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INTERNATIONAL/041: Uganda - Die Wunden des Krieges heilen, Gemeinderadios werben für Versöhnung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Februar 2012

Uganda: Die Wunden des Krieges heilen - Gemeinderadios werben für Versöhnung

von Andrew Green

John Lacambel von Mega FM - Bild: © Will Boase/IPS

John Lacambel von Mega FM
Bild: © Will Boase/IPS
Gulu, Uganda, 1. Februar (IPS) - Der Sendemast von Radio Mega FM in der nordugandischen Stadt Gulu ragt steil in den Himmel. Er steht nicht nur für die Talkshows und Musikprogramme, die der Kanal ausstrahlt, sondern auch für die friedensstiftende Rolle der Kommunalradios in einer Zeit, als die Rebellen der 'Lord's Resistance Army' (LRA) die Menschen in diesem Teil des ostafrikanischen Landes das Fürchten lehrten.

Die LRA hatte ihren Krieg gegen die Regierung 1987 gestartet. Mitte der 1990er Jahre ging der Kommandant der Rebellengruppe Joseph Kony gegen sein eigenes Volk, die Acholi, vor. Seine Kämpfer schlachteten tausende Dorfbewohner ab, verschleppten und pressten tausende Kinder in ihre Armee und schlugen fast zwei Millionen Menschen in die Flucht.

Um die Gemeinden zu reorganisieren und die Rebellen zum Frieden aufzufordern, bedurften Acholi-Führer und Nichtregierungsorganisationen in dem mit Analphabetismus und Armut geschlagenen Land wirkungsvoller Kommunikationsmittel. Die Gemeinderadios in Gulu wurden zum Dreh- und Angelpunkt der Versöhnungsbemühungen im Herzen von Acholiland, wie das traditionelle Siedlungsgebiet der Ethnie bezeichnet wird.

"Sie haben sich die Radios ausgesucht, weil diese in der Lage waren, die letzten Winkel des Landes zu erreichen", sagt Arthur Owor, der die Nordugandische Medienvereinigung mit Sitz in Gulu leitet. Mit einem einfachen Funkgerät und einer Batterie konnten die Rundfunkmoderatoren mit Dutzenden Menschen kommunizieren."

Stationen wie Mega versuchten mit besonderen Programmen die Rebellen zu motivieren, in einen Friedensdialog zu treten. Sie dienten zudem vielen Familien als Fenster, um ihre entführten Kinder zur Flucht und Heimkehr zu ermutigen.


Als Friedensstifter bewährt

Okema Lazech Santo ist der Programmkoordinator von 'Ker Kwaro Acholi', einer Organisation traditioneller Acholi-Führer, die sich selbst als Vorhut des regionalen Wiederaufbaus betrachten. Wie er erklärt, hat sich gerade das Radio als besonders nützlich erwiesen, um Menschen zu mobilisieren und zwangsrekrutierte LRA-Kämpfer zur Rückkehr nach Hause zu bewegen. "Es war das einzige Instrument, das sich als Instrument des Friedens bewährt hat", meint Lazech Santo.

Mitglieder der nordugandischen Radio-Community nehmen ihre Rolle als Friedensstifter ernst. Häufig ziehen sie Vergleiche zwischen sich und ruandischen Rundfunkstationen, die mit ihren Hass- und Mordaufrufen zum Völkermord von 1994 beigetragen hatten.

Mega wurde 2002 gegründet und konnte sich schnell die Unterstützung der ugandischen Regierung und der britischen Entwicklungsbehörde sichern, weil es 2002 mit dem expliziten Ziel gegründet wurde, zur Beilegung des Konflikts in der Region beizutragen, wie Nicky Afa-Ei, Programmdirektor der Rundfunkstation und Mann der ersten Stunde, erklärt.

