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ROTFUCHS/174: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 220 - Mai 2016


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

19. Jahrgang, Nr. 220, Mai 2016



Inhalt
  • Brücken bauen für den Frieden!
  • Erika Schirmer und die Friedenstaube
  • Ein General, der vom Krieg schwadronierte
  • Mietwucher aus Prinzip
  • Herluf Bidstrup: Neulich im "Jobcenter"
  • Über 20 Jahre Rentenunrecht sind genug!
  • Gedanken eines katholischen Weggefährten
  • Die "Greif" geht noch lange nicht in Rente
  • BStU verschlingt 100 Millionen € jährlich für nichts
  • BRD-Flüchtlings"hilfe" statt DDR-Solidarität
  • Protest gegen Geschichtsfälschungen
  • Beate Klarsfelds historische Tat
  • Zum 145. Todestag von Wilhelm Weitling
  • RF-Extra - Volksentscheide zur Enteignung von Nazi-Verbrechern in Hessen und Sachsen
  • RF-Extra - Hätte die UdSSR ohne Rüstungswettlauf überleben können?
  • Die Lüge vom Abzug der ISAF-Truppen
  • Mazedonien: Historisches und Aktuelles
  • Syrien liegt "im Herzen der Gasreserven des Planeten"
  • Lateinamerika bald wieder US-Hinterhof?
  • Iran nach den Wahlen
  • Der ungesühnte Massenmord von Odessa
  • Almos Csongár: Das ungarische Dilemma
  • Ohne Geld ist die ganze "Freiheit" nichts wert
  • Der "Dichter" ist schon unterwegs
  • Rudi Kurz: Hamlet im Mai
  • Christa Kozik: Ein Mädchen aus Randberlin
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • RF-Veranstaltungen im Mai/Juni
  • Leserbriefe

*

Adieu, Genossen!

Der französische Schriftsteller und Publizist André Wurmser, der für die damals kommunistische "Humanité" viele Jahre eine stets mit Spannung erwartete tägliche Kolumne unter der Überschrift "Mais ..." ("Aber ...") verfaßte, "überlebte" seinen physischen Tod - zumindest journalistisch - um 24 Stunden. In jener Ausgabe der lieben alten "Huma", die sein Ableben vermeldete, bat er noch einmal ums Wort. "Un dernier mais ..." ("Ein letztes Aber ...) stand über dem Text, der viele bewegte. Es war gewissermaßen ein Nachruf des Autors auf sich selbst.

Der überzeugte Materialist Wurmser, der natürlich um die Endlichkeit menschlichen Daseins wußte, verabschiedete sich auf beinahe surrealistische Weise von seinen Genossen. Er bat sie überdies, auf Sträuße und Kränze zu verzichten und das Geld statt dessen seiner in jenen Tagen tapfer kämpfenden Partei - der FKP - zu spenden.

Für Wurmser hatte sich der Kreis des Lebens, mit dessen Bilanz er durchaus zufrieden sein konnte, geschlossen. Sein literarisches Erbe ist beachtlich. Ein mit der Feder bewaffneter Klassenkämpfer, blieb er buchstäblich bis zum letzten Atemzug der revolutionären Sache des Proletariats verbunden.

Ohne mich mit dem bedeutenden Franzosen auf eine Stufe erheben zu wollen, habe auch ich das Verlangen, Euch Lebewohl zu sagen. Ich bin, wie man so sagt, mit mir im Reinen. Dazu gehört auch privates, persönliches Glück, das ich erfahren habe.

Seit 1948 stand ich in den Reihen der deutschen kommunistischen Bewegung. Ich bin der SED an meinem 16. Geburtstag - dem 28. Dezember jenes Jahres - als FDJler in Westberlin beigetreten.

Die andere entscheidende Koordinate meines Lebens will ich besonders hervorheben: Über 40 Jahre - von der ersten bis zur letzten Minute ihres Bestehens, wobei dieses für mich am 18. März 1990 sein Ende fand - war ich Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, des besten Staates in der Geschichte unseres Volkes. Diese beiden Klammern haben alles zusammengehalten.

Zu besonderem Dank fühle ich mich meinem Vater verpflichtet, der mir auch als mein Lehrer an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität in so mancher Hinsicht den Weg gewiesen hat. Er war ein treuer Kommunist. Als Mitglied des Deutschen Volksrates und Abgeordneter der Provisorischen Volkskammer zählte er 1948/49 zu den Bahnbrechern und Gründern der DDR. Er hat ihre erste Verfassung maßgeblich mit formuliert. Jahrzehntelang gehörte er dem Weltfriedensrat an. 1980 wurde er am Pergolenweg in der Gedenkstätte der Sozialisten beigesetzt.

Zu mir selbst nur soviel: An dem Tag, an dem die DDR entstand, war ich FDJ-Sekretär des traditionsreichen Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster, das Schinkel und Bismarck besucht hatten. Es galt damals als die reaktionärste Schule im Osten der Stadt. Stadtschulrat Ernst Wildangel hatte mich dort hingeschickt. Auf dem Schulhof hielt ich vor einem verblüfften und überwiegend feindseligen Zuhörerkreis die Festansprache zur Staatsgründung.

Nach dem Studium war ich zunächst Staatsanwalt und Bürgermeister, dann Journalist beim Fernsehen der DDR, Mitarbeiter des Außenministeriums und schließlich fast 25 Jahre Redakteur und Auslandskorrespondent des ND, das damals in einer Millionenauflage erschien. In der Zeitung, die seit Walter Ulbrichts Ausscheiden zwar oft hölzern, sperrig und blutarm daherkam, aber bis 1989 immerhin auf Klassenpositionen stand, habe ich etwa zweieinhalbtausend Artikel veröffentlicht, von unzähligen Beiträgen in "horizont", "Weltbühne" und anderen Publikationen ganz abgesehen. Das damals kommunistische Blatt entsandte mich als Reporter an viele Brennpunkte des internationalen Geschehens. Monatelang verfolgte ich als Berichterstatter - zugleich auch als Vertreter einer weltweiten Solidaritätsbewegung - im kalifornischen Gerichtssaal den Prozeß gegen die auf Leben und Tod angeklagte marxistische Philosophiedozentin Angela Davis. Damals besuchte ich auch junge Indianer in ihren Wigwams und Rundhäusern am Pit River in der Sierra Nevada. Es gab gute Gründe, ihren Mut zu bewundern. Ich genoß die Gastfreundschaft japanischer Fischer, stand auf einem Friedhof bei Tokio am Grab des Kundschafters Richard Sorge. Schon 1964 hatte ich - unmittelbar nach dem durch USA-Kriegsschiffe provozierten "Zwischenfall im Golf von Tonking" - die Helden Vietnams kennengelernt. Später begleitete ich fünf Jahre lang Portugals Kommunisten durch Revolution und Konterrevolution.

Vielen Großen der Volks- und Arbeiterbewegung bin ich persönlich begegnet: so Brasiliens legendärem Luis Carlos Prestes und Chiles begeisternder Gladys Marin; den Generalsekretären der meisten kommunistischen Parteien Lateinamerikas; dem in der Haft erblindeten Nationalen Vorsitzenden der KP der USA Henry Winston, einem besonders liebenswerten Menschen; Portugals genialem Álvaro Cunhal wie auch dem roten General und zeitweiligen Lissabonner Regierungschef, meinem Freund Vasco Goncalves. Unvergeßlich blieb mir ein Gespräch zwischen dem Generalsekretär der KP Griechenlands, Harilaos Florakis, und Volkskammerpräsident Horst Sindermann, dem ich in Athen beiwohnen durfte.

Besonderen Wert legte ich immer auf den Kontakt mit der Basis der eigenen Partei - den sogenannten einfachen Genossen - und vielen Menschen ohne SED-Parteibuch. Unzählige Male habe ich vom Fleck weg die Fragen interessierter Bürger zu außenpolitischen und internationalen Themen beantwortet, von denen ich etwas zu verstehen glaubte. Allein im vogtländischen Plauen war ich 20 Jahre hintereinander auf "Propagandistischen Großveranstaltungen" mit jeweils bis zu 1000 Zuhörern zu Gast, die angesichts des oft kargen Informationsflusses jener Jahre auf zusätzliche Auskünfte warteten. Im benachbarten Reichenbach brachte ich es "nur" auf 15 zusammenhängende Jahre.

Nach der Niederlage des Sozialismus habe ich - die vielen Karrieristen, Umgefallenen, Weggelaufenen und beim Gegner "Angekommenen" nüchtern ins Kalkül ziehend - das kostbarste Gut in der Stunde des konterrevolutionären Sieges kennengelernt: die Standhaftigkeit der zusammengeschmolzenen Schar Übriggebliebener, die nicht aufgegeben hatten. Und auch jenen bewahrte ich meine Verbundenheit, welche sich nach anfänglichem Umherirren, verständlicher Frustration oder dem Rückzug in die eigene "Burg" wieder bei uns einfanden.

Ich bin so manchen begegnet, mit denen ich mich selbst zwar nicht messen, die ich aber als Maßstab betrachten konnte: An erster Stelle möchte ich unter unseren Freuden den herausragenden marxistischen Philosophen Hans Heinz Holz mit seiner Kampf- und Lebensgefährtin Silvia erwähnen.

Andere Erfahrungen waren mehr peripherer Art. 1946 zählte ich als einer der Jüngsten zu jenen, deren Familien den Sarg des Dichters Gerhart Hauptmann im durch Marschall Shukow bereitgestellten Sonderzug von Schlesien in die Sowjetische Besatzungszone begleiten durften. Zwei Jahre später sandte mir der große expressionistische Maler Karl Hofer einen handschriftlichen Brief, mit dem er mich dazu ermunterte, dann leider rasch erloschene Ansätze zeichnerischer Begabung zur Reife gelangen zu lassen. 1950 befand ich mich im Treptower Reihenhaus von Ernst Busch - einem unserer damaligen Nachbarn -, als der unvergessene proletarische Künstler seinen gerade getexteten und vertonten Hit "Ami, Ami, go home!" einem kleinen Freundeskreis erstmals zu Gehör brachte.

Und dann gab es da noch die mich aufwühlende Visite im Pariser Gartenhaus von Robert-Jean Longuet, zu dem wir gemeinsam mit dem UNESCO-Botschafter der CSSR eingeladen worden waren. Der bereits über 80jährige Urenkel von Karl Marx - ein gestandener Kommunist - und seine deutsche Frau Christine boten uns ein vorzügliches Abendessen an. Vor allem aber: Longuet erzählte aus seinem bewegten Leben, so auch davon, daß bei seinem Vater Jean - dem außenpolitischen Redakteur der "Huma" und Marxens Lieblingsenkel Jonny - Lenin als Freund des Hauses aus- und eingegangen sei.

Die Kette solcher Erinnerungen ließe sich wohl noch eine Weile fortsetzen. Doch ich will niemanden damit langweilen, sondern statt dessen selbst Bilanz ziehen. Meine Kinder, Enkel und Urenkel in Deutschland, Schweden und Brasilien müssen die Flamme des Lebens weitertragen.

Was ist die Quintessenz - außer Erfüllung im Privaten - für einen Menschen, der aus "unserem Holz geschnitzt" wurde? Meine charakterlichen und politischen Prioritäten setze ich so: Prinzipienfestigkeit, die sich im Leben und Sterben bewährt; Unveräußerlichkeit einmal gewonnener Überzeugungen, Erkenntnisse, Einsichten und Haltungen; Berechenbarkeit für jedermann; unbedingte Verläßlichkeit; Fleiß; Mut im Umgang mit dem Klassenfeind, was nicht mehr heißt als Verdrängung der eigenen Angst; Kameradschaftlichkeit und Solidarität gegenüber Freunden; profunder Internationalismus; menschliche Wärme; Sinn für Humor. Ein Kommunist darf schwach werden, aber nicht umfallen, solange noch ein Funken Leben in ihm ist.

Mein persönliches Resümee lautet: Ich habe einiges erreicht und manches verfehlt. Von den Defiziten will ich hier nicht sprechen.

Auf die Habenseite meines politischen Eingreifens buche ich an erster Stelle den "RotFuchs". Er ist das gemeinsame Werk vieler, entsprang allerdings einer Idee von mir und Bruni. Ich durfte ihn auch in all den Jahren redigieren.

Mit dieser kleinen und - wie inzwischen manche meinen - großen Zeitschrift haben wir in den finstersten Jahrzehnten seit dem Sturz des Faschismus einen Lichtschimmer an den Horizont geworfen. Der RF hat den Treuesten unter den Treuen die politische Heimat bewahrt. Dieses Leuchtfeuer darf mit dem Verschwinden einzelner Personen nicht erlöschen. Sicher wird der "RotFuchs" künftig anders sein als bisher, bringt doch jeder an ihm Arbeitende seine eigene Handschrift, seinen persönlichen Stil, seine Art des Herangehens und das Maß seiner Kenntnisse ein. Das galt für mich ebenso wie es für meine Nachfolger gilt. Ich habe versucht, das Beste zu geben, und sie werden von dem gleichen Gedanken beseelt sein. Fortan sind ihre Erfahrungen und Fähigkeiten allein bestimmend.

Zögert keinen Augenblick, auch in Zukunft Eure ganze Kraft dafür einzusetzen, Kommunisten, Sozialisten und andere Weggefährten mit oder ohne Parteibuch beharrlich, geduldig und zielklar im Sinne von Marx, Engels und Lenin zu sammeln!

Wie einst für André Wurmser hat sich nun auch für mich der Kreis geschlossen. Ein winziges Detail führte mir das schon früher vor Augen: Bis zu meinem 5. Lebensjahr blickte ich in Charlottenburgs Knesebeckstraße aus unserem Küchenfenster auf einen engen Posthof. Jeden Morgen wurden dort in langer Reihe die damals gerade eingeführten und alle Welt frappierenden gelben Seitenwagen-Maschinen der Eilzusteller betankt. Das war ein aufregendes Ereignis meiner frühen Kindheit. Im letzten Abschnitt meines Lebens stand mir Tag für Tag ein ähnliches Bild vor Augen: der Blick aus unserer Karlshorster Wohnung fiel abermals direkt auf den Hof der Post, wo sich gelbe Transporter in rascher Folge ablösten.

Eine Allegorie? Während ich aus Euren Reihen ausgeschieden bin, setzt Ihr die Stafette der Generationen fort. Ich möchte Euch meinen Leitgedanken ans Herz legen. Peter Hacks hat in seiner jahrelangen Korrespondenz mit mir den herrlichen Satz gefunden, der mich bis zuletzt motivierte: "Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR!"

Ganz am Schluß noch eine sehr persönliche Bitte: Steht meiner Bruni bei, die unseren "RotFuchs" mit inspiriert und all die Jahre zusammen mit mir gestaltet hat. Ihr habe ich viel zu verdanken.

Mit Joe Hill, dem 1915 von den Kupferbossen Utahs erschossenen amerikanischen Streikführer, sage ich: Trauert nicht, organisiert Euch!

Adieu, Genossen!
Euer Klaus Steiniger

*

In diesem Heft wollte Klaus Steiniger über "Anleihen bei Goethe" schreiben. Diese Überlegungen, die wir als letzten Leitartikel des Autors in der Juni-Ausgabe veröffentlichen, schließen mit einem Zitat aus Goethes Westöstlichem Diwan: "Denn ich bin ein Mensch gewesen, und das heißt ein Kämpfer sein."

Unser am 9. April verstorbener Freund und Genosse war ein Kämpfer, bis der Tod ihn aus dem Leben sowie aus der Arbeit am und für den "RotFuchs" riß. Er hat uns und allen, denen seine Gedanken, Berichte und Einschätzungen Orientierungshilfe, Inspiration und Ermutigung in schwierigen Zeiten waren, ein Geschenk und eine Verpflichtung hinterlassen - seinen bewegenden Abschiedsartikel "Adieu, Genossen!"

*

Eine Idee, die im Nachtzug von Moskau nach Sankt Petersburg entstand

Es war Februar 2015, als sich im Internet eine kleine Gruppe von Menschen sammelte, deren Anliegen es war, ein Zeichen zu setzen.

Ein Zeichen zu setzen zum 70. Jahrestag der Niederschlagung des Faschismus in Deutschland, dem Ende des 2. Weltkrieges.

Die Rhetorik fast der gesamten Presse stand auf Konflikt, nicht auf Versöhnung.

Die Krise in der Ukraine und die Rolle der Russischen Föderation in diesem Konflikt waren das beherrschende politische Thema, Sanktionen wurden gegen sie verhängt, der Kalte Krieg schien wiedergeboren. Der Schuldige an diesem Konflikt war von den Regierungen der EU benannt.

Wir konnten uns jedoch an die Anfänge des Maidan, die Art und Weise, wie die Politik unseres Landes darauf reagierte, erinnern und fanden vieles nicht richtig dargestellt. Der aktiven Unterstützung von oppositionellen Bewegungen in der Ukraine standen wir sehr kritisch gegenüber.

Wir fanden Parallelen zu anderen Konflikten in der Welt, z. B. zum "Arabischen Frühling" und uns gefiel zunehmend weniger, in welcher Art und Weise sich politische Vertreter unterschiedlichster Couleur dazu verhielten. Darin bestand der wesentliche Konsens der Gruppe von 24 Menschen, die sich zum 9. Mai 2015 auf den Weg nach Moskau machten, um den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag beizuwohnen.

Sich zu bedanken bei den Menschen, deren Großväter und Großmütter dabei halfen, den deutschen Faschismus zu besiegen, ihnen den Respekt zu erweisen, den die Kanzlerin mit ihrer Absage zu den Feierlichkeiten am 9. Mai verweigerte, war unser gemeinsames Ziel.

Wir waren und sind überzeugt: Bei Problemen muß man reden, man darf nicht schweigen, muß sie lösen.

Lösungen sind in Kompromissen zu finden, im gegenseitigen Verständnis für die jeweilige Situation, nicht in Schuldzuweisungen.

Also fuhren wir los und wollten uns überzeugen - von den Menschen, von der politischen Stimmung im Land. Und wir wollten Respekt zeigen.

24 Menschen in einer Millionenstadt, inmitten des großen Festes zum "Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus", wie es in der Russischen Föderation heißt.

Nie heißt es: zum Sieg über Deutschland! Das darf man nicht vergessen, das muß man spüren.

Ehrlich gesagt: Wir hatten auch so unsere Befürchtungen, als Deutsche, gerade an diesen Tagen, in angespannter politischer Stimmung zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation, zu erkennen zu sein. Wie würde man auf uns 24 reagieren? Wir hatten uns vorbereitet, trugen T-Shirts, die uns als Gruppe von Deutschen, welche Dank sagen wollten, aus der Menge der Moskauer und anderer Gäste heraushob.

Wir hatten Buttons mit einem schlichten "Danke" als kleines Geschenk für die Veteranen in unseren Taschen verstaut, auch Fahnen des Landes, aus dem wir kamen, fehlten nicht.

Der Kranz für die Ehrung des "Unbekannten Soldaten" im "Park des Sieges" in Moskau stand bereit.

Die ganze Welt schien auf den Beinen zu sein. Ein Gewirr von Sprachen vieler Herren Länder und Nationen. Sie alle waren gekommen, so wie wir, den Tag des Sieges zu feiern. Fröhliche Gesichter überall. Es wurde gemeinsam gesungen, Veteranen kreuzten mit Blumen in den Händen unsere Wege. Viele Hände klopften anerkennend auf unsere Schultern! "Gut, daß Ihr da seid!" schienen diese Signale, die erhobenen Daumen, die freundlichen Blicke zu sagen.

Nach der Kranzniederlegung zerstreute sich unsere kleine Gruppe unter den Feiernden. Einige gingen zum Marsch des "Unsterblichen Regiments", andere blieben im "Park des Sieges".

Wo immer man auf uns traf, wurden wir in die Mitte genommen.

Wir wurden mit Blumen beschenkt, gemeinsame Fotos entstanden, wir sangen zusammen auf den Straßen. Wir redeten über den vergangenen Krieg und viel mehr über den bedrohten Frieden. Allen war klar, die Zeichen standen auf Sturm.

Allen war klar: Es darf keinen neuen Krieg geben, es muß Frieden herrschen unter den Völkern.

Die Völker wollen den Frieden und den gegenseitigen Respekt.

Wir versprachen uns gegenseitig für diesen Frieden weiter zu kämpfen, jeder auf seine Weise, jeder mit seinen Möglichkeiten. Aber jeder würde an seinem Platz das Beste geben.

Wir erfuhren von den Hilfsaktionen der russischen Bürger für die Menschen im Donbass, denn dort waren bereits Opfer eines Krieges zu beklagen, dort lebten Menschen unter den Wirren des Krieges und kämpften um ihr Überleben.

Zwei Gruppenmitglieder nutzten in diesen Tagen die Gelegenheit, einen Abstecher nach Sankt Petersburg (die Heldenstadt Leningrad) zu machen. Mit dem Nachtzug fuhren sie, und während der vielen Stunden unterwegs wurde der Gedanke geboren: Wir machen das wirklich!

Wir gründen einen Verein, der den Opfern von Krieg Linderung bringt, der ihnen Aufmerksamkeit schenkt, das Gefühl nicht vergessen zu sein, Hoffnung!

Hilfe vor Ort! Nicht hier oder irgendwo, sondern dort, wo der Krieg lebt und die Menschen sterben.

Wir wollen Brücken bauen in den Frieden! Wir nutzten die dort entstandenen Kontakte zu russischen Hilfsaktionen und fingen einfach an!

Am 18. Juni 2015 gründeten wir den Verein "Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe" und begannen Geld zu sammeln, um unsere russischen Freunde in ihrer Arbeit zu unterstützen und unser erstes Projekt - das "Friedenscamp" - aufzubauen.

Inzwischen waren 1136 Menschen, vor allem Kinder aus dem Frontgebiet, in unserem Camp und konnten ein paar Wochen unter friedlichem Himmel genießen.

Wir sorgten dafür, daß über 500 Rentner, deren Rente nicht ausgezahlt wurde, mit Lebensmitteln versorgt wurden, wir unterstützen eine Familie bei der onkologischen Behandlung der Mutter.

Wir versahen ein Altenpflegeheim und ein Flüchtlingsheim mit Nahrungsmitteln, stellten die unterbrochene Mittagsversorgung in einer Schule in Gorlowka sicher. Medikamente, die gebraucht wurden, stellten wir bereit, schickten Babynahrung ins Kriegsgebiet, Kleidung, Spielzeug und vieles mehr.

Durch die transparente Dokumentation unserer Arbeit im Internet wurden auch andere helfende Initiativen auf uns aufmerksam und baten uns um Unterstützung bei ihren Aktionen.

Beispielhaft möchten wir hier die Initiative "Help-Cologne" erwähnen, welche ihre Aktionen zur Hilfe an Kriegsopfern, auf der sogenannten Balkanroute und im riesigen Flüchtlingscamp in Calais und Dünkirchen durchführten. An dieser Stelle seien auch unsere weiteren Partner im In- und Ausland erwähnt. Vielen Dank für die Zusammenarbeit an den Filmemacher und Fotografen Mark Bartalmai (Ukraine Agony - Der verschwiegene Krieg), unsere Spezialistin für Benefizveranstaltungen Natalja Volk, die Partner von Remembers.TV, dem Humanbataillon Donbass und den Mädchen von Wege der Güte.

Unser allergrößter Wunsch ist es, daß wir nicht mehr gebraucht werden! Daß unsere Hilfe überflüssig wird!

Bis dahin ist es anscheinend ein unendlich langer Weg.

Wir sind bereit ihn zu gehen, weil wir an die Brücken zum Frieden glauben!

Liane Kilinc, Vorsitzende und Gründungsmitglied FBKO

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Erika Schirmer schuf die "Kleine weiße Friedenstaube"
Leben und Werk einer vielseitigen Künstlerin

Wie immer habe ich mich auch in diesem Monat auf den "RotFuchs" gefreut! Meine Freude war um so größer, als aus der Zeitschrift die kleine Beilage mit den Noten und dem Text "Kleine weiße Friedenstaube" von Erika Schirmer rutschte. Und dazu ganz und gar passend fand ich die Verse von Bertolt Brecht und Martin Luther King. Das mußte ich doch sogleich Erika, unserer lieben Freundin in Nordhausen, per Telefon mitteilen. Doch ich konnte ihr gar nichts Neues berichten. Wie ich, hatte auch Erika den "RotFuchs" mit Beilage von Euch erhalten. Zu ihrer großen Überraschung und Freude, wie sie mir versicherte.

Ich stelle mir vor, daß Euch Erika Schirmer wahrscheinlich kaum bekannt ist.

Von der weißen Taube Pablo Picassos mit ihrer Symbolkraft für den Frieden begeistert, textete und komponierte sie bereits 1949 in Nordhausen dieses so sinnreiche Lied für den Frieden und gegen den Krieg. Da war sie gerade mal 23 Jahre.

Ein kleines und doch so großartiges Lied, Worte und Musik gegen das Unrecht und Elend auf dieser Erde. Erikas Lied ist noch heute und gerade in der Gegenwart mehr als eine weltweite Friedenshymne der Kinder!

Erika Schirmer hat den Satz geprägt: "Ohne Phantasie keine Kunst!" Seit Jahrzehnten ist sie eine großartige Scherenschnittkünstlerin und feinsinnige, geistvolle Lyrikerin.

Nordhausen hat ihr darum am 7. Mai 2014 die Ehrenbürgerwürde verliehen. Und nur fünf Tage zuvor wurde Erika Ehrenbürgerin der Stadt und Gemeinde Czerwiensk/Nietkow unweit von Zielona Góra in Polen. Die polnischen Bürger sind stolz darauf, daß sie in ihrem Dorf Nietkow (bis 1945 Schlesisch-Nettkow) im Jahr 1926 geboren wurde.

Im polnischen Bereich der Euroregion Spree - Neiße - Bober bzw. in der Lubusker Region mit Zielona Góra und der Universität, mit Czerwiensk und Nietkow und vor allem an Schulen hat Erika Schirmer als deutsche Künstlerin mit ihren Scherenschnittausstellungen einen guten Namen. Auf diese Weise trägt sie dazu bei, daß die Narben der Geschichte, Vorurteile und Berührungsängste aus den Herzen der Menschen Deutschlands und Polens verschwinden. So leistet sie einen aktiven Beitrag, um die Freundschaft zwischen deutschen und polnischen Menschen wie einen kostbaren Schatz zu behüten und zu bewahren. Ihre auf dieser Seite abgebildete Arbeit zeugt davon.

Erika macht nicht viel Aufhebens um ihre phantasievolle, künstlerische Arbeit, der sie sich mit nahezu 90 Jahren fast täglich mit viel Poesie, Muse, Talent und Begabung widmet. In etwa 150 Ausstellungen in Thüringen und darüber hinaus hat Erika Schirmer ihre künstlerischen Arbeiten - Scherenschnitte und Lyrik - gezeigt und ihre Bewunderer und Verehrer gefunden.

Frau Schirmer arbeitet in ihrer Kunstrichtung nach der Devise "Lorbeerkränze machen noch keine Scherenschneider und auch keine Dichter". Ihr kunstfertiges Scherenschneiden und ihre schwärmerische, träumerische wie auch sinnreiche Dichtkunst sind für sie nie bloßer Zeitvertreib oder Zerstreuung. Vielmehr ist es Freude und Glück für sie, ja, es ist ein Teil ihres Lebensinhalts geworden, mit ihren Werken ihren Mitmenschen im Alltag Freude und Unterhaltung zu schenken.


Frieden für alle

Erst, wenn auf der ganzen Erde
jedes Land den Frieden übt,
wenn es ohne Wenn und Aber
nirgendwo mehr Kriege gibt,
keine Flucht, keine Vertreibung,
wenn kein einz'ger Schuß mehr fällt,
gäb's auf der geschund'nen Erde
endlich Frieden für die Welt!

Erika Schirmer

Über ihr Friedenslied hinaus ist Erika Schirmer auch eine politische Dichterin. Nicht in dem Sinne, daß sie sich parteipolitisch für oder gegen eine Partei äußert. Vielmehr macht sie Ereignisse unserer Zeit zum Inhalt ihrer geistvollen Gedichte. Das kann man zum Beispiel in ihren Reimen über Nordhausen wie auch in den Gedichten nachlesen, die seit mehr als 20 Jahren unter ihrem Pseudonym "Harzer Fingerhut" im Nordhäuser Lokalteil der "Thüringer Allgemeinen" Woche für Woche veröffentlicht werden. In ihren Versen gelingt es der Lyrikerin, das scheinbar Unbedeutende des Alltags auf die Ebene von Bedeutsamkeit zu heben.

Offenkundig wird ihr politisches Denken im "Brief eines naiven Menschen an einen berühmten Dichter". So nennt Erika Schirmer ihre fiktive Post an Heinrich Heine.

