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VORWÄRTS/1539: Fussballfans gegen Homophobie


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 39/40 vom 29. November 2019

Fußballfans gegen Homophobie

von Siro Torresan


Am 4. Januar 2020 findet in Adliswil ZH ein etwas spezielles Hallenfussballturnier statt: Fussballfans aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kicken gegen die Homophobie. Der Anlass findet seit 2011 statt und gastiert zum ersten Mal in der Schweiz. Der vorwärts sprach mit Lars Vogler, der das Turnier mitorganisiert.


vorwärts: Lars, was sind die Ursprünge des Fanturniers gegen Homophobie, wo liegen seine Wurzeln?

Lars Vogler: Das Turnier findet bereits zum neunten Mal statt. Begonnen hat daher alles 2011 und zwar in Berlin, wo besonders die Fans des Fussballvereins Tennis Borussia Berlin stark engagiert waren. Insbesondere Chris, der beim Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) arbeitete und im Fanvorstand des Berliner Clubs war. Der Verein Fussballfans gegen Homophobie hingegen wurde 2013 in Deutschland gegründet, es folgten dann die Gründungen in Österreich und in der Schweiz. Hier nennt sich der Verein Fans gemeinsam gegen Homophobie. Wie der Name schon sagt, können alle Sportfans beitreten, also nicht nur Fussballfans, sondern auch Hockeyfans, Handballfans und so weiter. Dies wurde bewusst so gemacht, weil es in Deutschland im Basketball, im Handball, im Hockey und so weiter Fanvereine gegen Homophobie gibt, die mehr oder weniger alle ihr eigenes Süppchen kochen. In der Schweiz ist der Verein nicht so gross und er besteht hauptsächlich aus Mitgliedern von Queer-Gruppen von Fans der grossen Vereine wie dem FC Zürich, der BSC Young Boys Bern und dem FC Basel. Von den kleineren Clubs sind die Fans des FC Wohlen sehr aktiv.


vorwärts: Was sind die Ziele des Vereins?

Lars Vogler: Es ist einer der vielen Vereine, die sich allgemein gegen Diskriminierung einsetzen, im spezifischen Fall eben gegen Homophobie in der Fussballwelt. In einer Welt also, in der nach wie vor schwulenfeindliche Formen vorhanden sind. Ziel ist es unter anderem, die vorherrschenden Vorurteile aufzuweichen und sie mit der Zeit ganz zum Verschwinden zu bringen. So ein Vorurteil ist zum Beispiel, dass schwul sein gleich schwach sein heisst. Diese Vorstellung ist nach wie vor weit verbreitet, in den Fankurven aber auch auf dem Spielfeld, sprich unter den aktiven Spielern selbst. Das Abbauen von Vorurteilen ist bekanntlich generell keine einfache Sache. Beim Fussball kommt erschwerend hinzu, dass Homophobie nicht das grosse Thema ist, wie zum Beispiel Rassismus, wo sich auch der Fussballweltverband FIFA dagegen engagiert. Wenn du dich für das Thema interessierst, oder selbst schwuler Fussballfan oder aktiver Spieler bist, hast du rasch mal Kontakt zum Verein. In Deutschland zum Beispiel gibt es viel Unterstützung im Breitensport. In der Schweiz versucht er eine Öffentlichkeitsarbeit aufzubauen. Auf den Punkt gebracht: Die Sensibilisierung auf das Thema und die dafür notwendige Öffentlichkeitsarbeit sind zwei wichtige Ziele, die der Verein verfolgt.


vorwärts: Und wie tut er dies?

Lars Vogler: Ein Beispiel ist das grosse Banner "Fussballfans gegen Homophobie", das in den Fankurven immer wieder zu sehen ist. Es gibt auch einen Zusammenschluss der verschiedenen Queer-Fussballfanclubs, die sich einmal im Jahr treffen. So ein Treffen hat schon mal in der Schweiz stattgefunden. Und eins der grösseren Projekte für die Schweiz ist eben das Hallenfussballturnier, das Anfang Januar in Adliswil stattfindet.


vorwärts: Wer macht an diesem Turnier alles mit?

