Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

MELDUNG/381: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 13.07.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Brustkrebs: Chemokine aktivieren als Lockstoffe im Tumorgewebe die körpereigene Immunabwehr
→  Dem Timothy-Syndrom auf der Spur


*


Wilhelm Sander-Stiftung - 12.07.2011

Brustkrebs - Chemokine aktivieren als Lockstoffe im Tumorgewebe die körpereigene Immunabwehr

Chemokine sind Botenstoffe, die Immunzellen zum Tumor locken können, damit diese das entartete Gewebe angreifen. Die Überlebenschance bei Brustkrebs ließe sich vermutlich erhöhen, wenn es gelänge, bestimmte Chemokine im Tumorgewebe in großer Konzentration anzusiedeln. Die Arbeitsgruppe um Dr. Holger Bronger und Prof. Dr. Manfred Schmitt an der Frauenklinik des Klinikums rechts der Isar untersucht in einem gemeinsamen Projekt mit dem Pathologischen Institut der TU München die molekularen Grundlagen der Bildung von CXCR3-Chemokinen im Brustkrebs. Ziel ist es, durch geeignete Medikamente deren Konzentration im Tumor zu erhöhen und dadurch das Immunsystem im Kampf gegen Brustkrebs zu stärken.

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Studien bestätigt, dass ein vermehrtes Eindringen bestimmter Untergruppen von Lymphozyten ins Tumorgewebe den Therapieerfolg verbessert und zu einem längeren Überleben der Patienten führt. Mausexperimente zeigen darüber hinaus, dass Botenstoffe, sogenannte Chemokine, die Wanderung der Lymphozyten unterstützen. Erhöht man die Konzentration dieser Chemokine, so kann mithilfe des körpereigenen Immunsystems das Wachstum von Tumoren gebremst werden. Bei Brustkrebs sind es die Chemokine CXCL9 und CXCL10, die zu einer besseren Prognose führen.

Die Funktion und Regulation dieser Moleküle ist bisher nur sehr unzureichend untersucht worden. Die Arbeitsgruppe um Dr. Bronger und Professor Schmitt konnte jedoch bereits zeigen, dass die Botenstoffe durch die Brustkrebszellen selbst produziert werden - vorausgesetzt, sie erhalten die richtigen Signale.

Ziel eines von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojektes ist es, diejenigen Mechanismen zu untersuchen, die in der Brustkrebszelle zur Ausschüttung von CXCL9 oder CXCL10 führen. Dadurch wollen die Mediziner Ansatzpunkte zur Entwicklung einer Therapie ausfindig machen. Die könnte etwa durch Unterstützung geeigneter Medikamente die Wanderung der Immunzellen in den Tumor fördern. Zusätzlich wollen die Mediziner prüfen, ob die körpereigene Produktion der beiden Chemokine in den Krebszellen der Patientinnen im Vornherein eine Aussage darüber erlaubt, wie hoch die Erfolgsaussichten bestimmter Therapien ist.

Kontakt:
Dr. Holger Bronger
Frauenklinik des Klinikums rechts der Isar
Technische Universität München
holger.bronger@lrz.tum.de

Der Projektleiter arbeitet als Assistenzarzt in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der TU München unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Marion Kiechle und leitet eine Arbeitsgruppe innerhalb der Klinischen Forschergruppe der Frauenklinik (Leiter: Prof. Dr. Manfred Schmitt).

Die Wilhelm Sander-Stiftung
fördert dieses Forschungsprojekt mit rund 200.000 Euro. Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution890

Quelle: Wilhelm Sander-Stiftung, Sylvia Kloberdanz, 12.07.2011


*


Universität Wien - 12.07.2011

Dem Timothy-Syndrom auf der Spur

Im menschlichen Erbgut gibt es 243 spannungsgesteuerte Ionenkanäle. Mutationen an den dazu zählenden Calciumkanälen können zu Erbkrankheiten wie Migräne, Nachtblindheit oder dem mit Autismus und Herzrhythmusstörungen einhergehenden Timothy-Syndrom führen. Katrin Depil und Anna Stary-Weinzinger erforschen mit KollegInnen am Department für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien die Veränderungen an Calciumkanälen, die beim Timothy-Syndrom auftreten. Sie publizieren dazu aktuell in der Fachzeitschrift "Journal of Biological Chemistry".

