Personen betroffen sind. Je nach Ausprägung, leiden sie unter einer Einengung des Gesichtsfeldes und Störungen des Nacht-, Farb- und Kontrastsehens. RP lässt sich, wie andere seltene Erkrankungen der Netzhaut nicht behandeln. Sie führt schon bei jungen Menschen zu schweren Beeinträchtigungen des Sehvermögens bis hin zu vollständigem Erblinden.

Bei bestimmten seltenen Netzhauterkrankungen kommt es im Auge zum Absterben von Photorezeptoren, der sogenannten erblichen Photorezeptordegeneration. Die Ursache dafür können unterschiedliche krankheitsauslösende Mutationen sein. "Dies kann dazu führen, dass eine Therapieform für einen Patienten mit einer speziellen Mutation zwar förderlich ist, dass dieselbe Therapieform bei den meisten anderen Patienten aber versagt oder sogar schädlich ist", erklärt Dr. François Paquet-Durand, Koordinator des EU-Projektes vom Tübinger Forschungsinstitut für Augenheilkunde. Eine weitere Herausforderung ist, dass die Netzhaut durch die sogenannte "Blut-Hirn-Schranke" gegen die meisten Medikamente abgeschirmt ist.

Häufig kommt es bei RP zu einer Überaktivierung des cGMP-Signalweges, die aber durch synthetische cGMP-Analoga (zyklisches Guanosine-monophosphat) ausgeglichen werden kann. Dazu muss das cGMP-Analogon durch Verwendung von im DRUGSFORD Projekt speziell entwickelten Liposomen über die Blut-Hirn-Schranke hinweg zu den Photorezeptoren der Netzhaut gelangen.

DRUGSFORD konnte nach intensiven Prüfungen mit LP-DF003 ein cGMP-Analogon sowie eine geeignete Substanzformulierung finden, die in mehreren RP-Krankheitsmodellen zu einer erheblichen Verbesserung der Netzhautfunktion und Struktur geführt haben. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) für LP-DF003 eine Orphan Drug Designation*** erteilt.

Damit hat DRUGSFORD einen wesentlichen Schritt in Richtung einer klinischen Entwicklung von neuen Behandlungsformen für RP gemacht und dabei auch die Aussichten auf eine zukünftige kommerzielle Verwertung von LP-DF003 verbessert.

* Das DRUGSFORD Konsortium wurde 2012 gegründet und wird für drei Jahre mit nahezu fünf Millionen Euro von der Europäischen Union gefördert. Es besteht aus zwei Biotech-Firmen und drei universitären Forschungsgruppen. Die deutsche Firma BIOLOG aus Bremen ist weltweit führend in der Entwicklung von Substanzen die mit cGMP-vermittelten Signalen wechselwirken. Die holländische Firma to-BBB aus Leiden hat ein spezielles "Drug Delivery System" entwickelt, das den Substanztransport durch die Blut-Hirn-Schranke wesentlich verbessert. Die Expertise dieser beiden Firmen erlaubt es, neuartige Substanzen zu entwickeln, die über die Blut-Hirn-Schranke hinweg die Photorezeptoren erreichen können. Die drei universitären Arbeitsgruppen um Valeria Marigo aus Modena (Italien), Per Ekström aus Lund (Schweden) und François Paquet-Durand aus Tübingen haben bereits in der Vergangenheit erfolgreich an dem Thema erbliche Photorezeptordegeneration gearbeitet. Sie werden die neu entwickelten Substanzen in Kombination mit dem "Drug Delivery System" auf schützende Effekte an kranken Photorezeptoren und Netzhaut testen.

** Die sogenannte "Orphan Drug Designation" (ODD) bezieht sich auf eine spezielle Gesetzgebung für seltene Krankheiten in Europa, die eine klinische Prüfung erleichtert und für zehn Jahre einen exklusiven Marktzugang erlaubt.

*** Die Orphan Drug Designation für LP-DF003 lautet EU/3/15/1462 unter
http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/o1462.htm


Mehr Informationen zum DRUGSFORD Konsortium unter
www.drugsford.eu

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 22.04.2015

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2015

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