Lars Vogler: Es kommen Teams aus Deutschland, Österreich und natürlich der Schweiz. Also aus jenen Ländern, in denen der Verein auch aktiv ist. Leider haben wir noch keine Zusage aus Berlin, was noch wichtig wäre, da ja der Ursprung des Turniers dort liegt. Aber es kommen Teams aus Wien, Bremen, Frankfurt, Stuttgart, München und Siegen. Die Anmeldung aus Siegen freut uns besonders, denn wir hatten bisher noch nie Kontakt mit ihnen.


vorwärts: Warum findet es dieses Jahr in Adliswil, also im Kanton Zürich statt?

Lars Vogler: Wir haben von der FCZ-Fangruppe zwei Mal teilgenommen, das erste Mal in Wien, dann in Frankfurt. So sind die Kontakte entstanden. Ich fand es persönlich immer eine sehr tolle Sache und so ist die Idee entstanden, es mal in Zürich zu organisieren. Das Turnier hat auch den Charakter eines Klassentreffens, das heisst, ein Treffen unter Freunden. So wird es zum Beispiel in Wien rund um den Wiener Sportclub organisiert, der schon länger in dieser Frage engagiert ist. In Zürich haben wir die Möglichkeit, den einen oder anderen Fan, oder gar die eine oder andere Fangruppierung aus der Kurve zu sensibilisieren, ihnen zumindest aufzuzeigen, dass es Leute gibt, die genau in der Frage der Homophobie im Fussball aktiv sind.


vorwärts: Gibt es denn in Zürich ein besonderes Problem diesbezüglich?

Lars Vogler: Nein, gar nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Zürich ist vergleichsweise unproblematisch. Dementsprechend kann man sich an eine grössere Kurve, die das Thema nicht so gewohnt ist, einfacher herantasten als zum Beispiel in Dresden mit einer Fankurve, in der das rechte, homophobe Gedankengut doch recht verbreitet ist. In Zürich ist das Feld viel offener, unter anderem weil wir mit der Südkurve eine sehr offene Fankultur haben, auch wenn sie sich als unpolitisch bezeichnet, sich dezidiert nicht zu politischen Themen äussert, was sie auch nicht zwingend muss. Trotzdem wäre es schön, wenn man dem einen oder anderen durch das Turnier die Thematik etwas näherbringen könnte.


vorwärts: Was ist die Botschaft des Turniers? Was sind die Ziele?

Lars Vogler: Es soll Spass machen. Die Freude, ein gemeinsames Wochenende zu verbringen unter Freunden und Kolleg*innen, ist ein primäres Ziel. So hast du auch den einfacheren Zugang zum Thema. Auch hier wieder: Es geht ums Sensibilisieren, um eine Öffentlichkeitsarbeit. Der Anlass bietet aber auch die sehr gute und willkommene Möglichkeit, sich auszutauschen. Sich zu informieren, was in anderen Fussballrealitäten so läuft, was andere für Projekte am Laufen haben, auf was für Schwierigkeiten sie bei ihren Aktionen stossen. Natürlich sind die Probleme verschieden: Bremen hat mit einem Verein in der Bundesliga und 5000 Fans in der Kurve andere Sorgen als zum Beispiel Roter Stern Frankfurt oder Siegen, die in den Regionalliegen kicken. Dieser Austausch ist sehr spannend. Die Botschaft heisst ganz allgemein: Nein zu Homophobie im Fussball, und zwar auf allen Ebenen, das heisst weder auf dem Rasen, noch auf den Zuschauer*innenrängen oder in den Strukturen der Vereine. Dass wir dies nicht auf Anhieb erreichen, ist klar. Das Turnier ist aber ein Schritt dazu.


vorwärts: Wie manifestiert sich die Schwulenfeindlichkeit im Fussball?

Lars Vogler: Oft durch Nebensächlichkeiten, oder Vorfälle, die als solche wahrgenommen werden, wie zum Beispiel der Spruch: Spiel nicht so einen schwulen Pass. Es gibt auch immer wieder ganz konkrete Vorfälle innerhalb der Fankurven oder innerhalb einer Mannschaft. Ich weiss von Spielern von zwei, drei Vereinen im Kanton Zürich, die sich sehr diskriminiert fühlten. Sie haben die Problematik innerhalb des Vereins angesprochen, stossen dabei aber auf taube Ohren. Sie sind dann aus dem Verein ausgetreten. Dies zeigt, dass das Thema oft noch Tabu ist.


vorwärts: Warum ist es ein Tabu?

