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VORWÄRTS/925: Schwere Vorwürfe gegen den Aargau wegen Ausschaffungen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.17/18 vom 10. Mai 2013

Schwere Vorwürfe gegen den Aargau wegen Ausschaffungen

Von Michi Stegmaier



Der Verein Netzwerk Asyl Aargau übt harte Kritik an den Aargauer Migrationsbehörden und ruft in Erinnerung, dass die Ausschaffung von hochschwangeren Frauen oder Müttern mit Kleinkindern gegen elementare Menschenrechte verstösst.


Bestätigt wurde dieser Vorwurf durch ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. "Das Urteil in Strassburg vom 16. April 2013 zeigt uns, dass in den jüngsten Fällen von Ausschaffungen im Aargau gegen den EMRK Artikel 8 verstossen wurde. Frauen und Kinder wurden unter Missachtung der Verhältnismässigkeit nach Italien zurückgeschafft und so von ihren Vätern und Ehegatten getrennt", so der Verein Netzwerk Asyl Aargau in seiner Medienmitteilung vom 19. April.


Aus den Augen, aus dem Sinn

So liess der Kanton Aargau etwa eine Mutter mit ihrem zwei Monate alten Baby morgens um 6.15 Uhr von vier Kantonspolizisten abholen. Während die Polizeibeamten den Vater kurzerhand in einem Zimmer einsperrten, wurde die Mutter mit Handschellen und Baby ohne jegliches Gepäck auf den Flughafen gebracht und in einen Flieger nach Milano-Malpensa gesetzt. Ohne Angaben einer Hilfsorganisation oder weiterer Informationen wurden sie und ihr Baby in Mailand am Flughafen "ausgesetzt". Zehn Tage später das gleiche Szenario: Nur waren es dieses Mal gleich acht Polizisten, die in drei Streifenwagen am Morgen früh vorfuhren um eine im siebten Monat Schwangere mit ihrer zwei Jahre alten Tochter abzuholen. Der Ehemann der Frau bat die anwesenden Polizisten, ihn ebenso mitzunehmen, da seine Frau in Italien keinerlei Unterstützung und Überlebenshilfe bekommen wird. Da die Polizei jedoch keinen Auftrag für den Mann hatte, blieb er in der Schweiz alleine zurück, während die Hochschwangere sowie die zweijährige Tochter mit Gepäck und zwanzig Franken "Rückkehrhilfe" zum Flughafen Kloten gebracht wurden. In Mailand musste die Frau ein Papier unterschreiben und wurde auf die Strasse gesetzt. Für Patrizia Bertschi, Präsidentin des Netzwerks Asyl Aargau, ist klar, dass dieses Vorgehen inakzeptabel und rechtswidrig ist. "In Italien stehen die Frauen mit den kleinen Kindern auf der Strasse, sie haben keine Chance".


Nicht den Handlager spielen

Beim Kanton hingegen wehrt man sich gegen die scharfen Worte. Und wie so oft, wenn die Behörden unter Druck kommen und in den öffentlichen Fokus geraten, beginnt der amtliche Zaubertanz. So wehrt sich der Kanton der Wir-wollen-keine-Asylanten-Unterkünfte-Empörten gegen die Vorwürfe und delegiert die Verantwortung kurzerhand nach Bern weiter. Hans Peter Frick, Generalsekretär des Aargauer Innendepartements, betont gegenüber den Medien, dass der Kanton kaum Spielraum hätte, da der Bund festlegen würde, wohin und unter welchen Bedingungen ausgeschafft wird. Der Kanton könne hier kaum mitreden. Diese faule Ausrede will die langjährige Aargauer Kantonsrätin Bertschi hingegen nicht gelten lassen: "Wir stellen uns auf den Standpunkt, dass die Kantone nicht einfach den Handlanger für den Bund spielen, sondern auch mal sagen soll: Hier machen wir nicht mit!".

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 17/18 - 69. Jahrgang - 10. Mai 2013, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2013