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ALTERNATIVMEDIZIN/241: Forschung - Was wir von afrikanischen Heilern lernen können (wissen|leben - WWU Münster)


wissen|leben - Nr. 8, 16. Dezember 2015
Die Zeitung der WWU Münster

Dagegen ist ein Kraut gewachsen Prof. Andreas Hensel erforscht, was wir von afrikanischen Heilern lernen können

von Bernadette Winter


Kamillentee bei Magenbeschwerden oder Myrtol zur Schleimlösung bei Erkältungen - pflanzliche Arzneimittel finden sich höchstwahrscheinlich in den meisten deutschen Haushalten in der einen oder anderen Form. Und doch werden Phytopharmaka manchmal eher stiefkindlich behandelt. "Dabei hat ja gerade der Nobelpreis für die Entdeckung des Malaria-Mittels Artemisinin gezeigt, dass sich hier wirklich gute Ergebnisse erzielen lassen", sagt Prof. Andreas Hensel, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie an der WWU.

"Wir mussten erst einmal ihr Vertrauen gewinnen"

Beispiel Afrika: Im tropischen Regenwald fanden Mitarbeiter von Andreas Hensel vor zwei Jahren im Rahmen einer Feldstudie und Befragung traditioneller Heiler mehrere Pflanzen, die bei Wurmerkrankungen eingesetzt werden. Ein wichtiges Thema in Afrika, wo Wurmerkrankungen überall präsent sind, in Europa ein großes Problem in der Tiermast. In den Labors der WWU analysierten die Forscher die Wirkstoffe der Pflanze. "Zusammen mit dem Fachbereich Biologie konnten wir ausgezeichnete Wirkungen gegen bestimmte Würmer nachweisen", erklärt Andreas Hensel. Jetzt sollen Tierstudien in der Schweiz den endgültigen Beweis liefern. Noch will der Apotheker nicht zu enthusiastisch klingen, aber: "Es sieht erfolgversprechend aus." Auch die Industrie hat bereits ihr Interesse angemeldet.

Die Entdeckungsreise in die Welt der afrikanischen Pflanzenheilkunde begann für Andreas Hensel vor über acht Jahren mit der Betreuung einer Doktorarbeit. In der Ashanti-Region rund um Kumasi in Ghana wurden 70 Heiler befragt, welche Pflanzen sie zur Wundheilung verwenden. "Wir mussten erst einmal ihr Vertrauen gewinnen", erzählt Andreas Hensel. "Wir haben ihnen erklärt, dass es uns auch darum geht, ihr Wissen für die Nachwelt zu dokumentieren." Denn im Gegensatz zur traditionellen chinesischen Medizin ist in der afrikanischen Naturheilkunde nichts Schriftliches überliefert. Das Wissen wird von Generation zu Generation stets mündlich weitergegeben.

Von den 40 Pflanzenarten, die die Heiler größtenteils übereinstimmend genannt hatten, kamen zehn in die engere Auswahl. Es folgte die Analyse im Labor. "Bei sieben Pflanzen konnten wir genau verstehen, warum sie zur Wundheilung eingesetzt werden, ein sehr gutes Ergebnis", berichtet er. Das war der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit mit der Kwame Nkrumah University of Science and Technology in Kumasi (KNUST).

Mittlerweile sind rund um die Arzneipflanzen aus Zentralghana zahlreiche Doktor-, Master- und Bachelorarbeiten sowohl an der WWU als auch an der KNUST entstanden, auch unter Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Erst Mitte Oktober war Andreas Hensel wieder drei Wochen in Kumasi, um zu unterrichten und sich mit Professoren ebenso wie mit den einheimischen Heilern auszutauschen. Wenn es nach ihm geht, würde eines Tages das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen aus der Region systematisch erfasst und dokumentiert.

Derzeit arbeitet ein Mitarbeiter von Andreas Hensel daran, Pflanzen zu erforschen, die in Zentralghana in der Krebstherapie eingesetzt werden. Die Datenerfassung ist gerade abgeschlossen, ab Mai beginnt die Laborarbeit. "Wir haben dieses Mal bewusst eine harte Indikation gewählt. Ich bin schon sehr gespannt, was wir herausfinden werden", freut sich der 53-Jährige.

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Quelle:
wissen|leben - Die Zeitung der WWU Münster, Nr. 8, 16. Dezember 2015, S. 5
Herausgeberin: Die Rektorin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Redaktion: Norbert Robers (verantw.)
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Die Zeitung ist das offizielle Organ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Im freien Verkauf beträgt die Bezugsgebühr ein Euro/Stück.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2016

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