Lars Vogler: Das ist ganz schwierig zu sagen. Homophobie war im Fussball lange kein Thema, durfte kein Thema sein, entsprechend hat man nicht darüber gesprochen. Ich weiss nicht, wie es in den 1960er- und 1970er-Jahren war, einen farbigen Spieler im Quartierverein zu haben. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass dies auch nicht so problemlos war. Es ist die Diskriminierung, die vorhanden ist, zumindest teilweise. Auch ist es so, dass in einer grossen Stadt wie Zürich die Problematik sicher kleiner ist als in ländlichen Gebieten. Dies zeigt sich auch anhand der Informationen über Vorfälle, die der Verein bekommt.


vorwärts: Und wie ist es diesbezüglich in den Fankurven?

Lars Vogler: In der Schweiz haben wir das 'Glück', dass sich viele Fankurven als unpolitisch definieren. Wenn Spruchbänder auftauchen, sind diese sehr selten homophob oder rassistisch, sondern richten sich gezielt gegen Clubs oder andere Fankurven. Natürlich gibt es auch Ausnahmen: So haben die Fans des Grasshopper Clubs letztes Jahr zwei Transparente mit doch schwierigem Inhalt gezeigt. Vor ein paar Jahren gab es auch in Luzern so einen Vorfall. In Deutschland ist die Homophobie in den Fankurven viel verbreiteter. Da gibt es praktisch jede Woche, und zwar in allen drei Profiligen, also in der 1., 2. und 3. Bundesliga, immer wieder Vorfälle wie Gesänge oder Spruchbänder mit homophoben Inhalten, was gravierender ist, als der dumme Spruch: Spiel nicht so einen schwulen Pass. Und sie werden auch von einer viel breiteren Masse mitgetragen oder zumindest stillschweigend akzeptiert.


vorwärts: Ist es im Fussball besonders schlimm mit der Homophobie?

Lars Vogler: In den Fankurven ja. Dies hat aber damit zu tun, dass der Fussball besonders populär ist und es in keinem anderen Sport so grosse Fankurven gibt wie im Fussball. Je grösser die Masse, desto grösser die Gefahr, aber auch die Möglichkeit, dass sich jemand dagegen engagiert. So ist zum Beispiel die organisierte Fanszene im Eishockey viel kleiner, ländlicher geprägt und es ist wohl auch kein Thema, weil sich niemand speziell der Frage der Homophobie annimmt. Im Breitensport kann ich mir gut vorstellen, dass die Problematik auch vorhanden ist. Ich schätze mal, dass der Fussball per se nicht schlimmer ist als andere Sportarten. Homophobie ist und bleibt ein gesellschaftliches Problem.


vorwärts: Wie war die Entwicklung in den letzten Jahren in den Fankurven? Gab es Fortschritte?

Lars Vogler: Ja, definitiv! Zum Beispiel gibt es in der Südkurve Zürich keine Lieder mehr mit auch nur annähernd homophobem Inhalt. So wird das Lied 'Alli Trämli sind grüen und alli Basler sind schwul' seit Jahren nicht mehr gesungen, so wie auch alle rassistischen Fangesänge komplett aus der Südkurve verschwunden sind. Da hat sich wirklich einiges getan. Dies hängt natürlich auch mit der gesellschaftlichen Weiterentwicklung in dieser Frage zusammen.


vorwärts: Und was muss sich noch ändern?

Lars Vogler: Wir müssen dahin kommen, dass die Fankurven und die Fussballfans im Allgemeinen besser Bescheid wissen über das Thema, sich auch damit stärker auseinandersetzen. Wir sollten so weit kommen, dass wir beispielsweise bei einem Turnier wie dem unsrigen die vorhandenen Rivalitäten überwinden und gemeinsam gegen Homophobie ein Zeichen setzen.

Anmeldungen für das Turnier sind noch möglich unter:
lv@tevau.ch

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 39/40 - 75. Jahrgang - 29. November 2019, S. 10
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2019

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