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MELDUNG/435: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 12.10.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Neue Ansätze in der Geweberegeneration - 3,3 Mio. Euro Startkapital für neuen Forschungsverbund
→  Studierende der Zahnmedizin zurück von Hilfseinsatz in Myanmar
→  Ein Glas voller Gene. Forscher wollen Funktion völlig unbekannter Proteine entschlüsseln


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Universität Rostock - 11.10.2011

SYNTERO erhöht die Schlagkraft der Medizinforschung in Mecklenburg-Vorpommern

Neue Ansätze in der Geweberegeneration - 3,3 Mio. Euro Startkapital für neuen Forschungsverbund

Wirtschaftsminister Jürgen Seidel hat am 7. Oktober 2011 in Rostock den offiziellen Startschuss für das bislang größte Verbundforschungsprojekt der Universität Rostock zusammen mit vier biomedizintechnischen Firmen und der Universität Greifswald gegeben. Die Unternehmen, die sich mit medizinischen Implantaten und Werkstoffen sowie der Stammzellforschung befassen, haben sich zusammen mit Forschergruppen aus den Universitäten Rostock und Greifswald im Rahmen des neuen biotechnologischen Verbundes SYNTERO zusammengeschlossen. Dieser wird vom Wirtschafsministerium aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) in Höhe von 3,3 Millionen Euro gefördert. Das Projektvolumen beläuft sich insgesamt auf 4,6 Millionen Euro.

"SYNTERO steht für eine neue Qualität in der Zusammenarbeit von Hochschulen und Unternehmen. Der Verbund bündelt das Know-how sowohl von heimischen Unternehmen in der Biomedizin als auch von hervorragenden Wissenschaftlern in diesem Bereich des Landes, um innovative neue Ansätze in der Patientenversorgung umzusetzen. SYNTERO ist die Konsequenz aus der Vorarbeit der vergangen Jahren und der richtige Weg, um in der Medizinforschung in neue Dimensionen vorzustoßen", sagte Wirtschaftsminister Jürgen Seidel. "Mir zeigt dieser Verbund, dass die Vernetzung unserer Unternehmen - untereinander, aber auch mit den Hochschulen unseres Landes gut voran gekommen ist. Vernetzung heißt Wissenstransfer, Spezialisierung und Effektivierung. Dadurch wird Spitzenleistung hervorgebracht. Das sind unabdingbare Voraussetzungen, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können".

Der Forschungsverbund will durch Zusammenführung der Expertisen von vier Unternehmen und den Universitäten Synergieeffekte schaffen und damit neue Technologien zur Geweberegeneration erschließen. Ziel des Verbundvorhabens ist es, neuartige Implantate zu entwickeln, die das umgebene Gewebe nach einer Erkrankung wie Krebs oder auch nach Unfällen zum natürlichen Wiederaufbau anregen. Dabei steht die bisher nur unzureichend erforschte Regeneration von Weich,- Fett- und Knorpelgewebe im Mittelpunkt. "Wir führen drei Spitzentechnologien unter einem Dach zusammen", machte Prof. Joachim Rychly vom federführenden Arbeitsbereich Zellbiologie an der Universität Rostock deutlich. "Die Stammzelltherapie und Nanomedizin gelten als Schlüsseltechnologien in der Regenerativen Medizin und sollen mit der Implantatbiomedizin verknüpft werden."

An dem Großprojekt (s. Überblick) sind die DOT GmbH Rostock, die micromod Partikeltechnologie GmbH Rostock, die MBP Medical Biomaterial Products GmbH Neustadt-Glewe sowie die Bioserv Analytik und Medizinprodukte GmbH Rostock beteiligt. Als klinische Partner am Universitätsklinikum Rostock sind die Orthopädische Klinik und Poliklinik, die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie und die Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie eingebunden. Untersuchungen zur Grundlagenforschung werden am Arbeitsbereich Zellbiologie der Universität Rostock und am Institut für Medizinische Biochemie und Molekularbiologie der Universität Greifswald durchgeführt.

Regenerative Medizin ist weltweiter Zukunftsmarkt

Seit mehr als zehn Jahren kooperieren die DOT GmbH Rostock und die Universität Rostock bei der Entwicklung neuer Medizinprodukte. Im SYNTERO-Verbund ist das Medizintechnikunternehmen mit über 200 Mitarbeitern der größte Industriepartner. "Implantate haben eine große Bedeutung in der Regenerativen Medizin", betonte der DOT-Geschäftsführer Prof. Hans-Georg Neumann. Allein in Deutschland werden jedes Jahr etwa 400.000 Hüft- oder Knieendoprothesen eingesetzt.

