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ETHIK/1014: Treffen der Ethikräte Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens (Infobrief - Dt. Ethikrat)


Infobrief des Deutschen Ethikrates Nr. 9 - Dezember 2011 - 03/11

INTERNATIONALES

Trilaterales Treffen der Ethikräte Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens


Am 1. Dezember 2011 kamen Vertreter des Deutschen Ethikrates, des britischen Nuffield Council on Bioethics sowie des französischen Comité Consultatif National d'Éthique zu einer gemeinsamen Sitzung in London zusammen.


Zu Beginn des trilateralen Treffens tauschten sich die Vertreter der drei Ethikräte über ihre gegenwärtigen Arbeitsprogramme aus. Auf der Agenda des französischen Ethikrates stehen derzeit die Themen Neurowissenschaften, Biodiversität, Drogen und Gentests sowie ethische Fragen in Bezug auf Nabelschnurblutbanken. Zudem behandelt das Gremium das Thema Sexualität und Behinderung. Der britische Nuffield Council befasst sich mit mitochondrialen Krankheiten, neuen Entwicklungen in den Bereichen Biotechnologie und Neurotechnologie sowie mit dem Thema Gene und Erziehung. In Zukunft könnten auch die Themen Arzneimittelforschung mit Kindern, Genom-Datenbanken und Datenschutz sowie globale Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung in das Arbeitsprogramm aufgenommen werden. Der Deutsche Ethikrat erarbeitet derzeit Stellungnahmen zu den Themen "Intersexualität" sowie "Demenz und Selbstbestimmung". Darüber hinaus richtet er aufgrund eines Auftrages der Bundesregierung eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit der Zukunft der genetischen Diagnostik befassen wird. Über die Stellungnahme zum Thema "Mensch-Tier-Mischwesen in der Forschung", die der Deutsche Ethikrat im September veröffentlicht hatte (siehe Beitrag S. 1 ff.), berichtete Ratsmitglied Wolf-Michael Catenhusen.


Organ- und Gewebespende

Im Oktober erschien ein Bericht des Nuffield Councils zur Spende von Körpermaterialien für Medizin und Forschung. In England ist die Organspende nach dem Tod möglich, wenn die betreffende Person sich zu Lebzeiten ins Organspenderegister eingetragen hat oder wenn die Angehörigen ihre Zustimmung erteilen. Auch Lebendspenden sind nach ausführlicher Aufklärung und der Zustimmung des Spenders möglich. Marilyn Strathern, Vorsitzende der Arbeitsgruppe des Nuffield Councils, präsentierte die Kernpunkte des Berichts, in dem unter anderem finanzielle Anreize für Organspender vorgeschlagen werden. So könnten beispielsweise die Beerdigungskosten für Organspender übernommen oder eine Entschädigung an Frauen gezahlt werden, die Eizellen für die Forschung spenden. Der französische Ethikrat hat im April ebenfalls eine Stellungnahme zu ethischen Fragen der Organspende veröffentlicht, die Bertrand Weil vorstellte. In Frankreich wird jeder als potenzieller Organspender betrachtet, sofern er einer Organspende nicht ausdrücklich widersprochen hat. Grundlage hierfür ist eine "vermutete Einwilligung" aller Bürger zur Organspende. Spenden von lebenden Personen sind ebenfalls möglich, wobei das dazu notwendige Verfahren allerdings eine ausdrückliche Willenserklärung des potenziellen Spenders vor einem Richter vorsieht. Anschließend referierte Eckhard Nagel, Mitglied des Deutschen Ethikrates, zur aktuellen Debatte über die Transplantationsmedizin in Deutschland. Er zeigte Möglichkeiten zur Reduzierung des Organmangels auf und erläuterte das derzeit diskutierte Modell einer Äußerungspflicht zur Organspende.


Mitochondriale Erkrankungen

Der Nuffield Council erarbeitet derzeit einen Bericht zu den ethischen Aspekten einer möglichen Behandlung mitochondrialer Krankheiten. Die Mitochondrien sind für die Energiegewinnung in der Zelle verantwortlich und sind unabhängig vom Genom im Zellkern mit dreizehn Genen ausgestattet. Aufgrund ihrer zentralen Rolle für den Stoffwechsel können durch Mutationen in diesen Genen bedingte Erkrankungen praktisch jedes Organ betreffen und sich durch unterschiedliche Symptome wie Muskelschwäche, Blindheit, Leberkrankheiten oder Diabetes äußern. Da Mitochondrien immer nur über die Mutter vererbt werden, könnte die Weitergabe der Erkrankungen an die Kinder verhindert werden, wenn man im Rahmen einer künstlichen Befruchtung die Mitochondrien aus der Eizelle einer Überträgerin entfernen und durch die Mitochondrien aus der Eizelle einer gesunden Frau ersetzen würde. Allerdings stellt ein derartiges Vorgehen auch einen Eingriff in die Keimbahn dar, da die Veränderung dauerhaft an die nächste Generation weitergegeben würde. Neben der ethischen Betrachtung dieser Behandlungen ist es daher auch ein Ziel des Berichts, die öffentliche Debatte darüber zu befördern, ob ein solches Vorgehen vonseiten der Gesellschaft überhaupt gewünscht wird.


Internationale Zusammenarbeit

Die Teilnehmer stimmten überein, dass der Austausch und die Diskussion mit den Vertretern anderer Ethikräte sehr wertvoll und hilfreich sei, besonders, da es zahlreiche Themen von gemeinsamem Interesse gebe. Besonders wichtig sei der internationale Austausch in den Bereichen, in denen durch die Forschung ethische und rechtliche Fragestellungen berührt werden, wie zum Beispiel bei Humanbiobanken für die Forschung, die national jeweils unterschiedlich reguliert werden, so dass es einer Abstimmung bedarf, wie mit den unterschiedlichen Regelungen umgegangen werden soll. Die enge Zusammenarbeit der Ethikräte Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens soll daher auch weiterhin fortgesetzt werden. Der Deutsche Ethikrat lud die britischen und französischen Kollegen für das Jahr 2012 zu einem trilateralen Treffen nach Berlin ein.    (Su)


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Vertreter der Ethikräte Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens während der gemeinsamen Sitzung in London


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Quelle:
Infobrief Nr. 9 - Dezember 2011 - 03/11, Seite 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2012