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INTERNATIONAL/047: Trinidad - Empörung über Razzien bei Medien, Regierung international in der Kritik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Februar 2012

Trinidad: Empörung über Razzien bei Medien - Regierung international in der Kritik

von Peter Richards


Port-of-Spain, 15. Februar (IPS) - Vier Monate bevor Trinidad und Tobago den Weltkongress des Internationalen Presseinstituts ausrichtet, ist die Regierung des Karibikstaates wegen Polizeirazzien in zwei Medienhäusern in Erklärungsnot geraten.

Beamte vom Büro für Korruptionsermittlungen (ACIB), das der Generalstaatsanwaltschaft unterstellt ist, drangen am 9. Februar in die Redaktion der Zeitung 'Newsday' und in die Privatwohnung des Politik- und Parlamentskorrespondenten Andre Bagoo ein.

"In unserer Verfassung ist das Recht auf Pressefreiheit als grundlegendes Menschenrecht verankert. Die Regierung hält es für eine Grundvoraussetzung unserer Demokratie", erklärte daraufhin das seit 20 Monaten regierende Bündnis Volkspartnerschaft.

Polizeikommissar Dwayne Gibbs hingegen verteidigte die Vorgehensweise. Die Sicherheitskräfte hätten für die Einhaltung der Rechtstaatlichkeit zu sorgen und würden ihre Ermittlungen im Einklang mit dem Gesetz vorantreiben, versicherte er.


IPI warnt vor Aushöhlung der Pressefreiheit

Am 29. Dezember 2011 war bereits der Fernsehsender TV6 durchsucht worden. Das Internationale Presseinstitut (IPI) in Wien, das vom 23. bis 26. Juni in Trinidad und Tobago tagen will, sprach daraufhin von einer Gefahr für die Pressefreiheit. "Wir fordern die Regierung dringend auf, durch entsprechende Schritte sicherzustellen, dass eine solche unverhältnismäßige Machtdemonstration nicht zur Gewohnheit wird." Eine Razzia der Polizei in einem Medienhaus werfe immer die Frage nach der Pressefreiheit und dem erlaubten Handlungsspielraum der Regierung auf, sagte die IPI-Exekutivdirektorin Alison Bethel McKenzie.

Trotz der deutlichen Kritik drang die Polizei nur knapp zwei Monate später in die Räume von Newsday und die Wohnung von Bagoo ein. Begründet wurde die Razzia mit der Suche nach Hinweisen zur Identifizierung eines Informanten, auf den sich Bagoo in einem Zeitungsartikel über Differenzen zwischen dem Vorsitzenden der parlamentarischen Integritätskommission, Ken Gordon, und seiner Stellvertreterin Gladys Gafoor berufen hatte. Die Polizei hatte den Journalisten bereits am 20. Januar aufgefordert, seine Quelle preiszugeben. Dazu meinte die Newsday-Chefredakteurin Therese Mills in einer Stellungnahme, dass der Schutz von Informanten im Rahmen investigativer Recherchen unerlässlich sei.

Dass ausgerechnet Ken Gordon, ein ehemaliger Zeitungsverleger, die Polizei zu den Ermittlungen aufgefordert hatte, löste bei den Journalisten des Landes Befremden aus. Nach Gordon, der stets als Vorkämpfer für die Pressefreiheit auftrat, ist sogar eine Journalistenschule benannt worden.

Die Integritätskommission räumte ein, auf die Ermittlungen gedrungen zu haben. Zugleich versicherte sie, dass "freie und unabhängige Medien zu den Grundpfeilern unserer Verfassung und unserer Demokratie gehören". Man habe zwar eine Untersuchung verlangt, deren Verlauf aber nicht gesteuert.

Generalstaatsanwalt Anand Ramlogan ging unterdessen auf Distanz zu ACIB und kritisierte die Durchsuchung der Newsday-Redaktion und der Wohnung Bagoos als "unerklärlich". Er habe in diesem Zusammenhang keine rechtliche Handhabe und habe von der Razzia erst aus den Medien erfahren.

Newsday ließ die Angelegenheit jedoch auf sich beruhen und stellte in einem Leitartikel zum Thema 'Polizeistaat' die Frage: "Gegenüber wem muss ACIB Rechenschaft über sein Handeln ablegen?" Die Zeitung 'Express' kommentierte, es sei bisher noch nie vorgekommen, "dass sich Verlagshäuser und Medienbeschäftigte durch staatlichen Zwang direkt bedroht fühlen mussten".


Regionale Medienverbände fordern Aufklärung

Die Vereinigung karibischer Medienarbeiter (ACM) erklärte, dass sie die Unschuldsbehauptung der Regierung nicht beruhigen könne. Sie forderte die Regierung von Regierungschefin Kamla Persad Bissessar auf, die Aktionen von ACIB genau zu erklären.

Der Medienzusammenschluss von Trinidad und Tobago (MATT) hält die jüngsten Vorfälle für eine Einschüchterungstaktik der Polizei gegenüber den Medien. MATT verwies zudem darauf hin, dass die Organisation Reporter ohne Grenzen den karibischen Inselstaat kürzlich in seinem Index für Pressefreiheit heruntergestuft habe. "Die offene oder verdeckte Einschüchterung von Journalisten darf nicht ignoriert werden", forderte die Pressevereinigung von Jamaika.

Der Oppositionsführer in Trinidad und Tobago, Keith Rowley, warnte vor einer Aushöhlung der in der Verfassung verbrieften Pressefreiheit und kritisierte das Vorgehen der Polizei als "hoffnungslos fehlgeleitet".

Die Regierung, die bei ihrem Amtsantritt Transparenz versprochen hatte, bekräftigte gegenüber den Medien, Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Medien schützen zu wollen. Der Volkskongress, der dem Regierungsbündnis angehört, hat nach eigener Aussage Polizeikommissar Gibbs 24 Stunden Zeit für eine Stellungnahme gegeben. Ein Vertreter der Polizei erklärte jedoch, dass man Politikern keine Rechenschaft ablegen müsse. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.ipiworldcongress.com/
http://www.newsday.co.tt/editorial/0,155206.html
http://www.trinidadexpress.com/commentaries/Media_now_facing_dread_new_reality-139168504.html
http://mediatrinbago.wordpress.com/
http://www.acmediaworkers.com/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106741

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Februar 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2012