Weiterhin ist davon auszugehen, dass in Deutschland pro Jahr 270.000 arthroskopische Operationen am Gelenkknorpel oder Meniskus vorgenommen werden. Bei ca. 60 Prozent der Patienten liegt ein Knorpeldefekt vor, bei denen potenziell der Einsatz moderner Knorpelersatzkonstrukte in Frage kommt. Auf dem Gebiet der Weichgeweberegeneration erschließt sich ein weiterer großer Markt. Zum Beispiel stellen Weichgewebskorrekturen nach Tumoroperationen in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie und der plastischen Chirurgie große Anforderungen dar. "Im Verbund wollen wir vor allem Lösungen für den natürlichen Wiederaufbau von Weichgewebe finden", erklärte Neumann. "Da stehen wir noch am Anfang und sind auf ein hochwertiges Netzwerk an Grundlagenforschern und Medizintechnologen angewiesen." Durch SYNTERO werden innerhalb der Projektlaufzeit von vier Jahren in den beteiligten Unternehmen 24 Arbeitsplätze neu geschaffen. "Betrachtet man die Arbeitsplatzentwicklung der letzten Jahre in den Unternehmen, so kann man davon ausgehen, dass bei erfolgreicher Projektdurchführung weitere attraktive und wissensbasierte Arbeitsplätze entstehen", so Seidel. "Das ist eines der Hauptanliegen der Verbundforschungsförderung."

Für die EU-Förderperiode von 2007 bis 2013 stehen rund 155 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für Forschung, Entwicklung und Innovation zur Verfügung. Von 2007 bis August 2011 wurden insgesamt 105,4 Millionen Euro für 582 Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie technologieorientierte Netzwerkvorhaben bewilligt, davon 233 Verbundprojekte (66,6 Millionen Euro).


Überblick und Arbeitsschwerpunkte der Projektpartner Verbundforschungs- und Entwicklungsprojekt "SYNTERO"

I. www.uni-rostock.de (Projektleiter: Prof. Dr. Joachim Rychly, PD Dr. Kirsten Peters, Prof. Dr. Rainer Bader, Prof. Dr. Thomas Tischer, Prof. Dr. Bernhard Frerich, Prof. Dr. Hermann Lang)

Die Universität Rostock wird untersuchen, wie die Eigenschaften der eingesetzten Implantate, einschließlich der magnetischen und fluoreszierenden Partikel, die Körperstammzellen regulieren. Dabei soll erforscht werden, in welchem Maße die neu zu entwickelnden Implantate geeignet sind, speziell Knochen-, Knorpel- und Weichgewebe wiederaufzubauen. Federführend ist der Arbeitsbereich Zellbiologie am Biomedizinischen Forschungszentrum der Universität Rostock.

II. www.uni-greifswald.de (Projektleiter: PD Dr. Michael Schlosser)

Im Teilprojekt der Universität Greifswald wird die Zielstellung verfolgt, neuartige Implantate hinsichtlich lokaler und systemischer Entzündungs- und Immunreaktionen nach Implantation im Tiermodell zu analysieren.

III. www.dot-coating.de (Geschäftsführer: Prof. Hans-Georg Neumann)

Der Anteil der DOT GmbH ist die Entwicklung sowohl von "selbstauflösenden" (biodegradierbaren) Materialien als auch von Beschichtungen permanenter Implantate für den Organersatz, um neues Gewebe zu regenerieren. Wesentliche Basis ist die Verwendung von Calciumphosphaten- und -silikaten in Kombination mit natürlichen (z. B. Kollagen, Gelatine, Hydrogele, quervernetztes Serum) und synthetischen Materialien (z. B. Polymere).

Die DOT GmbH wurde 1992 als Dünnschicht- und Oberflächentechnologie GmbH in Rostock gegründet. Aktuell sind 231 Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt. Gegenstand des Unternehmens ist die Entwicklung und Anwendung von Technologien für die Oberflächenmodifizierung und Herstellung von Biomaterialien, insbesondere von Implantaten und medizinischen Instrumenten.

