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VORWÄRTS/817: Aktion "Für ein bedingungsloses Grundeinkommen" - Listen nicht unterschreiben!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 17/18 2012 vom 27. April 2012

Nicht unterschreiben!



jos. Ab 21. April wurde das Sammeln der Unterschriften "Für ein bedingungsloses Grundeinkommen" gestartet. Die Initiative möchte ein bGE in der Schweiz einführen - unter haarsträubendsten Bedingungen. Ein genauer Blick auf die Initiative.


Es gibt nicht viel zu lesen, im Initiativtext. Drei kurze Paragrafen, die geeignet wären, die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Schweiz gründlich zu erschüttern. Da heisst es:

"1. Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens."

"2. Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen."

"3. Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens."

Das war es schon, mehr gibt es da an Bestimmungen nicht zu lesen. Dass aber schon dies wenige reicht, um für eine Katastrophe zu sorgen, werden wir nun sehen.


Leben mit 2500 Franken

Die Höhe des Grundeinkommens - sie ist eine unbekannte Grösse. Wir wissen nicht, wie viel herauskommt, sollte diese Initiative tatsächlich angenommen werden. Wir wissen aber, wovon ihre eifrigsten Vertreterinnen (wie Daniel Häni, der im Initiativkomitee sitzt) reden. 2.500 Franken sollen es ihrer Meinung nach sein. 2.500 Franken, das ist der Betrag, der den BetreiberInnen dieser Initiative vorschwebt. Mit 2.500 Franken soll ein "menschenwürdiges Dasein" in der Schweiz gelebt werden können, eines, das "Teilnahme am öffentlichen Leben" ermöglicht. Wirklich? Gleichzeitig gibt es eine Mindestlohninitiative. Sie fordert, dass kein Lohn unter 4.000 Franken liegen dürfe - weil sonst kein würdiges Leben geführt werden könne. Der Gedanke stimmt: 2010‍ ‍lag die Armutsgrenze innert der Schweiz bei 2.243 Franken. Mit einem bGE von 2.500 Franken darf die "ganze Bevölkerung" also ein Leben knapp über der Armut führen. Wobei nicht einmal das wahr ist: Wenn der Initiativtext von der "ganzen Bevölkerung" spricht, dann wischt er elegant die Tatsache fort, dass diese Bevölkerung aus Klassen besteht, dass es deshalb natürlich kein Projekt gibt, von dem alle Klassen - die "ganze Bevölkerung" - gleichermassen profitieren. Man muss schon genauer hinsehen. Wenn man das tut, wird man feststellen, dass die Klasse der Arbeitenden und insbesondere die Erwerbslosen nicht von einem bGE in Höhe von 2.500 Franken profitieren werden. Die genauere Analyse hierfür bot eine Artikelserie des vorwärts.


Der Bund regelt!

Auf wunderbare Art sorgt die Initiative auch dafür, dass es garantiert nicht mehr als 2.500 Franken werden. Denn das "Gesetz regelt (...) die Höhe des Grundeinkommens". Wer macht das Gesetz? "Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens." Nun, stellen wir einen kurzen Gedanken an, der sehr schmeichelhaft für Grüne und Sozialdemokratie sein wird. Nehmen wir an, die Grünen und die SP bestünden aus eifrigen Menschenfreunden, die der "ganzen Bevölkerung" tatsächlich etwas Gutes tun wollten - sie setzen sich für ein "menschenwürdiges Dasein" ein und fordern ein bGE von 4.000 Franken. Selbst all das vorausgesetzt: Im Bundesrat stehen zwei SozialdemokratInnen immer noch fünf "Bürgerliche" gegenüber; im Parlament haben SP und Grüne nicht einmal im Ansatz eine Mehrheit.

Indem die Initiative die Ausgestaltung des Grundeinkommens dem Bund überlässt, wurde sichergestellt, dass im Grundeinkommen nicht im Ansatz die Interessen der Arbeitenden verwirklicht werden. Die selben Leute, die sich gegen "6 Wochen Ferien für alle" ausgesprochen haben und die Arbeitslosenversicherung um 600 Millionen kürzten, sollen nun über Massnahmen für Arbeitende und Arbeitslose entscheiden. Wir gratulieren Häni und Co. zu diesem gelungenen Schildbürgerstreich.


Tod der "sozialen" Schweiz

Mit der Höhe des bGE ist es aber noch nicht getan. Selbst bei einem Verarmungsprogramm wie dem 2.500er bGE müssen Milliarden aufgewendet werden. Viele Milliarden: Ein bGE im Umfang von 2.500 Franken für alle und 1.250 Franken für Kinder würde die Schweiz schlappe 17 Milliarden kosten - im Monat. Im Jahr wären wir dann bei Ausgaben von 209 Milliarden. Ein derartiges "Sozialprogramm" hat die Schweiz noch nicht gesehen. Was würde also passieren? Und wozu würde ein solches bGE dann benutzt werden?

Es liegt auf der Hand, dass diese Milliarden den Umfang des Sozialstaates sprengen würden. Wörtlich: Sie werden den Sozialstaat zerstören. Das ist auch gewollt, denn das bGE tritt nicht an als Ergänzung, sondern als Aufhebung des Sozialstaates. Entsprechend wird das Programm des bGE die gewünschte Möglichkeit bieten, sämtliche andere Sozialausgaben zu streichen, abzuschaffen oder zu kürzen. Eine bedarfsorientierte Versorgung (etwa Arbeitslosenhilfe für Arbeitslose, IV für Invalide) gibt es dann nicht mehr oder nur noch in Ansätzen. In dem Rahmen, den uns der Kapitalismus vorgibt, ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass diese Aufhebung der Bedarfsorientierung letztlich zu einer Verschlechterung der Situation der Betroffenen führen wird. Die dürfen sich dann begnügen - mit 2.500 Franken.


Finanzierung? Konsumsteuer.

Und auch da: 2.500 Franken sind nicht 2.500 Franken. Trotz alledem und auch trotz der Aufhebung des Sozialstaates wird man "insbesondere die Finanzierung" des Grundeinkommens angehen. 202 Milliarden lassen sich nicht einfach so flüssig machen. Tendentiell gibt es mehrere Möglichkeiten, ein bGE zu finanzieren. Unter der Voraussetzung aber, dass "der Bund" die Finanzierung besorgt, ist nur eine realistisch: Finanzierung des Grundeinkommens über eine Konsumsteuer. Nun, die Schweiz kennt insbesondere eine Konsumsteuer: die Mehrwertsteuer. Man kann nun spekulieren, wie viel sie denn später sein wird - als Anhaltspunkt dient uns da Götz Werner aus Deutschland. Der gute Mann schlägt ebenfalls ein bGE in bescheidenem Umfang vor, und errechnet dann, dass man die Mehrwertsteuer auf schlappe 50 Prozent anheben müsste. Vielleicht sind es in der Schweiz nur 20 oder 30 Prozent Aber was bedeutet das? Es bedeutet, dass sämtliche Waren um 10 bis 20 Prozent teurer werden. Unter diesen Verhältnissen ist klar, wie weit 2.500 Franken reichen werden. Damit wäre dann der endgültige Rutsch unter die Armutsgrenze geglückt.


Daniel Häni ist Geschäftsführer eines Cafes mit Millionenumsatz. Es dürfte ihn nicht weiter stören.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 17/18 2012 - 68. Jahrgang - 27. April 2012, S. 8
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2012