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ETHIK/1064: Männlich, weiblich, anderes (Herder Korrespondenz)


Herder Korrespondenz
Monatshefte für Gesellschaft und Religion - 5/2012

Männlich, weiblich, anderes
Deutscher Ethikrat nimmt Stellung zur Intersexualität

Von Johannes Reiter



Jedes Jahr kommen in Deutschland einige Hundert intersexuelle Kinder auf die Welt. Die Vorstellung, man könne deren Geschlecht operativ festlegen, führt in einer Vielzahl von Fällen zu genitalangleichenden Eingriffen nach der Geburt. Eine Auseinandersetzung mit den damit einhergehenden Problemen blieb lange aus. Der Deutsche Ethikrat hat nunmehr eine umfangreiche Stellungnahme vorgelegt.

Der Deutsche Ethikrat stellte am 23. Februar 2012 seine im Auftrag der Bundesregierung erarbeitete Stellungnahme zur Situation intersexueller Menschen vor. Darin gibt er auf 200 Seiten einen Überblick über die Situation von Intersexuellen sowie Empfehlungen zur medizinischen Behandlung und zum Personenstandsrecht. Hintergrund dieses Auftrages an den Ethikrat ist die Aufforderung des UN-Ausschusses zur Überwachung des internationalen Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) an die deutsche Bundesregierung, in einen Dialog mit intersexuellen Menschen zu treten und Maßnahmen zum Schutz ihrer Menschenrechte zu ergreifen. Im Vorfeld hatte der Ethikrat bereits im Juni 2010 ein "Forum Bioethik" und im Juni 2011 eine öffentliche Anhörung durchgeführt, ebenso einen "Online-Diskurs Intersexualität" und eine Sachverständigenbefragung (vgl. [1]).


Die meisten kennen das Phänomen aus der Berichterstattung über die südafrikanische Mittelstreckenläuferin Caster Semenya. Diese geriet 2009 bei den Weltmeisterschaften in den Verdacht, keine Frau zu sein, woraufhin man ihr die Goldmedaille aberkannte. Länger zurück liegt der Fall der ehemaligen österreichischen Skirennläuferin Erika Schinegger, die 1968 die Goldmedaille in der Skiabfahrt der Frauen errang, jedoch die Geschlechtsüberprüfung nicht bestand und aus dem Sport ausscheiden musste (Stellungnahme 10, 54).

Hermaphroditen oder auch Zwitter hat man früher diese Menschen benannt, deren Geschlecht nicht eindeutig festzustellen war. Sie kommen sowohl in den Mythen der Ureinwohner Amerikas und um den nördlichen Polarkreis vor als auch in der griechischen Mythologie. Der Seher Teiresias war erst Mann, dann Frau und dann wieder Mann. Hermaphroditen trugen sogar göttliche Züge, weil sie die Eigenschaften der Götter Hermes und Aphrodite in sich vereinten. Weil die Begriffe heute stigmatisierend wirken, gebraucht der Ethikrat den zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Begriff "Intersexualität".

Aber auch dieser Begriff ist weder eindeutig noch unstrittig (Stellungnahme 11). "Die Bezeichnung Intersexualität bezieht sich auf Menschen, die sich aufgrund von körperlichen Besonderheiten nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen (...). Der Begriff Intersexualität, manchmal auch durch Intergeschlechtigkeit oder Zwischengeschlechtigkeit ersetzt, lässt offen, ob es sich um ein drittes Geschlecht handelt oder ob die Zuordnung nur nicht festgelegt oder festlegbar ist" (Stellungnahme 11).

Intersexualität hat nichts mit Transsexualität zu tun. Transsexuelle sind eindeutig in einem männlichen oder weiblichen Körper geboren, fühlen sich jedoch psychologisch in jeder Hinsicht dem anderen Geschlecht zugehörig. Viele lassen im Erwachsenenalter eine Geschlechtsanpassung durchführen.


In Deutschland leben nach Schätzungen zwischen 80.000 und 120.000 Intersexuelle, jährlich kommen zwischen 120 und 350 Kinder hinzu. Am Anfang gehören wir alle zu dieser Gruppe. Bis zur sechsten Schwangerschaftswoche trägt jeder Fötus Anlagen für beide Geschlechter in sich. Erst danach prägen die Gene ein männliches oder weibliches Wesen. Die Chromosomenpaarung XY lässt Hoden und später den Penis wachsen, ein XX-Chromosomenpaar Eierstöcke, Gebärmutter und Klitoris. Manchmal aber fehlen Chromosomen oder sind überzählig. Oder Enzyme versagen ihren Dienst, Hormone fallen aus. Ärzte zählen mehr als ein Dutzend verschiedener Syndrome, die mit dem Fachbegriff Sexualdifferenzierungsstörung oder Intersexualität bezeichnet werden.

