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VORWÄRTS/586: Die Velokarawane rollt!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 19/20 vom 15. Mai 2009

Die Velokarawane rollt!


Oli. Seit dem 9. Mai 2009 rollt die Velokarawane für eine zukunftsträchtige souveräne Landwirtschaft - gegen Gentechno. Sie radelt von Reckenholz/ZH nach Pully/VD, wo sie am 24. Mai ankommen will. Auf dem Weg dorthin stehen verschiedenste Veranstaltungen auf dem Programm. Die Velokarawane ist unabhängig von Politik und Wirtschaft und wurde von sieben Leuten aus der ganzen Schweiz ins Leben gerufen.


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Die Velokarawane ist ein Signal aus der Bevölkerung, dass Freisetzungsversuche und Gentechnik unerwünscht sind. Die Karawane ist eine Gelegenheit seine Meinung kundzutun. Sie informiert, vernetzt, macht das wachsende Unbehagen sichtbar und trägt den Protest durchs Land. Sie zeigt auf, dass es auch anders geht: Sie steht ein für eine naturnahe, auf Artenvielfalt und Wahlfreiheit fussende Landwirtschaft ohne Gentechnologie. Eine Landwirtschaft, die bereits erfolgreich existiert.

Nach erfolgreicher Annahme der Gentechfrei-Initiative 2005, soll das Nationale Forschungsprogramm (NFP) 59 Informationen über Nutzen und Risiken der Gentechnik erarbeiten. Dieses wird von ETH und Universität Zürich durchgeführt. Nach Ablauf des Moratoriums soll dieses Wissen als Entscheidungsgrundlage für die weitere Gentechpolitik der SchweizerInnen dienen. Ungefähr dreissig Projekte wurden im Forschungsprogramm zusammengefasst. Davon beinhalten neun Projekte den umstrittensten Teil des Programms, die Freisetzung von transgenem Weizen. Diese findet in Reckenholz/ZH und Pully/VD statt. Dieser Weizen soll eine relativ hohe Resistenz gegen Mehltau aufweisen, einem Pilzerreger der in ähnlicher Form bei fast allen Kulturpflanzen anzutreffen ist. Die im Labor entwickelte und im Gewächshaus beobachtete Resistenz soll nun unter anderem in einem dreijährigen Freilandanbau bestätigt werden.

Mehltau aber stellt bei entsprechender Sortenwahl und sorgfältiger Aussaat kein wirkliches Problem dar. Zusätzlich besteht die Gefahr einer Auskreuzung von transgenem Erbmaterial. Bei einer Auskreuzung gelangen Pollen der GVO-Pflanzen durch Insekten oder Wind zu normalen Pflanzen, auf welche dann das fremde Erbmaterial übertragen werden kann. Dieser Vorgang ist irreversibel. Auf dem amerikanischen Kontinent, wo heute knapp 90 Prozent der GMO-Pflanzen angebaut werden, haben sich die fremden Gene innerhalb weniger Jahre auf den meisten Äckern ausgebreitet. Biologischer Anbau, der nur schon von Gesetzes wegen gentechfrei sein muss, wird an vielen Orten verunmöglicht. Das zeigt, Koexistenz gibt es nicht und muss deshalb auch nicht weiter erforscht werden.


Wer Gift sät wird Gift ernten

Eine häufige Eigenschaft von Gentechpflanzen ist die Schädlingstoleranz durch eigene Gifte und Toleranz gegenüber Insektiziden und Herbiziden. Erfahrungen zeigen, dass diese Gifte die Aktivität von Nützlingen und somit auch die Bodenfruchtbarkeit stark reduzieren. Beides vermindert die Bodenfruchtbarkeit und die Biodiversität, entscheidende Faktoren für ein gesundes Ökosystem. Das Patentrecht wird von den Agro-Multi systematisch angewendet und durchgesetzt. Auch wenn GVO ungewollt durch Auskreuzung auf den Acker gelangt, müssen Bäuerinnen und Bauern dennoch Lizenzgebühren bezahlen. Teilweise werden sie mit übertriebenen Versprechungen und Billigpreisen zu Gentech überredet. Anschliessend steigen die Preise für Saatgut und die dazugehörigen Spritzmittel. Verlust der Wahlfreiheit der Anbauart, immense Schulden und mutmasslich gar Selbstmorde aus Verzweiflung werden so verursacht.

Entsprechend führen Gentech-Pflanzen zu einer Marktkonzentration und einem Verlust der Sortenvielfalt. Gerade diese aber sorgt für lokal angepasste und widerstandsfähige alte Kultursorten, die Basis für alternative Anbauformen. Zusätzlich wird den Bauern durch das Patentrecht der freie Nachbau ohne teure Lizenzzahlungen verboten. Nachbau bedeutet, dass ein Teil der Ernte für die Aussaat im nächsten Jahr zurückbehalten wird. Besonders in Entwicklungsländern mit primär Subsistenzwirtschaft ist der Nachbau viel bedeutsamer als bei uns.

Somit wird klar, die Freisetzungsversuche dienen der Erforschung einer Technologie, welche unkontrollierbare Risiken birgt, ökologische Schäden anrichtet, bisherige Anbauformen verunmöglicht und das Patentrecht systematisch zum Schaden der Bäuerinnen und Bauern weltweit anwendet. Eine solche Entwicklung ist weder nötig, noch erwünscht und auch nicht tolerierbar. Nur eine vielseitige, naturnahe Landwirtschaft ohne Gentechnik kann längerfristig unsere Ernährung sichern.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 19/20, 65. Jahrgang, 15. Mai 2009, Seite 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
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E-Mail: vwzh@smile.ch; Internet: www.vorwaerts.ch

vorwärts erscheint 14-täglich,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2009