IV. www.mbp-gmbh.de (Geschäftsführerin: Annette Kob)

Die MBP Medical Biomaterial Products GmbH Neustadt-Glewe beschäftigt sich mit der Entwicklung von Materialien auf natürlicher Basis wie beispielsweise tierisches Kollagen aus Schweinehaut, die geeignet sind, die Regeneration von Weich- und Knorpelgewebe anzuregen. Die Medical Biomaterial Products GmbH ging 1994 aus dem pharmazeutischen Sektor des Lederwerkes "August Apfelbaum" in Neustadt-Glewe hervor. Seitdem setzt die MBP GmbH die Produktion von Kollagen und weiteren Produkten aus Schweinehaut fort und produziert daraus innovative Medizinprodukte.

V. www.bioserv.de (Geschäftsführer: Dr. Udo Meyer)

Schwerpunkt der Arbeiten der BIOSERV Analytik- und Medizinprodukte GmbH ist die Entwicklung und Herstellung synthetischer Materialien auf Basis von Hydrogelen und biologischer Materialien auf Basis quervernetzter Humanseren zur Regeneration von Weich- und Knorpelgewebe. Außerdem soll eine Stammzellbank unter aseptischen Bedingungen aufgebaut werden.

Die BIOSERV Analytik- und Medizinprodukte GmbH mit mittlerweile 33 Mitarbeitern wurde im Januar 1992 als BIO-TEC GmbH in Rostock gegründet. Das Unternehmen führt als zertifiziertes Prüflabor Untersuchungen von Lebensmitteln, Gebrauchsgegenständen, Kosmetika, Futtermitteln, Medizinprodukten und Arzneimitteln durch. Zudem ist das Unternehmen als Entwicklungslabor sowie im Bereich der aseptischen Herstellung von Arzneimitteln tätig.

VI. www.micromod.de (Geschäftsführer: Dr. Joachim Teller, Fritz Westphal)

Das Ziel der micromod Partikeltechnologie GmbH besteht in der Entwicklung von magnetisierbaren und fluoreszierenden Partikeln, die geeignet sind, mesenchymale Stammzellen für die Regeneration von Geweben zu steuern oder in vivo (im lebendigen Organismus/am Tiermodell) zu verfolgen.

Das Unternehmen wurde 1994 als micro caps Entwicklungs- und Vertriebs GmbH mit dem Ziel gegründet, Partikel mit funktionellen Eigenschaften für biochemische Anwendungen zu entwickeln. Heute produziert micromod ein umfangreiches Sortiment an funktionalen Nano- und Mikropartikeln, die u.a. als Diagnostika-Komponenten im gesamten Life-Sciences-Bereich Anwendung finden.

Sprecher des Verbundes:
DOT GmbH
Prof. Dr. H.G. Neumann
Charles-Darwin-Ring 1a
18059 Rostock
E info@dot-coating.de
www.dot-coating.de

Die Technische Assistentin Stefanie Adam begutachtet im Biomedizinischen Forschungszentrum Liposuktionsgewebe (abgesaugtes Fettgewebe), das zu Forschungszwecken eingesetzt wird.

Universität Rostock/Arbeitsbereich Zellbiologie
PD Dr. Kirsten Peters
Biomedizinisches Forschungszentrum
E kirsten.peters@med.uni-rostock.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution210

Quelle: Universität Rostock, Ingrid Rieck, 11.10.2011


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Universität Witten/Herdecke - 11.10.2011

Studierende der Zahnmedizin zurück von Hilfseinsatz in Myanmar (früheres Burma)

Zahnpflege in Schulen und Waisenhäusern/Behandlung von Zahnschäden mit mobiler Zahnarztpraxis/Burmesische Zahnärztin zu Besuch in Witten

Seit Anfang Oktober sind die vier Studierenden der Zahnmedizin Franziska Schaupp, Karen Kemna, Lea Krueger-Janson und Oskar Bunz von ihrem Hilfseinsatz in Myanmar (ehemaliges Burma) wieder zurück. Einen Monat haben sie in Schulen und Waisenhäusern Kindern das richtige Zähneputzen gezeigt, über 100 Patienten mit einer mobilen Zahnarzt-Einheit behandelt und eine Zahnärztin aus Myanmar mit nach Witten gebracht. Mya Nandar, so ihr Name, Erhält hier die Möglichkeit, europäische Standards mit denen ihres Landes zu vergleichen. Dies war bereits die dritte Reise von Studierenden der Zahnmedizin der Universität Witten/Herdecke in das asiatische Land zwischen Indien und Thailand, das 2008 von einer Sturmkatastrophe mit vielen Toten und Obdachlosen getroffen wurde.

