Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

BERICHT/132: Suchmaschinen - Informationen finden im Netz (UNESCO heute)


UNESCO heute 1/2008 - Zeitschrift der Deutschen UNESCO-Kommission

Informationen finden im Netz
Der Einfluss von Suchmaschinen

Von Dirk Lewandowski


Suchmaschinen sind der Zugang zu den Informationen im World Wide Web. Sie bestimmen zunehmend darüber, welche Informationen als wichtig wahrgenommen werden. Aber eine objektive Auflistung relevanter Informationen können Suchmaschinen entgegen der allgemeinen Vorstellung nicht leisten.


Die Suchmaschine ist nach der E-Mail der beliebteste Dienst des Internets: Wer Zugang zum Netz hat, verwendet auch Suchmaschinen. Die Bedeutung von Suchmaschinen lässt sich anhand der an sie gestellten Anfragen ermessen: Das Marktforschungsunternehmen ComScore geht von etwa 18 Milliarden Suchanfragen pro Monat in Europa aus. Der durchschnittliche Nutzer stellt jeden Monat 85 Anfragen an Google und Co. Dabei berücksichtigen diese Zahlen nur die allgemeinen Suchmaschinen, die das gesamte Web durchsuchen. Die Suchfunktionen beispielsweise auf Nachrichtenwebsites und Firmenportalen sind hier nicht eingerechnet.

Das World Wide Web dient in vielen Kontexten als primäre Informationsquelle. Untersuchungen zeigen, dass Suchmaschinen auch bei wissenschaftlichen Fragestellungen die erste Anlaufstelle sind. So häufen sich bereits seit einigen Jahren die Klagen von Hochschullehrern, die Studierenden würden bevorzugt mit Suchmaschinen recherchieren und dadurch würde die Qualität der Arbeiten abnehmen.


Was können Suchmaschinen leisten?

Die Nutzer trauen den Suchmaschinen gemeinhin mehr zu, als diese leisten können. So wird oft angenommen, die Suchmaschinen würden das Web vollständig erfassen: Was nicht von Google gefunden wird, existiert für die Nutzer nicht. Allerdings deckt keine der bekannten Suchmaschinen das Netz vollständig ab. Dem stehen sowohl finanzielle als auch technische Hürden entgegen. Auch eine perfekte Suchmaschine könnte immer nur das zutage fördern, was im Web auch zugänglich ist. Viele entscheidungsrelevante Informationen lassen sich nur in (kommerziellen) Datenbanken finden.

Obwohl alle gängigen Suchmaschinen prinzipiell die gleichen Seiten des Web erfassen können, zeigen sie aufgrund der unterschiedlichen Rankingverfahren verschiedene Ergebnisse auf den ersten Plätzen der Trefferlisten an. Untersuchungen zeigen, dass die Überschneidungen der Top 10-Listen der Suchmaschinen sehr gering sind. Insofern lohnt sich die Recherche in mehreren Suchmaschinen, auch wenn die Anfrage nicht verändert wird.

Die meisten Internetnutzer haben kaum Kenntnisse über die verwendeten Suchwerkzeuge, weder von der Funktionsweise der Suchmaschinen, noch von den Recherchemöglichkeiten. Die von den Nutzern gestellten Suchanfragen sind in aller Regel so einfach formuliert, dass es selbst für Menschen schwer ist, aus ihnen herauszulesen, was gemeint ist. Die meisten Anfragen bestehen aus nur wenigen Wörtern, der Anteil der Einwortanfragen liegt bei etwa 50 Prozent. Erweiterte Suchmöglichkeiten werden nur selten genutzt.

Auch über die Einnahmequellen der Suchmaschinen wissen die Nutzer häufig nicht Bescheid. Dass sich Suchmaschinen zum größten Teil über die Einblendung von Textanzeigen finanzieren, ist vielen nicht bekannt. Daher können sie auch oft nicht zwischen Werbetreffern und regulären Suchergebnissen unterscheiden. Die Werbetreffer werden zwar mit blassen Farben unterlegt, und es tauchen auch Begriffe wie "Anzeigen" oder "Sponsoren-Links" auf, jedoch lässt die Kennzeichnung von Werbung gegenüber redaktionellen Inhalten zu wünschen übrig. Da aufgrund der auch hier angewendeten Rankingverfahren auch Werbetreffer durchaus Relevanz bezogen auf eine Suchanfrage haben können und der Prozess der Weiterleitung zur Zielseite sich nicht von dem bei den regulären Treffern unterscheidet, wird von den Nutzern oft nicht wahrgenommen, ob sie nun einen Werbetreffer angeklickt haben oder ein "objektives" Ergebnis der Suchmaschine.


Monopolstellung auf dem Suchmaschinenmarkt

Der Suchmaschinenmarkt ist stark konzentriert. Für den Markteintritt bestehen hohe finanzielle und technische Hürden, der Konkurrenzkampf ist hart. Aus diesem Grund gibt es international nur wenige bedeutende Suchmaschinen. Vor allem sind hier Google, Yahoo, MSN und Ask.com zu nennen. Weitere Anbieter haben teils regionale Bedeutung. Vor allem Google hat auf vielen Märkten eine weitgehende Monopolstellung inne. Etwa 90 Prozent aller Anfragen an allgemeine Suchmaschinen in Deutschland werden an Google gestellt. In anderen europäischen Ländern ist die Situation vergleichbar. Aus Befragungen ist bekannt, dass die Nutzer mit den Ergebnissen dieser Suchmaschine sehr zufrieden sind und daher ein Wechsel zu einer anderen Suchmaschine - oder auch nur die Ergänzung durch andere Suchmaschinen - für sie nicht in Frage kommt. Durch die Qualität der Suchergebnisse allein lässt sich der hohe Zuspruch zu Google jedoch nicht erklären: Andere Suchmaschinen können durchaus eine vergleichbare Ergebnisqualität bieten.