Ionenkanäle sind Membranproteine, über die Kalium, Natrium und Calcium geleitet werden. Sie steuern elektrische Signale im Nervensystem, verursachen die Freisetzung von Neurotransmittern und sind für das Schlagen des Herzens und die Bewegung der Skelettmuskulatur verantwortlich. Zu den Ionenkanälen gehören die spannungsgesteuerten Calciumkanäle, die sich bei Veränderungen der Membranspannung öffnen und schließen. Diese Öffnungs- und Schließmechanismen der Membranporen sind bislang weitgehend unerforscht. Bekannt ist aber, dass Mutationen die Mechanismen empfindlich stören können und infolge dessen sogenannte "Kanalerkrankungen" entstehen.

Lebensbedrohliche Erkrankung

Eine davon ist das lebensbedrohende Timothy-Syndrom, dem zwei Mutationen (G402S und G406R) im spannungsabhängigen Calciumkanal Cav1.2 zugrunde liegen. Dabei verursacht der Austausch der Aminosäuren in der Kanalpore neurologische Störungen, Autismus, schwere Herzrhythmusstörungen sowie Fehlbildungen, u.a. im Kieferbereich. "Durch die Punktmutationen bleiben die Kanäle länger offen und die Zellen werden mit Calcium förmlich überflutet, was letztendlich zu den vielfältigen Störungen führt", erklärt Steffen Hering, Vorstand des Departments für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Wien.

Destabilisierung der geschlossenen Pore

Katrin Depil und Anna Stary-Weinzinger, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen des Departments, forschen schwerpunktmäßig zu spannungsgesteuerten Calciumkanälen. In der Fachzeitschrift "Journal of Biological Chemistry" beschreiben sie mit weiteren AutorInnen, dass die Timothy-Mutation in einem stark konservierten Strukturmotiv in der Kanalpore auftritt, welches aus kleinen Aminosäuren besteht - Glycinen (G) und Alaninen (A), das "G/A/G/A-Motiv". Der Einbau größerer Aminosäuren, deren Seitenketten nicht wasserlöslich sind, beeinflusste die Kanalöffnungen am stärksten. "Wir gehen davon aus, dass die kleinen Aminosäuren des G/A/G/A-Motivs essenziell für das Abdichten des Kanals sind, während Aminosäuren mit größeren fettlöslichen Seitenketten das Schließen des Kanals behindern. Die Timothy-Mutation führt zu einer Destabilisierung der geschlossenen Pore, weshalb der Kanal sich leichter öffnen lässt", sagt Anna Stary-Weinzinger.

Durch systematische Mutations- und Korrelationsanalysen in spezifischen Regionen der Pore von Calciumkanälen konnte Katrin Depil bereits in ihrer laufenden Dissertation Eigenschaften von Aminosäureseitenketten bestimmen, für die das Öffnen und Schließen der Kanalpore wichtig ist. "Durch Untersuchung weiterer Interaktionen in der Porenregion möchten wir unsere Homologie-Modelle verfeinern und in absehbarer Zukunft die molekularen Ursachen der Timothy-Erkrankung sowie weiterer Kanalerkrankungen an Calciumkanälen noch besser verstehen", erörtert Katrin Depil den gegenwärtigen Stand der Forschung.

Wissenschaftlicher Kontakt
Univ.-Prof. Dr. Steffen Hering
Leiter des Departments für Pharmakologie und Toxikologie
Universität Wien
1090 Wien, Althanstraße 14
steffen.hering@univie.ac.at

Publikation
Depil K, Beyl S, Stary-Weinzinger A, Hohaus A, Timin E, Hering S. Timothy
Mutation disrupts link between activation and inactivation in CaV1.2.
In: Journal of Biological Chemistry. Jun 17, 2011 (online ahead of print).
DOI: 10.1074/jbc.M111.255273
Abstract http://www.jbc.org/content/early/2011/06/17/jbc.M111.255273

Rückfragehinweis
Mag. Alexander Dworzak
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
alexander.dworzak@univie.ac.at

Weitere Informationen finden Sie unter
http://medienportal.univie.ac.at/presse
(Medienportal der Universität Wien mit Bild in printtauglicher Auflösung)

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image146849
Interaktion des Timothy-Glycins (rot) mit fettlöslichen, großen Aminosäuren der Nachbarhelix (blau).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution84

Quelle: Universität Wien, Alexander Dworzak, 12.07.2011


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2011