Die Vier sind mit jeder Menge zahnmedizinischer Materialien und einer mobilen dentalen Behandlungseinheit am 5. September gestartet. Sie wurden von der Zahnärztin Mya Nandar in Empfang genommen und bei den Besuchen von Schulen und Waisenhäusern begleitet. Politische Veränderungen in Myanmar erschwerten die Vorbereitung der Reise: Nach den Neuwahlen des Parlaments 2010 galt es, neue Regularien zu beachten. So erhielten die Wittener Studierenden keine Genehmigung zur Behandlung von Patienten. "Wir waren schwer enttäuscht, dass wir dringende Fälle nicht gleich mit den örtlichen Zahnärzten behandeln durften", schildert Oskar Bunz die Empfindungen. Aber die Besuche in den Waisenhäusern der Myanmar Stiftung waren bereits fest vereinbart und so konnte das Team schon in den ersten Tagen Kindern und Jugendlichen aus zwei Waisenhäusern und einer Schule in der Nähe von Yangon die Grundlagen der Zahnpflege vermitteln und Zähne mit Fluorid behandeln.

Bei einem obligatorischen Meeting mit dem Vorsitzenden der Zahnärztekammer von Myanmar, Prof. Paing Soe, wurde eine Famulatur an der staatlichen Klinik in der neuen Hauptstadt Nay Pyi Taw vereinbart. Und dabei kamen nun die aus Deutschland mitgebrachten Materialien für Komposit-Füllungen und Frontzahn-Behandlungen doch noch zum Einsatz: Für die Mitarbeiter einer Fabrik und deren Familien wurde ein Behandlungstag anberaumt. Gemeinsam mit burmesischen Zahnärzten konnten etwa 100 Patienten mit dringenden Zahnproblemen behandelt werden. "Es ist toll zu sehen, wie glücklich die Patienten sind, wenn sie wieder ungezwungen lächeln können, weil man einen Frontzahn wieder hergestellt hat", beschreibt Lea Krueger-Janson die beidseitige Zufriedenheit nach der Arbeit.

Danach ging es tief in das hügelige Landesinnere. "Das letzte Wegstück zu einer der Dorfschulen war nur zu Fuß zu bewältigen" berichtet Franziska Schaupp. Zusammen mit dem Handpuppen-Krokodil Joe und den mitgebrachten Zahnbürsten sowie Zahnpasta gelang es von Anfang an leicht, das Zähneputzen mit Spaß und Freude zu vermitteln. Die Tour ging weiter zum größten Süßwasser-See des Landes, dem Inle-Lake und per Boot zu einer Schule mit 60 Kindern. "Myanmar mit seinen vielseitigen Landschaften hat mich tief beeindruckt," erzählt Karen Kemna, "aber wir konnten auch bereits Erfolge der früheren Reisen unserer Kommilitonen feststellen: In den drei Waisenhäusern der Myanmar Stiftung in der Region von Bagan gingen die Kinder schon routiniert mit der Zahnbürste um und auch über gesunde Ernährung wussten sie Bescheid." Nun überlegen die Studierenden, wie sie die Schulen und Waisenhäuser regelmäßig mit frischen Zahnbürsten und anderen Materialen versorgen können.

Ein weiterer Erfolg: Mit eingeworbenen Spenden konnten Sie ihre Projektbetreuerin Dr. Mya Nandar für einen Monat nach Deutschland einladen. "In Myanmar lernen alle Zahnärzte die Techniken und Behandlungsschritte wie wir in Deutschland, aber sie haben oft nicht die Materialien und die Ausstattung, um die Patienten auch so zu behandeln", schildert Oskar Bunz die Lage in Myanmar.

Weitere Informationen bei
Oskar Bunz
oskar.bunz@uni-wh.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image153048
Handpuppe "Krokodil Joe" bei der Arbeit

Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 1.300 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsbildung.
Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution226

Quelle: Universität Witten/Herdecke, Kay Gropp, 11.10.2011


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Ruhr-Universitaet Bochum - 11.10.2011

Ein Glas voller Gene

- ERC-Starting-Grant für neue Form der Genomanalyse
- RUB-Forscher wollen Funktion völlig unbekannter Proteine entschlüsseln

In einem Glas Meerwasser haben Forscher hunderttausende Gene gefunden, deren Funktion zum Teil vollständig unbekannt ist. Ihr Geheimnis zu lüften, ist Ziel des neuen Projekts von Jun.-Prof. Dr. Lars Leichert vom Medizinischen Proteom-Center der RUB. Für sein Forschungsvorhaben erhält der Bochumer Wissenschaftler den mit 1,5 Millionen Euro dotierten "Starting Grant" des European Research Council. "Wir verfolgen einen komplett neuen Ansatz, da wir zum ersten Mal gezielt nach der Funktion von ganzen Proteinfamilien suchen wollen", erklärt Leichert. "Wir testen zum Beispiel, ob die Proteine aus dem Meerwasser für die Industrie interessant sind, etwa für die Herstellung von Biosprit oder Waschmitteln." Die Förderdauer des Projekts ("Functional metagenomics - Harnessing the biotechnological potential of completely novel protein families") beträgt fünf Jahre.

