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ETHIK/942: Organspende und Selbstbestimmung (1) - Editorial (APuZ)


APuZ - Aus Politik und Zeitgeschichte
20-21/2011 - 16. Mai 2011
Organspende und Selbstbestimmung

Organspende und Selbstbestimmung (1) - Editorial und Inhaltsangabe


Seit 1982 findet an jedem ersten Samstag im Juni der "Tag der Organspende" statt. Er wurde eingeführt, um die deutsche Öffentlichkeit über die Spende von Organen und die Transplantationsmedizin aufzuklären. Laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO), der Koordinierungsstelle für Organspenden in Deutschland, haben im vergangenen Jahr 1296 Menschen Organe gespendet. Die auf den ersten Blick geringe Zahl überrascht, sind laut Umfragen doch 70 Prozent der Bevölkerung bereit, nach ihrem Tod als Spender zur Verfügung zu stehen. Im selben Zeitraum warteten 12.000 Menschen auf ein "neues" Organ.

Neben der Unwissenheit darüber, wie Organe gespendet werden können, herrscht häufig große Unsicherheit im Hinblick auf medizinische und ethische Aspekte: So ist die vermeintlich einfache Frage, ab wann ein Mensch unwiderruflich tot ist und damit als Spender eines lebenswichtigen Organs infrage kommt, nicht eindeutig zu beantworten. Die Medizin unterscheidet zwischen Hirntod und Herztod. Aufgrund des medizinischen Fortschritts gibt es indes immer mehr "Zwischenformen", welche die Grenze zwischen Leben und Tod weiter zu verwischen drohen. Auch das Eigentum am und damit verbundene Kontrollrechte über den eigenen Körper sind nicht eindeutig geregelt: Während der Handel mit Organen verboten ist, kann entnommenes Körpermaterial für Forschungszwecke genutzt werden.

Angesichts der wachsenden Nachfrage nach Spenderorganen werden neben den Diskussionen um die Einführung der Widerspruchslösung (zur Erhöhung der Spendebereitschaft) auch Forschungsarbeiten zur Organzüchtung im Labor oder zum Einsatz genetisch modifizierter Tierorgane vorangetrieben. Dabei sollte mit großer Umsicht dafür gesorgt werden, dass trotz aller Fortschritte der Medizin der Respekt für die gesellschaftlich akzeptierten, hoch sensiblen ethisch-moralischen Normen gewahrt bleibt. Auch die Würde des toten Menschen ist unantastbar.

Asiye Öztürk


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Inhaltsangabe

Sabine Müller
Wie tot sind Hirntote?

Neue Erkenntnisse widerlegen die bisherige Begründung für die Gleichsetzung von Hirntod und Tod. Diskutiert werden die Abschaffung der Tote-Spender-Regel oder ein Verbot von Organentnahmen aus hirntoten Patienten.

Anna Bergmann
Organspende - tödliches Dilemma oder ethische Pflicht?

Bei der Transplantationsmedizin stehen sich widersprechende Ethiken gegenüber: die Lebensrettung durch Organspenden und die damit verbundenen Tabuüberschreitungen, die unsere Vorstellungen über Menschenwürde aus den Angeln heben.

Eckhard Nagel · Kathrin Alber · Birgitta Bayerl
Geschichte und aktuelle Fragen der Organspende

Die Widerspruchs- und Zustimmungslösung sind nur unter Beibehaltung einer transparenten Transplantationsmedizin vorstellbar. Dabei müssen medizinische, ethische und rechtliche Fragen betrachtet werden.

Christian Lenk
Mein Körper - mein Eigentum?

Die Frage, ob wir Eigentum an unserem Körper haben, würden viele intuitiv bejahen. Doch der Körper ist keine Sache wie alle anderen. Wie sollen wir mit Körpermaterialien umgehen, die aus dem menschlichen Körper entfernt werden?

Ingrid Schneider
Kann ein Organmarkt den Organmangel beheben?

Der Beitrag überprüft Modelle eines staatlich regulierten Organmarktes. Sowohl hinsichtlich der politischen und kulturellen Durchsetzbarkeit als auch der praktischen Regulierbarkeit scheinen solche Ansätze zum Scheitern verurteilt zu sein.

Ellen E. Küttel-Pritzer · Ralf R. Tönjes
Tierorgane und Gewebezüchtung als Alternativen?

Die regenerative Medizin umfasst Ansätze der Gewebereparatur und des Gewebeersatzes. Zum Einsatz kommen Verfahren der Gewebe- und Organzüchtung sowie Ersatzmaterialien von Tieren im Rahmen der Xenotransplantation.

Dominik Groß
Zum Wandel im Umgang mit der menschlichen Leiche

Veränderungen in der Bestattungskultur sind Indizien für den Wandel im Umgang mit der Leiche. Die neue Bestattungsvielfalt ist Ausdruck des Bestrebens, den persönlichen Handlungsspielraum über den Tod hinaus auszudehnen.


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Quelle:
APuZ - Aus Politik und Zeitgeschichte 20-21/2011 -
16. Mai 2011, S. 1 - 2
Schwerpunktthema: Organspende und Selbstbestimmung
Herausgeber: Bundeszentrale für politische Bildung
Adenauerallee 86, 53113 Bonn
Redaktion: Dr. Hans-Georg Golz, Dr. Asiye Öztürk
(verantwortlich für diese Ausgabe)
Telefon: 0228 / 995 15-0
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Internet: www.bpb.de/apuz

"Aus Politik und Zeitgeschichte" ist Bestandteil der Wochenzeitung "Das Parlament".
Jahresabo 25,80 Euro, für Schülerinnen und Schüler, Studierende,
Auszubildende (Nachweis erforderlich) 13,80 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2011