Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


VORWÄRTS/1586: Von Stalingrad nach Berlin


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 15/16 vom 8. Mai 2020

Von Stalingrad nach Berlin

von Damian Bugmann


Vor 75 Jahren beendete die Rote Armee den Zweiten Weltkrieg mit der Eroberung der Reichshauptstadt Berlin. Sie ermöglichte damit eine sozialistische Entwicklung in Osteuropa und bewirkte, dass während mehr als vierzig Jahren kein Krieg mehr von Deutschland ausging. Der 8. Mai wird seither als Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus gefeiert.


Der Krieg gegen die Sowjetunion begann am 22. Juni 1941 - trotz dem 1939 geschlossenen Nichtangriffspakt - mit dem Überfall "Unternehmen Barbarossa" der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion und endete mit der Schlacht um Berlin nach dem Selbstmord Adolf Hitlers und der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945. Er forderte zahlreiche Millionen Todesopfer. Während des Eroberungsfeldzugs von Nazideutschland fanden in Stalingrad, vor Leningrad und Moskau 1942/43 grausame Kämpfe zwischen den faschistischen deutschen und den sozialistischen russischen Truppen statt. Enorme Zerstörungen blieben zurück. Von Deutschland wurde der von 1941 bis 1945 dauernde Krieg als "Russland"- oder "Ostfeldzug" bezeichnet, von der Sowjetunion als "Grosser Vaterländischer Krieg", die bürgerliche Geschichtsschreibung nennt ihn "Deutsch-Sowjetischer Krieg".


Immense Opfer der UdSSR

Die grossen westlichen Medien berichten gerne und ausgiebig über die Kriegsleistungen zur Befreiung Europas der Westallierten, über ihren Luft-, Bomben- und U-Bootkrieg, ihre Siege und Eroberungen. Über den Krieg von Deutschland in Osteuropa und den wesentlichen Anteil der UdSSR am Sieg gegen den Faschismus wird kaum berichtet. Das grosse Verdienst und die immensen Opfer der Sowjetunion passen nicht zum schematischen Bild der "bösen Russen" der antikommunistischen Propaganda, die sehr tief im kollektiven Unbewussten der kapitalistischen Gesellschaften verankert ist.


Die Wende in Stalingrad

Anfang November 1942 hatte die Wehrmacht 90 Prozent des Stadtgebiets von Stalingrad erobert. Doch die vollständige Eroberung der zerstörten Stadt gelang aufgrund des enormen Widerstands der Roten Armee nicht. Die deutschen Truppen und ihre Verbündeten, vor allem Rumänen und Kroaten, wurden am 19. November 1942 durch die sowjetische Gegenoffensive eingekesselt. Die faschistische Wehrmacht wurde in Stalingrad im Frühjahr 1943 mit ihrer eigenen und für sie vorher sehr erfolgreichen Einkesselungstaktik besiegt. Stalingrad war die Wende im Zweiten Krieg: Hitlers Verbündete Italien, Ungarn und Rumänien mussten hier erhebliche Verluste hinnehmen und begannen danach, sich von Deutschland zu distanzieren, um einen Separatfrieden mit der Antihitlerkoalition zu schliessen.

Der grosse Erfolg ermunterte den sowjetischen Vorstoss nach Berlin, die Partisanenkämpfe in den besetzten Gebieten und den Vorstoss der Westallierten nach Deutschland. In Italien trug die Niederlage ein paar Monate später zum Sturz des Diktators Benito Mussolini bei und führte dazu, dass Italien die Seiten wechselte. Die spanische Falangistendivison wurde ins Francoland zurück geholt, doch ein Teil von ihr blieb bis zur Kapitulation in Berlin dabei.


Sieg an der Oder

Rund eine Viertelmillion Menschen wurde ab Juli 1937 im Konzentrationslager Buchenwald gefangen gehalten. Jeder fünfte Häftling wurde umgebracht; das sind schätzungsweise mehr als 55.000 Menschen. Am 11. April 1945, 28 Tage vor dem 8. Mai, wurde das Konzentrationslager Buchenwald befreit - nicht von den Westallierten, sondern von den sehr gut organisierten Häftlingen selbst, unter ihnen viele Kommunist*innen. Seit dem Sieg der Konterrevolution 1990 wird die Selbstbefreiung bestritten.

Die Schlacht um die Seelower Höhen an der Oder im April 1945 war eine der grössten im Laufe der Berlin-Offensive. Die Einnahme des strategisch wichtigen Punktes und die Zerschlagung der 9. Armee der Wehrmacht durch die 1. Weissrussische Front unter dem Befehl von Marschall Schukow leisteten einen entscheidenden Beitrag zum Sieg in der Endphase des Grossen Vaterländischen Krieges. Die Schlacht dauerte vom 16. bis 19.April 1945. Knapp eine Million Rotarmist*innen erkämpften sich darauf den Weg zur Hauptstadt des Deutschen Reichs, verteidigt von etwa 120.000 deutschen Soldaten. Auf dem am 27. November 1945 eröffneten Ehrenfriedhof Seelower Höhen auf der Reitweiner-Höhe sind mehr als dreissigtausend sowjetische Soldat*innen begraben. Der Bildhauer Lew Kerbel gestaltete das Denkmal.


Konev-Dankmal beseitigt

Eines der vielen osteuropäischen Denkmäler zur Erinnerung an den Sieg der Roten Armee wurde übrigens kürzlich entfernt. Im Schatten der Corona-Krise liess der Bürgermeister von Prag am 2. April 2020 in einer umstrittenen Aktion das Denkmal des sowjetischen Generals Ivan Stepanowitsch Konev mit einem Kran beseitigen. Konev war der sowjetische General, dessen Truppen Ende Januar 1945 Auschwitz von den Nazis befreit hatten und ein paar Wochen später auch bei der Befreiung der Stadt Prag von den Nazis dabei war.


Eroberung des Reichstags

Während der Schlacht um Berlin wurde der Reichstag nach heftigen Kämpfen vom 28. April bis 1. Mai 1945 vom 79. Infanteriekorps der 3. Stossarmee der 1. Belorussischen Front und weiteren Kampfverbänden eingenommen. Am 30. April 1945 wurde die Fahne der 150. Schützendivision über dem Eingangsportal und auf dem Dach des Gebäudes aufgepflanzt, das berühmte Foto von Jewgeni Chaldej mit Rotarmisten und der Fahne der UdSSR auf dem Dach entstand. Am 8. Mai 1945 kam die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht.

*

Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 15/16 - 76. Jahrgang - 8. Mai 2020, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 8230, 8036 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch
 
vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang