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VORWÄRTS/890: Das Referendum gegen den Dammbruch


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 03/04 vom 1. Februar 2013

Das Referendum gegen den Dammbruch

von Siro Torresan



Die Tankstellen-Shops sollen rund um die Uhr offen haben. Mit der Taktik der kleinen Schritte sollen die Ladenöffnungszeiten in allen Branchen völlig liberalisiert werden, was ein direkter Angriff auf die Arbeitsbedingungen ist. Die Gewerkschaften ergreifen das Referendum.


Die angenehme, nicht zu laute Musik wird unterbrochen. Eine nette, weibliche Stimme verkündet der anwesenden Kundschaft folgendes: "Jetzt brauchen Sie nicht mehr zu hetzen. Sie können ihren Einkauf gemütlich erledigen. Ab sofort sind wir von Montag bis Samstag von 9.00 bis 22.00 Uhr für Sie da." Ich frage eine Verkäuferin, ob nun mehr Personal eingestellt werde, da am Abend länger offen ist. Sie schmunzelt und antwortet: "Nein, sicher nicht. Wir zählen für die doch nichts." Sie stellt die Weinflaschen ins Regal und sagt mit leiser Stimme, als könnte sie sonst ertappt werden: "Uns wurde einfach mitgeteilt, dass ab Mitte Januar der Laden eine Stunde länger offen bleibt." Die Verkäuferin schaut mich an und erklärt: "Es ist ganz einfach: statt um 22 Uhr bin ich jetzt erst um 23 Uhr zu Hause." Bisher war um 21.00 Uhr Ladenschluss. Vor etwa fünf Jahren schloss die Coop-Filiale beim Lochergut in Zürich um 18.30 Uhr. Schrittweise wurde dann die Öffnungszeit verlängert.


Das Ziel ist klar

In diesem Geiste der "Verlängerung in kleinen Schritten" steht die Totalliberalisierung der Öffnungszeiten bei den Tankstellen-Shops. Sie wurde im Dezember 2012 vom National- und Ständerat abgesegnet. Die Gewerkschaften haben nun das Referendum gegen den "24-Stunden-Arbeitstag" ergriffen und werden dabei von der SP unterstützt. "24 Stunden konsumieren bedeutet früher oder später 24 Stunden arbeiten - für alle!" schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und er ruft auf, das "Referendum gegen den Dammbruch" zu unterschreiben. Denn eins ist für die Gewerkschaften klar: "Das Ziel bleiben längere Öffnungszeiten in allen Geschäften und langfristig die Beseitigung des Nacht- und Sonntagarbeitsverbots."

"Die Deregulierung der Arbeitszeit, einmal in einer Branche eingeführt, verlangt weitere Deregulierung und rechtfertigt sie auch" hält der SGB fest und fügt hinzu: "Zuerst in vor- und nachgelagerten Branchen - und früher oder später überall". Ein gutes Beispiel dafür ist die Entwicklung beim Sonntagsverkauf, der in den Läden in grossen Bahnhöfen und Flughäfen bewilligt ist. Die umliegenden Geschäfte beklagen nun den "unlauteren Wettbewerb" und verlangen punkto Öffnungszeiten "gleich lange Spiesse". So hat der Tessiner Ständerat Fabio Abate (FDP - Die Liberalen) einen Vorstoss eingereicht, der mit einem beliebig dehnbaren Gummiparagraphen die Sonntagsverkäufe überall liberalisieren will. Und der zweite Tessiner im Ständerat, Filippo Lombardi (CVP), will die Ladenöffnungszeiten in der Schweiz "harmonisieren" und dies mit einer allgemeinen Verlängerung bis 20.00 Uhr.


50 Stunden pro Woche

Bereits heute muss das Verkaufspersonal "zerstückelte Arbeitszeiten, Samstagsarbeit und Arbeit auf Abruf in Kauf nehmen", informiert die Gewerkschaft Unia. Fakt ist auch, dass sich die Arbeitszeiten im Verkauf stark nach den Öffnungszeiten richten. Und ohne eine Regulierung der Ladenöffnungszeiten ist allein das Arbeitsgesetz für die Regelung der Arbeitsbedingungen zwingend. Ein Gesetz, das alles andere als arbeitnehmerfreundlich ist: Die wöchentliche Höchstarbeitszeit im Detailhandel beträgt 50 Stunden, in Grossbetrieben (ab 50 Angestellten) 45 Stunden, Tages- und Abendarbeit ist bis 23 Uhr zuschlagsfrei (auch am Samstag!) und für regelmässige Sonntagsarbeit muss kein Zuschlag bezahlt werden. Daher ist für die Unia eine "weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen inakzeptabel."


Unterschriftenbogen und weitere Infos unter: www.unia.ch und www.sgb.ch

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 03/04/2013 - 69. Jahrgang - 1. Februar 2013 , S. 2
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2013