"Erlebt, gespürt, gesehen - 1986 bis 2007". Im Zwiegespräch mit Heine, und dabei im Mittelpunkt "Deutschland - ein Wintermärchen", zieht sie vielerlei Vergleiche, die zu kritischer Nachdenklichkeit über aktuelles Geschehen in Deutschland anregen.

Zu Erika Schirmer gäbe es noch vielerlei Interessantes zu berichten. 13 Bücher stammen aus ihrer Feder, jüngst erst die bemerkenswerten "Selbstgespräche einer alten Dame". Sie spielt Piano und Keyboard und komponiert.

Bemerken möchte ich noch, daß ich Erika Schirmer bereits mehr als 70 (siebzig) Jahre kenne und meine Wurzeln wie sie in Schlesisch-Nettkow habe. Hoyerswerda aber ist seit dem Sommer 1945 meine Heimat!

Indem meine Frau Heide und ich seit etlichen Jahren in der Lausitz für Erika Schirmer Scherenschnittausstellungen in der Symbiose mit Lyrik organisieren und vorstellen, sind wir eng und freundschaftlich mit der Nordhäuser Künstlerin verbunden. Am 31. Juli wird Erika Schirmer ihren 90. Geburtstag feiern.

Friedhelm Schulz, Hoyerswerda

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Ein hoher deutscher General spielte mit der Karte des Krieges

Hans-Lothar Domröse, Vier-Sterne-General der Bundeswehr und seit Dezember 2012 Befehlshaber der Vereinten Alliierten Streitkräfte der NATO in Europa, hat schon im Juni vergangenen Jahres mehr Waffen für die "Partner" im Osten gefordert. Er räsonierte: "Wenn Rußland die gesamte Ukraine einnehmen will, kann Moskau das nicht durchhalten."

Wie kann ein ernstzunehmender Militär glauben, Rußland wolle ausgerechnet die Ukraine annektieren? Sie steht doch ökonomisch schon geraume Zeit vor dem Zusammenbruch. Ohne die Finanzspritzen der EU, des IWF und der Weltbank hätte die Kiewer Regierung längst Bankrott anmelden müssen.

In einem Interview für "Die Welt" vom 19.6.2015 warb der General dafür, "Querschnittsmaterial" wie Munition, Wasser, Brot, Sanitätsstoffe und leichte Gefechtsstände in die baltischen Länder zu liefern. Wozu braucht man leichte Gefechtsstände? Sie werden benötigt, um sofort mit Beginn militärischer Kampfaktionen Truppen führen zu können. Denkt der General etwa daran, daß es bald dazu kommen könnte?

Nach dem sogenannten Querschnittsmaterial wären dann Hubschrauber, Haubitzen, Schützenpanzer, Flugabwehrsysteme und schweres Pioniergerät zu liefern.

Der General irrt jedoch, wenn er davon ausgeht, daß die Probleme, die sich aus den unterschiedlichen Interessen von Staaten und Bündnissen ergeben, mit militärischen Mitteln zu lösen sind. Offenbar befangen in den Auffassungen des Kalten Krieges, möchte er den militärischen Faktor wieder zum Mittel erster Wahl der Politik machen. Da stellt sich militärisch kompetenten Zeitgenossen die Frage: "Wer ist dieser Mann?"

Als Sohn eines Generals trat er 1973 in die Bundeswehr ein. Später absolvierte er die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, war danach kurz im Truppendienst und wurde 1989 als persönlicher Referent ins Bundeskanzleramt versetzt. Von da an ging es steil bergauf. Nach Verwendungen im Verteidigungsministerium, im NATO-Hauptquartier SHAPE, Einsätzen im Kosovo und als Stabschef der ISAF in Afghanistan übernahm er 2009 das Eurokorps in Straßburg und ging dann für gut ein Jahr als Vertreter zum NATO-Militärausschuß nach Brüssel.

Im Dezember 2012 erhielt er den vierten Stern und übernahm den Oberbefehl über das Kommando der Vereinten Alliierten Streitkräfte der NATO in Brunssum.

Ende 2015 tat er sich erneut als extremer Scharfmacher hervor. Wie er bereits im Juni angekündigt hatte, setzte er in der großangelegten Übung "Trident Juncture" die sogenannte Speerspitze des Bündnisses im Mittelmeer ein. Mit 36.000 Soldaten, 3000 Marines, 140 Flugzeugen, 60 Schiffen und sieben U-Booten sollte die Stärke der NATO vor allem der Russischen Föderation vor Augen geführt werden. Die nämlich definiert Domröse als Gegner.

"Was machen wir denn, wenn der plötzlich 'snapt' und dann nicht mehr aufhört?" fragte der General. Dieser Gassenjargon ist nicht nur ein sprachliches Armutszeugnis.

Daß die zunehmenden Manöveraktivitäten der NATO an Rußlands Grenzen dort Besorgnisse auslösen könnten, kommt dem General offenbar nicht in den Sinn. Überhaupt scheint er Schwierigkeiten mit der Dialektik von Ursache und Wirkung zu haben. Er behauptet, in der Ukraine seien die Russen einfach "weitergerollt".

Und in diesem Stil setzt er fort, redet von den "vorgeschobenen Basen in Kaliningrad, Syrien und auf der Krim", die womöglich die Verbindung zu den NATO-Verbündeten im Baltikum und in der Türkei abschneiden könnten. Aus militärischer Sicht ist diese Gleichsetzung nicht nur unzutreffend, sie ist unsinnig.

Angesichts der schwierigen Sicherheitslage in Afghanistan sprach sich Domröse dafür aus, den Bündniseinsatz wieder auszuweiten, und fordert sogar Luftschläge. Unterstützung erhielt er umgehend von Rainer Arnold, der als Abgeordneter der SPD seit vielen Jahren dem Verteidigungsausschuß des Bundestages angehört. Der behauptet, das düstere Bild, das Domröse zeichne, sei gerechtfertigt, und es gäbe kein Zurück mit Mann und Gerät.

Ja, was denn sonst? Alles vergessen, was uns die Geschichte gelehrt hat? Das ruhmlose Ende der Kriege des Vereinigten Königreiches von Großbritannien Mitte des 19. Jahrhunderts oder der sowjetischen Intervention von 1979 bis 1989?

Wie heißt es in einem Gedicht Theodor Fontanes: "Mit dreizehntausend der Zug begann, Einer kam heim aus Afghanistan."

Ein guter Bekannter, der lange an exponierter Stelle in der Bundeswehr gedient hat, bestätigte mir, daß General Domröse, was Afghanistan angeht, "nichts, aber auch gar nichts verstanden hat".

Und dann sein Auftritt im Februar 2016 auf der Münchener Sicherheitskonferenz. In einem Podiumsgespräch forderte er unverhohlen die massive Aufrüstung Osteuropas und mehr Engagement in Afghanistan. Dabei fällt zunächst seine außergewöhnliche sprachliche Diktion auf. Man gewinnt den Eindruck, daß der General seine Muttersprache nicht so beherrscht, um sich verständlich ausdrücken zu können. Dazu nur ein Beispiel: "Wir, die NATO, haben die Aufgabe, to maintain the peace, und im Osten to prevent war." Auf gut Deutsch: "Wir, die NATO, haben die Aufgabe, den Frieden zu bewahren und im Osten den Krieg zu verhindern." Kaum ein Satz, in dem er nicht mit englischen Begriffen um sich wirft, sie hin und wieder ins Deutsche übersetzt, vielleicht mit Rücksicht auf die Zuhörer, die nicht so fließend "Denglisch" sprechen wie er.

Aber seine sprachliche (Fehl-)Leistung ist bei weitem das geringere Übel. Ganz schlimm wird es, wenn man seine Ausführungen mit politischem und militärischem Sachverstand beurteilt. Einleitend stellt er fest, die NATO müsse sich auf die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts ausrichten, und dazu müsse sie "global gehen". Es sei ihre Intention, "to keep the Americans in and the Russians out". Er vergaß dabei allerdings, daß dieser Ausspruch vom ersten Generalsekretär des Bündnisses, Lord Ismay, stammt und vollständig so lautet: "Aufgabe der NATO in Europa ist es, die Amerikaner drin, die Russen draußen und die Deutschen unten zu halten."

Im Stil eines Stammtischteilnehmers schwadroniert Domröse über die Balten, die auf Deutschland vertrauen, das ihnen Schutz biete und zur Seite stehe. "Sie lieben Deutschland, weil wir stark sind, weil wir in der Regel pünktlich sind und weil wir BMW fahren." Die Streitkräfte der baltischen Länder, die noch mit dem G3 ausgerüstet sind, könnten die Russen nicht lange aufhalten. Rußland bedrohe auch Deutschland, behauptet Domröse, als ob Putin davon träume, die BRD zu überfallen. Er, der kommandierende General, brauche im Baltikum mindestens eine Panzerdivision, um der Gefahr aus Rußland begegnen zu können.

Danach setzt er noch einen drauf, indem er ausführt, sein Bereich gehe von Ungarn bis Island. Mathematisch gesehen bedeutet das 10 Divisionen, fünf Divisionen sofort und das alles komplett mit Fla-Waffen. Es müßte eine Ausrüstungsinitiative gestartet werden, um der "responsibility to protect" (Verantwortung zu schützen) gerecht zu werden. Offensichtlich haben seine amerikanischen Freunde bereits damit begonnen, in Norwegen Waffen und Ausrüstung für 15.000 Mann Marineinfanterie in Höhlensystemen des II. Weltkriegs einzulagern.

Ob die Verabschiedung von General Domröse am 16. März aus dem aktiven Dienst planmäßig oder vorsorglich erfolgte, ist nicht bekannt.

Oberst a. D. Bernd Biedermann

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Kann der "freie Wohnungsmarkt" den Mietwucher überwinden?

Schröpfen, schröpfen und noch einmal schröpfen!

Als ich mich im Oktober 2011 in einem "RotFuchs"-Beitrag mit der Mieterverdrängung durch Luxussanierungen und Lückenbebauung als einer Erscheinungsform der Vernichtung bezahlbaren Wohnraums befaßte, herrschte in den Ballungsräumen bereits akute Wohnungsnot.

Diese wurde von den Verantwortlichen jedoch meist in Abrede gestellt, verharmlost und in der Presse kleingehalten. An Widerstand von Mieterinitiativen fehlte es zwar nicht, doch schien dies für manche Politiker aus den Reihen der PDL kein lohnendes Thema zu sein. Sie stimmten vielmehr der Privatisierung zuvor volkseigener Wohngebäude vielerorts zu. Später plädierten einige von ihnen für Wohnungsgenossenschaften mit Eigenkapitalerfordernis, die jedoch kaum Zuschläge bei Verkaufsausschreibungen erhielten.

Während alternative Wohnkollektive zwangsgeräumt wurden, feierten Anhänger der Grünen "innovative Wohnprojekte" privater Bauherrengemeinschaften im verhökerten Altbaubestand oder auf dem Lande. Die Option kommunaler sozialer Wohnungsbaugenossenschaften wurde mit der Liberalisierung des Wohnungsmarktes durch die "Agenda 2010", Erleichterungen im Mietrecht und entsprechende weitere Gesetze quasi zu Grabe getragen. Noch bestehende Sozialunternehmen führten rein marktwirtschaftliche Wirtschaftsformen ein, die auch deren Wohnungsangebote stetig verteuerten. Als Umweltschutz- und Sicherheitsmaßnahmen getarnte Konjunkturprogramme für Baustoff- und Handwerksbetriebe sowie die C02-Zwangssanierung wurden auf die Mieter abgewälzt, ohne daß diese bei minderem Energieverbrauch, aber rasant steigenden Energiepreisen, davon Vorteile gehabt hätten.

Durch die völlig mißratene kapitalistische Version der "Energiewende", z. B. mit Kompensationszahlungen für Kohlekraftwerke und dergleichen, erhöhten sich die Nebenkosten rasant. Einfallsreich nutzten die Vermieter völlig legal jede Möglichkeit, Mieter zu schröpfen: Gebührenpflichtige Waschautomaten bei Verbot eigener Geräte, sogar Duschautomaten in der eigenen Wohnung (!), Verbot von Satellitenantennen mit Kabelfernsehzwang, Mieten für Stellplätze und Tiefgaragen - das sind nur einige Beispiele. Courtagen und Mietkautionen machen Umzüge zu einem finanziellen Abenteuer, so daß Bezieher von Leistungen nach dem SGB II (Sozialgesetzbuch, Zweites Buch) nur mit Jobcenter-Krediten bestehen können. Dabei werden "vorschriftsgerechte" Wohnungen rar, die etwa den maximalen SGB-II-Bemessungen genügen. Um den Bedarf an bezahlbaren Wohnungen zu ermitteln, nehme man die Anzahl von SGB-II-Empfängern, Rentnern, Alleinerziehenden, Studenten und Geringverdienern einer Gemeinde, die (pro Person) unter 1000 Euro Einkünfte haben. Dann erkennt man sofort, daß die heute propagandistisch gefeierten Wohnungsbauprogramme und die Gelder dafür bei weitem nicht ausreichend sind!

Wo der Immobilienmarkt und die Spekulation boomen, werden Mietwucher und Wohnungsnot ebenso wie das Heer der Obdachlosen weiter wachsen. Und das nicht erst und schon gar nicht durch die Zuwanderung von ein bis zwei Prozent Flüchtlingen in unser Land.

Friedrich Engels konstatierte einst in seinem Artikel "Zur Wohnungsfrage": "In einer solchen Gesellschaft ist die Wohnungsnot kein Zufall, sie ist eine notwendige Institution, sie kann mitsamt ihren Rückwirkungen ... nur beseitigt werden, wenn die ganze Gesellschaftsordnung, der sie entspringt, von Grund aus umgewälzt wird." (MEW 18/236) Denn Grund- und Mietshauseigentum dienen nur der Geschäftemacherei und Ausbeutung der Menschen, die eine Heimstatt brauchen. Nach der Privatisierungswelle wechselten zig Wohneinheiten reihum, teils in "Paketen" verscherbelt, ihre Eigner. Sie waren oft nur reine Spekulationsmasse. Wohnungen verkamen mangels Reparatur, Strom- und Heißkostenanteile wurden unterschlagen, so daß die Mieter selbst zusätzlich bezahlen mußten, um etwa eine Stromsperre beenden zu können. Unzählige Menschen müssen immer höhere Einkommensanteile zum Erhalt ihres Obdachs opfern, können sich bei weiterhin rasanter Teuerung das Ende ausrechnen, ohne Chancen oder Aussicht auf eine billigere Bleibe zu haben. Kann ich mir jetzt gerade noch eine andere Wohnung leisten, so wird auch die sich bald und ständig verteuern, so daß ein weiterer Umzug in absehbarer Zeit erfolgen muß.

Man sollte meinen, die verschärfte Wohnungssituation bewirke ein Umlenken der bürgerlichen Politiker in Richtung staatlichen Sozialwohnungsbaus. Weit gefehlt!

Die "soziale Quacksalberei", mit dem der Kapitalismus vereinzelte Scheinlösungen anbietet, treibt die schamlosesten Blüten: Hauptsächlich geht es um "Anreize" für Investoren, damit sich deren Geschäft langfristig lohnt. Subventionen, verbilligtes staatliches Bauland, nur kurzzeitige Bindung an verträgliche "Sozialmieten", also Gelegenheiten, später dem freien Markt unterworfenen Grund und Boden zu ergattern, sind hier altbekannte Rezepte. Arbeit gibt es nur, wenn der Unternehmer daran verdient; und Wohnungen nur bei Sicherstellung des Profits der Hausbesitzer! Anders ist im Kapitalismus nichts zu haben.

Die Variante für Besserverdiener, die bei Arbeitslosigkeit sofort den Gerichtsvollzieher ins Haus bringt, ist der "Erwerb von Wohneigentum". Wertvolles Bauland wurde so für unzählige Bungalows zerstückelt, während man Mietwohnungen per "Mietkauf" in Eigentumswohnungen umwandelt. Deren Neben- und Betriebskosten steigen ständig. Und ein Eigenheim von geringer Bestandsdauer, das selbst genutzt wird, ist - folgt man Friedrich Engels - ja kein Kapital. Es ist nur ein Konsumgut, das bei Einkommensschwund sofort verlorengehen kann.

Bei der Baulanderschließung gilt unterdessen das "Patentrezept" der "Drittelung": Ein Drittel ist für bezahlbaren Wohnraum bestimmt, die anderen zwei Drittel stehen für freie Mietappartements und Einzelhäuser zur Verfügung. Das soll angeblich eine Ghettoisierung vermeiden. Aber selbst die englischen "Cottages" - zu Marxens Zeiten erfundene Reihenhäuser für Fabrikarbeiter - sind heute nach dem Untergang großer Teile der dortigen Schwerindustrie zu Brennpunkten von Elend und Kriminalität geworden.

Mit Bauprojekten kapitalistischer Manier wird man Wohnungsnot und Mietwucher nie beseitigen können. Und daran sind weder Zuwanderer noch Kriegsflüchtlinge schuld, sondern jene politischen Kräfte, die als willige Sachwalter der Bourgeoisie vor Enteignungen und Wohnraumzuteilungen selbst in Krisensituationen nicht zurückschrecken.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

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Neulich im "Job-Center"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Bildserie von Herluf Bidstrup wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Über 20 Jahre Rentenunrecht sind genug!

Seit Jahrzehnten setze ich mich mit dem politischen Rentenstrafrecht der BRD auseinander. Bekannt ist, daß die Bundesregierung einer Gruppe von ehemaligen DDR-Bürgern ihre erarbeitete Lebensleistung (Rente) raubt und auch deren Angehörige in Sippenhaftung nimmt. Die Grundsätze einer Rentenzahlung sind den Verantwortlichen in der Bundesregierung durchaus bekannt. Eine unterstellte Überbezahlung der betreffenden Personen zu Zeiten der DDR hat es niemals gegeben. Sie erklärten sich damals zum Dienst für ihren Staat und dessen Schutzorgane bereit. Die Entlohnung erfolgte nicht auf Grund politischer Lippenbekenntnisse oder einer Parteizugehörigkeit, sondern nach in der DDR gültigen Rechtsnormen. Ausschlaggebend waren Qualifikation, Dienststellung und ergänzende Bedingungen.

Der Modrow-Regierung wurde unter Bonner Druck abverlangt, die Rentenzahlungen in verschiedenen Bereichen zu kürzen. Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit und führende DDR-Kader anderer Bereiche bleiben weiterhin von dieser Strafmaßnahme betroffen. Fallbeilartig und pauschal sowie gesetzlichen Grundlagen widersprechend wurde die Rentenkürzung aus Rache vorgenommen.

Zwischenzeitlich gab es zwar kleine Veränderungen, da die ursprüngliche Festlegung rechtlich nicht aufrechtzuerhalten war und gegen das Grundgesetz der BRD verstieß. Bisher dachte die Bundesregierung aber nicht daran, trotz neuer weitreichender Erkenntnisse eine sachliche Klärung in dieser Frage vorzunehmen. Überdies ist der öffentliche Protest jener leider recht schwach, die selbst nicht Betroffene sind. Prominente Rechtswissenschaftler machten auf die diskriminierende Behandlung heutiger BRD-Bürger wiederholt aufmerksam.

Aufschlußreich ist - im Kontrast dazu - die Tatsache, daß die Bundesregierung anfangs verdeckt über das Rote Kreuz und jetzt ganz offiziell ehemaligen SS-Angehörigen, die in den baltischen Republiken oder anderswo leben und seinerzeit an Untaten des NS-Regimes beteiligt waren, ihre Rente regelmäßig überweist.

So muß endlich mit Nachdruck gefordert werden, etwas gegen diese infame Rentenungerechtigkeit zu tun. Selbst Mörder beziehen im Falle der Strafverbüßung ihre Renten. Wir in den bewaffneten Organen der DDR haben unser Leben für den antifaschistischen Friedensstaat DDR eingesetzt und ein Verdienst daran, daß es 40 Jahre lang nicht zum Blutvergießen in Europa gekommen ist. Die Rentenungerechtigkeit, die von der BRD-Regierung betrieben wird, verstößt nicht nur gegen das Grundgesetz, sondern widerspricht auch dem Völkerrecht. Dies ist den oberen Instanzen der BRD durchaus bekannt, soll aber dennoch nicht geändert werden.

Herr Knabe in Hohenschönhausen will uns permanent einreden, wie wir in der DDR angeblich gelebt haben und wie wir zu leben gehabt hätten. Der Widerstand ehemals führender DDR-Politiker und Angehöriger der bewaffneten Organe dagegen ist einfach noch zu schwach.

Auch der "RotFuchs" und mit ihm verbundene Rechtsexperten könnten sich zum politischen Rentenrachefeldzug nachhaltiger äußern.

Selbst etliche DDR-"Bürgerrechtler" haben inzwischen ihre Meinung im Interesse der betreffenden Personengruppe revidiert. Dennoch versucht man auf äußerst brutale Weise, weiterhin Ost und West zu trennen. Die angeblichen Vorkämpfer der deutschen Einheit erweisen sich als Spalter.

Über 20 Jahre Rentenunrecht sind mehr als genug! Eine sachgemäße Klärung ist längst überfällig.

Hans-Jürgen Dählk, Berlin

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Die "Plötzlich-Demokraten" der "Über-Nacht-Wende" nach der Machtwende

Gedanken eines katholischen Weggefährten

Bis heute frage ich mich, was Menschen veranlaßte und veranlaßt, von denen man glaubte, mit ihnen Gemeinsames zu haben, ihre Haltung, Standpunkte und politischen Bekenntnisse buchstäblich über Nacht zu vergessen und sich völlig neu zu erfinden.

Ich habe dieses "unheimliche" Geschehen nach dem Untergang des faschistischen 3. Reiches schon 1945 erlebt. Nicht wenige, die über Jahre "braun" dachten und in dieser Farbe auch marschierten, trugen plötzlich "rot" oder "schwarz" und taten so, als wären diese Farben schon immer die ihren gewesen. Jahrzehnte später erfolgte eine gravierende Veränderung, die aber nicht bedacht, zukunftsorientiert und friedensfördernd vollzogen wurde. Jetzt trug man plötzlich schwarz, gelb oder grün. Einige von jenen, mit denen ich früher als NDPD-Mitglied blockfreundschaftlich zusammengearbeitet, gelacht und geschimpft hatte, kannten mich plötzlich nicht mehr. Sie taten so, als wären sie das, was sie nun zu sein angaben, schon immer, wenn auch im geheimen, gewesen.

Sollte man bei solcher Wandlungsfähigkeit nicht um die Zukunft besorgt sein? Sind derlei "Mutationen" im politischen Farbenspektrum nur ein Trieb nach Veränderungen oder Ausdruck von Angst um die eigene Zukunft in Arbeit, Brot und Ehren? Ist demnach dieser Prozeß der Selbsttäuschung, der Verleugnung des eigenen Ichs und des Gesinnungswandels nicht auch das Produkt einer Unehrlichkeit befördernden Meinungsdiktatur, welche die Anpassung geradezu herausfordert? Für mich wird hier die biblische Geschichte am Ölberg wieder lebendig, als Zeitzeugen aus dem Kreis um Jesus von Nazareth diesen plötzlich verleugneten. "Ich kenne ihn nicht ...", sprach Petrus, und später tönte dann aus dem Volke: "Schuldig, schuldig, kreuziget ihn!" Über dieses Verhalten und seine Ursachen lohnt es sich nachzudenken, geht es doch um Lauterkeit und Beständigkeit im Denken, Fühlen und Verhalten von Menschen zu Menschen.

Von welcher Weltanschauung, so frage ich mich, wurde und wird das Tun derer bestimmt, "die über Nacht so anders wurden"?

Meine Gedanken kreisten nach dem Zweiten Weltkrieg um die Frage, welche Menschen uns begegnen, wie wir wohnen und welche Zukunft meine Eltern und ich nach dem Krieg haben werden. Die Vorstellungen waren so etwas wie Reflektoren, auf die das "Licht" meiner Überlegungen fallen mußte. Und sie leuchteten bei den ersten Begegnungen in einer neuen Umwelt auf. Es waren Menschen, die uns halfen, mit uns fühlten und Mut machten. Unter ihnen befand sich auch der katholische Pfarrer.

Überall, wo das Leben mich hintrug, begleiteten mich in die Zukunft weisende Wünsche. Ich suchte Widerhall, entgegengestreckte Hände, ein Willkommen. Dabei interessierte mich sehr wohl, in welchem Staat ich nun lebte und welche gesellschaftlichen Ziele sich dieser stellte.

Mein alles überragender brennender Wunsch war es, meinen Lebensweg im Frieden und mit der Aussicht auf eigene Gestaltung gehen zu können. Mich interessierten Menschen, die als Vertreter neuer gesellschaftlicher Denk- und Lebensweisen in mein Blickfeld traten. Was waren das für Charaktere, konnte man ihnen trauen, vertrauen? Waren ihre Vorstellungen über uns und die Zukunft glaubwürdig, und entsprachen sie meinen Wünschen und Vorstellungen?

In diesem Aufeinandertreffen von Realität und Erwartung wurde die Wahrheit in der Praxis, im Alltag deutlich. So erschienen mir Persönlichkeiten und deren programmatische Gedanken in vielen Punkten als lebenswerte Zukunft. Sie reflektierten meine Vorstellungen mit meinem jeweiligen Wissens- und Erfahrungsstand.

Dieser Lernprozeß dauert ein Leben lang. Gerade in düsteren Situationen mit ihren oft langen Nächten gehen meine Gedanken auf Lichtsuche. Werden sie getragen von dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe, bleibt die Reflexion des Lichtes, das die Dunkelheit durchdringt, nicht aus. Die oft mühe- und schmerzvolle Suche nach Licht begleitet mich das ganze Leben lang. Es ist ein Weg der Prüfungen und der Beurteilung des eigenen Daseins durch uns selbst und unsere Mitmenschen. Das "philosophische Katzenauge" hilft mir, das Notwendige zu erkennen, ernst zu nehmen und nach Möglichkeit für mein Tun zu beachten.

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz

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Kein Respekt vor den Befreiern Berlins

Wenn man aus östlicher Richtung kommend im Bezirk Hellersdorf-Marzahn hauptstädtisches Territorium erreicht, stößt man in der Landsberger Allee, die zu DDR-Zeiten Lenins Namen trug, vor den sich weithin erstreckenden Blöcken des Plattenbaus auf ein recht unscheinbares kleines Gebäude. Das unter Denkmalsschutz stehende Haus trägt seitlich einen Text in kyrillischer Schrift und russischer Sprache. Er kündigt erst für die darauf folgenden Tage Bevorstehendes an, zu dessen Erreichung noch Ströme von Blut fließen sollten. Ins Deutsche übertragen steht dort geschrieben: "Nach Berlin - Sieg!"

Die heutige Gedenkstätte Landsberger Allee 563 war das erste Gebäude auf Berliner Terrain, das siegreich vorstoßende Einheiten der Roten Armee am 21. April 1945 erreichten.

1991 richtete die Stadtbezirksverwaltung dort eine Erziehungs- und Familienberatungsstelle ein. Mit der Begründung, es fehle an Mitteln für die erforderliche Sanierung des Altbaus, erhielt die Einrichtung Order, ihr dortiges Quartier in Bälde zu räumen.

Die Partei Die Linke setzte sich angesichts der historischen Bedeutung des Bauwerks mit Prüfungsanträgen für die Bereitstellung notwendiger Sanierungsmittel ein. Doch die Listenverbindung von CDU, SPD und Grünen lehnte das ab, wobei sie in ihrem Gegenantrag den verwaschenen Standpunkt vertrat, man wolle sich "für den Erhalt des Gedenkortes am Haus" einsetzen. Da der Bezirk die benötigten 600.000 Euro für eine Komplettsanierung des geschichtsträchtigen Hauses nicht aufbringen könne, solle eine Stiftung oder ein anderer nichtstaatlicher Geldgeber für die finanzielle Absicherung gewonnen werden. Angesichts der drohenden Veräußerung des historischen Ortes an einen privaten Käufer solle zumindest deren Erhalt zur Bedingung jeglichen Vertragsabschlusses gemacht werden. Wie der kulturpolitische Sprecher der Linksfraktion, Olaf Michael Ostertag, unterdessen wissen ließ, werde der Verkauf des Objekts weiterhin forciert, wobei man "durch verwässerte Formulierungen" vom drohenden Verlust des an die Befreier erinnernden Hauses gezielt ablenke.