Zu den häufigeren Störungsbildern gehören das Turner-Syndrom (Chromosomenstörung, bei der in jeder Zelle nur ein X-Chromosom vorliegt, kein zweites X- beziehungsweise auch kein Y-Chromosom) und das Klinefelter-Syndrom (Numerische Chromosomenstörung der Geschlechtschromosomen, die Männer betrifft, welche neben dem Y-Chromosom zwei X-Chromosomen tragen) mit weiblichem beziehungsweise männlichem Erscheinungsbild. Menschen mit einer Androgen-Resistenz kommen äußerlich als Mädchen zur Welt, obwohl sie männliche Erbanlagen tragen und Hoden im Körperinneren haben. Eine endgültige Diagnose ist oft nur möglich, wenn Hormone und Gene in einer Blutuntersuchung bestimmt werden. Diese wird allerdings nicht routinemäßig nach der Geburt durchgeführt, weshalb bei manchen Intersexuellen erst spät entdeckt wird, dass sie sich keinem Geschlecht eindeutig zuordnen lassen. Da bis zu hundert Störungsbilder unter dem Sammelbegriff "Intersexualität" zusammengefasst sind, ist es wichtig, dass ein in diesem Bereich erfahrener Arzt die Diagnose stellt.


Aufs Tiefste verletzt

Teilweise werden unter dem Begriff Intersexualität auch Menschen gefasst, die sich selbst nicht als intersexuell verstehen und sich sogar gegen diesen Begriff verwahren. Der Ethikrat verwendet daher in seiner Stellungnahme nicht den Begriff Intersexualität, sondern den übergeordneten und international verwendeten medizinischen Begriff "DSD". In seiner ursprünglichen Verwendung steht der Begriff zwar für "disorders of sex development" (Störung der sexuellen Entwicklung), der Ethikrat gebraucht ihn jedoch mit dem in der Debatte in Deutschland vorherrschenden Verständnis als "differences of sex development" (Unterschiede in der sexuellen Entwicklung). Mit dieser lediglich die Unterschiedlichkeit beschreibende Verwendung vermeidet der Begriff seine negative Zuschreibung im Sinne von Krankheit und Störung, auch wenn es unter der Bezeichnung DSD zweifellos einzelne Formen mit erheblichem Krankheitswert gibt. Der Begriff bleibt also auf die biologisch-medizinische Beschreibung eines körperlichen Befundes beschränkt, heißt es in der Stellungnahme (12).


Bis in das vergangene Jahrzehnt wurden mehr als 90 Prozent dieser Menschen an die Norm männlich oder weiblich angepasst, also verstümmelt. "Man entfernt alles, was scheinbar nicht zum Körper des Kindes gehört - und zwar äußere oder innere Geschlechtsteile. Oder sie werden so designt, dass sie möglichst der Norm entsprechen. Bei diesen Operationen ist sehr viel schief gegangen. Und man muss wissen: Alles, was da passiert, ist irreversibel. Was weg ist, ist weg", so Lucie Veith, Vorsitzende des Vereins "Intersexuelle Menschen", gegenüber der Tagesschau am 23. Februar 2012 (vgl. [2]). Und weiter stellt Veith fest, dass durch diese Verstümmelung viele ihr Geschlecht, ihre Identität verloren haben. "Man muss sich das mal vorstellen: Man wird mit einem Körper geboren und dieser Körper wird dann zurechtgeschnitten, es werden körperfremde Hormone zugeführt. Viele Menschen berichten darüber, dass sie ihre Sensibilität - gerade im Genitalbereich - teilweise oder komplett verloren haben. Viele sagen, dass sie Probleme haben, sich selbst anzunehmen, weil dieser konstruierte Körper nicht zu ihrer geschlechtlichen Identität passt. Das verursacht sehr viel Leid und das alles nur, damit die Gesellschaft an dem Modell der Zweigeschlechtlichkeit festhalten kann."


