Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → REDAKTION

TV/003: "Piraten und Piloten" - Deutsche Marineflieger ... (Phoenix) (SB)


Besprechung

Piraten und Piloten - Deutsche Marineflieger im Einsatz am Horn von Afrika

Ausstrahlung: 1. Mai 2009, 19.30 Uhr, Phoenix


Die militärische Durchsetzung deutscher Interessen gegen die Interessen anderer Völker erfolgt heutzutage ausschließlich in Kooperation mit verbündeten Staaten. So auch am Horn von Afrika, wo deutsche Marineflieger im Rahmen der nach den Anschlägen vom 11. September 2001 von US-Präsident George W. Bush mit alttestamentarisch anmutenden Parolen als Begleitmusik initiierten Operation Enduring Freedom (OEF) Patrouille fliegen. Entlang der somalischen Küste und im Golf von Aden kommt es seit einigen Jahren zu einer für die wohlhabenden Staaten überaus lästigen Form der Umverteilung, üblicherweise Piraterie genannt. Wobei die Seeräuber nicht an der Ware, sondern an Lösegeld im Austausch gegen Geiseln interessiert sind.

Die Phoenix-Reporterin Ulrike Heinrichs hat deutsche Marineflieger zunächst in ihrer Heimatbasis Nordholz bei Cuxhaven und anschließend im ostafrikanischen Djibouti aufgesucht, wo sie erstmals einen Einsatz mitfliegen durfte. Herausgekommen ist eine Reportage, die ein eindrucksvolles Beispiel dafür liefert, wie weit entfernt man sich von den Sorgen und nicht selten existentiellen Nöten der Einwohner eines Landes halten kann, die zumindest als Anlaß für diesen Militäreinsatz dienen. Wer vermutet, daß bei einem Titel wie "Piraten und Piloten" wenigstens peripher auch Einheimische zu Wort kommen, sieht sich getäuscht. Piraten treten, in den wenigen Sequenzen, in denen sie überhaupt gezeigt werden, allenfalls als gesichtslose Schemen in einem Boot auf. Sie bleiben Fremde ganz und gar. Die offenkundig "eingebettete" Reporterin wagt sich nicht einmal in die Nähe, ihnen irgendetwas Menschliches zusprechen zu müssen.

Statt das globalhegemoniale Vorwandskonstrukt namens OEF, die reibungslose Überführung des Mandats der Marineflieger an die EU-Mission "Atalanta" sowie die vom UN-Sicherheitsrat faktisch außer Kraft gesetzte Souveränität Somalias kritisch zu beleuchten oder doch zumindest den Einsatz der deutschen Marineflieger für die Zuschauerinnen und Zuschauer politisch umfassender einzuordnen, erfahren diese: Deutsche Marineflieger in Afrika haben Probleme mit der Hitze (macht aber nix, erfährt man von einem Soldaten) und mit den hygienischen Verhältnissen; einen Stützpunkt auf dem Flughafen von Djibouti aufzubauen ist "Knochenarbeit"; und die Besatzung des Kriegsschiffs "Spessart" bekam reichlich Muffensausen, als sie nachts beschossen wurde.

Wer mehr über solche zu Heldentaten hochstilisierten Tätigkeiten und wohlbehalten überstandene Abenteuer wie den "ersten Kontakt mit den Einheimischen" - was wie "Eingeborene" klang und auch wohl so gemeint war - erfahren will, wird bei der Reportage "Piraten und Piloten" auf seine Kosten kommen. Wer dagegen wissen will, warum Menschen in einem Land wie Somalia zutiefst verzweifeln und zu radikalen Mitteln greifen, in dem seit 18 Jahren Bürgerkrieg herrscht, in dem rund die Hälfte der Bevölkerung hungert, das bis vor kurzem von Soldaten des Erzfeinds Äthiopien besetzt war, das von Kriegsschiffen und Flugzeugen der USA in den letzten drei Jahren mehrmals beschossen wurde, dessen Küstengewässer einerseits von Industrietrawlern fremder Nationen in räuberischer Absicht befischt werden und andererseits als kostenlose Deponie für hochgiftigen und nuklearen Abfall mißbraucht wurden, der sollte sich an anderer Stelle informieren.

30. April 2009