RF

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Beim legendären Segelschulschiff kann von Rente keine Rede sein

Die "Wilhelm Pieck" wird 65 Jahre alt

Der 26. Mai diesen Jahres ist für einige ehemalige Schiffbauer der Warnowwerft ein besonderer Tag. Vor 65 Jahren lief hier das Segelschulschiff "Wilhelm Pieck" vom Stapel. Wir erinnern uns: Zum 75. Geburtstag des Präsidenten der DDR hatten die Werktätigen des Landes Mecklenburg aufgerufen, ein spezielles Geschenk zu präsentieren. So wurde die Idee geboren, für den Präsidenten eine Segeljacht zu bauen. Spenden und Verpflichtungen kamen aus vielen Betrieben, so ging der Bau zügig voran. Es war der erste Stahlschiffneubau der DDR. Zur Freude der Schiffbauer kam der Präsident zum Stapellauf und nahm das Präsent in Augenschein. Er legte fest, die Jacht solle ein Schiff der Jugend sein. So ist es im Logbuch der Schonerbrigg zu lesen. Dank unzähliger Aufbaustunden im ganzen Land konnte die Übergabe bereits am 2. August 1951 erfolgen. Wilhelm Pieck ließ es sich nicht nehmen, zusammen mit den "FDJ-Matrosen" auf "große" Fahrt zu gehen.

Seitdem heuerten auf der "Wilhelm Pieck" unzählige junge Leute an und erlernten hier die Grundbegriffe des Segelns. In den ersten 35 Jahren zählte die Gesellschaft für Sport und Technik, der das Schiff übergeben worden war, mehr als 5000 Kursanten. Die meisten von ihnen bereiteten sich auf ihren Dienst bei der Deutschen Seereederei oder der Volksmarine vor. Rund 20mal ankerte die Brigg vor 1990 in ausländischen Häfen. Die jungen Leute bewiesen in allen Situationen Mut, Ausdauer und Einsatzbereitschaft. Eigenschaften, über die auch heute noch jeder Seemann verfügen sollte.

Bis 1955 führte Kapitän Ernst Weitendorf das Schiff. Er befand sich bereits im Ruhestand, ließ sich jedoch für das Unternehmen "Jugendschiff" begeistern. Mit seinen 69 Jahren war er einer der letzten deutschen Segelschiffskapitäne überhaupt. Sein imposanter Vollbart verlieh ihm dazu den notwendigen Respekt. Dieser Fahrensmann kannte Kap Hoorn von mehreren Umsegelungen. Ihre erste Reise unternahm die "Wilhelm Pieck" dann 1952 zu unseren polnischen Nachbarn, nach Gdynia.

In den Folgejahren wurden mehrere Modernisierungen und Ergänzungsbauten durchgeführt, um den neuen Anforderungen zu entsprechen. Erwähnenswert ist vor allem der Bau des Ruderhauses, das längst nicht mehr aus Holz ist, sowie die Ausrüstung mit Radar und einem Bugstrahlruder, überdies die Erhöhung der PS-Zahl von 100 auf 233. Auch die Ausrüstung der Kombüse mit Strom gehört dazu.

Nach 1990 ergab sich eine völlig neue Situation.

In der Bevölkerung und bei den Politikern wurden konträre Meinungen zum Erhalt des Schiffes vertreten. Nach langen Beratungen in der Bürgerschaft der Hansestadt Greifswald und Verhandlungen mit der Treuhand wurde beschlossen, die Unterlagen für den Erwerb des Schiffes und ein Betreiberkonzept zu erarbeiten.

Unterstützung erhielten die Greifswalder von der Pamir-Passat-Vereinigung in Lübeck und vielen Freunden des Schiffes. Am 31. Mai 1991 konnte die Vereinbarung unterzeichnet werden.

Im Februar hatte sich der Förderverein Greif e.V. gegründet und mit der Arbeit begonnen. Ein Gesichtspunkt hierbei war der ideale Liegeplatz in Greifswald-Wieck. Die Stadt stellte Mittel für die Rekonstruktion zur Verfügung und beschloß, den Namen zu ändern. Am 14. Mai erfolgte die Eintragung der "Greif" ins Schiffsregister. Dank moderner Geräte und Einrichtungen speckte sie in kurzer Zeit 10 Tonnen Gewicht ab. So wird mit der Segelfläche von 570 qm eine Geschwindigkeit von 14 Knoten erreicht. Bereits 1991 - zur ersten Hanse Sail - lief die "Greif" Rostock an und war Teilnehmer der Segelregatta. So ist es seither alljährlich. Großes Interesse finden natürlich die Ausfahrten auf der Ostsee. Insgesamt stehen in diesem Jahr nicht weniger als 58 Ein- oder Mehrtagestouren im Plan. "Hand für Koje" ist längst ein geflügeltes Wort und heißt, die Mitsegler machen sich während der Fahrt nützlich, wo es geht und es ihnen möglich ist. Besonderes Interesse wird gewiß die für 2017 geplante Tour nach St. Petersburg finden.

Neben vielen Auslandsreisen gab es im Jahr 1974 eine Besonderheit. Im 2-Jahres-Rhythmus fand seit Mitte der 50er Jahre die Operation Sail statt. 1972 beteiligte sich erstmals ein polnisches Schiff daran. Obwohl die "Gorch Fock" der Bundesmarine als Favorit galt, holte die "Dar Pomorza" den Sieg. Dieser bewirkte ein Umdenken in der sozialistischen Welt.

"Nicht fernbleiben bei den Regatten, sondern mitmachen" hieß dann die Devise. Nun war Gdynia das Ziel der nächsten Wettfahrt. Der Start erfolgte in Kopenhagen. Zu den Teilnehmern gehörten je zwei sowjetische und polnische Segler und schließlich die "Wilhelm Pieck", ihr erstmaliger Aufenthalt in einem NATO-Land fand internationales Interesse.

Das Logbuch der "Greif" verzeichnet in seiner 65jährigen Geschichte sieben Kapitäne. Helmut Stolle, der langjährige Fahrensmann, führte den Rahsegler nicht weniger als 27 Jahre. Von ihm übernahm vor 16 Jahren Wolfgang Fusch (62) das Kommando. Die Konzeption der letzten 25 Jahre hat sich gut bewährt. Regelmäßige Segeltörns - ein Jahr voraus geplant - finden reges Interesse. Der Förderverein zählt heute mehr als 500 Mitglieder. Die jüngste Inspektion in der Stralsunder Werft bestätigte, daß die "Greif" ein modernes, gut ausgestattetes Schiff in einem vorzüglichen Zustand ist. "An Rentenzeit der 65jährigen ist vorläufig nicht zu denken!" sagt Kapitän Fusch.

Na dann: Allzeit gute Fahrt! Die Kollegen der Warnowwerft haben seinerzeit gute Arbeit abgeliefert.

Ursula Rosentreter, Rostock

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Wie 100 Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden
Auskünfte aus erster Hand

Die bekanntlich zuerst Gauck-Behörde, dann Birthler-Behörde genannte Aktenverwertungsanstalt (BStU) wurde im Dezember 1991 gegründet. Im Januar 2011 wurde der Journalist Roland Jahn vom Bundestag zum neuen Leiter der Behörde auserkoren. Der jetzt 62jährige war im Juni 1983 von der DDR ausgebürgert worden.

Jeder Deutsche konnte ab 1991 bei der BStU einen Antrag auf Akteneinsicht stellen. Presseerklärungen zufolge ist die Anzahl der im Verlauf der letzten Jahre eingereichten Anträge auf "Stasi"-Akten-Einsicht laufend gestiegen, z. B. im Jahre 2012 von 80.000 auf 88.000. Auch 2014 wurden immer noch 68.000 Anträge gemeldet. Die bewußt ausgestreuten "Informationen" haben offenbar die Neugier vieler Menschen geweckt. Auch zwei meiner Bekannten, die sich absolut sicher waren, daß es über sie Unterlagen geben müsse, stellten Anträge. Zu ihrem Erstaunen bekamen sie die Mitteilung, daß keine Akte existiere.

Die für die Öffentlichkeit wichtige Information kann also nicht nur darin bestehen mitzzuteilen, wie viele Anträge jedes Jahr registriert werden. Weitaus wichtiger wäre es, auch in Erfahrung zu bringen, wie viele Antragsteller eine negative Auskunft erhielten.

Am 3. November 2015 wurde ich zu der bei der Bundeswehr-Universität in Hamburg erfolgten Ausstellungseröffnung "Hamburger Politiker als Spione im Kalten Krieg" eingeladen. Einziger Gastreferent war BStU-Chef Roland Jahn. In der anschließenden Diskussion konnte ich Fragen an jenen Mann stellen, dessen Vertrag 2016 ausläuft und dessen Zukunft unklar zu sein scheint. Ich wollte von ihm wissen, warum die Medien immer nur die Anzahl der eingehenden Anträge melden würden und nicht qualitativ darüber informierten, wie man die Akten auswertet. Roland Jahn antwortete mir: "Gehen wir von 5000 Eingängen im Monat aus, dann besteht etwa ein Drittel aus Wiederholungsanträgen, bei denen meist nichts vorhanden ist. Ca. 3000 gehen schließlich in die Bearbeitung, davon teilen wir etwa 1000 Antragstellern mit: 'Wir haben nichts vorliegen', während in etwa 1000 Fällen nur Karteikarten geführt und weitere 1000 geprüft werden."

Auf meine nächste Frage, wie viele Akten geschwärzt an die Antragsteller gingen, erfuhr ich von Herrn Jahn: "Wir schwärzen nur, um die Daten anderer in den Akten benannter Personen zu schützen."

Auf meine dritte Frage, die ich ihm als Vorsitzender der "Initiativgruppe Kundschafter des Friedens fordern Recht" beim anschließenden Empfang stellen konnte: "Wie lange dauert eine Bearbeitung, wenn nur Fakten des Anfragenden in der Akte stehen?", erwiderte Jahn, diese könne er nicht beantworten.

In seinem Referat sagte Jahn u. a., daß seine Behörde jährlich 100 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt bekomme. Viel Steuergeld, 26 Jahre nach der Einverleibung der DDR durch die BRD für Akteninhalte, die juristisch nicht mehr relevant sind! Die enorme Summe könnte gespart werden, wenn alle Akten in das Koblenzer Bundesarchiv endausgelagert würden.

Fazit: Es gibt also nur etwa 12.000 inhaltlich irgendwie relevante Antworten im Jahr. Bei einem Aufwand von 100 Millionen kostet den Steuerzahler demnach eine Antwort 8333,33 Euro unter Nichtberücksichtigung der Kosten für die Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Es geht immer noch darum, mit Hilfe willfähriger Medien von "Bild" bis "Spiegel" und besonders mit der BStU für 100 Millionen Euro den "Stasi"-Haß und die "Stasi-Keule" am Leben zu halten. Einen tatsächlichen Erkenntnisgewinn zum Thema "Geheimdienste heute" vermögen Herr Jahn und seine illustre Behörde nicht zu liefern.

Dieter Popp, Bonn

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BRD-Flüchtlings"hilfe" hat mit DDR-Solidarität nichts gemein

Von den Eltern, Lehrern und Hochschullehrern wie auch durch ältere Freunde wurden mir im Prozeß des Erwachsenwerdens immer wieder Humanität und Rationalität als Maßstäbe menschlichen Denkens und Handelns vorgegeben. Das galt in privater, beruflicher und politischer Hinsicht.

Wenn Bundeskanzlerin Merkel zur enormen Zuspitzung gesellschaftlicher Widersprüche in der BRD geradezu mantramäßig "Wir schaffen das!" predigt, kommt mir unwillkürlich der Gedanke, daß sie das vielleicht nicht nur aus christlicher Nächstenliebe, sondern auch auf Grund ihrer Erfahrungen als eine in der DDR Aufgewachsene tut. Die humanitäre Komponente nehme ich ihr ab, die politische Rationalität fehlt jedoch völlig - nicht nur bei Angela Merkel, sondern mehr noch bei jenen, die sich als "politische Klasse" der BRD verstehen.

Die ökonomisch gegenüber der Alt-BRD schwächere DDR hat mit ihrer Solidarität gegenüber Einzelpersonen, Gewerkschaften, staatlichen und kirchlichen Stellen unterentwickelter Länder, ausgebeuteten und verfolgten Menschen, Kämpfern gegen Kolonialismus und imperialistische Kriege Geschichte geschrieben.

Auch die derzeitige Asyl- und Flüchtlingspolitik besitzt auf ihre Weise Tradition. Geschürt durch Konflikte und Kriege sowie unter Ausspielung des vermeintlichen "Wirtschaftswunders" wurden in der alten BRD in großer Zahl Ankommende, oftmals durch Schleuserbanden organisiert, vor allem zur Deckung des eigenen Arbeitskräftebedarfs gebraucht. Damals strömten sie aus Griechenland, Italien, der Türkei, Jugoslawien, Polen, Rumänien, Südkorea und Südvietnam in die weitaus wohlhabendere BRD. Gezielt wurden qualifizierte Fachkräfte aus der DDR in großer Zahl abgeworben. Besonders perfide war der von den traditionellen Einwanderungsländern USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Australien seit jeher betriebene "Brain drain", die "intellektuelle Enthauptung" der Herkunftsländer. Zu keiner Zeit stand echte Hilfe vor Ort einschließlich Hilfe zur Selbsthilfe in den Heimatländern der Flüchtlinge zur Debatte.

Als Arzt, der über einige Jahre Verantwortung für die Koordinierung der DDR-Solidaritätsleistungen auf diesem Gebiet trug, möchte ich im Folgenden knapp und sachlich schildern, auf welchen Gebieten unser untergegangener Staat zur Beseitigung des Flüchtlingselends und zum Zurückdrängen der Entsolidarisierung beitrug.

Die medizinische Hilfe der DDR erfolgte über staatliche, darunter auch kommerzielle Verträge oder Gesundheitsabkommen in Form umfangreicher materieller und finanzieller Solidaritätsleistungen ohne Gegenleistung über Nichtregierungsorganisationen.

Es gab derartige Unterstützungsleistungen u. a. für Empfänger in folgende Staaten in Europa: BRD, Berlin-West, Griechenland, Rußland, Spanien, Ukraine und Ungarn; in Asien: Indien, Irak, Jemen, Kambodscha, Laos, Mongolei, Nordkorea, Palästina, Syrien und vor allem Vietnam; in Afrika: Ägypten, Äthiopien, Algerien, Angola, Guinea Bissau, Kongo-Brazzaville, Libyen, Moçambique, Namibia, Sansibar und Pemba - später Tansania -, S’o Tomé und Principé, Simbabwe, Sudan und Südafrika; in Lateinamerika: Chile, Kuba und Nikaragua. Die Arten der Unterstützung waren vielfältig:

1. Politisch Verfolgten wurde Asyl gewährt, um in der DDR lernen, arbeiten und leben zu können. Hierzu gehörte auch die unentgeltliche medizinische Betreuung. (Als prominenteste Beispiele sind unter Tausenden griechischen Kommunisten, die ins DDR-Exil gehen mußten, die Professoren Kritsikis und Phoutopoulos von der Berliner Charité zu nennen.) Aus der alten BRD kamen nach dem KPD-Verbot und den Prozessen, die sich u. a. auch gegen die FDJ richteten, sowie nach dem berüchtigten "Radikalen-Erlaß" ebenfalls Tausende Flüchtlinge in die DDR. Aus Chile konnten nach dem Pinochet-Putsch gegen Salvador Allende Tausende Verfolgte in die DDR entkommen, wo sie ein normales Leben führten. Unter ihnen war auch die derzeitige chilenische Präsidentin Michèle Bachelet, die in der DDR Medizin studierte und Kinderärztin wurde, sowie Allendes Gesundheitsminister Dr. Concha.

2. Tausende und aber Tausende Kriegs- und Bürgerkriegsopfer erhielten in DDR-Krankenhäusern oder durch chirurgische Behandlung in den Heimatländern durch Spezialisten der DDR medizinische Hilfe. Dies traf besonders für Indochina (Kambodscha, Laos und Vietnam), Nikaragua sowie Angola, Moçambique, Namibia und Südafrika zu. Nelson Mandela äußerte sich dazu in seiner Autobiographie mit Dank für die Unterstützung zahlreicher ANC-Kämpfer.

3. Es erfolgten medizinische Voruntersuchungen an Ort und Stelle sowie integrierte medizinische Betreuung innerhalb der DDR von mehr als 100.000 jungen Frauen und Männern aus Ungarn, Nordkorea, Vietnam, Laos, Kambodscha, Palästina, Algerien, Angola, Moçambique, Namibia, Südafrika und Kuba, die sich zur Berufsausbildung und zum Studium im Lande befanden. Die Ausgebildeten kehrten in ihre Heimat zurück, bauten ihr Land wieder auf, wobei einige heute führende Positionen in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik bekleiden.

4. Entwicklungshilfe vor Ort. Markante Beispiele sind dafür: Beim Bau der internationalen Erdgastrasse "Drushba - Freundschaft" vom Ural nach Zentraleuropa betrieb die DDR in der RSFSR und in der Ukraine Ambulatorien und Arztpraxen für die Monteure, aber auch für die Zivilbevölkerung. Gleiches gilt für das Urwaldkrankenhaus Moatize (Moçambique), wo Ärzte und Schwestern aus der DDR zusammen mit einheimischem Pflegepersonal die Betreuung von Bergleuten und der Bevölkerung im Norden des Landes bis zum Sambesi sicherten. In Gouda (Äthiopien) wurde die Medizinische Fakultät maßgeblich von Wissenschaftlern und Ärzten der Leipziger Karl-Marx-Universität getragen.

Mit einem Aufwand von vielen Millionen Mark - überwiegend monatlichen Spenden von FDGB-Gewerkschaftern - wurde das "Karl-Marx-Hospital" in Managua (Nikaragua) gegründet. Auf Jahre hinaus sicherten Ärzte, medizinisches und technisches Fachpersonal sowie ausgebildete "Nikas" die unentgeltliche Versorgung auf hohem Niveau.

5. Nicht unbedeutenden Anteil an der solidarischen Unterstützung für die Entwicklungsländer, oft im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation, hatte eine Vielzahl von Experten, welche in einigen dieser Länder massenhaft verbreitete Erkrankungen und Seuchen (z.B. Tuberkulose, Malaria, Schlafkrankheit, Geschlechtskrankheiten, Trachom, Pocken, Lepra) bekämpften, Impfungen durchführten, diagnostische Medizintechnik einführten und die Landesbehörden bei der Planung und Organisation als Berater unterstützten.

Prof. Dr. med. Herbert Kreibich, Schulzendorf

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Protest gegen Geschichtsfälschungen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Vom Mut und der Beharrlichkeit der Klarsfelds
"Nazi! Nazi!"

Die Überschrift dieses Beitrags war einst der Begleitruf, als Beate Klarsfeld am 7. November 1968 den damaligen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf einem Parteitag der CDU in Berlin öffentlich ohrfeigte.

Es sollte die berühmteste Ohrfeige in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland werden. Zugleich aber war dieses Ereignis auch der Beginn des dann lebenslangen Engagements einer jungen Frau für die Verfolgung von Naziverbrechern in aller Welt. Ihr Mann Serge, Rechtsanwalt in Paris, den Beate Anfang der 60er Jahre dort kennengelernt hatte, stand ihr bis heute fest zur Seite. Der 1935 in Bukarest Geborene ist Sohn jüdischer Eltern. Sein Vater wurde im Herbst 1943 in Frankreich, wohin die Familie geflohen war, durch die Gestapo festgenommen, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Serge entging den Häschern nur knapp.

Diese sein Leben prägenden Umstände führten offensichtlich dazu, daß er sich später bei der Verfolgung faschistischer Gewaltverbrecher so engagierte und gemeinsam mit seiner Frau als "Nazijäger" bekannt wurde. Den Klarsfelds ist es zu verdanken, daß Klaus Barbie, der Schlächter von Lyon, nach Frankreich ausgeliefert wurde und dort vor Gericht gestellt werden konnte. Auch der Gestapochef von Paris, Kurt Lischka, den das Landgericht Köln 1980 aburteilte, wurde von ihnen namhaft gemacht. Mehrere andere Nazis spürte das Ehepaar auf und machte deren Aufenthaltsort öffentlich, wobei mitunter keine Auslieferung durch die betreffenden Staaten erfolgte, so daß strafrechtliche Konsequenzen ausblieben.

Jetzt sind die Lebenserinnerungen der Klarsfelds auch in deutscher Sprache erschienen. Dies geschah zu einer Zeit, in der massiv aufkeimender Neofaschismus in verschiedenen europäischen Ländern, der sich bisweilen mit der Vokabel rechtspopulistisch zu tarnen sucht, dringend zum Widerstand auffordert. Mit großer Spannung kann man lesen, an welchen Fronten Beate und Serge gekämpft haben. Man erfährt von der Jagd der Klarsfelds auf Lischka wie dessen Helfer Hagen und Heinrichson, bevor sich diese drei SS-Männer einige Zeit später vor dem Landgericht Köln verantworten mußten.

Beate und Serge hatten versucht, Lischka aus Köln nach Frankreich zu entführen, um ihn dort vor Gericht zu bringen. Die Aktion war jedoch ein Schlag ins Wasser. Gegen Beate wurde sogar ein Haftbefehl erlassen, der sie ins Gefängnis Köln-Ossendorf brachte. Hier kam dann der legendäre Friedrich Karl Kaul zum Zuge, der sich als DDR-Anwalt an der Verteidigung beteiligen wollte. Dazu hatte er die persönliche Zustimmung Erich Honeckers eingeholt.

Die Dinge nahmen letzten Endes einen für die Klarsfelds günstigen Verlauf. Nachdem sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Problematik gelenkt hatten, kümmerten sie sich auch um den Verbleib anderer übler Faschisten wie Walter Rauff, der Gaswagen zur Ermordung von Menschen mittels Kohlenmonoxyd erfunden hatte. Auch die Jagd auf Josef Mengele, der als KZ-Arzt in Auschwitz pseudowissenschaftliche Experimente, vor allem an Zwillingen, vorgenommen hatte, beschäftigte das Ehepaar ebenso wie die Verfolgung von Alois Brunner, auf dessen Konto 1943/44 die Deportation von 24.000 Juden aus Frankreich gekommen war und der unter falschem Namen in Damaskus lebte. Schließlich rief die faschistische Vergangenheit des Österreichers Kurt Waldheim, der etliche Jahre Generalsekretär der Vereinten Nationen gewesen war, die Klarsfelds Mitte der 80er Jahre auf den Plan. Immer wieder organisierten sie auch Aktionen und Proteste vor Ort. Dabei gingen sie stets persönliche Risiken ein, wenn sie Länder bereisten, wo die Verhältnisse weder demokratisch noch rechtsstaatlich waren, so daß sie Gefahr liefen, selbst verhaftet oder drangsaliert zu werden. Solche Gefahren schreckten sie nie. Auch dafür gebührt ihnen Respekt. Sie haben viel dazu beigetragen, daß die oftmals schleppende Aufarbeitung der Nazivergangenheit in der BRD beschleunigt oder überhaupt erst in Gang gebracht wurde.

Noch heute engagieren sich beide Klarsfelds in der FFGJF, einer französischen Organisation von Söhnen und Töchtern einst Deportierter. Serge Klarsfeld stellt resümierend fest: "Nach Gerechtigkeit habe ich intensiv gesucht, zur historischen Wahrheit beigetragen. Als Rechtsanwalt war meine Rolle eher die eines Anklägers und in den Fällen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit die des Staatsanwalts. Als engagierter Anwalt hatte ich nur ein Ziel: die Sache jedes einzelnen Opfers der Shoah und ihrer Erben zu vertreten. Es ging mir darum, die Verurteilung ihrer Mörder zu erleben, die bis dahin von einer Gesellschaft geschützt wurden, in der sie Karriere machen konnten. Ich habe für eine internationale Strafjustiz gekämpft."

Das Lebenswerk beider Klarsfelds wurde am 20. Juli 2014 durch Frankreichs Staatspräsidenten Hollande geehrt: Er ernannte sie zum Grandofficier und zum Commandeur der Ehrenlegion. Ein Jahr später mußte ihnen die BRD das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verleihen. Jahrelang hatte man sich dagegen gewehrt, die antifaschistischen Initiativen von Beate und Serge Klarsfeld anzuerkennen. Dabei spielte wohl auch die Tatsache eine Rolle, daß sie Unterstützung durch die DDR, die ihnen Dokumente und anderes Beweismaterial bereitstellte, annahmen und auch heute keine Veranlassung sehen, sich davon zu distanzieren.

Wer sich mit dem Widerstand gegen das langjährige Schweigen über die Nazivergangenheit so mancher in der BRD auseinandersetzen will, dem sei das spannende Erinnerungsbuch der Klarsfelds nachhaltig empfohlen. Der Leser wird dem zustimmen, was die renommierte französische Zeitung "Le Monde" schrieb: "Ein der Gerechtigkeit geweihtes Leben. Ein packendes Dokument."

Rechtsanwalt Ralph Dobrawa, Gotha


Beate und Serge Klarsfeld: Erinnerungen. Piper-Verlag, München/Berlin/Zürich 2015, 624 Seiten, 28 Euro


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Kiesingers Nazi-Karriere war in der BRD kein Geheimnis. Ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wurde sie aber erst, als Beate Klarsfeld den Kanzler 1968 in der Westberliner Kongreßhalle ohrfeigte. Auf die Frage: "Warum haben Sie gerade Kiesinger geohrfeigt? Warum nicht Lübke? Es gibt doch noch eine Menge anderer Nazis in hohen Positionen", antwortete sie schlicht: "Wenn man die Nazis aus dem öffentlichen Leben entfernen will, muß man mit dem einflußreichsten Mann im Staat anfangen ..."

- Beate Klarsfeld war bei den Präsidentschaftswahlen 2012 die PDL-Alternativkandidatin zu Pastor und Gedenkstättenverwalter Joachim Gauck, den die bürgerlichen Parteien ins Rennen schickten.

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Über Fernsehgeräte am Armband und "pseudoradikale Durchreißer"
Plädoyer für realistische Träume

Die Betrachtungen Klaus Steinigers "Wiederholt sich die Geschichte?" im Februar-"RotFuchs" regen mich zu weiteren Überlegungen an - das ist und bleibt das Gute an dieser Tribüne für den Meinungsaustausch unter Kommunisten und Sozialisten.

Wenn ein "umstrittener Moskauer Spitzenpolitiker ... ungeachtet eklatanter Versorgungslücken verkündete, bis 1980 werde der Aufbau des Kommunismus in der UdSSR abgeschlossen sein", dann vertrat er damit nicht nur sich selbst, sondern zugleich die seit 1961 gefaßten Beschlüsse einer Viel-Millionen-Partei, gestützt auf alle in dem großen Land vorhandenen wissenschaftlichen Kapazitäten. Die Tätigkeit von 225 Millionen Menschen war so oder so auf dieses Ziel gerichtet, manches davon wurde auch erreicht.

Es handelte sich also bei den Parteitagsbeschlüssen zugleich auch um einen kollektiven Irrtum, der vielleicht nur am lautesten von "pseudoradikalen Durchreißern'" artikuliert wurde. Vermutlich bin ich diesen Genossen bei unseren Kontakten zur Moskauer Parteiorganisation sogar begegnet. "Brigaden der kommunistischen Arbeit" stärken, die Metropole Moskau zur "ersten Hauptstadt des Kommunismus" machen - Parolen dieser Art bestimmten die Tätigkeit unserer sowjetischen Partner. Aber auch wir wollten davon lernen und unterstützten solche Zielstellungen.

Ich bewahre bis heute die "Junge Welt" vom 14./15. Oktober 1961 auf. Sie besteht aus einer fiktiven Ausgabe des Blattes, vorverlegt auf den 14.10.1980. FDGB-Reisen nach Afrika bot man dort an, aber auch "Fernsehgeräte am Armband", die erste Marslandung, die Bewässerung der Sahara und das Wirken der SDR, der Sozialistischen Deutschen Republik. Man beschrieb sie als Ergebnisse des vollendeten Kommunismus, untersetzt mit einem erfüllten Plan von 250 Millionen Tonnen Stahl. Jugend soll träumen. Doch nicht nur sie träumte ...

Zum ersten Mal bin ich einer für die Errichtung des Kommunismus definierten Zeitspanne begegnet, als Stalin in seiner weitverbreiteten Rede vor Wählern Anfang 1946 dafür eine Frist von etwa drei Fünfjahrplänen nannte (was einem Beschluß des noch nicht einberufenen Parteitages gleichkam).

Als damals 15jähriger würde ich dann "steinalt" sein und hielt dies noch für einen erträglichen Horizont. Wie viele andere interessierte ich mich für die "Großbauten des Kommunismus" wie z. B. den Wolga-Don-Kanal.

Nach Ablauf der 15 Jahre stellte sich die KPdSU 1961 das Ziel, den Kommunismus innerhalb von 20 Jahren zu errichten. Sie tat es mit dem Vorbehalt, vom Imperialismus aufgezwungene Lasten würden das verhindern können. Danach beschloß die KPdSU die Perestroika. Das aktuelle Kommunismusverständnis der KPRF kenne ich noch nicht.

