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INNERE/1278: Neue Adipositas-Therapie - Barriere im Dünndarm senkt das Körpergewicht (DGE)


Deutsche Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren e.V. - Freitag, 26. März 2010

Barriere im Dünndarm senkt deutlich das Körpergewicht

Neue endoskopische Behandlung bei Adipositas


Hannover, März 2010 - Ein endoskopischer Eingriff könnte bald Menschen mit großem Übergewicht und Typ-2-Diabetes helfen, erfolgreich Gewicht zu reduzieren: Durch eine künstliche Barriere, die Ärzte über ein Endoskop im Dünndarm platzieren, wird die Aufnahme der Nahrung begrenzt. Studien zeigten den positiven Effekt der Barriere, die jederzeit wieder entfernt werden kann, auf Gewicht und Blutzuckereinstellung.

Wenn Diäten oder Medikamente nicht wirken, ist bisher eine Magenverkleinerung oder eine Darmverkürzung die letzte Möglichkeit, um das lebensbedrohliche Gewicht zu senken. Diese Operationen sind jedoch auch riskant. "Die neue Technik benötigt im Gegensatz dazu keine Bauchschnitte", betont Professor Dr. med. Jürgen Hochberger, Tagungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren (DGE-BV), auf deren Tagung die neue Technik kürzlich vorgestellt wurde. "Eingriffsdauer und -umfang sind deutlich geringer als bei einer Magen-Verkleinerung. Dadurch sinkt auch die Komplikationsrate."

"Die Endobarriere ist ein feiner, etwa 60 Zentimeter langer Kunststoffschlauch, der am Magenausgang befestigt wird und den oberen Teil des Dünndarms von innen auskleidet", berichtete Prof. Richard Rothstein vom Dartmouth-Hitchcock Medical Center in Lebanon-Hanover im US-Staat New Hampshire, der das Verfahren auf dem 40. Kongress der DGE-BV vom 11. bis 13. März 2010 in Hannover vorstellte. Die Folie ist für den Speisebrei undurchlässig. Die Aufnahme der Nährstoffe erfolgt deshalb erst im unteren Abschnitt des Dünndarms.

Der Effekt ist der gleiche wie bei einer Darmverkürzung mit dem Unterschied, dass die Endobarriere jederzeit wieder entfernt werden kann. In den klinischen Studien geschah dies nach drei, sechs oder zwölf Monaten. Während dieser Zeit haben die Patienten nicht nur deutlich abgenommen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes mellitus haben sich langfristig auch die Blutzuckerwerte gebessert.

Chirurgische und endoskopische Adipositas-Therapien nehmen weltweit zu. Sie sind die letzte Möglichkeit, wenn Menschen so stark übergewichtig sind, dass Diäten nicht mehr helfen. Wenn diese Eingriffe nicht erfolgen, haben Adipöse eine stark reduzierte Lebenserwartung und auch eine geminderte Lebensqualität durch zahlreiche Folgeerkrankungen der Adipositas. In Deutschland zeigte die "Zweite Nationale Verzehrstudie" zum Essverhalten der Deutschen, dass knapp 80 Prozent täglich mehr Fett als empfohlen zu sich nehmen. Dagegen unterschreiten rund drei Viertel der Menschen die empfohlene Ballaststoffmenge von 30 Gramm täglich. Die Folgen auf der Waage: Jeder Fünfte zwischen 14 und 80 Jahren hat einen Body-Mass-Index (BMI) von mehr als 30 und ist damit adipös. Übergewicht oder einen BMI von über 25 haben 66 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen. Experten rechnen zukünftig mit noch mehr übergewichtigen und adipösen Menschen, die als Folge ein sehr hohes Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes mellitus haben.

Das neue endoskopische Verfahren wird in Deutschland noch nicht praktiziert. Ein erster Hersteller hat laut Rothstein im Dezember 2009 die Erlaubnis erhalten, eine Endobarriere in Europa zu vermarkten (CE-Zertifikat). Weitere könnten folgen. Zunächst soll sie zur Vorbereitung einer späteren Operation eingesetzt werden, da eine Gewichtsabnahme das Risiko von Komplikationen verringert. Es sei jedoch vorstellbar, dass die Endobarriere für einige Patienten zu einer langfristigen Lösung ihrer Adipositas werde.

Sie ist allerdings nicht die einzige Behandlung, die mit Hilfe eines Endoskops möglich ist. In Hannover diskutierten die Experten in einer Veranstaltung auch über eine weitere, vielversprechende Methode: Die Magenverkleinerung durch Vernähen der Magenwände von innen. Weitere Ansätze sind die Platzierung eines neuartigen aufblasbaren Ballons, der das Sättigungsgefühl stärkt. Aber auch ein Magenschrittmacher oder die Injektion von Botox diskutieren die Experten als zukünftige Therapieoptionen. In naher Zukunft könnten die Operationen selbst durch das Endoskop durchgeführt werden. Diese NOTES-Op (für Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery) würde Operationsnarben vermeiden.


40. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie und Bildgebende Verfahren e.V.
11. bis 13. März 2010, Messe Convention Center Hannover
Informationen im Internet: http://www.dgebv.de/jahrestagung.html


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Quelle:
Pressestelle, Beate Schweizer
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E-Mail: Schweizer@medizinkommunikation.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. März 2010