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ALTERNATIVMEDIZIN/216: Osteopathie - Behandlung mit Fingerspitzengefühl (Securvital)


Securvital 2/2011 - März/April
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Anerkennung für Osteopathie
Behandlung mit Fingerspitzengefühl

Von Katharina Bogisch


Sanfte Handgriffe, gezielter Druck mit den Fingerspitzen, feinfühliges Ertasten von Verspannungen - mit diesen Mitteln arbeiten Osteopathen. Ihre Heilkunst wird zunehmend als hilfreich und wirksam anerkannt.


Wenn der Mensch gesund ist, stimmt die Balance. Wie bei einem Mobilé, das im Kinderzimmer von der Decke hängt: Ein zartes Gebilde, dessen Einzelteile miteinander verbunden sind und sich gegenseitig im Gleichgewicht halten. Ein Lufthauch kann sie alle in Bewegung bringen, aber sie finden immer wieder selbst die Balance, solange die Gleichgewichtslage stimmt und kein Einzelteil den Halt verliert.

Ähnlich verhält es sich mit dem gesunden Körper, erklärt Dr. Siegbert Tempelhof. Der Organismus ist wie ein Mobilé in der Lage, zwischen allen Kräften und Veränderungen, die in ihm wirken und von außen auf ihn einwirken, die Balance zu finden. Gelingt dies nicht mehr, weil das Gleichgewicht nachhaltig gestört und der Strom der Lebenskräfte blockiert ist, wird der Mensch krank.

Aus dieser Sicht heraus arbeiten Ärzte wie der Orthopäde Dr. Siegbert Tempelhof vom Centrum für Komplementärmedizin in München mit osteopathischen Behandlungen. Osteopathie ist eine ebenso sanfte wie wirkungsvolle Behandlungsmethode, die ohne Apparate, Spritzen und Medikamente auskommt. Vorbeugend hilft sie, das gesunde Gleichgewicht zu halten, und im Krankheitsfall regt sie die Selbstheilungskräfte des Körpers dazu an, die Balance wieder zu finden.


Die Kraft der Hände

Osteopathisch ausgebildete Ärzte, Heilpraktiker und Therapeuten arbeiten vorwiegend mit dem Tastsinn und der Kraft ihrer Hände. Es gehört Feinfühligkeit und jahrelang Schulung dazu, um mit Fingerspitzen und Handflächen die Ursachen von Beschwerden aufzuspüren. Spannungen in Knochen, Muskeln und Bindegewebe geben Hinweise, wo die Funktion von Organen und Körperteilen gestört ist. Mit Massagen und gezieltem Druck auf spezifische Körperpunkte kann der Therapeut den Körper dazu anregen, seine Bewegungen und Funktionen wieder in Ordnung zu bringen.

Zu Beginn einer Behandlung nehmen sich Osteopathen viel Zeit für eine intensive Befragung nach früheren Krankheiten und Lebensgewohnheiten, ebenso wie auch Homöopathen oder anthroposophische Mediziner dies tun. Umfangreiche Fragebögen mit 150 Fragen sind keine Seltenheit. Als Patient muss man sich darauf einlassen, eingehend untersucht, befühlt und betastet zu werden. Überraschend mag sein, dass eine osteopathische Behandlung keineswegs immer dort ansetzt, wo es aktuell weh tut. Kopfschmerzen zum Beispiel können in einer osteopathischen Praxis durchaus Anlass sein, die Beweglichkeit der Füße zu prüfen. Denn da im Körper - wie bei einem Mobilé - alles mit allem in Verbindung steht, kann ein verstauchter Fuß durchaus Anlass sein, das Bein unwillkürlich zu entlasten, dadurch das Becken und die Wirbelsäule in eine Schieflage zu bringen und letztlich Nacken und Kopf in eine verkrampfte Haltung zu bringen, die zu Kopfschmerzen führt.

Auf eine solche Suche nach den möglicherweise verborgenen Ursachen machen sich die Osteopathen auch bei Funktionsstörungen von Muskeln, Blutgefäßen und inneren Organen. Ihr Augenmerk gilt dem freien Fluss der Bewegungen und der Elastizität des Bindegewebes. Das kann in die tiefsten Schichten des Körpers gehen.

Da, wo es spannt und blockiert, setzt der Therapeut mit seinen Handgriffen an. Die meisten Patienten empfinden sie als angenehm und sanft. Oft werden mit gezielten Bewegungen das Bindegewebe gelockert, bestimmte Muskeln gedehnt oder der Lymphfluss angeregt. Heftigeres Einrenken von Knochen und Gelenken kommt in der Praxis selten vor. Manchmal ist es mit einer einzigen Behandlung getan, meist aber sind mehrere Sitzungen im Abstand von jeweils zwei bis drei Wochen sinnvoll.