Anfang der 80er Jahre resümierte unser verehrter Jürgen Kuczynski, ohne dabei auf Widerspruch in der SED-Führung zu stoßen: "Keiner der heute Lebenden wird den Kommunismus erleben." Ich schloß daraus: Vor 2050 wird es nichts.

Heute bin ich der Überzeugung, daß die Idee des Kommunismus in der uns von Marx und Engels überlieferten Form neu hinterfragt werden muß - auch als parteienkonstituierender Begriff. Und das eingedenk dessen, daß es auch ein Kommunismus-Verständnis universeller Art gibt, das zeitlich noch vor der Bibel ansetzt. Es bleibt die Notwendigkeit einer ausbeutungsfreien, friedlichen, demokratischen Gesellschaft, die die Menschheit vor der "Selbstverbrennung" bewahrt. Dafür sind Mittel und Wege zu finden.

Müssen wir uns für unsere gemeinsamen Irrtümer schämen? Nein, denn die Suche nach Wahrheit geht überall schrittweise voran. "Trial and error" - Versuch und Irrtum (und wieder ein neuer Versuch!) ist die Erkenntnismethode, die zwar den Natur- und technischen Wissenschaften ohne weiteres zugestanden wird, nicht aber den Gesellschaftswissenschaften.

Vor kurzem las ich wieder in Lenins "'Linkem Radikalismus' ...". Wieviel bis heute Gültiges über Kompromisse! Wie einprägsam sein bildhafter Vergleich: Der Weg zur neuen Gesellschaft ist wie der Aufstieg auf einen unerforschten hohen Berg. Keiner war bisher dort, niemand kennt jenen Weg, welcher schließlich zum Gipfel führen wird. Darf man bei einem solchen Vorhaben "... darauf verzichten, manchmal im Zickzack zu gehen, manchmal umzukehren, die einmal gewählte Richtung aufzugeben und verschiedene Richtungen zu versuchen?" (LW, Bd. 31, S. 56)

Ja, wir hätten umfassender, realistischer analysieren und danach handeln müssen. Wir können es nun mit neuen Erkenntnissen und Erfahrungen tun. Wenn die evangelische Bischofssynode nach 500 Jahren zu den menschenfeindlichen Haßtiraden Luthers gegen die Juden Stellung nimmt, so sind wir auf alle Fälle wesentlich weiter in der "Aufarbeitung"! An der längerfristigen Umwandlung unserer Gesellschaft als Mitglied der Linkspartei teilzunehmen, macht Spaß und hält mich fit.

Jürgen Schewe, Berlin

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Zum 145. Todestag von Wilhelm Weitling

Als 1836 in Paris der "Bund der Gerechten" gegründet wurde, hatte man "in Weitling einen kommunistischen Theoretiker, den man seinen damaligen französischen Konkurrenten kühn an die Seite setzen durfte". Diese Wertung traf in seiner Arbeit "Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten" kein Geringerer als Friedrich Engels. Wilhelm Weitling, ein Magdeburger Schneidergeselle, war von ungewöhnlicher theoretischer Begabung. Neben einer Reihe von Schriften, in denen er das Bild eines utopischen Sozialismus entwarf, entwickelte er in seinem Hauptwerk "Garantien der Harmonie und Freiheit" eine künftige kommunistische Ordnung. In seinen Auffassungen ging er weiter als die französischen utopischen Sozialisten. Er kritisierte nicht nur die kapitalistische Gesellschaft - er entwickelte zugleich eine Vorstellung von der kommunistischen Gesellschaft.

Weitling betrachtete die Revolution als Mittel, der neuen Gesellschaft zum Durchbruch zu verhelfen, drang aber nicht zur Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung vor.

Karl Marx versuchte den Revolutionär zu einer gründlicheren Erkenntnis der Zusammenhänge zu führen. Doch Weitling, der im Prinzip das Wesen seiner Zeit verstanden und die alte Ausbeutergesellschaft durchschaut hatte, war außerstande, sich von seinen eigenen Ideen zur Überwindung dieser Ordnung zu lösen. Dennoch wertete Marx sein Werk in folgender Weise: "Wo hätte die Bourgeoisie - ihre Philosophen und Schriftgelehrten eingerechnet - ein ähnliches Werk wie Weitlings 'Garantien der Harmonie und Freiheit' in bezug auf die Emanzipation der Bourgeoisie - die politische Emanzipation - aufzuweisen? Vergleicht man die nüchterne, kleinlaute Mittelmäßigkeit der deutschen politischen Literatur mit diesem maßlosen und brillanten Debut der deutschen Arbeiter ..., so muß man dem deutschen Aschenbrödel eine Athletengestalt prophezeien." (MEW, Bd. 1, S. 405)

Wenn Weitling in Verkennung der gegebenen Möglichkeiten in seinen Absichten auch scheiterte, so haben doch seine besten Gedanken über eine kommunistische Gesellschaft in reifer, wissenschaftlicher Form in der Politik der sozialistischen Länder ihren Niederschlag gefunden.

St. K.

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Der DDR wurden Milliardensummen geraubt

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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NPD-Verbotsprozeß als Ablenkungsmanöver

So stark wie die AfD war noch keine Partei der äußersten Rechten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie ist im März nicht nur neu in drei Landtagen vertreten, sondern wurde in Sachsen-Anhalt sogar zur zweitstärksten Kraft, während sie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz den dritten Platz eroberte. Der noch keineswegs mit einem Verbot abgeschlossene Prozeß gegen die NPD wurde nach jahrelanger Verweigerung zielgenau zu einem Zeitpunkt in die Gänge gebracht, zu dem eine andere faschistoide Partei bereits in der Hälfte aller deutschen Länderparlamente vertreten ist.

Die AfD verdankt ihre Erfolge nicht nur ihrer einen Teil der Massen aufwiegelnden Stimmungsmache für Ausländerhaß, sondern auch der offiziellen Berliner Politik. Aufeinanderfolgende Bundesregierungen haben seit 1990 eine systematische Flüchtlingsabwehr betrieben und den Ausländerhaß hochgeputscht. Spätestens seit der sogenannten Sarrazin-Debatte wenden sich Teile des deutschen Establishments immer ungehemmter ultrarechten und rassistischen Positionen zu. Das hat der Partei von Frauke Petry weite politische Spielräume eröffnet.

RF, gestützt auf "German Foreign-Policy"

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RF-Extra

Volksentscheide zur Enteignung der Kriegs- und Nazi-Verbrecher
Eine historische Zäsur

In einigen europäischen Staaten fanden 1946 Volksentscheide statt, in denen über privatkapitalistisches Eigentum entschieden wurde. In Sachsen wurde am 30. Juni 1946 über die Enteignung von Kriegs- und Nazi-Verbrechern abgestimmt, in Hessen am 1. Dezember 1946 über den Artikel 41 der hessischen Verfassung. Am Volksentscheid in Sachsen beteiligten sich 93,71 % aller Wahlberechtigten.

Für die Überführung dieser Betriebe in Volkseigentum stimmten 77,62 %, dagegen 16,56 %, ungültig waren 5,82 %.

In Hessen wurde über den Artikel 41 der Landesverfassung entschieden. Er lautet: "Mit Inkrafttreten dieser Verfassung werden

1. in Gemeineigentum überführt: der Bergbau (Kohle, Kali, Erze), die Betriebe der Eisen- und Stahlerzeugung, die Betriebe der Energiewirtschaft und das an Schienen oder Oberleitungen gebundene Verkehrswesen;

2. vom Staate beaufsichtigt oder verwaltet die Großbanken und Versicherungsunternehmen ..."

Für diesen Artikel stimmten 71,9 %, für den Verfassungsentwurf 76,6 % der Wähler.

Das war ein gleiches demokratisch dokumentiertes Votum für den Bruch mit der faschistischen Vergangenheit und für die Errichtung einer neuen Demokratie wie in Sachsen.

Doch der amerikanische Generalgouverneur Lucius D. Clay erklärte: "In einer Zeit, in der die USA so viel Geld aus eigener Tasche zahlen, um Deutschland zu unterstützen, haben sie das Recht, ihre Meinung zu sagen und Experimente nicht zuzulassen." So las man es am 16. August 1946 in der "Neuen Ruhrzeitung". Das war ein faktisches Verbot für die Anwendung des Artikels dieses Verfassungsentwurfs. Indessen bewies die Tatsache, daß Volksentscheide in Hessen und Sachsen sowie parallele Bestrebungen anderenorts, beispielsweise in Berlin, stattfanden, zunächst einmal, daß es eine breite Zustimmung zu der Forderung gab, die Wurzeln von Krieg und Faschismus auszureißen.

Zu diesen ökonomischen Wurzeln gehörten zweifellos Teile des deutschen Imperialismus, die Hitler in die Regierung gehievt und den Faschismus als Mittel zur Durchsetzung ihrer innen- und außenpolitischen Ziele und Interessen eingesetzt hatten.

Diese Erkenntnis war 1945/46 Leitlinie der Politik der Siegermächte wie auch Schwerpunkt in programmatischen Erklärungen aller großen deutschen Parteien.

Das Potsdamer Abkommen, die Prinzipien des in Nürnberg zusammengetretenen Militärtribunals und die Bestimmungen der UNO-Charta verfolgten dasselbe Hauptziel: Der Faschismus und dessen Hintermänner dürfen nie mehr zu einer Gefahr für die Welt werden.

In der Rede des US-Hauptanklägers im Nürnberger Prozeß heißt es: "Ohne die Zusammenarbeit der deutschen Industrie und der Nazipartei hätten Hitler und seine Parteigenossen niemals die Macht in Deutschland ergreifen und festigen können, und das Dritte Reich hätte nie gewagt, die Welt in einen Krieg zu stürzen."

Damals war zeitweilig auch die USA-Regierung partiell an dieser Politik beteiligt. Das wird u. a. durch die "schwarze Liste" des Kilgore-Ausschusses des USA-Senats vom 11. Oktober 1945 bestätigt, auf der 42 Vertreter der Schwerindustrie und Hochfinanz als Kriegsverbrecher aufgelistet worden waren, darunter Friedrich Flick, Alfred Hugenberg, Florian Klöckner, Georg von Schnitzler, Hugo Stinnes und Karl Rasche.

Einige, so Krupp und Flick, saßen auf der Nürnberger Anklagebank, die Untaten anderer werden erst jetzt genauer erforscht, z. B. die Rolle Karl Rasches als Verbindungsmann der Dresdner Bank zu Himmlers SS, bei der "Arisierung" jüdischen Eigentums und bei der Ausplünderung okkupierter Volker.

Die Parteien - CDU, SPD, KPD, FDP/LDPD und andere - konnten weder ihre Vergangenheit noch die entstandene Situation außer acht lassen. Im Hinblick auf ihre Stellung zu Monopolen und Banken fällt auf: "Es ist erstaunlich, daß die Intentionen der deutschen Parteigründer in allen vier Besatzungszonen keine großen Unterschiede aufwiesen."

Die CDU Adenauers formulierte das in ihrem Ahlener Programm vom 3. Februar 1947 so: "Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert." "Besonders populär sind planwirtschaftliche Erwägungen mit einer Vorliebe für die Enteignung von Industriebetrieben und Banken" schrieb Konrad Adenauer in einem Leserbrief, der am 18. Mai 1946 vom "Neuen Deutschland" veröffentlicht wurde.

Kurt Schumacher forderte in den politischen Richtlinien für die SPD im Juli 1945: "Aus dem Klassencharakter des Nazismus ergibt sich zu seiner Überwindung als Konsequenz: der Sozialismus. Die Voraussetzung ist die völlige Zerbrechung der finanzkapitalistischen, imperialistischen und militärischen Linie. Die Arbeit kann sich nicht im Negativen erschöpfen. Das positive Ziel und einzige ausreichende Sicherung gegen die Wiederkehr solch volkszerstörender und weltgefährdender Kräfte ist die Änderung der ökonomischen und gesellschaftspsychologischen Voraussetzungen der deutschen Politik."

In einer "Spiegel"-Serie über die deutsche Nachkriegsentwicklung, die Ende 2005 veröffentlicht wurde, findet der Leser in der Nr. 50/2005 bemerkenswerte Feststellungen: "Kurt Schumachers SPD sicherte sich die Arbeiterklasse mit dem Versprechen, daß die Konsequenz aus der dunklen Vergangenheit nichts anderes sein könne als ein demokratischer Sozialismus."

Dieses Ziel stand im Berliner Programm der SPD vom Dezember 1989, mit dem die Partei in die deutsche Einheit ging.

Die KPD sah sich in ihrer Verurteilung der imperialistischen Hintermänner des Faschismus bestätigt, lehnte aber eine sofortige Sozialisierung in ihrem Aufruf vom 11. Juni 1945 ab: "Daher fordern wir: Keine Wiederholung der Fehler von 1918! Schluß mit der Spaltung des schaffenden Volkes! Keinerlei Nachsicht gegenüber dem Nazismus und der Reaktion! Nie wieder Hetze und Feindschaft gegenüber der Sowjetunion; denn wo diese Hetze auftaucht, da erhebt die imperialistische Reaktion ihr Haupt!"

Hier kann nicht untersucht werden, ob und in welchem Maße bürgerliche Politiker Konzessionen an den damaligen "Zeitgeist" machten, um zunächst einmal Zeit zu gewinnen, bis die Antihitlerkoalition zerbricht (was schon Goebbels gehofft hatte). Sicher ist: Der Volksentscheid in Sachsen war ein notwendiger revolutionärer Schritt, ein Akt demokratischer Selbstbestimmung, aber keine "Sowjetisierung" (Hermann Weber), "kommunistische Diktaturdurchsetzung" (Mike Schmeitzner) oder "Stalinisierung", wie ihn nun auch einige "Linke" etikettieren.

Wer den Volksentscheid als politisch notwendigen, historisch und moralisch gerechtfertigten Schritt wertet, was Enteigneten und ihren Soldschreibern kaum möglich sein dürfte, müßte natürlich auch die subjektiven Bedingungen, den internationalen Kontext und die Langzeitwirkungen bedenken. Was die Bedingungen betrifft: Die Einheit der Arbeiterbewegung, im April 1946 hergestellt, war die erste und wichtigste Bedingung für den Erfolg des Volksentscheids und die Chance, sein Ergebnis zu verwirklichen.

Die SED war der Motor und der Kern des Blocks der antifaschistisch-demokratischen Parteien.

Auch in anderen Ländern - in der Tschechoslowakei, Polen, Italien, Frankreich, Griechenland - gab es nach 1945 eine breite Bewegung, in den neuen Verfassungen die Macht der Banken und Monopole zu überwinden oder zu beschränken. Das geschah keineswegs auf "Weisung Stalins", sondern als Konsequenz aus eigenen historischen Erfahrungen.

In Italien proklamierte Lelio Bosso, ein führender Sozialist: Es herrscht keine Demokratie, "solange es wirtschaftliche und soziale Ungleichheit gibt". Im Sozialkatholizismus gab es eine starke Strömung gegen das kapitalistische Eigentum.

In Frankreich wurde in Anlehnung an die Erklärung der Menschenrechte von 1789 über die Rolle des Privateigentums gestritten. Dieses müsse dem Wohl der Allgemeinheit untergeordnet werden. Erst bei einem Referendum vom 5. Mai 1946 wurde der Streit zugunsten des Vorrangs des Privateigentums mit einer knappen Stimmenmehrheit von 53 % entschieden.

In Großbritannien begann Mitte 1945 die Ära des "Labour-Sozialismus". Er schloß die Verstaatlichung von Bergbaubetrieben, Schlüsselindustrien und Banken und ein umfassendes "Sozialprogramm" ein, das mithelfen sollte, der Krise des Empire entgegenzusteuern und England zur Führungsmacht in Westeuropa zu entwickeln.

Die Tatsachen beweisen: Forderungen, die Macht der Monopole und Banken einzuschränken, gab es nicht nur östlich der Elbe. Und: Die Idee des Sozialismus war nach 1945 eine Hoffnung überall in Europa, nicht nur in sowjetisch besetzten Staaten. Die Angriffe auf die Sozialisierungsbestrebungen, nicht zuletzt als Reaktion auf den Volksentscheid in Sachsen, erfolgten auf unterschiedliche Weise. Auf die verleumderischen Thesen von der "Stalinisierung" und "Sowjetisierung" wurde bereits hingewiesen.

Wolfgang Leonhard, der seit Mai 1945 als Mitglied der "Gruppe Ulbricht" selbst an der Gestaltung der antifaschistisch-demokratischen Ordnung mitgewirkt hatte, schrieb rückblickend auf das Jahr 1946: "Erst in der zweiten Junihälfte gab es wieder Aufgaben - am 30. Juni 1946 sollte ein Volksentscheid für die Enteignung und Entmachtung der Kriegs- und Naziverbrecher im Lande Sachsen stattfinden. Der Volksentscheid am 30. Juni 1946 diente jedoch weniger dem Zweck, die schon vorher beschlossene Übergabe der Betriebe der Kriegs- und Naziführer in die Hände des Staates zu bestätigen, sondern es ging in erster Linie darum, ein Bild von der im Volke herrschenden Stimmung zu erhalten."

Nach der "Wiedervereinigung" versuchten damals Enteignete, die "Restitution" durchzusetzen, von den Wettinern, die schon Mitte der zwanziger Jahre entschädigt worden waren, bis zu den Erben der Arzneimittelfirma Madaus in Radebeul.

In der Tat: Der Volksentscheid hatte im Osten Deutschlands auf demokratischem Wege eine radikale Umgestaltung der Eigentums- und Machtverhältnisse ermöglicht.

Beim Volksentscheid war über die Zukunft von 1181 Betrieben abgestimmt worden, die in das Eigentum des Landes Sachsen übergingen. Ihr Gesamtkapital wurde auf 1.024.952.000 RM beziffert.

Der Volksentscheid in Sachsen war zweifellos eine historische Zäsur in der Geschichte der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung in Ostdeutschland. Die neuen politischen Machtorgane erhielten eine stärkere ökonomische Basis. Die Möglichkeiten der kapitalistischen Kräfte zu Sabotage und Restauration wurden eingeschränkt. Die Volkswirtschaft konnte schrittweise geplant werden. Natürlich hob die Entstehung des Volkseigentums andere gravierende Nachteile gegenüber der Entwicklung in Westdeutschland nicht auf, so die Last der Reparationen, das Fehlen von Schwerindustrie, von Überseehäfen und andere ungünstige Faktoren.

Die DDR war "befehdet seit dem ersten Tag", und viele Entscheidungen ergaben sich nicht aus ihrer sozialistischen Zielsetzung, sondern als Reaktion auf imperialistische Angriffe, insbesondere im Sicherheitsbereich. Dennoch wuchs die kleine Republik zum achtgrößten Industriestaat der Welt heran, der lange Zeit als Bastion des Friedens in Europa agieren konnte.

Der Volksentscheid in Sachsen vom Juni 1946 und seine zeitweilig segensreichen Folgen und Lehren sind aus der Geschichte nicht zu löschen.

Prof. Dr. Horst Schneider

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Hätte die UdSSR ohne den Rüstungswettlauf überleben können?

Der Artikel "Blieb der Sozialismus in der UdSSR beim Rüstungswettlauf auf der Strecke?" von Hermann Jacobs, erschienen im "RotFuchs" (Februar 2016), beleuchtet aus politisch-historischer Sicht Entscheidungssituationen, vor denen sowjetische Politiker in der Partei- und Staatsführung von 1945 bis 1990 standen. Der Autor stellt fest, daß die großen Rüstungsanstrengungen der Sowjetunion zu Lasten der gestellten sozialökonomischen Ziele (Lebensstandard, Infrastruktur, Kultur und Bildung) gehen mußten. Er schreibt, die Sowjetunion verzichtete "de facto auf das, was sie nicht mehr zu garantieren vermochte, ihren Anspruch, den Sozialismus weiter zu vervollkommnen ..." Die Bewertung der damaligen Jahrzehnte mit historisch bedeutsamen Entscheidungssituationen für die sowjetische Partei- und Staatsführung ist zweifellos vielschichtig und nicht einfach. Gab es aber wirklich keine andere Möglichkeit, der imperialistischen Bedrohung erfolgreich zu begegnen?

Für den amerikanischen Imperialismus gibt es seit Jahrzehnten in ungebrochener Kontinuität eine strategische weltpolitische Orientierung von zentraler Bedeutung: Die UdSSR war der Todfeind Nr. 1. Heute ist Rußland der erklärte Hauptfeind.

Die Sowjetunion war die lebendige, praktisch sichtbare gesellschaftliche Alternative zum imperialistischen Herrschaftssystem mit großer internationaler Ausstrahlung. Für die USA war klar, ohne direkte militärische Konfrontation mußte das neue, sich im Auf- und Ausbau befindende Gesellschaftsmodell Sozialismus ernsthaft beschädigt und letztlich vernichtet werden.

Das "Totrüsten" war die ideale politische, ökonomische, finanzielle und technologische Keule, die nach 1945 alle Seiten der amerikanischen Politik beherrschte. Wesentliche Ausgangsgrößen für die Ausarbeitung der amerikanischen Strategie des Totrüstens waren Schwachstellen in der sowjetischen Wirtschaft und Wissenschaft, im Wirken der Partei und des Staates. Der enorme Rückstand im Niveau der Arbeitsproduktivität, die technologische Zurückgebliebenheit vieler Zweige der sowjetischen Industrie, die geringe Leistungsfähigkeit der sowjetischen Landwirtschaft und die nicht auf die Erfordernisse der wissenschaftlich-technischen Revolution eingestellte Leitung, Planung und Stimulierung der Betriebe und Forschungsinstitute waren unübersehbare Fakten.

Der aufgezwungene Rüstungswettlauf hat die Schwächen und Defizite des in der Sowjetunion praktizierten Sozialismusmodells erbarmungslos aufgedeckt und verschärft. Er hat zu massiven Umverteilungen von Kräften und Mitteln, zum Sparen und zum Streichen von volkswirtschaftlich bedeutsamen Projekten gezwungen. In Verantwortung für den Schutz des Vaterlandes, um ein zweites 1941 nicht zuzulassen, und für die Sicherung des Weltfriedens lagen die Rüstungsausgaben der UdSSR 20 Jahre lang beträchtlich über denen der USA. Im Zeitraum 1971 bis 1988 waren das pro Jahr im Durchschnitt 35 Mrd. Dollar Mehrausgaben. Die Dimension der Belastung für die sowjetische Volkswirtschaft kann an zwei Zahlen abgelesen werden: Im Jahr 1980 wurden Kräfte und Mittel in Höhe von 201 Mrd. Dollar für die Rüstung eingesetzt. Dieser gewaltige Rüstungsetat wurde bis 1988 auf 317,9 Mrd. Dollar erhöht. Bis 1960 war die UdSSR den USA hinsichtlich der Anzahl einsatzfähiger atomarer Sprengköpfe hoffnungslos unterlegen. 20 434 atomaren Sprengköpfen der USA standen 1605 auf sowjetischer Seite gegenüber. Der Rückstand wurde im Verlauf von 20 Jahren mehr als wettgemacht. Die U-Boot-Flotte war eines der schärfsten Schwerter zur Verteidigung der UdSSR. Bis Ende der 80er Jahre stellte die Sowjetunion den amerikanischen Seestreitkräften eine Vielzahl von Atom-U-Booten verschiedenster Zweckbestimmung mit gewaltiger militärischer Schlagkraft entgegen.

So wurden ca. 140 strategische Atom-U-Boote, geeignet für den Abschuß ballistischer Raketen und von Marschflugkörpern, in Dienst gestellt. Daneben waren ca. 75 atomar angetriebene Jagd- bzw. Mehrzweck-U-Boote im Einsatz. In diesem Zeitraum wurde auf den Gebieten Atomwaffen, Raketentechnik, Kampfflugzeuge und U-Boote überragend demonstriert, daß die USA nicht mehr alleiniger Beherrscher des Weltraums, der Ozeane und der Luft sind. Die Parität im Rüstungswettlauf bei den strategischen Waffensystemen hat ausschließlich die UdSSR gesichert.

Die anderen RGW-Staaten konnten aufgrund ihrer geringen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Potentiale dazu nur einen minimalen Beitrag leisten. Das trug dazu bei, daß die sowjetische Volkswirtschaft bis an die Grenze der Belastbarkeit gefahren werden mußte.

Die sowjetische Führung hat vor den enormen Herausforderungen der vom Imperialismus initiierten Hochrüstung nicht kapituliert. Unter größten Anstrengungen wurde die waffentechnische Parität weitgehend gesichert, und in Kombination mit einer geschickten Diplomatie wurden dem Imperialismus seine Grenzen aufgezeigt. Diese Politik mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Entwicklung modernster Waffentechnik, für die Organisation der Landesverteidigung, für die Gewährleistung eines hohen Versorgungsgrades der Armee ist von bleibender historischer Bedeutung. Aber eine das Schicksal des Sozialismus sichernde Strategie wurde nicht entwickelt. Der Rüstungswettlauf war der langandauernde, unüberhörbare Weckruf, die sowjetische Gesellschaft, die Volkswirtschaft politisch, ökonomisch und sozial grundlegend zu reformieren, auf eine neue Stufe zu heben. Es gab mit den Gedanken von Libermann und anderen Ökonomen und Philosophen hinreichend Anregungen und Konzepte, wie das erstrebte Sozialismusmodell und die wissenschaftlich-technische Revolution zu einer wirksamen Einheit hätten verschmolzen werden können. Es war die Zeit herangereift, unabhängig vom Rüstungswettlauf neue Ideen auf neue Art und Weise hervorzubringen und schnell zu materialisieren, alle Ressourcen des Landes sparsamer und effizienter zu nutzen, der Arbeitsproduktivität und der Qualität der Arbeit und der Produkte eine andere Wertigkeit im betrieblichen Alltag einzuräumen und auch anders zu vergüten, die Volkswirtschaft zu einem ökonomisch und finanziell starken Unterbau für die Rüstungsproduktion auszubauen. Die Sowjetunion mußte sich so oder so mit ihrem Sozialismusmodell dem internationalen ökonomischen Wettbewerb stellen und seine vorhandenen Stärken in der Praxis nachweisen.

Für diese grundlegend neue, weitreichende Ausrichtung der sowjetischen Gesellschaft als Gegenstrategie zur imperialistischen Vernichtungsstrategie gab es durch die Parteitage der KPdSU und durch die Tagungen des Obersten Sowjets genügend große qualifizierte Foren, auf denen Weichenstellungen hätten vorgenommen werden können. Schon 1956 auf dem XX. Parteitag der KPdSU wäre das möglich gewesen. Leider war die Orientierung rückwärtsgerichtet. Die später unter der Federführung von Gorbatschow proklamierten Maßnahmen und Veränderungen waren meilenweit von einer notwendigen Weichenstellung für die sowjetische Wirtschaft und Gesellschaft entfernt. Sie waren weitgehend destruktiven Charakters.

Es waren Versäumnisse strategischer Dimension mit tragischem Ausgang von welthistorischer Bedeutung. Objektiv betrachtet hat die sowjetische Führung mit ihrer Politik der Fortführung des bisher Bewährten, mit dem Verdrängen anstehender Probleme und Konflikte und ihrer Scheu vor den Risiken des Neuen in der Wirtschaft und im Alltagsleben der Sowjetbürger das Wirken der amerikanischen Vernichtungsstrategie erleichtert. Im Denken der maßgeblichen Politiker in der Partei und im Staatsapparat war nicht ausgeprägt, daß die Dynamik einer gesellschaftlichen Ordnung nur dann gesichert werden kann, wenn all ihre Bestandteile ständig qualitativ vervollkommnet werden, wenn kontinuierlich nach besseren Lösungen gesucht wird. Eine realistische Sicht auf die damalige Zeit vermittelt aber auch die Erkenntnis, daß die grundlegende Reformierung der Wirtschaft und des Staates unter dem Schirm der Hochrüstung im Kalten Krieg unvergleichlich größere Anstrengungen erfordert hätte, als die Parität im Rüstungswettlauf zu sichern. Diese Schritte in Richtung Reformen hätten der Wirtschaft und der Wissenschaft nicht nur einen großen Schub gebracht, viele rüstungsspezifische Entscheidungen hätten materiell-technisch, ökonomisch und finanziell besser geordnet werden können.