Problematisch an der herausragenden Stellung von Google ist, dass diese Suchmaschine nahezu allein darüber bestimmt, welche Inhalte die Nutzer zu sehen bekommen. Zwar wird die Reihenfolge der Ergebnisse mit automatischen Verfahren bestimmt, jedoch basieren auch diese auf bestimmten Grundannahmen darüber, was als ein gutes Ergebnis anzusehen ist und was nicht. Eine objektive Reihung der gefundenen Dokumente gibt es entgegen der allgemeinen Vorstellung nicht.

Inzwischen hat sich eine ganze Branche herausgebildet, die davon lebt, Webseiten für Suchmaschinen so zu optimieren, dass diese für die gewünschten Suchbegriffe auf den ersten Trefferplätzen angezeigt werden. Diese sogenannte Search Engine Optimization ist von besonderer Bedeutung, da die Listung auf einem der vorderen Plätze über die Wahrnehmung eines Web-Angebots und damit über den geschäftlichen Erfolg entscheidet. Die Suchmaschinennutzer klicken vor allem auf die ersten Trefferplätze, besonders auf die Treffer, die ohne Scrollen auf dem Bildschirm sichtbar sind. Dies bedeutet in der Praxis, dass Angebote, die nicht unter den ersten drei bis fünf Treffern der Ergebnisliste zu finden sind, so gut wie nicht wahrgenommen werden.

Mit der Marktdominanz eines Suchmaschinenanbieters ist ein weiteres Problem verbunden: Was geschieht mit den bei der Suche anfallenden Daten? Suchmaschinen protokollieren alle eingegebenen Suchanfragen und die zugehörigen Interaktionen mit der Suchmaschine. Da die Suchanfragen einem individuellen Nutzer (bzw. wenigstens seinem Rechner) zugeordnet werden können, lassen sich auf dieser Basis leicht Interessensprofile oder gar Persönlichkeitsprofile erstellen. Diese können wiederum zur Personalisierung der Suchergebnisse - und damit zu deren Verbesserung - eingesetzt werden, allerdings sind auch andere Einsatzszenarien denkbar. Im Bereich des Datenschutzes wird die Speicherung und Weiterverwendung von Suchanfragen erst seit kurzem diskutiert; bei den durchschnittlichen Nutzern ist bisher kein Bewusstsein für diese Problematik vorhanden.

Die Marktdominanz von Google hat zu verschiedenen Reaktionen geführt. Auf der einen Seite wird mit Hilfe staatlicher Förderung versucht, die Entwicklung von Suchtechnologie auch in Europa voranzubringen. Zu nennen sind hier vor allem das französische Quaero-Projekt sowie das deutsche Förderprogramm Theseus des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Beide Projekte investieren hohe Millionenbeträge in die Forschung und in Entwicklungsprojekte in Unternehmen. Die Erfolgschancen dieser Großprojekte werden von Experten unterschiedlich bewertet. Sie können auf lange Sicht die Entwicklung von Suchtechnologie vorantreiben, auf kurze Sicht werden sie jedoch die Marktdominanz von Google nicht mindern.

Die zweite Reaktion auf die Marktmacht von Google liegt in der Forderung nach alternativen Suchmodellen, die durch ihre technische Konstruktion nicht monopolisierbar sind. Solche Ansätze stecken jedoch noch in den Kinderschuhen. Seitens der Unternehmen besteht nur geringes Interesse an solchen Modellen.

Durch die Verfügbarkeit immenser Informationsmassen ergeben sich große Chancen für die Wissensgesellschaft. Die Auffindbarkeit von Informationen ist jedoch abhängig von der Präsenz der entsprechenden Dokumente in den Trefferlisten der Suchmaschinen. Besonders durch die Arbeit der Suchmaschinenoptimierer werden die Ergebnisse von Suchanfragen stark beeinflusst. Die Konkurrenz um die ersten Plätze der Trefferlisten führt dazu, dass informationsorientierte Angebote oft hinter kommerziellen Angeboten zurückstehen. Aufgrund der Häufigkeitsverteilung der Suchanfragen lässt sich der größere Anteil der individuellen Trefferlisten allerdings nur schwer beeinflussen.


Prof. Dr. Dirk Lewandowski ist Professor für Information Research & Information Retrieval an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg.


*


Quelle:
UNESCO heute, Zeitschrift der Deutschen UNESCO-Kommission
Ausgabe 1/2008, S. 45-47
Herausgeber: Deutsche UNESCO-Kommission e.V.
Redaktion: Colmantstraße 15, 53115 Bonn
Tel.: 0228/60 497-0, Fax: 0228/60 497-30
E-Mail: sekretariat@unesco.de
Internet: www.unesco.de, www.unesco-heute.de

UNESCO heute erscheint halbjährlich.
Bezug frei.


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2008