In welches körperliche Elend und seelische Unglück dies die Betroffenen stürzte, verdeutlichen zwei anonymisierte Berichte von intersexuellen Menschen, die der Ethikrat-Stellungnahme beigefügt sind. Eine Person wurde von Kindheit an durch Operationen und Hormonbehandlungen strikt aufs weibliche Geschlecht geprägt und litt darunter jahrzehntelang. Einer anderen Person wurden im Alter von zweieinhalb Monaten ohne medizinische Notwendigkeit die uneindeutig entwickelten Hoden entfernt. "Die durchgeführte Kastration wurde ohne Einwilligung meiner Eltern vorgenommen und sollte ihnen in der Folge verschwiegen werden (...). Ich werde (...) mein Leben lang unter den Folgen dieser menschenverachtenden Behandlung leiden. Ich bin weder Mann noch Frau, aber vor allem bin ich auch kein Zwitter mehr. Ich bleibe Flickwerk, geschaffen von Medizinern, verletzt, vernarbt. Ich muss mich neu erfinden, wenn ich weiter leben will" (Stellungnahme, 17-23).

Wird heute ein Kind mit geschlechtlichen Besonderheiten geboren, hat es gute Chancen, menschenwürdig behandelt zu werden, sofern die Eltern an die richtigen Experten geraten. Die in den fünfziger Jahren herausgebildete und noch in unserer Zeit hineinreichende Behandlungsmethode des Psychologen John Money ging davon aus, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen mehr gesellschaftlich als biologisch bedingt seien, was allerdings heute auch noch von Teilen der Feministinnen und der Genderbewegung vertreten wird. Zu seinem Behandlungskonzept gehörte es, intersexuell geborene Kinder frühestmöglich operativ an die individuelle, "optimale" Geschlechtsnorm anzupassen.

Um die Persönlichkeit des Kindes nicht zu gefährden, wurde möglichst viel verschleiert. Selbst die Eltern wurden vielfach im Ungewissen gelassen oder belogen: Ihr Kind sei nicht gänzlich entwickelt und müssen einer dementsprechenden Operation unterzogen werden (Stellungnahme 49). Erst die Chicago Consensus Conference von 2005 führte zu Änderungen im medizinischen Vorgehen, die dann später von den Selbsthilfegruppen weiter vorangetrieben wurden. Die Arbeitsgruppe "Ethik im Netzwerk Intersexualität" fordert eine "therapeutische Haltung der Offenheit und Akzeptanz". Heute legt man zunehmend Wert darauf, das Kind entsprechend seinem Alter und seiner Verständnisreife über seine Besonderheit in Kenntnis zu setzen und es darin zu bestärken. Das Grundrecht auf Selbstbestimmung muss stärker respektiert werden. Medizinische Eingriffe sollten zur Ausnahme und das Abwarten zur Regel werden.


Verbot von Genitaloperationen?

Um die Schwere der Eingriffe zu differenzieren, führt der Ethikrat in seiner Stellungnahme die Unterscheidung zwischen "geschlechtsvereindeutigenden" und "geschlechtszuordnenden" Eingriffe ein, die ethisch unterschiedlich zu bewerten sind. Mit einem vereindeutigenden Eingriff ist die Korrektur einer biochemisch-hormonellen Fehlfunktion, die potenziell einen gesundheitsschädigenden Charakter hat, gemeint. Gegebenenfalls kann auch ein operativer Eingriff zur Angleichung des äußeren Erscheinungsbildes an das genetisch und durch die inneren Geschlechtsorgane feststehende Geschlecht gemeint sein.

Demgegenüber greifen geschlechtszuordnende Interventionen sehr viel weiter in die Persönlichkeit des Kindes ein, da bei vorliegender Unbestimmbarkeit von Eltern und Ärzten entschieden wird, zu welchem Geschlecht die Zuordnung erfolgen soll. "Irreversible medizinische Maßnahmen zur Geschlechtszuordnung bei Menschen mit uneindeutigem Geschlecht stellen einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Wahrung der geschlechtlichen und sexuellen Identität und das Recht auf eine offene Zukunft und oft auch in das Recht auf Fortpflanzungsfreiheit dar. Die Entscheidung darüber ist höchstpersönlich", stellt der Ethikrat klar.