Für die politische Umsetzung von zwei so großen gesellschaftlichen Orientierungen - grundlegende Reformschritte durchsetzen und mithalten im Rüstungswettlauf, ohne in die Defensive zu geraten - waren ohne Zweifel wichtige Voraussetzungen gegeben. Viele Millionen hochqualifizierter technischer und ökonomischer Kader sowie der reiche Erfahrungsschatz und das kritische Urteilsvermögen Zehntausender Wirtschafts- und Wissenschaftspraktiker wären wichtige kreative Potentiale gewesen. Historisch gesehen gab es in der KPdSU große politische Erfahrungen bei der Mobilisierung der Bevölkerung für die Durchsetzung bedeutsamer vaterländischer Ziele. Im Zentrum einer solchen Mobilisierung hätte das Ziel stehen müssen, mit einer sozialistischen Marktwirtschaft und einer von den Massen gewünschten wirksamen parlamentarischen Demokratie - ohne Aufgabe der Führungsrolle der KPdSU - dem Imperialismus ökonomisch, finanziell und waffentechnisch die Stirn zu bieten.

Die amerikanische Strategie des Totrüstens hat nicht das Schicksal des Sozialismus in der UdSSR und in den anderen RGW-Ländern besiegelt, wohl aber beschleunigend auf seinen Untergang gewirkt. Die Ursachen des Scheiterns liegen im Zustand der Volkswirtschaften, ihrer fehlenden Dynamik, im Wirken der Partei und des Staates, in der fehlenden Anziehungskraft der Formen und Methoden sozialistischer Demokratie. Die sowjetische Antwort auf die amerikanische Strategie war absolut unverzichtbar und hat bis 1990 maßgeblich den Weltfrieden gesichert. Sie enthielt aber keine zukunftssichernden Elemente für den Sozialismus, blieb weitgehend waffentechnischer, militärorganisatorischer und administrativer Natur.

Im Auflösungsprozeß der UdSSR in den Jahren 1989 bis 1990/93 haben Gorbatschow und Jelzin allen sowjetischen Anstrengungen zur Sicherung der waffentechnischen Parität mit dem amerikanischen Imperialismus eine große, gefährliche Lüge übergestülpt, die ihrem Charakter nach Vaterlandsverrat war: Mit der politischen Leitlinie, vom Imperialismus gehe Ende des 20. Jahrhunderts keine Gefahr für den Sozialismus mehr aus, wurde die sowjetische Rüstungsindustrie als verzichtbar, ja zum Ballast am Körper der Volkswirtschaft erklärt. Während die USA im Jahre 1989 militärische Rekordausgaben von 294,8 Mrd. Dollar realisierten, wurden in der Sowjetunion gerade noch 119,4 Mrd. Dollar für die Rüstung ausgegeben. Die Schere in den Rüstungsausgaben der beiden Länder ging bis 1993 immer weiter auseinander.

Der Rüstungsetat der USA betrug 1993 277,2 Mrd. Dollar, der Rußlands hatte nur noch ein Volumen von 29,1 Mrd. Dollar. Neue Waffensysteme wurden nicht mehr entwickelt, vorhandene Militärtechnik wurde nicht mehr modernisiert, das gesamte Kriegsgerät auf Verschleiß gefahren. Die unter Gorbatschow und Jelzin eingeleitete totale Vernachlässigung und Diskriminierung eines entscheidenden Sicherheitsfaktors des Sozialismus war ein Geschenk an den Imperialismus. Die große Leistung zur Sicherung der waffentechnischen Parität über viele Jahrzehnte hinweg wurde auf dem Altar einer erbärmlichen politischen Kapitulation vor dem Imperialismus in den Dreck getreten.

Es gehört mit zu den Verdiensten von Wladimir Putin, nicht nur dem Rohstoffraub durch amerikanische Konzerne auf russischem Territorium einen Riegel vorgeschoben zu haben, sondern - in Anknüpfung an große Traditionen der sowjetischen Rüstungsindustrie - der waffentechnischen Entwicklung, dem Militär, der Organisation der Landesverteidigung schrittweise wieder den Platz einzuräumen, der einer Großmacht gebührt.

Für das kapitalistische Rußland heute sind die amerikanischen Rüstungsziele nicht weniger gefährlich als zu Zeiten der Sowjetunion. Die Situation ist in vieler Hinsicht sogar noch komplizierter und schwieriger geworden. Der weiter bestehende und stark belastende Rohstoffexportfluch, die Zwänge und Sanktionen durch das von den USA beherrschte Finanzsystem, die nicht mehr nutzbaren Potentiale der ehemaligen Sowjetrepubliken und die fortschreitende Einkreisung Rußlands durch die NATO haben den Schwierigkeitsgrad für die Verteidigung des großen Landes zweifellos erhöht. An eine Kapitulation vor dem US-Rüstungswahn mit seinen höchst aggressiven und erpresserischen Seiten und Folgerungen wird aber offensichtlich in Rußland nicht gedacht.

Prof. Dr. Achim Dippe

Ende RF-Extra

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Zur Lüge vom Abzug der ISAF-Truppen

Experten sind nicht selten Leute, die genau erklären können, warum es nicht so gekommen ist, wie sie es selbst vorausgesagt haben. Zu diesem illustren Kreis gehört jetzt auch BRD-Kriegsministerin Ursula von der Leyen. Angesichts der erneuten Eskalation der Kämpfe und der zeitweiligen Eroberung von Kundus durch die Taliban erklärte sie, daß der Abzug der Bundeswehr vor zwei Jahren viel zu früh geschehen sei und man die dort verbliebenen, als Ausbilder und Berater firmierten Kontingente auf unbestimmte Zeit, zumindest aber länger als 2016, im Land belassen und sogar aufstocken müsse.

Dabei hatte man doch aus Afghanistan die ISAF-Truppen gerade mit der Begründung abgezogen, daß sich die "Sicherheitslage" seit Ende 2014 ganz wesentlich verbessert habe, so daß man es der regulären afghanischen Armee zutrauen könne, selbst für Stabilität im Lande zu sorgen. Auf einmal galt das Motto: "Außer Spesen nichts gewesen." So übergab man der äußerst fragwürdigen Armee des mittelasiatischen Landes die ehemaligen Bundeswehrstützpunkte und einen Großteil der Waffen. Andere Staaten handelten ähnlich.

Während der zur "Verteidigung Deutschlands am Hindukusch" betriebene Aufwand von rund 11 Milliarden Euro gerechtfertigt und die "auf dem Felde der Ehre" Gefallenen mit überschwenglichem Heldenlob bedacht wurden, führte man die Hauptkontingente nach "Wahrnehmung ihres Auslandseinsatzes" in die BRD zurück. Von den 4500 traumatisierten Soldaten, die als psychische Krüppel zurückkehrten, woran viele ihrer Familien zerbrachen, war bestenfalls beiläufig noch die Rede.

An früher Gesagtes konnte man sich kaum noch erinnern. Dabei soll der Überfall auf Afghanistan ursprünglich nur ein einziges Ziel verfolgt haben: die Gefangennahme Osama bin Ladens. Doch nicht einmal 150.000 Soldaten aus 48 Ländern konnten seiner habhaft werden. 45 Mann einer Sondereinheit der U.S. Army reichten schließlich aus, um ihn in seinem Versteck in Pakistan innerhalb von Sekunden zu überwältigen. Die Weigerung der Taliban, bin Laden an die USA auszuliefern, diente seinerzeit als Anlaß, deren Regime unter Mullah Oman zu stürzen und eine imperialistischen Maßstäben entsprechende "demokratische Ordnung" in Afghanistan zu etablieren. Sie brachte 850.000 Zivilisten den Tod und verwandelte das ganze Land in einen einzigen Trümmerhaufen.

Washingtons Herrenmenschen-Illusion, man könne ein Land, das seit Jahrhunderten von Stammesfürsten, Clan-Chefs und Königen autoritär geführt wurde und dann ein kurzes Aufleben volksdemokratischer Verhältnisse unter linksgerichteten antifeudalen Kräften erlebte, eine "Demokratie" westlichen Stils aufzwingen, richtete am Hindukusch einen irreparablen Schaden an. Die Greuel und Kriegsverbrechen der ISAF-Okkupanten bereiteten den Taliban einen fruchtbaren Boden. Ihr neuer Anführer Mullah Akhtar Mansoo, der mit logistischer Hilfe des pakistanischen Geheimdienstes ISI seine 15.000 Kämpfer vereint und organisiert hat, verfolgt das Prinzip: "Den westlichen Armeen gehören die Uhren, uns gehört die Zeit. Und es wird so lange gewartet, bis die 'Allianz der Willigen' von alleine geht." Dabei hätte ein Blick auf Vietnam erkennen lassen, wie eine derartige Besatzung ihr Ende findet: Die U.S. Army, die in den 70er Jahren ihr Gesicht wahren wollte, das sie spätestens beim Massaker in My Lai (Son My) verloren hatte, "vietnamisierte" ihren auf Napalmbomben und die angebliche Entlaubungschemikalie "Agent Orange" gestützten Indochina-Krieg. Sie übergab der Satellitenarmee Südvietnams die Waffen, bevor sie sich in panischer Flucht aus dem Staub machte. Am Ende stand der Sieg des vietnamesischen Befreiungsheeres!

Die Teilnahme aller deutschen Kriegsparteien in Afghanistan unter Einschluß von SPD wie Grünen, die schon an der Aggression im Kosovo und in Jugoslawien bekanntlich aktive Mittäter waren, entlarvte sie als Gegner jeglicher Friedenspolitik. Für die Partei Die Linke muß das Verlangen nach Austritt aus dem Kriegspakt NATO eine zwingende Grundforderung sein, ohne deren Erfüllung jegliches Gerede über eine Koalition mit anderen Parteien geradezu grotesk ist. Ein Ende der Gewalt in Afghanistan ist - so wie die Dinge liegen - nur mit den Taliban zu erreichen. Diese dürften - wenn auch nach längerer Frist - wieder die Macht übernehmen. Um das zerstörte Land und dessen Strukturen aus Ruinen wieder erstehen zu lassen, ist echte und wahre Hilfe dringend nötig. Dabei muß die Tatsache in Rechnung gestellt werden, daß der überwiegende Teil der Bevölkerung (man spricht von 90 %) Paschtunen sind - wie die Taliban.

Noch wird der strategisch bedeutsame Staat von korrupten USA-Marionetten, bei denen man von Zeit zu Zeit die Puppen austauscht, regiert. Es gilt, einen Rückfall ins tiefste Mittelalter zu verhindern und - auch durch internationale Solidarität - dafür zu sorgen, daß dieses wunderschöne Land für die Afghanen wieder begehrenswerte Heimat wird und kein ewiger Kriegsherd bleibt.

Joachim Augustin, Bockhorn (Friesland)

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Neuer EU-Geheimdienstchef

Ein BRD-Geheimdienstler hat die Leitung der EU-Spionagestelle übernommen und soll ihr zu größerer Schlagkraft verhelfen. Gerhard Conrad, BND ist zum neuen Direktor des Intelligence Analysis Centre (IntCen) ernannt worden, das beim Europäischen Auswärtigen Dienst angesiedelt ist. Er soll der EU-Außen- und -Militärpolitik eine nachrichtendienstliche Grundlage verschaffen. Ziel der im Kern seit 1999 bestehenden Einrichtung war es von Anfang an gewesen, die Abhängigkeit von US-Geheimdiensten zu verringern.

German-Foreign-Policy
(Newsletter vom 14.12.2015)


Erweiterte geheimdienstliche Erkundung russischen Einflusses

Berlin stärkt die wissenschaftliche und geheimdienstliche Erkundung russischen Einflusses in Deutschland und Europa und baut seine Gegenpropaganda aus. Während die Bundesregierung eigens ein Deutsches Institut für Rußland- und Osteuropaforschung gründet, das künftig als "Ansprechpartner" für die Bundespolitik fungieren soll, fordert die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), die Rußland-Forschung müsse sich künftig auch um die "Offenlegung russischer Netzwerke, Finanzströme und Wirtschaftsbeziehungen in der EU" bemühen. In die Bestrebungen sollen auch Hochschulen und andere wissenschaftliche Institutionen einbezogen werden, die offiziell keiner politischen Agenda folgen. Während sich die DGAP um die Analyse des russischen Einflusses in anderen europäischen Staaten bemüht, hat die Bundesregierung den Bundesnachrichtendienst (BND) damit beauftragt, "Ermittlungen" über etwaige Moskauer Interventionen in die politische Debatte in Deutschland zu führen. Gegenmaßnahmen würden erwogen, heißt es. So soll demnächst ein in Brüssel publizierter "Anti-Propaganda-Überblick", der Medien auf "Pro-Kreml-Desinformation" analysiert, in deutscher Sprache herausgegeben werden.

German-Foreign-Policy
(Newsletter vom 11.3.2016)

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Ein kleines Balkanland, das für negative Schlagzeilen sorgte
Historisches und Aktuelles über Mazedonien

Die "Mazedonische Frage" spielte in der Großmachtpolitik imperialistischer Staaten von jeher eine besondere Rolle. Seit dem Jahresende 2015 ist der kleine Balkanstaat ohne Meereszugang dadurch in das Zentrum medialer Negativbeschreibungen geraten, daß er - selbst mit dem Rücken an der Wand - durch eine besonders gnadenlose Behandlung der sich auf der sogenannten Balkanroute gen Norden wälzenden Flüchtlingsströme für immer neue Schlagzeilen und erschütternde Bildübertragungen gesorgt hat. Im Folgenden wollen wir - Historisches und Aktuelles miteinander verbindend - unseren Lesern einige Hintergründe und Geschehnisse knapp erschließen.

Der Südbalkan ist seit anderthalb Jahrhunderten eines der umstrittensten Gebiete des europäischen Kontinents. Vier Nachbarn erhoben immer wieder Ansprüche auf Mazedonien. Dabei handelte es sich um Serbien, Bulgarien, Albanien und Griechenland.

Unvergessen sind in diesem Zusammenhang die Worte des kaiserlich-deutschen Kanzlers Otto von Bismarck: "Jene, welche das Tal des Flusses Vardar kontrollieren, sind die Meister des Balkans."

Das aus sechs Teilrepubliken bestehende und sich zum Sozialismus bekennende Jugoslawien Josip Broz Titos ging davon aus, daß dieses heikle Problem durch die Proklamierung einer zur SFRJ gehörenden Sozialistischen Republik Mazedonien mit Skopje als Hauptstadt für alle Zeiten gelöst worden sei. Doch auch dieser Teilstaat ging 1991 mit der Zerschlagung der zweiten jugoslawischen Republik unter. Damals gab es Bestrebungen, das mazedonische Territorium entweder in einen jugoslawisch-serbischen Staat oder in eine Nachfolgerepublik Mazedonien zu verwandeln.

Diese etablierte sich dann auch im November 1991. Doch schon bald darauf begann ein Interessenzusammenprall, der bis heute als "offene mazedonische Frage" bezeichnet wird. Drei Hauptkonfliktfelder taten sich dabei auf. Erstens führten separatistische Bestrebungen zu der Forderung, das Landesterritorium zwischen slawischen Mazedoniern und ethnischen Albanern, die heute rund 30 % der Landesbevölkerung ausmachen, aufzuteilen. Zweitens wurden Zweifel daran gehegt, daß alle Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft den gewählten und in der Verfassung von 1991 verankerten Staatsbegriff "Republik Mazedonien" angesichts der Tatsache akzeptieren würden, daß die UNO das Territorium offiziell als Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien bezeichnet. Drittens steht fest, daß besonders Griechenland und Bulgarien historische Ansprüche auf Teile Mazedoniens erheben, wobei die Beziehungen zwischen Titos Belgrad und Athen schon zu Zeiten der SFRJ an diesem alten Interessenkonflikt litten.

Nach der Zerschlagung der sozialistischen Staaten Europas und dem Untergang der SFRJ strömten massenhaft Flüchtlinge aus Albanien und der Region des Kosovo nach Mazedonien, was die ethnische Struktur seiner Bevölkerung deutlich veränderte. Die daraufhin entstehenden Spannungen hingen ganz wesentlich mit der sich rapide verschlechternden Wirtschaftslage in der Region zusammen. Diese war wiederum eine unmittelbare Auswirkung der Sanktionen westlicher Mächte gegen Ex-Jugoslawien, das den Haupthandelspartner Mazedoniens darstellte. Zur Verschärfung der Lage trugen die auf dem Balkan entfesselten Kriege und Bürgerkriege maßgeblich bei.

Als die Gewalt im Kosovo 1998/99 eskalierte und in einen blutigen militärischen Konflikt hinüberwuchs, wurde Mazedonien zu einer Festung der gemäßigten kosovarischen Opposition, zugleich aber auch von den antiserbischen Separatisten der UÇK überschwemmt. 2001 kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen der mazedonischen Polizei und albanischen "Rebellen".

Die NATO folgte damals nur allzu bereitwillig dem Hilfsersuchen der prowestlichen Regierung in Skopje, ihre Truppenpräsenz in Mazedonien zu verstärken. Die dort als Albanische Nationalarmee (ANA) agierenden UÇK-Verbände lieferten den NATO-Einheiten bereitwillig ihre Waffen ab - eine großzügige Geste für die weltweite Bildschirm-Propaganda der Imperialisten. Die Arsenale wurden anschließend der UÇK im Kosovo übergeben.

Die seinerzeitige mazedonische Regierung unter Präsident Gruevski, die es immerhin gewagt hatte, den UÇK-Banden entgegenzutreten, wurde im Mai 2015 dafür durch die NATO abgestraft. Diese hatte zwei gewichtige Gründe: In Skopje war man nicht dazu bereit gewesen, sich an Sanktionen gegen Rußland zu beteiligen. Überdies bestand dort die Bereitschaft, sich dem von Moskau entwickelten Projekt "Turkish Stream" anzuschließen - einer Pipeline, die sibirisches Erdgas nach Europa befördern sollte. Die Bestrebungen zu einer Kosovo-Lösung für Mazedonien zielten vor allem darauf ab, jegliche Zusammenarbeit des kleinen Balkanstaates mit Rußland zu blockieren.

Die bewaffnete UÇK-Rebellion, die sich dann 2015 gegen die Republik Mazedonien richtete, verfolgte vor allem das Ziel, die Regierung in Skopje durch eine weitere "farbige Revolution" zu destabilisieren, wie sie sich bereits im Oktober 2000 in Belgrad ereignet hatte. Wie dort wurde auch in Mazedonien einer "nachrevolutionären Regierung" das Regiment übertragen. Sie wird von den imperialistischen Hauptmächten finanziell und politisch unterstützt und hat Order aus Washington wie Brüssel, das territorial kleine, aber strategisch bedeutsame Südbalkanland endgültig in einen von den USA angestrebten und durch die NATO abgesicherten Satellitenstaat des Westens zu verwandeln.

Inzwischen stehen uns aus Mazedonien ganz andere Bilder vor Augen, denkt man an die verzweifelt gegen Stacheldrahtverhaue anrennenden Flüchtlinge, die zuvor schon alles riskiert hatten, um dann auf der inzwischen geschlossenen Balkanroute von der EU und den involvierten Balkanstaaten wochen- und monatelang im Stich gelassen zu werden.

Bis heute wird die DDR wegen ihres den Frieden in Europa bewahrenden Baus der Berliner Mauer ohne Unterlaß von jenen diffamiert, die kein einziges Wörtchen des Tadels für jene finden, welche eine antihumanitäre Sperrzone nach der anderen auf unserem Kontinent geschaffen haben.

RF, gestützt auf "Global Research", Kanada, und "People's World", New York

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Syrien liegt "im Herzen der Gasreserven des Planeten"

Weitere Flüchtlingsströme aus Syrien, Bombardements sehr unterschiedlicher Allianzen auf die Truppen des IS sowie Städte und Dörfer Syriens, russische Kriegsschiffe und ein von der BRD geführter Marineeinsatz der NATO im Mittelmeer - das sind wohl Gründe genug, um nachzufragen.

Die Erkenntnis: Für Krieg und Vertreibung wiederholen sich Hintergründe, die wir seit langem kennen. Es geht - wie immer - um Ressourcen, um Macht, um künftige wirtschaftliche und politische Vormachtstellung im Nahen Osten und in der Welt. Die Medien der BRD brachten bisher allerdings nur die von außen sichtbaren Folgen des Ringens großer Mächte und Konzerne um Einfluß und Profit, zeigten brutale Handlungen des IS, angreifende Jets, zerstörte Städte und endlose Flüchtlingskolonnen. Sie übertrugen Berichte zur Unterbringung einer Millionenarmee neuer Bürger in fremden Ländern und zu Einsätzen der Bundeswehr in deren Gewässern und auf deren Territorien.

Sie verweisen noch immer nicht auf die wahren Hintergründe dieses die ganze Welt gefährdenden Geschehens.

So bleibt die Frage: Warum steht Syrien - ein Land am Ostrand des Mittelmeeres und die Pforte zum Orient -, das weltpolitisch niemals in Erscheinung getreten ist, plötzlich im Brennpunkt des internationalen Geschehens?

Die Ressourcen der Welt sind im Schwinden. Man spricht von künftigem Mangel an Wasser und Rohstoffen, von steigendem Energiebedarf bei gleichzeitig nachlassenden Vorräten an Erdöl. Im politisch zerrissenen und auf verschiedenen Gebieten allmählich zurückbleibenden Deutschland wird derzeit erbittert um die Nutzung von Solar- und Windenergie contra Atomkraft und Kohle gestritten.

Die weltweit führenden Wirtschafts- und Finanzkreise hingegen sehen schon weiter: Sie streben nach der Kontrolle über die Energieressourcen des 21. Jahrhunderts. Denn: Nur deren Besitz bedeutet den Schlüssel zu künftigen wirtschaftlichen Erfolgen und zu politischer Dominanz.

War das 20. das Jahrhundert des Erdöls, so spricht man vom 21. als dem Jahrhundert der sauberen Energie mit Erdgas auf dem Spitzenrang. Was aus alter Erfahrung auch heißt: Kriege sind fortan wie früher um Erdöl nun um Erdgas möglich.

Und hier kommt Syrien ins Spiel. Das Land liegt - so die Schlagzeilen - "im Herzen der Gasreserven des Planeten". Weithin bekannt sind bisher nur die Gaslager im Nordwesten Rußlands, "Gasprom" und der ewige Gaskonflikt mit der Ukraine. Umstritten sind die Pipeline North Stream durch die Ostsee sowie deren Erweiterung durch einen zweiten Strang. Weniger bekannt sind hingegen die Gasvorräte in lran, Irak, Aserbaidschan, Turkmenien, Georgien, Libanon, im Golf von Katar - und eben in Syrien. So lautet eine der Kernfragen der Zukunft: Wer fördert dieses Gas, wer transportiert es, und auf welchen Wegen gelangt es nach Westeuropa, wer verdient daran, und welche Großmacht steht jeweils im Hintergrund?

Derzeit gibt es wirtschaftlichen und politischen Streit u. a. um die Pipelines "Nabucco" (in Regie der USA und ihrer Verbündeten) und um South Stream (in russischer Regie).

2011 begann die Planung einer Pipeline vom Iran über Irak, Libanon und Syrien. Der entsprechende Vertrag wurde im Juni 2012 durch den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unterzeichnet. Syrien wäre künftig nicht nur Produzent von Erdgas, sondern auch Speichergebiet und Transitstrecke der nahezu wichtigsten Erdgastrasse vom Nahen Osten in Richtung Europa. Es entstünde damit ein neuer geopolitischer Raum größter Bedeutung, von Interesse nicht nur für die erwähnten Länder, sondern auch für weitere Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, darunter die Türkei, Saudi-Arabien, die Emirate am Golf und Westeuropa.

Dieses äußerst wichtige Gebiet aber fiele von Beginn an nicht unter die Regie der USA! Deren nach dem Zweiten Weltkrieg mit Dollars und Diplomatie, Drohung und Flugzeugträgern den Briten entrissene Einflußnahme im Zentrum der Ölpolitik zwischen Kairo, Riad und Teheran schien unerwartet zu bröckeln.

Dazu kam: Rußland, eben kräftig im Aufschwung und mit stabilen Bindungen zu Syrien, würde mit seinen in diesem wichtigen geopolitischen Raum vorgesehenen Pipelineprojekten zum Konkurrenten der USA. Die entsprechende Trasse von Syrien in Richtung Europa begänne in Latakia, dem größten syrischen Hafen, der überdies auch Stützpunkt der russischen Marine im östlichen Mittelmeer ist. Der vor dem Waffenstillstand mit der Regierung in Damaskus und den USA abgestimmte Einsatz der russischen Luftwaffe und der weitere Ausbau dieser Basis deuten an, daß Rußland das strategische Gewicht der Region längst erkannt hat. Die Bitte der syrischen an die russische Regierung um Unterstützung im Kampf gegen den IS kam also nicht ungefähr. Rußland mischte sich im Gegensatz zu westlichen Mächten in der Vergangenheit niemals in die Belange Syriens ein, versteht von der geographischen Nähe her wohl aber besser die Mentalitäten der Region.

Tatsache ist: 2011 begann von Tunesien aus der sogenannte Arabische Frühling, der unterstützt von den USA und der EU nicht nur in Libyen katastrophale Folgen zeitigte. Fast zeitgleich begann - wie zufällig mit der Unterzeichnung des Vertrages von Damaskus zusammenfallend - der Kampf syrischer Oppositioneller gegen die Herrschaft des der religiösen Minderheit der Alawiten angehörenden Präsidenten. Baschar al-Assad wurde alsbald unterstützt von dubiosen Heerscharen aus vielen Ländern herbeigeeilter "Freiheitskämpfer", deren Motivation von Ort zu Ort, von Stamm zu Stamm und von Konfession zu Konfession kaum unterschiedlicher sein könnte. Damaskus wehrte sich so brutal, wie es angegriffen wurde. Der syrische Bürgerkrieg vermischte sich mit den Kämpfen gegen den nach langjähriger US-Herrschaft im zerfallenen Irak entstandenen IS. Und schon mit diesem Krieg setzten die Flüchtlingsströme ein, deren erste Kolonnen bereits Jahre vor den russischen Luftangriffen Südeuropa erreichten. Niemand wird wohl jemals erfahren, wann, wie und mit welchen Geldern und Waffen andere Staaten oder deren Geheimdienste von Beginn an in die seit 2011 auf syrischem Boden stattfindenden Kämpfe verwickelt waren.

Doch in Syrien geht es in erster Linie um die künftige Vorherrschaft bei der Nutzung des Energieträgers der Zukunft. Den Unterzeichnern des Vertrags von Damaskus schreibt man den Satz zu, Syrien sei "der Schlüssel des neuen Zeitalters". Erinnert sei auch an die Worte der russischen Zarin Katharina II., der Besitz dieser Region öffne das Tor nach Moskau und zur Seidenstraße.

Den Schlüssel zum Ende dieses Krieges und damit auch zum hoffentlich baldigen Versiegen der Flüchtlingsströme halten also Moskau und Washington in Händen. Denn so, wie sich die Lage in Syrien entwickelt hat, geht es jetzt bereits um nicht weniger als um den Weltfrieden.

Martin Kunze

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Berliner "Hilfe" für Syrien

Wie verlautet, sucht die Bundesregierung künftige Eliten eines Nachkriegs-Syriens an Deutschland zu binden. Unter dem Titel "Leadership for Syria" holte das Auswärtige Amt ausgewählte syrische Studenten in die BRD, um sie im Rahmen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) "in Regierungsführung, Organisationsaufbau und ähnlichen Disziplinen" fortzubilden. Es gehe darum, "eine ausgewählte Elite künftigen syrischen Führungspersonals" auf die Nachkriegszeit vorzubereiten. Dabei falle der Blick besonders auf nach Deutschland einreisende Flüchtlinge, die Berlin in seine Einflußbestrebungen einzubinden gedenke.

German-Foreign-Policy
(Newsletter vom 18.12.2015)

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Yankees wollen Lateinamerika in seine Hinterhofvergangenheit zurückwerfen
Venezuelas Rechte strebt argentinische Verhältnisse an

Seit der Wahl vom 6. Dezember 2015 verfügt die Rechte in Venezuela über eine komfortable Mehrheit in der Nationalversammlung und hat jetzt das Ziel anvisiert, die mit der Bolivarischen Revolution seit 1999 erreichten Errungenschaften um jeden Preis zu liquidieren. Momentan bestehen die obersten Anliegen des rechten Bündnisses MUD darin, die Begnadigung und Freilassung der inhaftierten Oppositionsführer zu erreichen. Sie waren aufgrund ihrer Schlüsselrolle während der gewaltsamen Proteste gegen die sozialistische Regierung, bei denen es 43 Todesopfer gegeben hatte, verurteilt worden.

Die in der MUD versammelte Reaktion "prüft" zur Zeit die "wirtschaftliche Effizienz" der verfassungsgemäß legitimierten Vergesellschaftung von Grund und Boden und dessen Übergabe an wirtschaftliche Kooperativen mit der Zielsetzung einer Reprivatisierung. Der von der Rechten verdeckt gelenkte Wirtschaftskrieg, der zu einer nun schon vier Jahre anhaltenden Verschlechterung der Versorgungslage im Lande geführt hat, wird als Vorwand zu "neoliberalen Reformen" von extremer Sozialfeindlichkeit herangezogen. Diese seien zur Überwindung der brisanten Situation angeblich unverzichtbar.

