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NEUROLOGIE/588: Blutdruckmittel gegen Multiple Sklerose? (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 18.08.2009

Blutdruckmittel gegen Multiple Sklerose?
Gemeinsame Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums

Entzündungen und Lähmungen im Tiermodell rückgängig gemacht
Heidelberger Neurologe veröffentlicht in den "Proceedings of the National Academy of Sciences"


Gängige Blutdruckmittel können im Tiermodell Entzündungsherde heilen, wie sie in ähnlicher Form bei der Multiplen Sklerose (MS) vorkommen. Diese Entdeckung hat Privatdozent Dr. Michael Platten, Leitender Oberarzt der Abteilung Neuroonkologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Leiter der Nachwuchsforschungsgruppe Experimentelle Neuroimmunologie am Deutschen Krebsforschungszentrum mit seinem Team in Kooperation mit Wissenschaftlern der Stanford University in Kalifornien gemacht: Als ACE-Hemmer und AT1R-Blocker bezeichnete Blutdruckmittel können das Auftreten von Entzündungsherden bei Mäusen unterdrücken, die an einer der Multiplen Sklerose (MS) vergleichbaren Autoimmunerkrankung leiden. Die Ergebnisse werden zusammen mit einer zeitgleich eingereichten Publikation einer Bochumer Arbeitsgruppe, die ebenfalls die neue Rolle der ACE-Hemmer stützt, in den "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" veröffentlicht.

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) ist ein System von Botenstoffen und Rezeptoren, das den Blutdruck im Körper reguliert. Das Angiotensin-converting-Enzym (ACE) stellt das Blutdruck erhöhende Angiotensin II her, das seine Wirkung hauptsächlich über den Angiotensin-1-Rezeptor (AT1R) entfaltet. Medikamente, die das Enzym ACE hemmen oder den Rezeptor AT1R blockieren werden millionenfach angewendet, um den Blutdruck zu senken. Wissenschaftliche Versuche und klinische Beobachtungen haben den Verdacht erhärtet, dass das RAAS auch bei immunologischen Prozessen eine ausschlaggebende Rolle spielt.


Entzündungen und Lähmungen rückgängig gemacht

In ihren Versuchen wiesen die Heidelberger Wissenschaftler zunächst an verstorbenen Patienten, die an MS gelitten hatten, nach, dass das RAAS tatsächlich in MS-Herden im Gehirn vermehrt vorkommt. Sie behandelten dann Mäuse, die an einer der MS ähnlichen entzündlichen Autoimmunerkrankung des Nervensystems litten, mit ACE-Hemmern und AT1R-Blockern. Die Ergebnisse waren frappierend: Die Medikamente unterdrückten spezifische Immunbotenstoffe, die die Entzündung entscheidend vorantreiben. Außerdem sorgten sie für die vermehrte Produktion von Immunzellen, die bereits bestehende, entzündliche Nervengewebszerstörungen und die dadurch verursachten Lähmungen rückgängig machten.


Klinische Studien werden bald folgen

Da es sich um ein etabliertes Tiermodell handelt, das üblicherweise bei Forschungsprojekten zur MS verwendet wird, hoffen die Wissenschaftler, dass die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind. Der Studie werden bald weitere klinische Untersuchungen direkt am Patienten folgen können. "Der Einsatz dieser Blutdruckmittel ist eine attraktive Strategie für die Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Die Medikamente werden bereits millionenfach am Menschen angewendet, sind kostengünstig und haben wenige Nebenwirkungen", erklärt Professor Lawrence Steinman, Partner der Heidelberger Wissenschaftler an der Stanford University.


Literatur:
Blocking angiotensin converting enzyme induces potent regulatory T cells and modulates TH1- and TH17-mediated autoimmunity.
Michael Platten, Sawsan Youssef, Eun-Mi Hur, Peggy P Ho, May H. Han, Tobias Lanz, Lori K. Phillips, Matthew J Goldstein, Roopa Bhat, Cedric S. Raine, Raymond A Sobel, Lawrence Steinman
PNAS

Weitere Informationen
zu der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Neuroonkologie.106845.0.html

Ansprechpartner:
Privatdozent Dr. med. Michael Platten
Neurologische Klinik, Abteilung Neuroonkologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Fax: 06221 / 56 75 54

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www.klinikum.uni-heidelberg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution665


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 18.08.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2009