Daher empfiehlt er, dass grundsätzlich die Betroffenen selbst entscheiden sollten. "Bei noch nicht selbst entscheidungsfähigen Betroffenen sollten solche Maßnahmen nur erfolgen, wenn dies nach umfassender Abwägung aller Vor- und Nachteile des Eingriffs und seiner langfristigen Folgen aufgrund unabweisbarer Gründe des Kindeswohls erforderlich ist. Dies ist jedenfalls der Fall, wenn die Maßnahme der Abwendung einer konkreten schwerwiegenden Gefahr für die physische Gesundheit oder das Leben der Betroffenen dient", heißt es in der Stellungnahme (174).

Die Beratung, Diagnostik, Aufklärung und Behandlung von DSD-Betroffenen sollte nach Auffassung des Ethikrates nur in einem speziell dafür qualifizierten interdisziplinar zusammengesetzten Kompetenzzentrum von Ärzten und Experten aus allen betroffenen Disziplinen erfolgen. Viele DSD-Betroffene sind durch frühere (unsachgemäße) Behandlungen in ihrer personalen Identität aufs Tiefste verletzt. Sie haben Schmerzen, persönliches Leid und Einschränkungen ihrer Lebensqualität erlitten. Nach Auffassung des Ethikrates könnte ihnen durch Einrichtung eines Fonds Hilfe zukommen. Darüber hinaus sollten Selbsthilfegruppen und Verbände der DSD-Betroffenen öffentlich finanziell gefördert werden (Stellungnahme 172-176).


Am weitesten reicht wohl die Forderung des Ethikrates, intersexuellen Menschen die juristische Möglichkeit eines dritten Geschlechts zu ermöglichen. Demnach könnte künftig im Personenstandregister neben "weiblich" und "männlich" eine dritte Kategorie erlaubt sein, zum Beispiel "anderes". Der Eintrag kann auch offen bleiben, bis die betroffene Person sich selbst entschieden hat.

Nicht ganz einig ist sich der Ethikrat, mit Blick auf Ehen und Lebenspartnerschaften, wo der Staat und zum Teil die Kirchen ja geschlechtliche Eindeutigkeiten fordern: für die Ehe Mann und Frau, für Lebenspartnerschaften Mann und Mann oder Frau und Frau. Darf eine Ehe auch zwischen einer Person "anderes" und etwa einer Frau geschlossen werden? Hierfür spricht sich nur eine Minderheit des Ethikrates aus. Eine Mehrheit hingegen ist dafür, Menschen mit dem Geschlecht "anderes" die eingetragene Lebenspartnerschaft zu ermöglichen.


Drittes Geschlecht

Auf Seite 109 der Stellungnahme heißt es: "Bestimmte ethische Prinzipien als grundlegend für den gesamten Bereich der Medizin. Dazu gehören an erster Stelle die Prinzipien der Selbstbestimmung, der Fürsorge, der Leidens- und Schadensverminderung, die dem obersten ärztlichen Ziel dienen, das Wohl des Patienten zu fördern." Auch von Seiten der theologischen Ethik kann man diesem Ziel voll und ganz zustimmen. Wenn man in "Gaudium et spes" nach einem grundlegenden Leitprinzip sucht, wird man ebenfalls auf das Wohl der Person hingewiesen. In der Stellungnahme findet man ihn an zahlreichen Stellen.

Hilfreich wäre es freilich gewesen, wenn der Ethikrat den Begriff stärker reflektiert und damit den Lesern näher gebracht hätte. Zum Wohl der Person gehört all das, was ein Menschenleben wesentlich ausmacht und zur Führung einer menschlichen Existenz als grundlegend hinzugehört. Das beinhaltet vitale Grundbedürfnisse: Nahrung, Wohnung, ein Leben in Freiheit, ein gewisses Maß an sozialer Anerkennung. Zum Wohl der Person gehört, dass jemand vertrauen, glauben, hoffen und lieben kann. Dabei ist jedwede dieser Haltungen im weitesten Sinn und unter Einschluss der Dimension des Religiösen zu verstehen. Es widerspricht dem Wohl der Person, in solchen Verhältnissen leben zu müssen, die diese grundlegenden Bedürfnisse des Einzelnen nicht berücksichtigen.

Zum Wohl der Person gehört ferner das Freisein von bestimmten Einschränkungen wie auch der Anspruch auf bestimmte Erfüllungen, Leistungen, Mitwirkungsrechte, medizinische Versorgung, körperliche und seelische Gesundheit, sowie die Möglichkeit das eigene Leben gestalten zu können, nicht zuletzt durch die freie Wahl, dies in der Ehe tun zu können. Das Wohl der Person ist nicht immer das, was sie im Augenblick voranbringt, sondern was sie auf Dauer wachsen lässt oder diesem Wachsen nicht grundsätzlich im Weg steht.