Schließlich dürfte nach der Absage der rechten Parlamentsmehrheit an Präsident Maduros Plan zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise, in den alle gesellschaftlichen Akteure einbezogen werden sollten, eines definitiv klar sein: In Venezuela tobt ein erbitterter Klassenkampf zwischen Revolutionären und Konterrevolutionären um die künftige Entwicklung des Landes. Dabei ist eine von vielen lateinamerikanischen Intellektuellen herbeigesehnte Versöhnung zwischen der Rechten und den Chavisten mehr als illusorisch. Ob der neu berufene Nationale Rat der Produktiven Wirtschaft, dem neben Sozialisten, Basisorganismen und Akademikern auch Vertreter der Privatwirtschaft angehören, funktionieren wird, mag unter diesen Umständen zumindest in Zweifel gezogen werden.

Blicken wir nach Argentinien: Dort gibt der neue Staatschef Mauricio Macri derweil das beste Beispiel dafür ab, in welche Richtung sich auch Venezuela entwickeln würde, sollte es der Rechten gelingen, Maduro durch ein Referendum zu stürzen und in Caracas die Regierungsgewalt zu übernehmen.

Im November 2015 setzte sich Macri in der Präsidentschaftswahl gegen den designierten linksperonistischen Kirchner-Nachfolger Daniel Scioli durch. Seitdem erließ er ein Dekret nach dem anderen, um den öffentlichen Dienst "abzuspecken" und die Wirtschaft zu "liberalisieren". Dadurch haben bereits Zehntausende Lohnabhängige ihre Arbeitsplätze verloren. Die Aufhebung der Devisenkontrolle führte zu einer Abwertung des argentinischen Peso, was bereits eine erhebliche Steigerung der Lebenshaltungskosten zur Folge hatte.

Überdies führt die Regierung neue Verhandlungen mit internationalen Investmentfonds zur Rückzahlung der Schulden, was von Macris Vorgängerin strikt abgelehnt worden war. Während die imperialistischen Unterstützer jubeln, hat die Frente para la Victória - ein Mitte-Links-Bündnis, welches von den beiden vorherigen Präsidenten ins Leben gerufen wurde -, dem wenig entgegenzusetzen, obwohl es immer noch über eine parlamentarische Mehrheit verfügt. Auf der Straße regt sich hingegen seit Macris Amtsantritt der Widerstand sehr unterschiedlicher politischer und sozialer Kräfte gegen den autoritären Führungsstil, den der neue Staatschef mit brachialer Polizeigewalt durchsetzen läßt. Längst wird in Argentinien von der "Revolution der Gummigeschosse" gesprochen.

Während sich dort erst eine große soziale Bewegung unter sozialistischem Einfluß wird bilden müssen, welche die spontanen Proteste in einen dauerhaften Kampf gegen das nationale und internationale Kapital überführt, kann Venezuelas Linke bereits auf mehrere Jahre erfolgreicher Zusammenarbeit verschiedener Parteien, Gewerkschaften und sozialer Kräfte zurückblicken. Dort gilt es nun, diese klassenkämpferische Allianz zu bekräftigen.

Sie dürfte die einzig mögliche Antwort auf die rabiaten Angriffe der Rechten sein. Zugleich geht es um die Überwindung eines nicht zu unterschätzenden Maßes an Verbürokratisierung in der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei (PSUV), deren linker Flügel marxistischen Positionen mit echter Sympathie begegnet. Soll ihre Losung von der Entwicklung des "produktiven Landes" - also der Entwicklung der Produktivkräfte - künftig mehr als eine Proklamation sein, müßte die Verstaatlichung von Banken und Schlüsselstrukturen zielstrebiger vorangetrieben werden. Derzeit befinden sich noch die meisten Kommandohöhen unter der Kontrolle einer mit den USA und anderen imperialistischen Mächten eng verbundenen Kompradoren-Bourgeoisie, die das Land in die Vergangenheit zurückführen will.

Um den Bedürfnissen der Bevölkerung entgegenzukommen, ist eine weitaus rationellere Nutzung der reichen Erdöleinnahmen notwendig, die vor allem den sozial Schwächsten ihre Lage erleichtern sollte. Private Großfirmen wie der Lebensmittelkonzern Polar dürften dann nicht wie bisher von den Subventionen des Staates profitieren und dadurch Ultraprofite einfahren, die größtenteils wieder ins Ausland gelangen. Der Kapitalflucht müßte dringend Einhalt geboten werden.

Zugleich geht es um die Wiederbelebung der alten chavistischen Losung "comuna o nada" (Kommune oder nichts). Der schrittweise Rückzug der PSUV aus den Kommunalen Räten müßte unbedingt gestoppt werden. Darüber hinaus sollten deren Strukturen eine wesentliche Stärkung erfahren, um einer künftigen sozialistischen Demokratie, die den bis heute weitgehend intakten bürgerlichen Staatsapparat ersetzen müßte, den Weg zu bahnen. Längerfristig wird die Weiterführung des Bolivarischen Prozesses und dessen Verteidigung gegen den konterrevolutionären Ansturm im Rahmen eines bürgerlich-parlamentarischen Systems kaum möglich sein.

Florian Adler, Limburgerhof

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"Gemäßigte" Rafsanjani-Rouhani-Fraktion stärkte ihre Positionen
Iran nach den Wahlen

Aus den jüngsten Wahlen zum 290 Sitze umfassenden iranischen Parlament und der aus 88 Mitgliedern bestehenden Expertenversammlung ist die vom derzeitigen Präsidenten Rouhani und dessen langjährigem Förderer, dem zweimaligen Ex-Präsidenten Rafsanjani, angeführte Fraktion bei einer Wahlbeteiligung von 62 % (2012: 60 %) als klare Siegerin hervorgegangen. Sie gibt sich derzeit als "moderate Kraft" aus und verfolgt einen "Kurs des Ausgleichs" mit den imperialistischen Hauptmächten.

Die Expertenversammlung ist ein allein aus muslimischen Geistlichen bestehendes Gremium, das den Ayatollah als obersten Führer des Landes bestimmt und berät.

Der derzeitige Ayatollah Ali Khomeni ist bereits 76 und gesundheitlich angeschlagen, so daß er kaum dazu imstande sein dürfte, den achtjährigen Zyklus bis zu einem regulären Machtwechsel durchzustehen.

Den beiden genannten Fraktionen - von den tonangebenden Medien der Bourgeoisie als "Hardliner" und "Gemäßigte" bezeichnet - stehen die nach wie vor sehr einflußreichen konservativen "Prinzipalisten" gegenüber. Sie stützen sich vor allem auf die straff militärisch organisierten Revolutionswächter. Diese hatten Präsident Rouhani vor dessen mit dem Segen des Ayatollah abgeschlossenen Nuklearabkommen gewarnt, das von Teheran und den fünf Veto-Mächten des UN-Sicherheitsrates sowie der BRD (!) im Vorjahr unterzeichnet wurde. Dadurch verpflichtete sich Iran zum weitgehenden Abbruch seiner zivilen Atomforschung und akzeptierte ein strenges Kontrollsystem im Tausch gegen die Aufhebung der das iranische Volk würgenden westlichen Sanktionen und Embargos.

Der Wahlerfolg der Konzernen und Banken des Westens die Tore öffnenden Rouhani-Rafsanjani-Fraktion war besonders in der 16-Millionen-Metropole Teheran eklatant, wo etwa ein Fünftel der iranischen Bevölkerung lebt. Unter dem verführerischen Signum "Liste der Hoffnung" potentielle Wähler anlockend, eroberte sie hier sämtliche 30 Parlamentsmandate sowie 15 der 16 Sitze in der Expertenversammlung. Zuvor waren die "Gemäßigten" nur im Parlament durch zwei Abgeordnete vertreten.

Presseberichten zufolge unterstützte vor allem die auf wesentlich höhere Einnahmen spekulierende mittlere Stadtbourgeoisie den Weg Rouhanis durch eine enorm hohe Wahlbeteiligung der Bewohner "besserer Viertel". Hauptverlierer waren in erster Linie die Anhänger des einstigen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad (2005-2013), die weitgehend leer ausgingen. Andererseits boykottierte ein großer Teil der im Süden Teherans konzentrierten Arbeiterbevölkerung den Abstimmungsakt.

Die Anhängerschaft Rafsanjanis und Rouhanis konnte auch in anderen iranischen Großstädten punkten, wenn auch weniger dramatisch als in Teheran, während die "Prinzipalisten" die meisten kleineren Städte und das Landesinnere für sich zu gewinnen vermochten.

Offensichtlich sind auch in erheblichem Maße westliche Gelder geflossen, vor allem aber spielten in Aussicht gestellte oder bereits auf den Weg gebrachte Milliardenkontrakte mit Großkonzernen und staatliche Aufträge aus dem Ausland eine maßgebliche Rolle. Sie erzeugten nach Jahren härtester Isolierung eine Woge der nicht mehr durch rationelle Erwägungen beherrschbaren Euphorie. (Man denke dabei nur an den Marshallplan und Erhards darauf basierendes "Wirtschaftswunder"!)

Irans führende Busineßleute und Marktforscher reagierten geradezu ekstatisch. Ramin Rabio, Chef des einflußreichen und besonders im Iran operierenden Finanzdienstleisters Turquoise Partners, erklärte, daß er schon in Kürze mit wesentlichen "Marktreformen" rechne. Dazu werde auch die Aufhebung bisheriger Arbeitsrechtsnormen zur Einschränkung von Entlassungen gehören, die zu Zeiten der "iranischen Revolution" von 1979 eingeführt worden waren. Die damaligen Umwälzungen hatten der blutigen Diktatur des US-gestützten Schahs Reza Pahlewi ein Ende bereitet. In einer Erklärung zum Wahlausgang betonte Irans marxistische Tudeh-Partei: "Die Fraktionen des derzeitigen Regimes unterstützten gemeinsam den sogenannten Vereinten umfassenden Plan (gemeint ist das Abkommen mit den Verhandlungsführern des UN-Sicherheitsrates und der dominierenden EU-Macht BRD - RF). Die achtjährige Präsidentschaft Ahmadinejads und die Irans Wirtschaft zerstörenden Sanktionen westlicher Staaten bürdeten dem Land immense Probleme auf." Eine galoppierende Inflation, der Bankrott zahlreicher Unternehmen und zum Himmel schreiende Armut hätten die Gefahr einer sozialen Implosion entstehen lassen und das Regime an den Verhandlungstisch gezwungen.

Seit der Unterzeichnung des Abkommens haben Rouhani und sein Außenminister immer deutlicher durchblicken lassen, daß Iran auch ein wichtiger Partner des Westens bei der "Stabilisierung der Lage im Mittleren Osten" sein könnte. Rafsanjani spielte mit noch offeneren Karten, als er schon im September 2013 den Gedanken eines militärischen Angriffs auf Syrien ins Gespräch brachte und erklärte, Teheran sollte von einer weiteren Unterstützung der Assad-Regierung Abstand nehmen.

Die Obama-Administration verfolgte jedoch einen anderen Kurs: Sie konzentrierte ihre globale Strategie auf die Bekämpfung zweier machtvollerer Gegner: Rußland und China. Zugleich wählte sie den Weg der Zusammenarbeit mit der in Iran tonangebenden bourgeoisen Elite, um auch in Teheran einen Regimewechsel vorzubereiten.

Alles in allem: Die jüngsten Entwicklungen in und um Iran bergen Licht und Schatten. Sie offenbaren einmal mehr die Tatsache, daß auch das dortige Geschehen von der auf Weltherrschaft gerichteten Globalstrategie der USA und der NATO nicht zu trennen ist.

RF, gestützt auf "Global Research", Kanada, und "People's World", New York

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Ein Massenmord, der bisher nicht gesühnt wurde

Erinnern wir uns eines furchtbaren Gewaltverbrechens, das sich am 2. Mai 2014 in Odessa ereignete, wo einst der sowjetische Meisterregisseur Sergej Eisenstein seinen legendären Revolutionsfilm "Panzerkreuzer Potemkin" drehte und heute ein korrupter Busenfreund des milliardenschweren Putschpräsidenten Poroschenko namens Micheil Saakaschwili als Pseudo-Gouverneur das Zepter schwingt.

Gegner und Anhänger des als Maidan-Putsch in die jüngste Geschichte eingegangenen Staatsstreichs gegen einen keineswegs links eingestellten Präsidenten, der auf einem der belebtesten Plätze Kiews seinen Anfang genommen hatte, waren in Odessa aufeinandergeprallt. Vor nichts zurückschreckende Faschistenhorden zwangen in der Minderheit befindliche Verteidiger der verfassungsmäßigen Ordnung, darunter nicht wenige Kommunisten, sich in das Gewerkschaftshaus der Stadt zurückzuziehen, und legten an das Gebäude mit Brandbeschleunigern Feuer.

42 Antifaschisten starben damals durch Sprünge in die Tiefe, wurden totgeschlagen oder verbrannten lebendigen Leibes. Eine "Expertengruppe" wurde mit "Ermittlungen" beauftragt, die bis heute nicht abgeschlossen sind. Von offizieller ukrainischer Seite wird der Massenmord als "Brandkatastrophe mit Schuldigen auf beiden Seiten" und "Verkettung unglücklicher Umstände" bezeichnet.

Eine Untersuchungsgruppe des Europarates gelangte schon vor Monaten zu der Auffassung, die Nachforschungen seien "weder unabhängig noch effizient" erfolgt.

Ohne Zweifel trage auch Odessas Polizei, die keine exakte Ermittlung und Untersuchung eingeleitet und geführt habe, an der Vertuschung des Geschehens Mitschuld. Dabei hatte es überdies auch durch Fenstersprünge zahlreiche Verletzte gegeben. Die Feuerwehr sei erst mit großer Verspätung am Brandort eingetroffen, erklärte der Vorsitzende der Untersuchungsgruppe, Nicolas Bratza. Die Mängel bei den Ermittlungen seien "systembedingt" gewesen.

Profaschistische Abgeordnete der Werchowna Rada brachten überdies einen Amnestie-Antrag für die wenigen verurteilten Täter des Blutbads aus dem Poroschenko-Lager ein.

An der Seite der Antifaschisten Odessas, denen unsere uneingeschränkte Solidarität gehört, fordern wir im Gegensatz dazu solide Ermittlungen und die strengste Bestrafung der Schuldigen.

RF

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Almos Csongár: Das ungarische Dilemma

Im vergangenen Jahr erschien im verlag am park Almos Csongárs Essay-Band "Das ungarische Dilemma". Darin finden sich Anekdoten, Geschichten und Aufsätze zur Zeitgeschichte, die über eine ungewöhnliche, ereignisreiche, stets nach Sinn und Orientierung suchende Biographie des 95jährigen Auskunft geben. In seinem jüngsten Buch vermittelt der Autor tiefe Einblicke in das eigene Leben, in sein Schaffen als Publizist, Übersetzer, Philosoph, Literat und ausgewiesener Nietzsche-Kenner.

Mit universell anmutendem literarischem Wissen, bewundernswerter philosophischer Tiefgründigkeit, einem scharfen Blick für Details und bestechender sprachlicher Kunstfertigkeit hält Almos Csongár die von Widersprüchen, Sieg und Niederlagen geprägte europäische Geschichte fest, in der das wechselvolle Schicksal seiner Familie, seiner ungarischen, heute zur Ukraine gehörenden Heimatstadt Ungvár sowie das Leben der Völker in der k.u.k. Monarchie eine zentrale Rolle spielen. Er, der viele Kämpfe mit sich und anderen auszufechten hatte, um aus der Rolle des "deklassierten Bürgersohns" herauszufinden, stellte sein Leben in den Dienst der Suche nach dem "neuen Menschen", an den er glaubt.

Seine Wahlheimat wurde die DDR. Sie war, wie er schreibt, trotz ihrer Schwächen, Fehler und Defizite seine "große Liebe". Diesem Staat fühlte er sich zutiefst verbunden. Mit seiner außerordentlich vielseitigen publizistischen und schriftstellerischen Arbeit sowie als Dolmetscher leistete er einen über die Landesgrenzen hinauswirkenden Beitrag zur Förderung von Völkerverständigung und -freundschaft. Er selbst sieht sich "als eine Mischung aus magyarischem, deutschem und slawischem Blut, der, aufgewachsen in einem multikulturellem Milieu, am eigenen Leib erfahren hat, was Zwietracht und Haß zwischen Menschen unterschiedlicher Nationalität anrichten können und wie es deren Leben verändert, wenn Bedingungen für ein solidarisches gemeinschaftliches Leben geschaffen werden. Almos Csongár ist ein Mensch, der "... trotz allem mit spitzfindigem Humor optimistisch auf die Welt blickt". Es ist ihm zuzustimmen, wenn er erklärt: "Im Lichte unserer bitteren Erfahrungen ... haben wir gelernt, daß es keine endgültigen Siege, aber auch keine endgültigen Niederlagen gibt."

Der Autor ist davon überzeugt, daß die Zukunft der Menschheit im Sozialismus liegt. "Es gilt", schreibt er, "... nach neuen Möglichkeiten Ausschau zu halten, damit unsere Erde kein Schauplatz von sinnlosem Blutvergießen und Anfeindungen, von Lebenslüge und Entfremdung bleibt, sondern zu sich selbst findet und den Humanismus mit neuem Inhalt füllt, dem die gegenwärtige Dominanz der heuchlerischen Moralisierung zuwider ist."

Solchen von Weitsicht zeugenden Standpunkten stehen - vor allem in der Bewertung der am Ende systemzerstörenden politischen Vorgänge in den sozialistischen Staaten der 80er Jahre und der sie fördernden Protagonisten - Aussagen gegenüber, die zum Streitgespräch herausfordern. So sieht er, um nur ein Beispiel zu nennen, in den vom Internationalen Währungsfonds schon früh an Ungarn ausgereichten 20 Milliarden Dollar einen "Beweis dafür, daß Kádár imstande war, als Oberhaupt eines sozialistischen Staates das Vertrauen des Westens zu erwerben und den Frieden zu sichern".

Hinter diesen und einer Reihe weiterer ähnlicher Aussagen steht der Wunsch des Autors nach einem "anderen, besseren Sozialismus". Doch ein Grund dafür, daß er preisgegeben wurde, liegt sicher auch in der Macht von Illusionen, denen sich nicht wenige einfach auslieferten, die nicht erkannten, was Churchill so auf den Punkt brachte: "Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen."

Übrigens: Der Autor selbst hat zeitlebens die Auseinandersetzung gesucht. Schon als junger Student unterschied er sich in dieser Hinsicht von anderen. Er gehörte zu jenen, welche - wie ihm nach Jahrzehnten aus dem Munde seines früheren Professors bestätigt wurde - "am meisten zur Belebung der Diskussion beigetragen" hätten. Möge ihm diese Lust am Streitgespräch noch lange erhalten bleiben! Alles Gute, lieber Almos Csongár!

Bruni Steiniger


Almos Csongár: Das ungarische Dilemma. Erzählungen und Essays. verlag am park, Berlin 2015, 230 Seiten, 14,99 €, ISBN 978-3-945187-25-8

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Ohne Geld ist die "Freiheit" keinen Pfifferling wert
Aus dem Erfahrungsschatz einer Werbe-Designerin

Nachdem ich schon mehrfach die einst vom DDR-Fernsehen ausgestrahlten ollen Kamellen über Tausend Tele-Tips vernommen habe, melde ich mich zu Wort.

Die DDR-Werbung beschränkte sich keineswegs auf das Werbefernsehen. Ich gehörte zu den 2000 studierten Werbeökonomen für Industrie und Außenhandel der DDR, die an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin-Schöneweide ausgebildet wurden. Wir erwarben dort solide Kenntnisse über den Binnenhandel, die Messe- und Ausstellungsgestaltung sowie auf dem Gebiet der Gebrauchsgrafik. Weitere Studieneinrichtungen gehörten zur Fachschule für Gebrauchsgrafik in Heiligendamm, zur Kunsthochschule Berlin-Weißensee, der Hochschule für Buchkunst Leipzig und zur Burg Giebichenstein in Halle.

Es gab also genügend qualifizierte Fachkräfte, die in sämtlichen Bezirksstädten der DDR tätig waren. Überall existierten außerdem ein Werbedienstbetrieb und ein Messebau. Der Erstgenannte war für Druckerzeugnisse und Werbeartikel zuständig, der zweite für die Ausgestaltung und den Aufbau von Messen im In- und Ausland sowie für den Budenbetrieb auf Weihnachtsmärkten.

Unser Studium bestand keineswegs, wie manche heute behaupten, nur in "Rotlichtbestrahlung", sondern vor allem in kompetenter und wirksamer Werbung im nichtsozialistischen Ausland. Dazu bedurfte es soliden Fachwissens und einer ausgeprägten Wahrnehmungspsychologie. Uns stand auch entsprechende Fachliteratur aus dem kapitalistischen Teil der Welt zur Verfügung, wozu es dann einer Sondergenehmigung für die Staatsbibliothek bedurfte.

Der zentralgeleitete Werbebetrieb der DDR nannte sich DEWAG. Er war der Abteilung Agitation und Propaganda beim Zentralkomitee der SED unterstellt. Chef der DEWAG-Generaldirektion, die sich am Rosenthaler Platz im Zentrum der DDR-Hauptstadt befand, war Martin Degen.

Sämtliche Betriebe der DDR, die auf dieser Strecke tätig waren, mußten ihre Werbung in DEWAG-Betrieben herstellen lassen. Für alle Druckerzeugnisse bedurfte es einer Genehmigung.

Im DEWAG-Betrieb gab es das Lektorat, das alle Materialien durchliefen. Als dessen Regisseurin mußte ich diesem Gremium aus Fachleuten meine Konzeption vorlegen, die das angestrebte Ziel, das jeweilige Medium, grafische, journalistische und fotografische Aspekte sowie einen Finanz- und Zeitplan enthalten sollte. Dazu bedurfte es der exakten Kenntnis drucktechnischer wie stilistischer Mittel und Möglichkeiten - bei Übersetzungen der deutschen Sprache ebenso wie fotografische und typografische Grundkenntnisse, um den jeweiligen Fachbereichen akzeptable Hinweise geben zu können, bevor der fertige Entwurf dem Kunden vorgelegt werden konnte. Unser Betrieb besaß auch eine damals recht seltene Linhoff-Kamera 9 x 12. Das war ein effektives Arbeiten, das sich klar von den Endlosdiskussionen und dem Chaos abhob, die ich seit 1990 in diversen Praktika erlebte.

Den Höhepunkt der Verblendung aber muß man ohne Zweifel in der Behauptung erblicken, DDR-Werbung habe nicht studiert werden müssen! Darauf kann ich nur antworten: Man sieht, ob etwas von Fachleuten oder von Dilettanten gemacht worden ist. Deshalb heißt es auch Machwerk. Wer weiß, daß etwas für Tausende und aber Tausende Industriebetriebe und die Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) in der DDR hergestellt wurde, kennt auch den Umfang des Geleisteten. Doch wer natürlich heute durch ein leergefegtes Land spaziert, erinnert sich nur an Tausend Tele-Tips, denn seit der "Wende" passiert auf diesem Gebiet nicht mehr viel, sieht man einmal von aneinandergereihten Autohäusern, Tankstellen und Einkaufscentern ab.

Ich hatte für meine Verlagsarbeit im Jahr eine halbe Million Mark der DDR zur Verfügung. Sie wurde vor allem für den Tourismus eingesetzt, also für die Propagierung technischer Denkmale und Museen, Schlösser und Burgen der Region, aber auch für Schulungsmaterialien zum Brandschutz, zur Verkehrserziehung und die Gesellschaft für Sport und Technik.

Warum ist nichts mehr davon vorhanden? Ganz einfach: Man stellte Container unter unsere Fenster und warf alles hinein. Die Treuhand zahlte 5000 DM pro Mitarbeiter nach 18 Dienstjahren, und die Bude wurde dichtgemacht.

Ich wünsche niemandem, daß er seine Arbeit so verliert und deren Ergebnisse auch noch selbst entsorgen muß.

Übrigens bin ich nicht in der SED gewesen. Ich war getauft und konfirmiert. In der DDR wußte auch der röteste Genosse Fachkompetenz und Vollbrachtes zu schätzen. Für eine zentralere Leitungsfunktion hätte es bei mir wohl nicht gereicht. Und als Betriebsratsmitglied durfte ich meine Kündigung sogar selbst verfassen. Das war ein flotter Sprung ins eiskalte Wasser des Kapitalismus.

Noch heute fühlen wir Kolleginnen und Kollegen uns einander verbunden und treffen uns regelmäßig zum Plausch. Leider sind bereits viele der Unseren verstorben, auch der Kollege, der in den 70er Jahren für die ttt - die Tausend Tele-Tips - zuständig war.

Diejenigen, die heute in unserer Stadt Werbung betreiben, sind Einzelkämpfer und hatten zuvor Berufe wie Elektriker oder Tischler. Sie konnten aber einen Computer bedienen, was heute ausreicht. Ich wurde in der DDR alles, was man auf meiner Strecke beruflich werden konnte, und war danach an keiner Werbung mehr interessiert.

Übrigens erfolgte die Berufsausbildung zum Wirtschaftskaufmann für Werbung, die ich vor dem Studium abschließen mußte, in der Berufsschule Wandlitz. Heute ist sie ein Hotel unweit des Liebnitzsees. Das machte mich indes bei meinen vielen Bewerbungen automatisch suspekt.

Ich hatte schöne Jahre mit meinen Künstlerkollegen und muß auch montags nicht auf die dunkle Straße, um meinen Unmut kundzutun. Schon am 8. Oktober 1989 sagte ich vor der Belegschaft als aufmerksame Schülerin im Fach Politökonomie: "Ohne Geld ist die sogenannte Freiheit so viel wert wie ein Fliegenschiß." Nach 20 Jahren Arbeitslosigkeit bin ich als 63jährige inzwischen zwangsverrentet.

Adelheid Krinke, Chemnitz

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Wie aus einer Gastspielreise nach Rußland keine Bildungsreise wurde
Der "Dichter" ist schon unterwegs

Und nun klimpert, klirrt und tanzt es
Ganz Chortyzja hört die Lieder!
Und der Takt des tollen Hopaks
Wirbelt allen durch die Glieder!


Die Überschrift hätte auch "my failed educational trip" lauten können. Ich weiß noch, daß ich mir damals mehr Zeit wünschte auf der üppig grünen Insel inmitten des rauschenden Dnjepr. Einen sanft singenden, hellstimmigen Mädchenchor wünschte ich mir, Zeit für die Dämmerung und Zeit für einen langen Abend am Lagerfeuer, wenn feuriger Rotwein die Stimmung anheizt und das Blut der Mädchen in Wallung bringt.

"Du vergißt, weshalb wir hier sind", sagte Orchesterchef Alfons, "aber wenn Dir nach Folklore zumute ist, wirf Dich an meinen Bauch! Ich will Deine dicke Zigeunerin sein und Dich atemlos machen!"

Da tanzte er schon, schwenkte sein fülliges Becken, begann rhythmisch zu klatschen und zu singen, wie es der Dichter Taras Schewtschenko nicht besser hätte präsentieren können.

Es war im warmen Monat Mai des Jahres 1973. Josif Wissarionowitsch Dschugaschwili, genannt Stalin, war seit zwanzig Jahren tot, aber die UdSSR existierte noch, und wir waren auf einer Orchestertournee kreuz und quer durch Rußland, ich dabei in der Hoffnung, jene Stätten besuchen zu können, wo einst die großen russischen Autoren lebten und ihre unvergänglichen Werke schufen.

Ich war verwöhnt, hatte in Ilmenau immerhin schon in Goethes Hotelbett geschlafen, in Jena vor Schillers Schreibtisch gestanden und den Duft überlagerter Äpfel gerochen, welche dieser zum Schaffensprozeß brauchte und stets in einer der Schubladen zu deponieren pflegte. Auf Capri war ich Maxim Gorkis Spuren gefolgt, hatte in Taormina auf Sizilien vor der Villa gestanden, in der David Herbert Lawrence die Story "Lady Chatterleys Lover" ersann und wo in den Räumen später Truman Capote wohnte, nachdem er mit "Frühstück bei Tiffany" einen Hollywood-Hit landen und sich eine Reise nach Europa hatte leisten können.

In Rußland ereilte mich das Pech. Kein Domizil der von mir verehrten Schriftsteller hatte ich sehen können. Lew Tolstois Jasnaja Poljana lag ebensowenig im Bereich unserer Tournee wie Tschingis Aitmatows Heimat Kirgisien.