"Die Botschaft von Mega lautete: Die Region will Frieden", betont Afa-Ei. Sie richtete sich nicht nur an die Bevölkerung, sondern auch an die Rebellen, die mit ihren eigenen Rundfunkgeräten die Radiosignale empfangen konnten. Mega entwickelte Programme, in denen Themen wie Amnestie und traditionelle Formen der Gerichtsbarkeit diskutiert wurden. Darüber hinaus wurden Menschen aus allen sozialen Schichten eingeladen, um ihre persönlichen Friedensbotschaften zu verkünden. Zu Wort kamen traditionelle Führer, Eltern und sogar Schulkinder.

Und Mega fand seine Zuhörerschaft. Auf dem Höhepunkt des bewaffneten Konflikts im Dezember 2002 wurde Afa-Ei während einer Talkshow sogar von LRA-Chef Kony höchstpersönlich angerufen. "Das war das erste Mal seit einer langen Zeit, dass die Menschen wieder seine Stimme hörten." Freundlich sei er gewesen, habe aber das Gespräch dazu genutzt, die Regierung zu kritisieren.

Diesem ersten Gespräch mit Kony folgten weitere, in denen der LRA-Kommandant und seine Stellvertreter mit Regierungsvertretern und der Bevölkerung in Kontakt kamen. Doch nach einer Weile befand die Regierung die Äußerungen der Rebellen als zu propagandistisch und verlangte die Präsenz von Regierungsvertretern in allen Sendungen, in denen die LRA zugeschaltet wurde.


LRA-Rebellen zur Abkehr ermutigt

Das Flaggschiff von Mega war das Komm-nach-Hause-Programm, das in der lokalen Luo-Sprache 'Dwag Paco' genannt wurde. Es versuchte die LRA-Propaganda zu durchbrechen und die von den Rebellen zwangsrekrutierten Kinder zur Heimkehr zu ermuntern. Der Programmleiter, John Lacambel, lud ehemalige Kindersoldaten ein, die von ihrer geglückten Rückkehr in ihre Dörfer berichteten. Das Programm brachte viele Rebellen dazu, zu desertieren und nach Hause zurückzukehren.

Inzwischen befindet sich der Norden und insbesondere Gulu auf dem Weg der Genesung. Das Ende der Feindseligkeiten - das Ergebnis von Friedensverhandlungen und einem Vorstoß der ugandischen Streitkräfte 2008 - und die Rückkehr der Vertriebenen aus den Flüchtlingslagern in die Dörfer hat den Weg für den Wiederaufbau von Infrastruktur und Unternehmen frei gemacht. Der Mega-Sendeturm ist nun umgeben von Banken, Hotels und Einkaufsläden und sieben weiteren Rundfunkstationen.

"Wir befinden uns auf dem Weg der Erholung", meint Arthur Owor. Dazu hätten die Radiostationen beigetragen. Inzwischen strahlen die Sender vor allem Talkshows und Regionalnachrichten aus, während in der Mittagszeit Musikprogramme gesendet werden.

Doch die Radiomacher widmen sich auch den Herausforderungen der Nachkriegszeit, wie Willy Chowoo von 'Choice FM' berichtet. So geht es etwa um die Frage, was mit den heimkehrenden LRA-Kämpfern geschehen soll. Besonders berüchtigt war die LRA dafür, ihre eigenen Kämpfer zum Plündern und Morden in deren Heimatdörfer geschickt zu haben. Die Radioanstalten werben jetzt für Versöhnung und den Verzicht auf Vergeltungsmaßnahmen.

Auch behandeln die Radioprogramme Probleme wie Landraub, Ernährungsunsicherheit und fehlende Versorgungsdienste. Während die Bevölkerung Nordugandas mit der Bewältigung der Vergangenheit beschäftigt ist, arbeiten die Gemeinderadios der Region Afa-Ei zufolge "an dem Weg in die Zukunft". (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://www.km-net.org.uk/megafm/megapage.htm
http://medianorthernuganda.com/
http://www.c-r.org
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106608

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2012