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DERMATOLOGIE/576: Grüner Tee und LEDs gegen Falten - Alternative zu Botox? (uni ulm intern)


uni ulm intern, Nr. 301, Dezember 2009 - Das Ulmer Universitätsmagazin

Grüner Tee und LEDs gegen Falten
Alternative zu Botox?

Von Dr. Andrei Sommer


Forscher der Universität Ulm berichten von einer wirksamen Verjüngung der Haut mit einer Kombination aus Grünem Tee und intensivem Licht, das von roten Leuchtdioden (LEDs) erzeugt wird. Die grün-rot-Kombination wird bereits als potentielle Alternative zu Botox und kosmetische Chirurgie angesehen und wirkt zehn Mal schneller als eine nur auf LEDs basierende Methode. Die multidisziplinär ausgerichtete Forschung hat international hohe Anerkennung erfahren.


In ihrem Bericht »Facial Rejuvenation in the Triangle of ROS«, der in der Oktober-Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift Crystal Growth & Design erschienen ist, bemerken Andrei P. Sommer und Dan Zhu (Institut für Mikro- und Nanomaterialien), dass Licht von praktisch gleicher Qualität bereits seit 40 Jahren in der Wundheilung erfolgreich eingesetzt wird. Um einer vermehrten Produktion von potentiell zellschädigenden freien Radikalen, die bei der Bestrahlung der Haut mit intensivem Licht freigesetzt werden, entgegenzuwirken, haben die Forscher einen Extrakt aus Grünem Tee vor der Bestrahlung für 20 Minuten in die Haut einwirken lassen. Grüner Tee enthält den Wirkstoff Epigallocatechingallat (EGCG), ein hochwirksamer freie-Radikale-Fänger. Bereits eine einmonatige Anwendung der Kombinationsmethode führte zu Ergebnissen (Bild 1) die bei alleiniger LED-Anwendung erst in der zehnfachen Zeit realisiert werden konnten. Die Studie von 2008 führt die Liste der meistgelesenen Artikeln der renommierten US-Zeitschrift an.

Die 2009-Studie fand Anerkennung in international angesehenen Medien, zum Beispiel »The Star«, »CNN« sowie der November Ausgabe der Fachzeitschrift »Chemistry World«. Darüber hinaus gelangten die Forscher zu einer neuen wissenschaftlichen Erklärung für die Funktion des Säureschutzmantels der menschlichen Haut. Demnach verhinderte eine gesunde, hydrophobe (wasserabstoßende) Haut deren pH im Bereich 4 bis 5.5 liegt, eine vermehrte Anheftung von Pathogenen (Bakterien und Viren) sowie Mikro- und Nanopartikeln aus der Luft. Gemäß der neuen Studie können speziell oberflächenchemisch modifizierte Mikro- und Nanopartikel, wie sie in höheren Konzentrationen in der Luft zahlreicher verschmutzter Megastädte vorkommen (Bild 2), die für die Hautkühlung wichtigen Hautporen verstopfen. Im Zusammenhang mit natürlicher Ultraviolett-(UV) und Infrarot-(IR) Strahlung kann eine Blockade der Poren die Thermoregulation der exponierten Hautzonen, insbesondere Gesicht, nachteilig verändern: Bei höheren Temperaturen und entsprechenden UV- sowie IR-Werten kann dies eine beschleunigte Alterung der exponierten Haut bewirken. Bild 3 fasst die fünf Umweltfaktoren zusammen, deren Zusammenspiel wesentlich die Alterung der Haut bewirkt. Daneben beschäftigt sich die neue Studie auch mit der eigentlichen Zellalterung. Ausser dem Füllniveau des Reservoirs an Stamzellen wird der Gang der biologischen Uhr im Menschen von der Verdopplungsfähigkeit normaler Zellen bestimmt. Diese ist zeitlich limitiert und wird von der Länge der Telomere bestimmt (DNS-Sequenzen an den Enden der Chromosomen, die mit der Zeit kürzer werden). Wie neuere Arbeiten zeigten, spielt auch bei der Telomerverkürzung oxidativer Stress eine zentrale Rolle.

Nun kennt heute niemand den genauen Grund, warum die Telomere mit jeder Teilung der Zelle kürzer werden. Sommer und Zhu setzen genau hier an und begründen mit ihrer multidisziplinären Studie einen völlig neuen Ansatz zur Erklärung einer möglichen Ursache der Telomerverkürzung: Ergebnisse eigener Untersuchungen sowie anderer Gruppen zeigten, dass die Viskosität des Wassers in unmittelbarer Nähe hydrophiler (wasseranziehenden) Oberflächen stark ansteigt, so dass das Zellwasser hier wie ein Kleber wirkt. Die Forscher vermuten, dass die Verkürzung der Telomere in der Anfangsphase der Zellteilung stattfindet, während der Koinzidenz der in dieser Phase ablaufenden dynamischen Umordnungsprozesse in der Zelle und dem Kleben von Chromosomenenden in Kernmembrannähe. Das erste physikalisch-chemische Modell der Zellalterung wurde somit etabliert. Aus Analogie zu den physikochemischen Veränderungen die bei der Alterung der Haut ablaufen, folgern die Forscher, dass es möglich sein müsste, die Verkürzung der Telomere - und damit die Progression des gesamten Alterungsprozesses - mit rotem Licht aufzuhalten. Doch vor dem Beginn weiterer biologischer Experimente sind noch Optimierungsaufgaben durchzuführen, etwa zur Wechselwirkung von Licht unterschiedlicher Qualität mit nanoskopisch dünnen Wasserschichten auf geeigneten Substraten, hydrophobe und hydrophile, chemisch-biologisch inerte Substrate zum Beispiel oder nanokristalliner Diamant. Das Institut für Mikro- und Nanomaterialien bietet dafür exzellente Vorraussetzungen.


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Quelle:
uni ulm intern, Nr. 301 (39. Jg.), Dezember 2009, S. 38-39
Herausgeber: Universität Ulm, Pressestelle
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uni ulm intern erscheint sechsmal pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2010