Rostow am Don hatte mir Hoffnung gemacht. Ich dachte an Scholochows Roman "Der stille Don". Also gingen wir alle zum Fluß, lagen im warmen Sand und schwammen in Ufernähe. Hier war der Don wirklich still. Ich fragte nach Michail Scholochow und erfuhr, daß er nicht in Rostow wohne, aber in der Nähe: in Staniza Wjoschenskaja, einem Kosakendorf, nur vierhundert Kilometer von Rostow entfernt.

Auch auf der Krim war mir das Glück nicht hold: Anton Tschechows Haus hatte Sperrtag; doch in Odessa wohnte ich immerhin in der Nähe der Herberge, in der Alexander Puschkin abgestiegen war, als er nach Bachtschissarai reiste. Ich fühlte mich ihm noch einmal nah in Sankt Petersburg, das zweihundert Jahre diesen deutschen Namen trug, von 1914 bis 1924 Petrograd und danach bis 1991 Leningrad hieß sowie seither wieder Sankt Petersburg heißt.

Es war aufregend, durch diese Stadt zu gehen, die zweihundertundsechs Jahre lang russische Hauptstadt war. Hier schrieben und starben Alexander Puschkin und Fjodor Dostojewski. Als ich nach einem Dostojewski-Museum fragte, erklärte mir die Reiseleiterin leise, daß Dostojewski erst wieder seit den Tagen von Chruschtschow ein Gesprächsthema sei. Und nachdem ich erfuhr, daß in Puschkins Arbeitszimmer auf dem Damastbezug des Sofas aus Walnußholz noch immer der Blutfleck aus der Schußwunde des Dichters zu besichtigen sei, regte es mich nicht mehr auf, als ich hörte, daß es auch dort Museums-Sperrstunden gab.

So teilten sich zwei Unternehmungen, die ich mir gleichermaßen erfolgreich zusammengebracht erhofft hatte, in zwei Erinnerungsbilder: in eine geglückte Konzerttournee und eine Bildungsreise mit Hindernissen.

Trost fand ich im Antiquariatsbereich einer Buchhandlung auf dem Newski-Prospekt, wo ich preiswert eine englischsprachige Puschkin-Biographie erwerben konnte.

Zwei Seelen wohnten einst in Puschkins Brust, ebenso wie immer noch in meiner. Auch er war wie ich ein Junikind, aus astrologischer Sicht ein "Zwilling", verliebte sich leicht und ist vielleicht auch deshalb mir ans Herz gewachsen.

"Sorglos bin ich und leicht zu entflammen!" Puschkins Worte. "Ich kann Schönheit nicht sehen ohne Rührung!" Auch das ist ein Satz von ihm, der sich bestimmt nicht allein auf die Schönheit des weiblichen Geschlechts bezog.

"Den Künsten sich so nah zu fühlen, belebt den Körper und den Geist", skandierte ich laut, als ich im Takt des Versmaßes über die Newabrücke schritt und bekümmert feststellen mußte, daß mir zur Fortsetzung meines Einfalls für die nächsten Zeilen kein gescheiter Reim mehr einfiel. So formulierte ich schnell um und dichtete selbstkritisch:

Was mir an Geist und Reimkunst fehlt,
das paßt in keinen Trichter!
Hinter den Weibern her zu sein,
macht längst noch keinen Dichter!

Apropos Dichter: Als ich vom Spaziergang zurückkam, stand mein Hotelzimmerbad unter Wasser. Zwei Dichtungen an Wasserhahn und Abfluß mußten erneuert werden. Die Hotelchefin an der Rezeption sprach deutsch und sagte: "Kein Grund zur Sorge, Genosse Jagoda. Der Dichter ist schon unterwegs."

Ich denke, daß ich Rußland bei meinen geschichtlichen Betrachtungen auch weiterhin nicht aus den Augen verlieren sollte.

Lutz Jahoda

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Rudi Kurz: Hamlet im Mai (Teil 1)

Die Traumrolle für alle Schauspieler der Welt ist und bleibt der Hamlet. Das Nonplusultra der Theaterliteratur. Jeder studiert ihn, wenige dürfen ihn spielen. Auch in meinem überlangen Theater-, Film- und Fernsehleben ist er an mir vorbeigegangen. Aber Berührung hatte ich wenigstens mit ihm. Und dies nicht ohne Nachbeben.

Es war Anfang Mai des Jahres 1932, kurz vor meinem 11. Geburtstag. Ich drückte mir die Nase platt am Schaufenster des kleinen Bücherladens auf dem Weg zur Schule. Seit vielen Tagen. Jeden Morgen.

Nur durch die Scheibe getrennt stand dort, zwischen einer Reihe von Buchauslagen, das Ziel meines heißen Wunsches: eine kleine bunte Kugel. Ein Globus! Die Erde, wie ich sie bis dahin nicht kannte. Drehbar auf einer schief geneigten Erdachse und in kurzen Intervallen durch ein kleines Lämpchen von innen erhellt. Hell-dunkel-hell-dunkel, genau wie der Herzschlag meines Verlangens. Auf dem kleinen Preisschild stand 8,90 Mark. Unerfüllbar mein Wunsch. Zuviel Geld! Ich konnte auch mit niemandem darüber reden. Es war mein Geheimnis.

Die Zeiten waren hart und bitter. Nach Krieg, Weltwirtschaftskrise und Inflation mit fast 8 Millionen Arbeitslosen regierten Hungersnot und Wohnungsarmut in Deutschland. Zwei Dutzend Parteien kämpften erbittert um das Vertrauen der Wähler und um die Macht im Staat.

Vorgestern, mitten in der Nacht, kam mein Vater nach Hause. Blutüberströmt, Wunden an Stirn, Hals und Armen. Mit einer Gruppe von Arbeitern und gleichgesinnten Kollegen aus dem Betrieb der I.G. Farben in Ludwigshafen war er nach Mannheim in den Rosengarten, den größten Versammlungssaal der Umgebung gepilgert. Ernst Thälmann sprach. Jubelnde Zustimmung und Beifall von fast 2000 Teilnehmern. Auf dem Heimweg wurde laut und begeistert die "Internationale" gesungen.

Als sie zur Rheinbrücke kamen, wurden sie aus der nächtlichen Dunkelheit heraus von bewaffneten SA-Horden aus Mannheim und Ludwigshafen überfallen und blutiggeprügelt. Papa sah schlimm aus. Mama schrie auf, und wir Kinder weinten. Prügel, Messerstechereien bis zu Mord und Totschlag waren damals politischer Alltag.

Abend für Abend wurde in unserer kleinen Küche debattiert und gestritten. Leute kamen und gingen, die ich meist gar nicht kannte. Worte und Begriffe flogen durch Küchendunst und Tabakrauch wie "Weltrevolution", "Weltherrschaft", "optimistisches Wetterleuchten aus dem Osten" und "Zusammenbruch aller Welten". Es kam dabei von erbitterten verbalen Gefechten bis zu tödlichen Feindschaften.

Onkel Lui, der 1917 mit meinem Papa in der mörderischen Schlacht vor Verdun verwundet worden war, verlor sein mühsam Erspartes durch den Zusammenbruch der Banken und erhängte sich nach solch einer Debattiernacht.

Meine geliebte und schöne Tante Maria wurde das Opfer eines holländischen Heiratsschwindlers. Sie wurde geschwängert und ihres Sparkassenbuches beraubt. Streng katholisch wie alle in unserer Familie - außer Papa - schämte sie sich, war verzweifelt, sah ihr junges Leben am Ende und ging - wie viele Hoffnungslose damals - als letzten Ausweg in den Rhein.

Die nach diesem Fluß benannte "Rheinpfalz" titelte im Mai "Die Welt ist aus den Fugen".

Vetter Heinz, der Heidelberger Doktorand und spätere Philosoph und Theologe knurrte verächtlich: "Hamlet! Bei Shakespeare geklaut."

Er war eine Autorität für mich und ließ mich auf meine Bitte des englischen Dichters Königsdramen lesen, die ich in mich hineinfraß - wobei ich außer Mord und Totschlag nicht viel kapierte. Das einzige, was mehr in mein Herz als in meinen jungen Verstand sickerte, war die Tatsache, daß dieser Hamlet den Mord an seinem Vater rächen wollte und die Kraft in sich spürte, nebenbei auch noch die Welt, die aus den Fugen sein sollte, zu retten.

Mehr wollte ich ja auch nicht. Meinen blutenden und in seiner Ehre verletzten Vater rächen. Aber wo liegt dieses Land, das solche Helden gebiert? Es muß größer und stärker sein als unser Land, das gerade einen großen Krieg verloren hatte.

Zu Hause hatten wir nur die Wanderkarte des Pfälzer Waldvereins. Ich wollte mehr sehen. Die ganze Welt. Dazu brauchte ich die kleine bunte Kugel aus dem Buchladen. Den Globus. Die Erde in Händen halten, den Riß, die Fugen sehen und erkennen, wo dieses sagenumwobene Königreich liegt. Zu allem Überfluß veröffentlichte die Presse in dieser Chaoszeit ein Gedicht des schon lange verstorbenen Ferdinand Freiligrath unter dem anmaßenden Titel: "Deutschland ist Hamlet!" Ein Wahn brach aus. Die Figur wurde vieldeutig zum Grübler mit scharfem Geist und tiefdringender Einsicht geprägt. Sie wurde gar zum Repräsentanten der modernen Salonwelten.

Ein großer Teil der intellektuellen Jugend wurde von der ungeliebten Politik abgelenkt und verliebte sich in dieses ihr Spiegelbild. Viele Theater spielten den Hamlet modern in Frack und Zylinder oder besetzten die Hauptrolle mit einer sich blasiert gebenden Darstellerin. Aber der Gipfel großer Schauspielkunst war die atemberaubende Ausdeutung durch Gustaf Gründgens. Er spielte sich mit dieser Rolle in die Herzen und Sinne einer großen Literaturfamilie hinein und wurde der Schwiegersohn des Nobelpreisträgers Thomas Mann.

Nun war mein Idol geadelt, und ich schrieb aus des Vetters Buch mein Leitmotiv: "Die Zeit ist aus den Fugen! Weh mir, daß ich geboren bin, sie wieder einzurichten!"

Ich träumte mich hinein in diese Tat. Ich spürte Riesenkräfte in mir wachsen. Ich kannte ja schon meinen Schiller und bog seinen Don Carlos für mich zurecht: "Bald 14 Jahre und noch nichts für die Unsterblichkeit getan."

Christus war doch auch nicht älter, als er die betrügerischen Händler aus dem Tempel jagte, machte ich mir Mut. Meine blühende Kinderphantasie malte sich ihre eigene Heldengalerie: Odysseus, der Papst, Friedrich Schiller, Reichspräsident von Hindenburg und Ernst Thälmann. Dazu kam jetzt der Dänenprinz Hamlet.

Wahrhaft eine politisch-historische Geisterbahn.

Am 9. Mai bekam ich zu meinem Geburtstag den kleinen, heiß ersehnten Globus, fand aber trotz intensiven Suchens weder Riß noch Fugen. Onkel Willi, der Reichste in unserer Familie, schenkte ihn mir. Sarkastisch drohend meinte er dazu: "Was faul ist in unserem Staate Dänemark werden wir ausrotten, wie dein Hamlet es tat. Mit Stumpf und Stiel!"

Da trug er schon das Hakenkreuz am Jackenkragen. Die tödliche Bedeutung dieses Satzes ging mir erst Jahre später auf.

Und dann ging alles sehr schnell. Eine dramatische Tuberkulose, die mein Vater aus den Schützengräben von Verdun mitbrachte, fesselte mich Monate an eine Kinderheilstätte im pfälzischen Bergzabern. Als ich zurückkam, konnte ich in unserer kleinen Küche die versäumten und ungeliebten lateinischen unregelmäßigen Verben nacharbeiten. In aller Ruhe, keine Streitereien, kein Tabakqualm, keine fremden Leute, kein Politgezänk. Einige Lehrer und Studienräte waren neu, etliche verschwunden. Der neue Rex trug Naziuniform und war von unnahbarer Strenge. Den Religionsprofessor gab es nicht mehr. Am 1. Mai marschierte mein katholischer Pfadfinderverband friedlich bei der Hitlerjugend mit, und für den 9. Mai, meinen Geburtstag, hatte mir Onkel Willi schon die Jungvolkuniform mit Koppel, Schulterriemen und Fahrtenmesser mit eingelassener Siegrune gekauft.

Ich begriff nicht, daß das alles der Anfang vom Ende war. Wie sollte ich auch? Meine Heldengalerie änderte sich nun wie von selbst. Der Papst und Ernst Thälmann wurden gestrichen und gegen die Naziidole Leo Schlageter und Horst Wessel ausgetauscht.

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Compañera Christa: Für junge und jung gebliebene Rotfüchse
Ein Mädchen aus Randberlin (Teil 3 und Schluß)

Im Jahr 1961, dem Jahr der deutschen Mauer, war ich zwanzig Jahre jung, verliebt und verlobt mit Axel, einem Chemiestudenten. Für mich war die Teilung der Stadt Berlin und Deutschlands erst mal plausibel: Um den wirtschaftlichen Ausverkauf der DDR wegen der schwächeren Währung zu verhindern, mußten Grenzen gezogen werden. Wir hofften, daß es eine Übergangslösung sein wird. Die Worte meiner Mutter, der Mensch dürfe nie vergessen, wo seine Wurzeln sind, hatte ich verinnerlicht. Meine Vorfahren waren arme Leute. Wir sahen in der DDR die Ermutigung und Chance, am Aufbau eines sozialistischen Landes, einer Solidargemeinschaft für die einfachen Menschen, mitzuwirken. Dazu bedurfte es keiner kommunistischen Erziehung, es war für mich eher ein Prinzip der Vernunft. Auch die guten Gesetze für Frauen in der DDR waren mir bewußt.

Aber das Mädchen aus Randberlin hatte durch die geschlossenen Grenzen jetzt einen sehr weiten Weg zur Arbeit nach Berlin. Der S-Bahnhof in Stahnsdorf blieb gesperrt. Ich fuhr mit dem Bus bis zum Bahnhof Genshagener Heide, dann mit dem Doppelstockzug "Sputnik" bis Berlin-Karlshorst, von dort mit der S-Bahn bis zur Friedrichstraße. Das waren 2 bis 3 Stunden Hinweg und 2 bis 3 Stunden Heimweg.

Zwar konnte ich mir die Fahrzeit mit Bücherlesen versüßen, doch länger als ein halbes Jahr hielt ich nicht durch. Um meine Arbeit als Zeichnerin im Geologischen Institut und den geliebten Kulturmittelpunkt zu erhalten, besorgte ich mir ein Zimmer zur Untermiete in Berlin. Doch als Axels Mutter für lange Zeit ins Krankenhaus mußte, gab ich auf sein Drängen hin Berlin auf. Arbeit als Zeichnerin fand ich im Forstinstitut in Potsdam.

Unsere Heirat war schon geplant, aber dann kam alles ganz anders. Ich fand einen Liebesbrief, der nicht an mich gerichtet war, machte einen hilflosen Selbstmordversuch, indem ich alle Tabletten aus der Hausapotheke schluckte. Axel fand mich wie das schlafende Schneewittchen, spülte mir den Magen aus (als Chemiker konnte er das) und holte mich zurück. Drei Tage war ich ein todunglückliches Mädchen, dann raffte ich mich auf und löste die Verlobung. Wir vereinbarten, uns auf den Tag genau in einem Jahr wiederzusehen. In der Silvesternacht 1962/63 lernte ich durch einen Zufall Christian Kozik kennen, Pianist und Musiklehrer, blitzblaue Augen, pechschwarze Haare, Frohnatur, der jedem das Singen beibringen konnte.

Der Zufall des Kennenlernens sei hier kurz erzählt. Ich hatte mir in Potsdam in der Straße der Jugend ein kleines Zimmer besorgt. An Möbeln besaß ich nur einen Tisch, einen Stuhl, eine Matratze, eine Truhe mit Büchern und einen eisernen Ofen. Einige Tage vor Silvester ging ich mit einem schweren Koffer über den Bassinplatz in Potsdam. Ein junger Mann mit Fotoapparat sprach mich an, fragte, ob er mich fotografieren dürfe. Er nahm mir auch den Koffer ab und trug ihn ein Stück. Dann stöhnte er, daß dieser sehr schwer sei, was ich denn da drin hätte? Steine? "Nein, Kohlen", lachte ich."

Vor der Tür stellte er meinen Kohlenkoffer ab und lud mich zur Silvesterfeier bei seinem Freund ein. Ich lehnte ab, wollte allein sein, aber als dieser Mann mit dem schönen Namen Arvid, sagte, man wolle dort zur Feier gemeinsam die Neunte Sinfonie aus dem Radio hören, bekam ich Lust. Ich schnitt mir ins schwarze Samtkleid meiner Mutter einen verwegenen Ausschnitt und kam mit Arvid zur Feier in die Wohnung zu Christian und seiner Wirtin Friedel in Babelsberg. Die Augen des schönen Christian lagen auf mir.

Wir hörten Beethovens erhabene Musik, und mitternachts zog mich Christian hinter die langen Vorhänge am Fenster. Seine Küsse wirkten wie kleine Blitze, während draußen die Raketen krachten und die Glocken läuteten. So begann für mich das Jahr 1963.

Es hatte im Schnellgang weitere Überraschungen bereit. Bei meiner Freundin Babsi im Buchladen lernte ich den Schriftsteller Herbert Otto kennen. Als er hörte, daß ich Gedichte schrieb, riet er mir, mich für den ersten Potsdamer Lyrikabend zu bewerben, der von der FDJ und dem Schriftstellerverband organisiert wurde. Ich reichte Gedichte ein, wurde ausgewählt und sollte am 22. Februar 1963 abends im Klubhaus "Walter Junker" mit anderen Jungdichtern lesen. Ich war damals noch sehr schüchtern, und beinahe wäre alles schiefgegangen. Als ich die vielen Leute vor dem Klubhaus sah, bekam ich große Angst. Die Karten sind ausverkauft, sagte eine Platzanweiserin zu mir. Also ging ich weg, aber meine Disziplin ließ mich doch zurückkehren, vielleicht wartete man ja auf mich? Und so war es dann auch. In letzter Minute wurde ich auf die Bühne geschubst; neben mir saß der bekannte Potsdamer Schriftsteller Hans Marchwitza.

Mit zitternden Knien trug ich meine Gedichte vor. Ich erwartete Buhrufe oder Schweigen. Aber es geschah ein Wunder. Man klatschte sehr, und die Presse lobte mich. Gisela Steineckert und Heinz Kahlau bescheinigten mir Talent. So las ich es in der "Märkischen Volksstimme". Darauf folgte die Einladung zum 2. Lyrikabend im Berliner "Kosmos"-Filmtheater Anfang April. Dort lasen u. a. Kuba, Volker Braun, Sarah und Rainer Kirsch, Franz Fühmann, Manfred Krug u. v. a. Krug und Ekkehard Schall sangen. Und ich las mein neuestes Gedicht "Ihr Mädchen von 17 und älter." Es sind da Zeilen drin, wie "es ist unsre Zeit, die euch streichelt, sie gibt euch den festen Blick ..." oder "... Ihr habt die Zeit überrundet, seid nicht mehr Gefühlsdepot. Das Glück wird euch nicht mehr gestundet Ihr nehmt es euch täglich en gros ..."

Ich fand das Gedicht nicht so toll, es hatte aber offensichtlich einen Nerv getroffen und wurde in vielen Zeitungen und Zeitschriften gedruckt. Auch Lotte Ulbricht, der Erfinderin der Frauenausschüsse, hatte es gefallen, und so wurde ich Ende April zu ihrem 60. Geburtstag eingeladen. Als Geschenk sollte ich ihr das Gedicht, in schöner Handschrift geschrieben, in einer Mappe überreichen. Lotte dankte und lobte mich, und ich war erstaunt, mich im "Augenzeugen" wiederzufinden - und von Freunden verspottet zu werden.

Christian, mein neuer Liebesgefährte, war weiterhin mein treuer Begleiter. Ich wurde Mitglied des Zirkels Schreibender Arbeiter unter der Leitung des Schriftstellers Franz Fabian, was mir nach der Arbeit riesigen Spaß machte. Im Juli 1963 heirateten Christian und ich. Christa und Christian, das schien mir passend. Im Dezember 1963 kam unser erster Sohn Adrian zur Welt. Und aus dem Mädchen aus Randberlin wurde eine junge freche Frau.

Christa Kozik

*

Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Gib mir einen Mai, rot umrandet an seinem achten Tag. Verkünde mir, daß alle Mächtigen respektvoll rangehen an die unausdenkbar wichtige und wieder einmal so unmöglich scheinende Aufgabe, diese Erde mit allem Leben darauf zu befrieden. Daß sie die Interessen der einen wie der anderen auf ihre Ursache und ihre Fähigkeit zur Veränderung hin untersuchen, friedlich die teuflischen Stimmen zum Verstummen bringen. Und die uralte Sehnsucht nach Leben, einfach nur leben, soll endlich zu ihrem Recht kommen. In einem besonders dummen Schlager aus der westlichen Sphäre heißt es: "Kinder der Liebe sind wir alle auf der Welt, ob wir nun arm sind oder reich, am Ende sind wir alle gleich."

An welchem Ende? Wenn wir übersättigt und vollgefressen der eigenen Begierden und der Erfüllungen müde sind und das Leben aufgeben, weil es nichts mehr darin gibt, was wir uns noch wünschen könnten? Gefeiert im Tod für unser Verdienst, Gold und Geld gehäuft zu haben und damit allem anderen Lebendigen überlegen zu sein? Die wir schädigen konnten in der Sucht nach mehr. Oder mit großer Geste des Schenkens vielleicht einen Schaden weniger anrichten, den wir wahrlich auch noch gekonnt hätten. Oder wenn wir gelebt haben, so gut es eben ging, den Leib nicht schonend, mit viel zu wenig Hilfe, die auf Erden immerhin schon möglich ist, die uns geholfen hätte bei der schweren Arbeit. Wenn sie rechtzeitig gekommen wären, die Menschen im weißen Kittel. Oder einmal, trotz drohendem kargem Gewinn, vorerst, in ihren Laboratorien - wenn sie aufgehört hätten zu suchen nach der gewinnbringenden Marge. Aus "vernünftigen" Gründen haben sie gelegentlich die Leiden Abhängiger verlängert, damit ihnen erhalten bleibt eine böse Kraft, die sie gebrauchen konnten.

Gebt mir einen Mai, protzend vor Grün und Liedern, wo die Liebenden furchtlos darauf warten können, daß sie ihre Dinge im Leben allein bewältigen werden, weil ihnen kein Riesenschicksal, kein höllischer Schlund droht, der ihre junge Liebe unsterblich macht, weil ihr keine Chance zu einem langen Leben gegeben war. Einen Mai will ich, in dem die Kinder der Armen nicht nur mit Hilfe von Spenden überleben, sondern einen Anspruch haben auf ihr kleines oder geniales Talent, etwas aus sich zu machen, sogar über die Eltern hinaus, falls die zu träge waren, einen größeren Entwurf anzugehen, und so der Menschheit am Ende etwas zu hinterlassen, was die Blumen auf dem Grab verdient macht.

Es ist mir egal, wie das Wetter wäre an einem achten Mai, an dem die Glocken aus allen Himmelsrichtungen Frieden verkünden würden. Das Betreten der umstrittenen Felder solle für Schlachten verboten werden. Wer in Uniform erscheint, soll an jeder Hand einen führen, der zu Teilen anders denkt. Und niederlassen sollen sie sich auf dem noch zu kalten Boden, Speck und Brot mögen sie auspacken, die Nahrung einander reichen und bedächtig reden über das Mögliche und das Unmögliche. Das ungetan bleibt, wenn diese Menschheit es noch länger unternimmt, sich aufzuteilen in die allzu Mächtigen und die allzu Ohnmächtigen.

Verflucht sei der uralte Brauch, sich in schwarz und gelb, rot und weiß einzuteilen, wider alle Erkenntnis. Längst ist bewiesen, daß die einen nicht geringer sind als die anderen, wenn man sie nur aufwachsen und werden ließe, als ein Mensch, der nicht von Furien gejagt die eigene Kindheit überleben muß, so gut und falls es geht. Ich wünsche mir einen Mai, in dem die Frauen gerühmt werden dafür, daß sie ihren Zorn laut genug und nachdrücklich geäußert haben. Zu hören war, daß sie sich weigern, immer wieder zu gebären, für viel später als Gedenkstätte geweihte Erde, um die ihre Trauer kreist, wie bei Käthe Kollwitz.

Und Männer wünsche ich mir, die abwinken, wenn jemand von ihnen verlangt, sie sollen sich einen Gürtel umbinden und die Menge suchen, damit ihr Tod auch die anderen zerfetzt.

Ja, ich träume, ich träume. Mein Recht auf diesen Traum leite ich ab aus der Kindheit im Krieg, aus dem Hunger im Nachkrieg, der Behinderung für den Verstand, den Steinen im Weg durch all jene, die gelernt haben, am Krieg zu verdienen und nicht einsehen, warum sie das lassen sollten.

Es ist mir egal, ob ihr die Sehnsucht nach Frieden, ihr Unbelehrbaren, nicht auf Lenin oder Marcos Ana, auf Gandhi, Engels oder Rosa, auf Martin Luther King oder Nelson Mandela zurückgeführt sehen wollt. Ehrwürdig all jene, die ihr Teilchen dazu beigetragen haben, daß wir angesichts des Zustandes der Erde vom Frieden nicht mehr als von einem unerfüllbaren Traum sprechen können, dürfen. Er ist in Mündern schon sagbar geworden, die gewaltsam verschlossen wurden, weil "Sehnsucht nach Frieden" allzu angreifbar klingt - oder gar kitschig.

Es kann mir nicht reichen, daß der Flieder duften wird, jedenfalls bei uns. Daß wir an unserem Tisch am Morgen ein Frühstück genießen können. Daß die meisten von uns darüber nachdenken müssen, wie sie mit etwas weniger Nahrung auskommen können, damit der Gürtel noch paßt. Entsetzen stumpft ab, die Bilder des Tages führen uns Unerträgliches vor: wie diese große weite Welt mit den Wehrlosen umgeht, ob Kind, Mann oder Frau. Auch ohne Schlachtfeld. Wenngleich sich die Vorgänge zu einer Art Vergleichbarkeit hochschwingen.

Ich habe mich immer bemüht, ein friedlicher Mensch zu sein. Aber ich höre Sätze, die mir das wieder einmal sehr schwer machen. Sie werden ausgesprochen von Menschen, die ihren fetten Arsch in gesicherten Sesseln unterbringen.

Nein, kein Haß. Aber Sehnsucht nach Einsicht.

Der Krieg kennt viele Arten von Sterben.

Ein paar Wochen lang hatten wir einen Mann in der Familie, der kam, um unseren Kranken zu pflegen. Er tat das mit geschickten Händen und mit genau hinschauenden Augen. Leider müssen wir auf ihn verzichten. Er stammt aus einem als sicher gekennzeichneten Land. Die Kinder müssen ihre neuen Freunde in der Schule verlassen, die Frau kann aufhören, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie wie ihr Mann ein Recht darauf hat, aus dem Haus zu gehen und eine Arbeit zu leisten, von der man zufrieden in die Familie zurückkehrt. Ein Abschied, den ich mit Kopfschütteln begleitet habe.

Gebt mir einen Mai, der mir neben der Hoffnung auf den Sommer eine Hoffnung auf Frieden, endlich Frieden, schenkt.

Was soll ich schreiben? Wieder über die Liebe? Ich weiß ja nicht, ob ich mit meinen Sängern eine einzige Seele aus ihrer einzigartigen Not befreien konnte. Noch viel weniger weiß ich, ob meine Lieder für den Frieden - ach ja, Pflichtlektüre in der 10. Klasse - aber das war ja in der dummen, unterentwickelten DDR - an den kriegerischen Verhältnissen auch nur einen Gedanken entwaffnen konnten. Teil du mit mir wenigstens die Sehnsucht. Auf einen Mai, der ...

Was sollen wir hinzufügen? Vielleicht einen Gedanken an abgerüstete, entwaffnete Soldaten, ausgemergelt, hinkend - auf dem Weg nach Hause, das es vielleicht noch gibt, aber das wissen sie nicht. Sind sie mit Napoleon losgezogen? Standen sie unter dem Befehl von Maria Theresia? Waren sie vielleicht Ritter, die Auschwitz vorgriffen, indem sie die Taufwilligen nach links, die ablehnenden Heiden nach rechts kommandierten? Rein in die Kirche oder Tod durch das Schwert?

Bertha von Suttner starb im Jahr 1914. Von ihr stammt das Wort: "Nicht den Frieden zu erhalten, sondern ihn erst zu schaffen, gilt es, denn wir haben keinen. Wir leben im Rüstungskrieg, in einem auf die Dauer unhaltbaren Waffenstillstand."