Proteine auf industrielle Tauglichkeit testen

Die Genomdaten, mit denen Leichert arbeitet, entstammen Craig Venters "Global Ocean Sampling"-Projekt. "Im Meerwasser wurden insgesamt über 17 Millionen Gene gefunden und 20 % sind vollkommen neu", so Leichert. "Wir wissen nicht, aus welchem Organismus sie stammen oder welche Funktion sie haben, denn sie ähneln keinen anderen Genen, die wir kennen." Die Bochumer Wissenschaftler wollen nun eine sogenannte Expressionsbibliothek erstellen. Dazu bringen sie jeweils eins der unbekannten Gene in das Bakterium E.coli ein, wo es abgelesen und in ein Protein übersetzt wird. Mit einer Reihe von Standardtests (kolorimetrische Essays) untersucht Leicherts Team dann, ob das Protein bestimmte biotechnologisch interessante Eigenschaften besitzt, z.B. Fette oder Zellulose spalten kann.

Schwimmfähigkeit verrät Proteinfunktion

Aus dem riesigen Datenpool haben die Wissenschaftler über 1300 Proteinfamilien ausgesucht, von denen sie jeweils ein repräsentatives Mitglied testen. Sie suchen dabei nicht nur nach industriell anwendbaren Enzymen, sondern auch nach sogenannten Oxidoreduktasen. Diese Enzyme schützen die Zelle vor schädlichen Sauerstoffspezies, die u. a. Alterungsprozesse auslösen. Um sie unter den unbekannten Proteinen ausfindig zu machen, nutzen die Bochumer einen E. coli-Stamm, der keine eigenen Oxidoreduktasen herstellt. Bakterien mit einer solchen Mutation können nicht schwimmen, da die Oxidoreduktasen für die Entwicklung einer funktionstüchtigen Schwimmgeißel notwendig sind. Wenn die Forscher nun ein unbekanntes Protein in die Bakterien einbauen und diese anschließend wieder schwimmen, ist klar, dass es sich bei dem Protein um eine Oxidoreduktase handeln muss.

Zukunftsmusik

"Als ultimatives Ziel sehe ich es an, eine Klonbibliothek herzustellen, also eine Reihe von Bakterien, die jeweils eins der unbekannten Gene enthalten. Das könnte auch für viele andere Forscher interessant sein, die diese Gene auf bestimmte Enzymaktivitäten testen wollen", beschreibt Leichert. "Wir vermuten auch, dass viele der unbekannten Proteine eine völlig neue Struktur besitzen. Es wäre sehr interessant, sie zu kristallisieren, um die Struktur aufzuklären. Aber das ist noch Zukunftsmusik."

Vita von Prof. Leichert

Lars Leichert studierte Biochemie an der Ernst-Moritz-Arndt Universität in Greifswald, wo er im Jahr 2005 nach einem mehrjährigen Forschungsaufenthalt in Michigan seine Promotion abschloss. Nach weiteren zwei Jahren als Postdoktorand in Michigan kam Lars Leichert, gefördert durch das NRW-Rückkehrerprogramm, zur Ruhr-Universität Bochum, wo er seit 2008 Junior-Professor am Medizinischen Proteom-Center ist und die AG Redox-Proteomics leitet. Das European Research Council vergibt die ERC Starting Grants an herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für den Auf- oder Ausbau eines eigenen Forschungsteams und die Entwicklung eines unabhängigen neuen Forschungsprojekts.

Weitere Informationen
Jun.-Prof. Dr. Lars Leichert
Medizinisches Proteom-Center
Ruhr Universität Bochum
lars.leichert@rub.de

Angeklickt
Medizinisches Proteom-Center:
http://www.medizinisches-proteom-center.de/

Redaktion:
Dr. Julia Weiler

Dr. Josef Koenig RUB
Ruhr-Universitaet Bochum
Pressestelle
44780 Bochum
Tel: + 49 234 32-22830, -23930
Fax: + 49 234 32-14136

Quelle: Ruhr-Universitaet Bochum, Dr. Josef Koenig, Bochum, 11.10.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2011