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KINDER/371: Langzeitstudie bestätigt langfristige Effekte des erweiterten Neugeborenen-Screenings (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 16.02.2011

Diagnose direkt nach der Geburt rettet Leben und verbessert Lebensqualität

Langzeitstudie des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg bestätigt erstmals langfristige Effekte des erweiterten Neugeborenen-Screenings


Werden angeborene Stoffwechselerkrankungen schon beim Neugeborenen-Screening nach der Geburt entdeckt und frühzeitig behandelt, haben die Kinder sehr gute Chancen auf eine normale Entwicklung. Zu diesem Ergebnis kommt eine weltweit einmalige Langzeitstudie des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg. An der Studie nahmen 247 Kinder teil, bei denen zwischen 1999 und 2009 im Rahmen des Screenings eine Stoffwechselstörung festgestellt und die geeignete Therapie eingeleitet worden war. Die Studie und der Aufbau des Heidelberger Screening-Zentrums wurden von der Dietmar Hopp Stiftung mit rund 2 Millionen Euro gefördert.

Bekanntestes Beispiel für den Nutzen des Neugeborenen-Screenings ist die erfolgreiche Behandlung der Phenylketonurie (PKU): Bei der Geburt wirken die Kinder gesund. Wird die angeborene Störung im Eiweißstoffwechsel allerdings nicht rechtzeitig entdeckt, kommt es zu schweren Gehirnschäden. Mit einer eiweißarmen Diät ab den ersten Lebenstagen entwickeln sich die Kinder normal. Seit 1971 gehört der Test auf PKU deutschlandweit zu den Standarduntersuchungen bei Neugeborenen. Inzwischen ist - auch durch die Forschung der Wissenschaftler am Universitätsklinikum Heidelberg - eine Vielzahl angeborener Stoffwechselerkrankungen bekannt. Hier wurde ab 1998 mit Hilfe der Dietmar Hopp Stiftung das erweiterte Neugeborenenscreening (bis zu 40 Erkrankungen) entwickelt. Die Erfolge des erweiterten Neugeborenen-Screenings waren so vielversprechend, dass seit 2005 in Deutschland alle Neugeborene auf zwei Hormonstörungen und auf zwölf Stoffwechselerkrankungen getestet werden. Ihnen gemeinsam ist, dass sie ohne rechtzeitige Behandlung noch vor den ersten erkennbaren Symptomen verheerende Folgen für die betroffenen Kinder haben können: Häufig sind die Kinder geistig behindert, können ins Koma fallen oder sterben.

Durch rechtzeitige Behandlung entwickelten sich Kinder normal

Ziel der aktuellen Studie war es, den Nutzen des seit 1998 in Heidelberg angewandten erweiterten Screenings umfassend zu prüfen: Trägt diese Maßnahme der Früherkennung verschiedener Stoffwechselerkrankungen nachweisbar dazu bei, schwere Entwicklungsschäden bei betroffenen Kindern zu verhindern? Wie ist die Lebensqualität bei angemessener Behandlung? Im Erhebungszeitraum von 1999 bis 2009 wurde das Blut von mehr als einer Million Säuglingen im Stoffwechsellabor des Heidelberger Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin untersucht. 247 Betroffene wurden in die Studie aufgenommen.

Ärzte und Psychologen untersuchten die Kinder regelmäßig, auch wenn sie inzwischen heimatnah in anderen Stoffwechselzentren wie Düsseldorf, Freiburg oder Mainz versorgt sind, erfassten Symptome, Krankheitsschübe, Wachstum und geistige Entwicklung. Das Ergebnis ist eindeutig: Über 95 Prozent der Kinder entwickelten sich normal.

"Wir haben in dieser Studie den wissenschaftlichen Beweis erbracht, dass die frühe Diagnose und konsequente Behandlung bei fast allen Patienten schwere Krankheitskrisen und damit dauerhafte Schäden vermeiden kann", erklärt Professor Dr. Georg F. Hoffmann, Ärztlicher Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin und Seniorautor der Studie. Wenige Kinder erlitten eine schwere Krise noch bevor die Ergebnisse des Screenings vorlagen, bei manchen reichten Diät oder Medikamente nicht aus, um die Symptome vollständig zu verhindern.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen ist zu prüfen, ob das Screening auf zusätzliche angeborene Erkrankungen ausgedehnt werden sollte. "Ungefähr sechs weitere angeborene Erkrankungen können wir zuverlässig erkennen und gut behandeln. Es wäre sinnvoll, diese mit in das Screening aufzunehmen", so Professor Hoffmann.


Kontakt:
Prof. Dr. Georg F. Hoffmann
Ärztlicher Direktor Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Im Neuenheimer Feld 430, 69120 Heidelberg
E-Mail: Georg.Hoffmann@med.uni-heidelberg.de

Literatur:
Lindner M, Hoffmann GF, Matern D. 2010
Newborn screening for disorders of fatty-acid oxidaton: experience and recommendations from an expert meeting.
J Inherit Metab Dis 33: 521-526

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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 16.02.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2011