Ärzte mit Zusatzausbildung

Die Beschwerden, mit denen Patienten zum Osteopathen kommen, sind unterschiedlich. Oft geht es um Rücken- oder Kopfschmerzen, aber auch um Vielzahl von anderen Beschwerden wie etwa Verdauungsstörungen, Menstruationsprobleme, Hörsturz oder Nasennebenhöhlenentzündungen und anderes mehr. "In der normalen Osteopathiepraxis sieht man alle Patienten, die auch ein normaler Hausarzt sieht", meint Werner Langer, Leiter des Instituts für angewandte Osteopathie in Bitburg.

In Deutschland hat die Osteopathie als Ergänzung zur Schulmedizin in den jüngsten Jahren erheblichen Zulauf erfahren. Außer Ärzten mit entsprechender Zusatzausbildung behandeln auch immer mehr Heilpraktiker, Physiotherapeuten und Masseure mit osteopathischen Methoden. Eine Reihe von Schulen bieten Ausbildungen an, allerdings von unterschiedlicher Intensität. Mehrere Berufsverbände (siehe Info-Kasten) engagieren sich für die Anerkennung der Osteopathie. Einige Kliniken wie zum Beispiel das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke sind aufgeschlossen für die Osteopathie. Naturheilkundlich orientierte private Krankenversicherungen haben die Osteopathie in ihre Tarife aufgenommen. Aber in der gesetzlichen Krankenversicherung wird sie immer noch stiefmütterlich behandelt.

Die SECURVITA ist dabei, das zu ändern und der Osteopathie zu mehr Anerkennung zu verhelfen. "Wir finden, dass die Osteopathie ebenso wie andere ganzheitliche medizinische Richtungen ins Gesundheitswesen integriert und angemessen behandelt werden sollte. Wir erkennen sie als unterstützenswerte medizinische Fachrichtung an", bekräftigt Dr. Ellis Huber, Vorstand der SECURVITA Krankenkasse. Deshalb hat die SECURVITA vertraglich vereinbart, die Kosten für osteopathische Behandlungen in ausgewählten Praxen zu übernehmen, ebenso wie die HVB BKK. Dies gilt zunächst für Vertragspraxen in München und Hamburg. Das Angebot soll nach Möglichkeit auf alle Bundesländer ausgedehnt werden.

Andere europäische Länder wie England und Frankreich, vor allem aber die USA als Mutterland der Osteopathie sind da schon viel weiter. In den USA entwickelte der Arzt Dr. Andrew Taylor Still, vor mehr als 100 Jahren die Osteopathie als eine Richtung der manuellen Medizin. Sie wurde zunächst "Still-Behandlung" genannt, dann setzte sich die Bezeichnung Osteopathie durch. Die wörtliche Übersetzung ("Leiden der Knochen") ist allerdings missverständlich, denn Knochen und Skelett sind in der Praxis der Osteopathen nur ein Teilaspekt.


Anerkennung in den USA

Gegenwärtig praktizieren in den USA über 54.000 Osteopathen, die den anerkannten Ärzte-Titel D.O. ("Doctor of Osteopathy") führen, berichtet Marina Fuhrmann, Vorsitzende des Verbands der Osteopathen Deutschland (VOD). Sie setzt sich dafür ein, dass Osteopath als eigenständige Berufsbezeichnung anerkannt wird.

In Deutschland sind weder der Beruf des Osteopathen noch dessen Ausbildung (mit Ausnahme von Hessen) staatlich geregelt. Es gibt Ärzte und Therapeuten mit mehrjährigen Berufs- und Zusatzausbildungen, andere arbeiten allerdings auch auf der Basis von Schmalspur-Weiterbildungen mit osteopathischen Methoden. Berufsbezeichnungen wie Osteopath oder Craniosacral-Therapeut sind unzureichend geschützt. Deshalb können auch selbsternannte Experten mit zweifelhafter Berufserfahrung Behandlungen anbieten - und die können unter Umständen sogar schaden. Wer einen gut ausgebildeten Osteopathen sucht, findet Auskünfte und Adresslisten bei den anerkannten Verbänden (siehe Internetadressen im Info-Kasten).

