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DIAGNOSTIK/561: Früherkennung von Lebererkrankungen fällt vielen Hausärzten schwer (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - 22. März 2018

Früherkennung von Lebererkrankungen fällt vielen Hausärzten schwer


fzm, Stuttgart, März 2018 – Die Bestimmung der Leberwerte gehört zu den häufigsten Laboruntersuchungen in der hausärztlichen Praxis. Dennoch werden in Deutschland viele Lebererkrankungen erst spät erkannt. Eine Umfrage unter Hausärzten offenbart große Unterschiede in der Bewertung erhöhter Leberwerte, wie die Fachzeitschrift „DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2018) berichtet. Laut der Studienautoren mangelt es vor allem an einem strukturierten, evidenzbasierten Diagnose- und Behandlungspfad.

In Deutschland sterben jedes Jahr rund 21.000 Menschen infolge einer Lebererkrankung. Die häufigste Ursache ist eine Leberzirrhose, der in der Regel eine jahre- bis jahrzehntelange Schädigung der Leber vorausgeht, oft durch übermäßigen Alkoholkonsum. Ein einfacher Bluttest mit Bestimmung der Leberwerte ermöglicht eine Früherkennung. Diese Bluttests sind in Deutschland bei allen Hausärzten Routine. Dennoch wird hierzulande jede vierte Lebererkrankung erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt.

Ein Team um Professor Dr. Michael Jansky vom Zentrum für Allgemeinmedizin und Geriatrie an der Universitätsmedizin Mainz hat 391 Hausärzte in Rheinland-Pfalz und im Saarland befragt, wie sie auf erhöhte Leberwerte bei ihren Patienten reagieren. Die Analyse ist Teil eines vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderten Projekts zur Früherkennung einer Leberfibrose oder einer asymptomatischen Leberzirrhose.

Die Antworten zeigen, dass die Hausärzte bereits die Ergebnisse der Blutanalyse sehr unterschiedlich bewerten. Einige konzentrieren sich auf Werte, die in erster Linie die Funktion der Leber beurteilen. Dazu gehören Bilirubin, Blutgerinnung, Cholinesterase und Albumin. Andere achten vor allem auf eine toxische Zellschädigung. Sie wird durch einen Anstieg des Enzyms Alanin-Aminotransferase angezeigt. Eine dritte Gruppe von Ärzten hat den Wert der Gamma-GT im Auge, die eine bereits eingetretene Lebererkrankung anzeigt.

Jansky und Kollegen führen die unterschiedliche Interpretation der Laborwerte unter anderem auf das Fehlen eines strukturierten, evidenzbasierten Diagnose- und Behandlungspfads zurück. Leitlinien, wie Hausärzte die Laborwerte interpretieren sollten, könnten hier helfen. Hinzu komme, dass auch die Angebote der Labore nicht einheitlich seien. Gäbe es Vorgaben, wäre dies vermutlich auch ein Anlass für sie, ihre Portfolios stärker zu vereinheitlichen, sind die Wissenschaftler überzeugt: „Eine konsequente Ausweisung des ALT-Wertes im Rahmen des Routine-Labors ist ein wichtiger Beitrag, um zu verhindern, dass vorhandene Leberkrankheiten übersehen werden.“ Der erhöhte Wert des Enzyms Alanin-Aminotransferase (ALT) weist auf eine Schädigung der Leberzellen hin.

Aber nicht jeder erhöhte Laborwert zeigt eine chronische Schädigung der Leber an. Das wissen die Hausärzte und sprechen sich bei moderat erhöhten Werten zu 58 Prozent für ein „kontrolliertes Zuwarten“ von bis zu acht Wochen aus. Das Verhalten in der Praxis zeichnet jedoch ein anderes Bild: 37 Prozent geben an, die Patienten in der Regel nach Feststellung unklar erhöhter Leberwerte direkt zum Facharzt oder eine Spezialambulanz zu überweisen. „Dies kann als Ausdruck einer gewissen diagnostischen Unsicherheit aufgefasst werden“, bemerken die Studienautoren.

Auch in Bezug auf die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten weist die Umfrage auf Defizite hin. So gaben zwei Drittel der Hausärzte an, dass die Kollegen häufig auf lange Zeit ausgebucht seien. Landärzte beklagten sich über einen Mangel an spezialisierten internistischen Praxen. Darüber hinaus gestalte sich der interdisziplinäre Austausch schwierig, weil viele Fachärzte schlecht erreichbar seien. Auch würden die Patienten von den Spezialisten schlecht aufgeklärt, lauteten weitere Kritikpunkte.

Nach Verbesserungsvorschlägen gefragt, sprachen sich die meisten für die Einführung eines strukturierten Diagnose- und Therapiealgorithmus aus, der genau festlegt, wann und wie sie am besten auf erhöhte Leberwerte reagieren sollten. Da Lebererkrankungen oft symptomlos verlaufen, sehen 62 Prozent der Befragten zudem einen „Leber-Check“ ab dem 35. Lebensjahr als sinnvoll an. Des Weiteren wünschen sich 68 Prozent von ihnen vermehrt Fortbildungsveranstaltungen für Hausärzte zur Abklärung von Leberwerten.

M. Jansky et al.:
Abklärung von Leberwerterhöhungen in der hausärztlichen Praxis – Versorgungsrealität in Deutschland
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2018; 143 (6); e34 – e41

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Quelle:
FZMedNews - 22. März 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2018

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