Ethische Prinzipien

Der ärztliche Eingriff ist hier zu verstehen im Sinne einer Korrektur eines Fehlers, der von der Natur gemacht wurde. Man versucht dabei die Person so gut wie möglich zu dem Geschlecht zu bringen, zu dem er oder sie eigentlich gehören oder aber lässt eine Zuweisung bewusst offen. Der ärztliche Eingriff ist gerechtfertigt durch den Patienten oder die Patientin, die Hilfe suchen. Dass man dabei sich nicht allein mit der körperlichen Seite begnügen darf, sondern auch psychotherapeutische Hilfen heranziehen muss, braucht nicht eigens ausgeführt zu werden. Psychotherapeutische Maßnahmen sind unter anderem auch dann nötig, wenn die Person zu Unrecht in einer bestimmten Rolle erzogen wurde.

Die Aufnahme der Stellungnahme in der Bevölkerung war eher gering. Gleichwohl war das Thema in den Medien präsent, wobei der Schwerpunkt allerdings auf dem Thema "Drittes Geschlecht" lag. Von Seiten der Politik kamen nahezu keine Kommentare, weder zustimmend noch ablehnend. Lediglich die CSU-Landesgruppe im Bundestag gab ihre ablehnende Haltung zur Einführung eines dritten Geschlechtes kund. In den Leitmedien "Die Zeit", "Spiegel" und "Frankfurter Allgemeine Zeitung" wurde das Thema ausführlicher diskutiert.


Der Deutsche Ethikrat hat mit seiner Stellungnahme ein Tabu-Thema aufgegriffen und öffentlich gemacht. Unabhängig davon, wie man selbst zu dem Deutschen Ethikrat und seinen verschiedenen Stellungnahmen in der Vergangenheit stehen mag, muss man ihm eine sehr fachkundige Aufarbeitung und Darstellung der Thematik attestieren. Auffallend ist, dass in dieser Stellungnahme keine Sondervoten vorgelegt worden sind wie dies in allen vorhergehenden Stellungnahmen der Fall war. Den Selbsthilfegruppen ging, bei grundsätzlich positiver Würdigung, die Stellungnahme des Ethikrates nicht weit genug. Wie bei den vorherigen Stellungnahmen hatten sie vergeblich auf Empfehlungen an den Gesetzgeber gehofft.


Johannes Reiter (geb. 1944) war von 1984 bis 2009 Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Mainz. Er ist Mitglied der Internationalen Theologenkommission. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Bioethik.


Verweise: [1] www.kritischebioethik.de/23-02-12-ethikrat-intersexualitaet-stellungnahme.html
[2] www.tagesschau.de/inland/intersexualitaet100.html


LITERATUR:

- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (Hg.): Leitlinie Störungen der Geschlechtsentwicklung, 2010 [Registernummer 027/022]. Online im Internet:
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/027-0221_S1_Stoerungen_der_geschlechtsentwicklung_2010-10.pdf

- Arbeitsgruppe Ethik im Netzwerk Intersexualität "Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung": Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD. Therapeutischer Umgang mit Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung/ Intersexualität bei Kindern und Jugendlichen, in: Monatsschrift Kinderheilkunde, 156 (2008), 241-245

- Bora A., Zur Situation intersexueller Menschen. Bericht über die Online-Umfrage des Deutschen Ethikrates, Berlin 2012

- Deutscher Ethikrat, Intersexualität im Diskurs. Dokumentation, Berlin 2012

- Deutscher Ethikrat, Intersexualität. Stellungnahme, Berlin 2012

- Kolbe, A.: Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht. Eine interdisziplinäre Untersuchung. Baden-Baden 2010

- Schweizer, K. et al.: Die Hamburger Studie zur Intersexualität, ein Überblick, in: Schweizer, K.; Richter-Appelt, H. (Hg.): Intersexualität kontrovers. Grundlagen, Erfahrungen, Positionen, Gießen [im Druck]

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Quelle:
Herder Korrespondenz - Monatshefte für Gesellschaft und Religion,
66. Jahrgang, Heft 5, Mai 2012, S. 248-251
Anschrift der Redaktion:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2012