Nicht nur in den USA, auch in Europa wird auf osteopathischem Gebiet viel geforscht. Von wissenschaftlicher Seite wird anerkannt, dass es zahlreiche Studien zur Wirksamkeit ostheopathischer Behandlungen gibt. "Osteopathie ist in Deutschland keine Außenseitermethode mehr; sie hat einen festen Platz innerhalb der wissenschaftlich fundierten Medizin erhalten und wird von den Ärztekammern anerkannt", meint Dr. Siegbert Tempelhof, Vorstandsmitglied der Deutsch-Amerikanischen Akademie für Osteopathie.

Allerdings weist das "Handbuch andere Medizin", herausgegeben von der Stiftung Warentest, auch auf die Gefahr von Nebenwirkungen hin. Insbesondere bei Manipulationen an Wirbelsäule und Gelenken gebe es Risiken für Verletzungen. Das gelte weniger für die Osteopathie als besonders sanfter Behandlungsweise, sondern mehr für verwandte Richtungen wie Chiropraktik und Craniosacral-Therapie. Vorsicht sei insbesondere dann geboten, wenn Patienten an Osteoporose oder akuten Infektionen leiden.

Die Grenzen der medizinischen Möglichkeiten der Osteopathie sind bekannt und werden auch von den Osteopathen offen und klar benannt: "Die Osteopathie ist keine Notfallmedizin, die in lebensbedrohlichen Situationen rettend eingreifen kann", betont der Verband der Osteopathen Deutschland (VOD). Schwere und akute Erkrankungen, Tumore, psychiatrische Fälle, Brüche und Wunden müssten erst einmal schulmedizinisch behandelt werden. Die Osteopathie kann ihre Wirksamkeit in dem Bereich entfalten, wo die Selbstheilungskräfte des Körpers in der Lage sind, Störungen auszugleichen und die gesundheitliche Balance wiederherzustellen - wie beim Mobilé.


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SECURVITA unterstützt Osteopathie

In den USA ist die Osteopathie als medizinische Fachrichtung anerkannt, in Deutschland aber wird sie von fast allen Krankenkassen weitgehend ignoriert und ausgeschlossen. Die SECURVITA dagegen erkennt die Osteopathie als unterstützenswerte Behandlungsmethode an und hat jetzt, gemeinsam mit der HVB BKK, vertraglich vereinbart, die Kosten für osteopathische Behandlungen in ausgewählten Praxen zu übernehmen. Dies gilt zunächst für München und Hamburg. Die SECURVITA will das Angebot nach Möglichkeit auf alle Bundesländer ausdehnen.

Weitere Informationen dazu erhalten Sie im Internet auf www.securvita.de oder telefonisch unter der SECURVITA-Servicenummer 01802 / 24 26 27 (24 Stunden täglich, 6 Cent pro Gespräch aus dem Festnetz, max. 42 Cent pro Minute im Mobilfunk).


WEITERE INFORMATIONEN

- Siegbert Tempelhof: Osteopathie. Gräfe & Unzer 2008, 128 Seiten, 12,99 EUR

- Christoph Newiger: Osteopathie: Sanftes Heilen mit den Händen. Trias Verlag 2005, 223 Seiten, 14,95 EUR

- Birgit Gillemot: Osteopathie für Kinder: Mit sanften Händen die gesunde Entwicklung fördern. Südwest Verlag 2007, 96 Seiten 10,95 EUR


• Verband der Osteopathen Deutschland (VOD), Untere
Albrechtstraße 15, 65185 Wiesbaden, Tel. 0611 / 9103661,
www.osteopathie.de

• Deutsche Gesellschaft für Osteopathische Medizin (DGOM), Obere Rheingasse 3, 56154 Boppard, Tel. 06742 / 800130, www.dgom.info

• Deutsche Ärztegesellschaft für Osteopathie (DÄGO), Beim Andreasbrunnen 7, 20249 Hamburg, Tel. 040 / 41920327, www.daego.de

• Deutsch-Amerikanische Akademie für Osteopathie (DAAO), Riedstr. 5, 88316 Isny-Neutrauchburg, Tel. 07562 / 97180, www.daao.info


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Rückenschmerzen und Verspannungen: Typische Fälle in der osteopathischen Praxis
- Besser als Röntgenbilder? Osteopathen diagnostizieren mit dem Gefühl ihrer Hände.
- Bei Sportlern und Tänzern steht Osteopathie hoch im Kurs - auch präventiv, um Bewegungsblockaden zu lösen.
- Besonders sanft: Osteopathische Behandlung von Neugeborenen und Kleinkindern.


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Quelle:
Securvital 2/2011 - März/April, Seite 6 - 10
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH - Gesellschaft zur Entwicklung
alternativer Versicherungskonzepte
Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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Internet: www.securvita.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2011