Und: "Merkwürdig, wie blind die Menschen sind. Die Folterkammern des finsteren Mittelalters flößen ihnen Abscheu ein, auf ihre Arsenale aber sind sie stolz."

*

Leserbriefe an RotFuchs

Sie schickten mir Ihre Zeitschrift "RotFuchs", wofür ich mich herzlich bedanken möchte, ebenso für die Klappkarten, die mir gut gefallen. Ich habe noch nicht alle Artikel gelesen, doch die Seiten 25 und 27 fanden mein besonderes Interesse. Makarenkos "Der Weg ins Leben" und "Flaggen auf den Türmen" stehen noch immer ganz vorn in meinem Bücherschrank, und so hat mich der Beitrag von Marianne Walz sehr berührt. Dank dafür!
Auch die streitbare Gisela Steineckert hat sich großartig zu Wort gemeldet. Das sind - neben vielen anderen! - Beiträge, die ich sehr aufmerksam studiere. Obwohl ich im 90. Lebensjahr bin, habe ich noch genügend Interesse am Weltgeschehen, und das ist gut!

Erika Schirmer, Nordhausen


Pünktlich zum Internationalen Frauentag fällt uns aus dem "RotFuchs" eine Klappkarte mit der wohl berühmtesten Friedenstaube entgegen. Das war eine wirklich schöne Idee und so aufmerksam wie typisch: Danke, RF! Der "RotFuchs" hat Biß. Auf diesem Wege begleiten wir ihn schon lange und mit uns so viele Genossen, Freunde, Leser und Sympathisanten. Wir begegnen ihnen in jeder neuen Ausgabe unserer Zeitschrift, wobei auch die Leserbriefe neben all den wichtigen Beiträgen ein besonderes Lob verdienen.
Die von Euch in der Aprilausgabe dokumentierte DKP-Veranstaltung am Rande der Rosa-Luxemburg-Konferenz der "jW" war für mich ein großes Erlebnis. Gerardo Fernández fand dort bewegende Worte, um uns das Durchhaltevermögen der Cuban Five, ihre Ängste und Sehnsüchte eindrucksvoll vor Augen zu führen. Ich selbst bin Menschen dieser Art früher in Hamburg begegnet. Dabei denke ich an Wilma, die Tochter Fiete Schulzes, eines engen Mitstreiters Ernst Thälmanns, der von den Faschisten ermordet wurde. Sie konnte uns viel erzählen, und wir betrachteten sie als ein lebendiges Geschichtsbuch. Ihrem Wunsch entsprechend glich die Trauerfeier beim Abschiednehmen einem fröhlichen Fest. Mit Tränen in den Augen erfüllten wir ihre Bitte.
Doch noch einmal zurück zur Karte mit der kleinen weißen Friedenstaube. Sie hat mich und viele andere sehr inspiriert.

Heide Wolff, Hamburg


Dem Februar-RF war ein Faltblatt mit der Friedenstaube beigelegt. Wir Genossen von der DKP Ulm würden diesen Flyer gerne für unsere politische Arbeit am 1. Mai nutzen. Dürfen wir das? Gerade in dieser schwierigen Zeit betrachten wir es als unsere kommunistische Pflicht, den Kampf für den Frieden noch aktiver zu unterstützen. Mein Dank richtet sich an alle, die den "RotFuchs" herausbringen und gestalten. Er ist für mich - einen ehemaligen Berufssoldaten der NVA - in der politischen Arbeit unverzichtbar geworden.

Henry Haustein, Ulm


Die Rede Heinz Keßlers vor dem Moabiter Gericht hat mich tief beeindruckt. Wie Klaus Steiniger im März-Leitartikel schreibt, ruft das Verhalten dieses standhaften Kommunisten Erinnerungen an das in die Geschichte eingegangene Auftreten Georgi Dimitroffs vor dem Leipziger Tribunal der Faschisten wach. Das Buch von Heinz Keßler und Fritz Streletz "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" habe ich mit großem Gewinn gelesen und betrachte es als eines meiner wichtigsten Bücher seit 1990 überhaupt. Jeder, der die Wahrheit über diese Thematik sucht, sollte es lesen. Hier findet er sie.

Dr. sc. phil. Heinz Heikenroth, Berlin


Liebe Genossen vom "RotFuchs", für Eure Glückwünsche zu meinem Geburtstag habe ich mich sehr gefreut. Ich verspreche Euch, auch weiterhin mit Euch und dem "RotFuchs" eng verbunden zu bleiben. Wie Ihr wahrscheinlich wißt, hatten wir Anfang März ein Treffen zum 70. Jahrestag der FDJ. Es war eine sehr zu Herzen gehende Veranstaltung, die den meisten Teilnehmern sehr gefallen hat. Leider ist in diesem Zusammenhang auch eine meiner Illusionen geplatzt.
Ich gehörte ja zu denen, die immer noch hofften, Eberhard Aurich, den andere ja besser kennen als ich, nicht ganz abdriften zu lassen. Er hat aber nicht nur ein Problem mit unserer Vergangenheit, sondern vor allem auch mit sich selbst. Er will keinen Dialog, sondern recht haben bei Positionen, die einfach nur absurd sind. Er macht sich nachträglich zu einem "Helden", der er nie war. Seine Selbstinszenierung schadet ihm, sogar bislang willige Diskutanten schütteln den Kopf über diesen Narzismus. Ich bedauere diese Entwicklung sehr.
Herzliche Grüße

Euer Egon Krenz


Eine ergänzende Bemerkung zum Beitrag Helmuth Hellges (Pseudonym Steffen Kastner) im März-RF über Etkar André. Mein Großvater Ernst Puchmüller befand sich zur Zeit der Ermordung Andrés als Untersuchungshäftling in Hamburg-Fuhlsbüttel. In seinen Erinnerungen heißt es: "Den 4. November 1936 werde ich niemals vergessen. Wie üblich gingen wir unsere Runde auf dem Hof des Untersuchungsgefängnisses. Vor mir schritt ein Wandsbeker SPD-Genosse. ­... Er hielt etwas ein und flüsterte mir zu: 'Hast Du es schon gehört, Ernst? Etkar haben sie heute morgen fertiggemacht.'
Einige Tage darauf entstand, von dem Mitgefangenen Otto Bruhn und mir verfaßt, der Etkar-André-Marsch, und bald darauf kannten ihn schon viele politische Häftlinge. Sie sangen ihn in der Stille ihrer Zellen, gleichsam als Schwur, die Sache Etkar Andrés weiter zu verfechten."
Der Refrain lautete:
Ihr Unterdrückte aller Nationen
erobert Euch die Welt im Sturmesschritt.
Als Fahnenträger bei den Bataillonen
marschiert im Geiste Etkar André mit.

Karl-Heinz Puchmüller, Waren (Müritz)


Die Beitragsserie von Steffen Kastner alias Helmuth Hellge begrüße ich sehr. In Dresden gab es eine Straße, die Etkar Andrés Namen trug. Sie wurde in Bismarckstraße unbenannt. In Hamburg hingegen erinnert ein 2012 verlegter Stolperstein an das ermordete Mitglied der Bürgerschaft. Dieser trägt neben seinen Lebensdaten auch die richtige Schreibweise des Vornamens, nämlich: Etkar. Auch wenn das nur eine Marginalie zu sein scheint, werden solche Ungenauigkeiten dem Andenken unserer Märtyrer nicht gerecht.

Manfred Jantsch, Pirna


Der neue Mitgliedsausweis des RF-Fördervereins ist zu meiner Freude hier angekommen. Herzlichen Dank für die Zusendung! Wenn auch Tausende Kilometer zwischen uns liegen, fühle ich mich Euch eng verbunden. Neben dem RF erhalte ich jetzt auch im Abonnement die "junge Welt".
Mit Bekannten sprechen und streiten wir oft über Politik. Das, was ich hier für unsere Sache tun kann, ist nicht viel, aber gute Argumente regen hoffentlich zum Nachdenken an.

Marianne Hoffmann, Saint Leu (Insel La Reunion)


Bei den linksorientierten Mitbürgern hat nun allerorten das große Rätselraten eingesetzt, warum Die Linke bei den Landtagswahlen im März so gravierend schlecht abgeschnitten hat. Mir tut es vor allem sehr leid, daß die dieser Partei angeblich nahestehende Sozialistische Tageszeitung "Neues Deutschland" den Genossen keine hinreichende sozialistische Rückenstärkung mehr vermittelt. Ein besonders schlimmes Beispiel lieferte die Schlagzeile der Titelseite vom 14. März: "AfD marschiert zweistellig durch", las man dort flapsig. Eine solche Überschrift hätte genausogut auch in einer der AfD nahestehenden Publikation verwendet werden können, aber auch in beliebigen Blättern vom "Tagesspiegel" bis zu Springer. Auf Seite 5 des ND war es fast noch schlimmer: "AfD aus dem Stand zweite Kraft", stand dort geradezu triumphalistisch. Darf eine sich als links offerierende Tageszeitung das verhängnisvolle Wahlverhalten vieler irregeführter Bürger so kommentieren? Tatsächlich handelt es sich doch um einen ebenso gravierenden wie gefährlichen Rechtsruck in Deutschland, der das Maß der faschistoiden Gefahr signalisiert.

Helmuth Hellge, Berlin


Etliche Jahre bin ich bereits eifriger Leser des RF. Und seit jener Zeit sind mir die klare marxistische Haltung, die parteilichen und geschliffenen Standpunkte und Analysen Klaus Steinigers wichtig. Sie widerspiegeln sich in der ganzen Zeitschrift. Nach dem Sieg der Konterrevolution tut deren Lektüre ungemein gut. Ich gehöre zu der großen Zahl derer, die das überaus schätzen und sich mit dem "RotFuchs" verbunden fühlen.
Ein wenig zu mir selbst: Die 81 habe ich bereits überschritten. Als 16jähriger wurde ich Kandidat der SED, mit 18 ihr Mitglied. Ich blieb es bis zu unserer Niederlage. Vor der Berentung war ich als Journalist und Pressereferent tätig. Über den Braunkohlenbergbau in der Lausitz habe ich ein Buch geschrieben. Am Schluß eines weiteren Buches "Stationen meiner Lebensreise" ließ ich wissen, daß ich meinen Traum von einer besseren Welt weiter träumen werde. Dabei bin ich mir durchaus dessen bewußt, daß er sich für mich selbst wie für alle Menschen dieser Erde unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen auf unabsehbare Zeit nicht erfüllen kann. Geistvolle mutige Denker, kluge Frauen und Männer, geniale Philosophen und Ökonomen, die sich der kritischen Analyse der Ökonomie des Kapitalismus von Karl Marx besinnen, braucht die Menschheit und mehr, um die Welt dauerhaft zu verändern und zu befrieden.

Friedhelm Schulz, Hoyerswerda


Der zweite Teil des sympathischen Lebensberichts von Christa Kozik im März-RF enthält einen historischen Irrtum. Mit dem Datum des Gagarin-Flugs in das Weltall am 12. April 1961 verbindet sie die Erinnerung, die Einheit Deutschlands hätte damals nicht mehr auf der Tagesordnung gestanden, und die Nationalhymne mit Bechers Text "Deutschland, einig Vaterland" sei schon lange nicht mehr gesungen worden. Das trifft für diese Zeit aber noch nicht zu.
In der Präambel der am 6. April 1968 nach monatelanger öffentlicher Diskussion durch Volksentscheid in Kraft gesetzten Verfassung der DDR hieß es: "Getragen von der Verantwortung, der ganzen deutschen Nation den Weg in eine Zukunft des Friedens und des Sozialismus zu weisen, ­... hat sich das Volk der Deutschen Demokratischen Republik ... diese sozialistische Verfassung gegeben." Und im Artikel 1 liest man: "Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat deutscher Nation." Absatz 2 des Artikels 8 lautet: "Die Herstellung und Pflege normaler Beziehungen und die Zusammenarbeit der beiden deutschen Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung sind nationales Anliegen der Deutschen Demokratischen Republik. Sie und ihre Bürger erstreben darüber hinaus die Überwindung der vom Imperialismus der deutschen Nation aufgezwungenen Spaltung Deutschlands, die schrittweise Annäherung der beiden deutschen Staaten bis zu ihrer Vereinigung auf der Grundlage der Demokratie und des Sozialismus."
Der mit diesen Verfassungsgrundsätzen durchaus in Einklang befindliche Hymnentext Johannes R. Bechers wurde in den Folgejahren ganz gewiß im Rundfunk und Fernsehen (bei Sendeschluß) und offiziellen Anlässen wie Jugendweihefeiern weiterhin gesungen. In der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung vom 7. Oktober 1974 waren die oben zitierten Passagen dann gestrichen. 1972 war nämlich der Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten abgeschlossen worden. Die DDR-Führung meinte, der Brandtschen Strategie eines "Wandels durch Annäherung" Symbole der Abgrenzung entgegensetzen zu müssen. Deshalb erging zu dieser Zeit die Orientierung, daß die Nationalhymne nur noch instrumental interpretiert werden solle.

Prof. Dr. Bernd Koenitz, Leipzig


Um die Jahreswende machte ich mit meiner Frau Urlaub in Montego Bay auf Jamaika. Am 30. Dezember wurde ich inmitten dieser Idyelle mit der kapitalistischen Wirklichkeit konfrontiert. Bei Grün fuhr mich ein Auto an, so daß ich schwer verletzt wurde. Meine Frau leistete mir Erste Hilfe. Der Unfallverursacher machte sich schnell aus dem Staub, eine beherzte Frau aus Jamaika fuhr mich in ihrem Kleinwagen in die Privatklinik "Hospital Montego Bay". Sie selbst suchte dann schnellstens das Weite, denn in Jamaika möchte niemand etwas mit der Polizei zu tun haben - bei 200 Toten durch Polizeigewalt ist das durchaus verständlich. Die Privatklinik versorgte mich zunächst gut, bis ich keine US-Dollar von meiner Karte mehr transferieren konnte. Ohne Geld keine weitere medizinische Versorgung! Ich mußte die Klinik verlassen und kam in das staatliche "Cornwall Regional Hospital". Hier lernte ich Jamaika von "ganz unten" kennen. Vor dem Krankenhaus, auf Gängen und Fluren, überall hockten hilfesuchende Menschen. Ich sah mehr Wachschutz als medizinisches Personal. Dennoch taten die Ärzte ihr Bestes. 22 Stunden nach dem Unfall wurde meine Kopfwunde für 60 Dollar genäht. für weitere 60 Dollar konnte ich auch mein Rezept einlösen.
Obwohl ich als Ausländer, nicht zuletzt auch durch Intervention der TUI-Reiseleitung, relativ privilegiert behandelt wurde, habe ich an diesem Tag den Kapitalismus im "Paradies" kennengelernt. Alles hat seinen Preis, so auch unser wertvollstes Gut - die Gesundheit.

Siegfried Duske, Biedenkopf


Auf Einladung von vier RF-Regionalgruppen - Wismar, Neubrandenburg, Rostock und Schwerin - hatten wir Gelegenheit, über die Themen "Entstehung und Struktur des christlichen Fundamentalismus" und den "Jihad", den fälschlicherweise oft so genannten "Heiligen Krieg", Vorträge zu halten. Für uns als seit vielen Jahrzehnten im Westen tätige Linke war es eine besondere Erfahrung, Menschen zu begegnen - die ganz anders als wir -, in ihrem Beruf und Leben die Gelegenheit gehabt haben, am Aufbau eines sozialistischen Staates, der DDR, mitzuwirken. Während unsere Biographie in der BRD aufgrund antikommunistischer Verfolgung und der Berufsverbote davon geprägt war, daß wir diese Chance nicht hatten.
So widersprüchlich und unterschiedlich unsere politischen Lebensläufe auch gewesen sind, so sehr spürten wir doch bald, in welchem Maße uns der Marxismus verbindet. So bereitete es uns große Freude, in den anschließenden Diskussionen auf Menschen zu treffen, die auf hohem Niveau zu Fragen und eigenen Beiträgen mit uns in die wissenschaftliche Diskussion eintraten. Die mit diesen Veranstaltungen für uns verbundenen neuen Kontakte und Gespräche haben uns sehr froh gestimmt. Wir, eine Pastorin und ein Pastor, die aus der Kirche ausgetreten sind, möchten uns auf diesem Wege bei allen Genossinnen und Genossen des RF dafür bedanken, daß unseren Vorträgen und uns persönlich so großes Interesse entgegengebracht wurde.

Edda und Karl-Helmut Lechner, Norderstedt


Wenn mich Gedanken bewegen, die den Frieden und die Zukunft betreffen, will ich sie auch äußern, öffentlich zur Diskussion stellen. Das geht aber nur, wenn Form und Inhalt ansprechen, nicht beleidigen und die Dinge offen beim Namen genannt werden. Auch seriöse Gegner achte ich und bemühe mich ihnen gegenüber um sachliche Argumentation.
Die Weltanschauung kann niemandem vorgeschrieben werden. Das eigene Leben, die darin gesammelten Erfahrungen und die Wege mit den "Stolpersteinen" des Daseins helfen, eigene Positionen zu suchen und zu finden. In diesem Sinne verstehe ich mich als einen um philosophisches Denken bemühten und sozial handelnden Zeitgefährten, dem es darum geht, die Welt zum Guten zu verändern und nicht nur "zu interpretieren". Dabei ist Achtung vor jenen, welche Achtung verdienen, Demut und Bescheidenheit, glaubhaft zu sein und zu bleiben mein Credo.

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz


Ich grüße Euch herzlich und freue mich über jedes neue "RotFuchs"-Heft und jeden Eurer Artikel, besonders auch über die Beiträge meiner Kolleginnen Gisela Steineckert. Christa Kozik u. v. a. Ich übermittle Euch mit gleicher Post mein in der Eulenspiegel-Verlagsgruppe erschienenes neues Buch, das herauskam, obwohl es linke Verlage in diesen Zeiten besonders schwer haben.

Eberhard Panitz, Berlin


Lieber Horst Schneider! Mit Interesse und Zustimmung habe ich Deinen Brief an Bundespräsident Gauck im März-RF gelesen. Ich danke Dir vor allem für die klare und gründliche Auflistung der gefährlichen Geschehnisse und Ungereimtheiten, die Deutschland wieder einmal in den Dienst himmelschreiender Gefolgschaftstreue gegenüber der Rüstungslobby und den Kriegstreibern stellen. Die beschämende Antwort, die Du aus dem Hause Gauck erhieltest, war freilich kaum anders zu erwarten gewesen. Wer das Seelsorgeramt gegen politisches Machtstreben und die Nächstenliebe gegen Säbelgerassel eintauscht, von dem kann nichts anderes kommen. Der größte Wert Deines Beitrags besteht für mich deshalb auch darin, daß jedem unvoreingenommenen und friedliebenden Menschen, der den Text liest, ein komprimiertes Werkzeug für die Kämpfe unserer Zeit in die Hand gegeben wird.

Dr. Klaus Thiele, Dresden


Für die vielen guten und informativen Beiträge in den ersten RF-Ausgaben dieses Jahres bedanke ich mich sehr. Besonders erwähnen möchte ich den doppelseitigen Beitrag von Dr. Eberhard Pößneck über den ersten und einzigen Präsidenten der DDR. Er war bei den arbeitenden Menschen unseres Landes überaus beliebt und genoß hohe Achtung. Dies zeigte sich auch nach seinem Tode, als der Sarg im Berliner Roten Rathaus aufgebahrt worden war. Der Zug der Trauernden, die von ihm persönlich Abschied nehmen wollten, war kilometerlang. Viele hatten Tränen in den Augen. Zur Stunde der Beisetzung ruhte mittags der Verkehr, und die Sirenen ertönten. Ich war damals elf Jahre alt und kann mich noch gut an alles erinnern.

Herbert Heßmann, Saßnitz


Liebe Freunde vom RF! Am 14. März war ich pünktlich um 11 Uhr in Chemnitz, um Karl Marx an seinem Todestag zu ehren. Am Sockel des ihm gewidmeten Monuments - es handelt sich übrigens um die zweitgrößte Porträtbüste der Welt - legte ich einen Rosenstrauß nieder.
Als ich dann gegen 14 Uhr noch einmal am Denkmal für den Begründer der wissenschaftlichen Weltanschauung vorbeiging, lag nur mein Gebinde dort. Einerseits freute es mich sehr, daß kein Strolch es entwendet hatte, andererseits tat es mir jedoch weh, daß in einer so großen Stadt kein einziger anderer Linker auf diesen Gedanken gekommen war.

Karlheinz Oehme, Döbeln


"Zeit zum Nachdenken" überschrieb die "Hessische Allgemeine" ihren Kommentar zum Ergebnis der Kommunalwahl am 6. März. "Passiert ist ein politisches Erdbeben auf kommunaler Ebene. Zu hoffen ist, daß es auch in Berlin noch spürbar war." Dort gelte es zu erkennen, "daß in Krisenzeiten den Parteien der Mitte die Wähler weglaufen". Die Wahlbeteiligung lag nur bei 42,76 %. Da kann man wohl nicht mehr von "Volksparteien" sprechen.
Die Wähler der Stadt Maintal in Südhessen bewiesen, daß es auch anders geht. In dieser knapp 40.000 Einwohner zählenden Stadt zwischen Frankfurt und Hanau kandidierte die Wahlalternative Maintal-Soziale Gerechtigkeit (WAM) zur Kommunalwahl. Vor 10 Jahren wurde die CDU-Bürgermeisterin hier abgewählt, und die REPs saßen mit 9,8 % im Stadtparlament. Nach beachtlichem Zuwachs bei der letzten Kommunalwahl vor fünf Jahren wurde für den diesjährigen 6. März ein breites Bündnis geschaffen. Es verhinderte eine Kandidatur der NPD, der REPs und der AfD. Die WAM erreichte 17 % (+ 5,4) und errang 8 Sitze (+ 3). Sie stellt jetzt die drittstärkste Fraktion im Stadtparlament.

Karl-Heinz Mruck, Kassel


Wir Kamenzer hätten es wissen müssen! Schon im Vorfeld der Landtagswahl des Jahres 2014 hatte die "Wirtschaftspartei" FDP ihre Kandidaten und Losungen hoch oben an den Laternen der hiesigen Macherstraße aufgeknüpft. Außer denen der NPD gab es zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Bekundungen von Parteien. Für andere wäre auch kaum noch Platz geblieben, denn inzwischen hatte die "Wirtschaft" den wenigen freien Platz an den Masten mit ihrer Werbung zum Sommerschlußverkauf behängt und einen "Kollektionswechsel" bei 70 % Verbilligung angeboten.
Da mußte die AfD am 6. August 2014 zuschlagen. Sie bot ihre "Billig-Kollektion" im Politikgeschäft an. Inzwischen sieht man, was daraus geworden ist. Wer mit der "Wirtschaft" zusammenhängt, verkommt auch schnell zu politischer Asozialität. Man sollte nicht vergessen, daß der einstige Präsident des Unternehmerverbandes BdI und derzeitige Abgeordnete des Europaparlaments Hans-Olaf Henkel nicht zufällig zu den ursprünglichen Gründern der AfD gehört hat.

Gerd Brunecker, Kamenz


Am 14. Februar 1991 wurde das thüringische Suhl durch Stadtratsbeschluß zur "Stadt des Friedens" erklärt. Über viele Jahrzehnte als "Waffenschmiede Europas" bekannt, steht Suhl in einer besonderen historischen Verantwortung. Vor und während der beiden Weltkriege hatte die Produktion von Kriegswaffen hier Konjunktur. In der Zeit des Faschismus beuteten 25 Suhler Rüstungsbetriebe etwa 8000 Zwangsarbeiter bis aufs Blut aus. Viele starben. Eine Tafel am Waffenmuseum erinnert an sie.
Mit der o. g. Entscheidung schloß sich Suhl den Städten Berlin, Dresden, Oslo, Genf, Den Haag, Guernica und Hiroshima an. Nach Jahren, in denen die Friedensinitiative eine starke Bewegung war, wurde der Stadtratsbeschluß durch CDU-geführte Kräfte immer mehr ausgehöhlt. Das fand auch die Unterstützung des jetzigen Oberbürgermeisters. In den Medien erscheinen inzwischen wieder fast täglich Begriffe wie "Waffenstadt Suhl".
Im Februar 2016 erhielt die berüchtigte Firma C.G. Haenel, die sich 2008 zunächst wieder mit ihrer Jagdwaffenproduktion etabliert hatte, einen folgenschweren Zuschlag. Sie stellt Scharfschützengewehre G29 für die Bundeswehr her.
Die Suhler Zeitung "Freies Wort" schrieb am 1. März d. J. "Bei einer nicht repräsentativen Internet-Abstimmung hat die Mehrheit der Leser diese Entwicklung befürwortet." Die Waffen seien für die "Sicherheit unserer Soldaten" bestimmt und garantierten Arbeitsplätze in der Firma. Inzwischen werden diese Spezialgewehre auch in Krisengebiete exportiert.
Empörend ist die Aussage einer hiesigen Stadträtin der "Freien Wähler". Sie begrüßte es, "daß eine Firma unserer kleinen Stadt Frau von der Leyen aus ihrer Bedrängnis zu helfen vermocht" habe.
Froh bin ich darüber, daß die Suhler PDL-Fraktion gegen die Waffenproduktion protestiert hat.

Dagmar Schmidt, Suhl


Am 13. Februar gedenkt die Stadt Dresden alljährlich eines der brutalsten Massaker - der militärisch sinnlosen Zerstörung der Elbmetropole durch angloamerikanische Bomber. Von diesem Gedenken ging bisher stets eine Botschaft aus: Nie wieder Krieg! Völkerverständigung und Frieden!
Doch 2016 war alles anders. Mit Gauck als Redner verwandelte man die Gedenkveranstaltung in ein übles Spektakel. In keiner der an diesem Tag gehaltenen Ansprachen kam die Vokabel "Frieden" auch nur ein einziges Mal vor. Der Schwur von Buchenwald und die Dresdner Friedensbotschaft sind längst Makulatur. Deutschland führt gleich an mehreren Fronten wieder Krieg. Unsere Jugend wird wiederum zur Gewalt erzogen. "Die kleine weiße Friedenstaube" soll in Vergessenheit geraten.

Peter Truppel, Cottbus


Mit großem Interesse las ich den Beitrag Peter Truppels im März-RF. Auch ich zähle mich zu jenen, welche sich nach wie vor mit der Frage beschäftigen, woran es wohl gelegen hat, daß unser sozialistischer Staat, den wir unter großen Mühen in 40 Jahren aufgebaut haben, 1989/90 so sang- und klanglos untergehen konnte.
Peter Truppel fordert zu Recht eine ehrliche und auf Fakten gestützte Analyse der Geschichte der DDR aus marxistischer Sicht ein. Man dürfe dem politischen Gegner nicht das Monopol der Geschichtsschreibung überlassen. Er verweist u. a. auf ein wissenschaftliches Potential - darunter an Historikern -, über das wir verfügen. Um unseren Nachkommen zu überliefern, warum wir mit unserem ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden Schiffbruch erlitten, erscheint mir die Lektüre des Buches von Karl-Heinz Roth "Anschließen, angleichen, abwickeln - Die westdeutschen Planungen zur Übernahme der DDR 1952-1990" sehr lesenswert. Die Schrift ist bei edition berolina, Berlin, 2015 herausgekommen.

Hans-Peter Wokittel, Berlin


"Blieb der Sozialismus in der UdSSR beim Rüstungswettlauf auf der Strecke?" fragte man im RF. Es leuchtet ein, daß das Wettrüsten eine wirksame Waffe des Imperialismus im Kalten Krieg gegen die von den Verlusten im Zweiten Weltkrieg besonders hart getroffene Sowjetunion war, zumal die USA vergleichsweise fast ohne solche Einbußen aus dem Krieg hervorgingen. Daß die UdSSR die Imperialisten dennoch von einem Frontalangriff abschrecken konnte und die Welt 45 Jahre ohne globalen Krieg blieb, ist Moskaus Verdienst.
Aber mußte sie an dieser Anstrengung ökonomisch zugrunde gehen? Alle Forschungsinstitute zu Rüstungsfragen waren sich schon in den 80er Jahren darüber einig, daß beide Seiten - USA wie UdSSR - die Kapazität besaßen, die jeweilige Gegenseite gleich mehrfach auszulöschen. Hier hätte die Sowjetunion enorme Ressourcen sparen können, wenn sie sich mit der Fähigkeit begnügt hätte, den Aggressor nur einmal zu vernichten.
Noch schlimmer und meiner Meinung nach letzten Endes tödlich war der Umgang mit den Ressourcen, die das Wettrüsten übrigließ. N. S. Chruschtschow betrog ja nicht nur die Sowjetbürger mit dem Versprechen, die UdSSR werde den Lebensstandard der USA in kurzer Zeit übertreffen, und die damalige Generation werde noch den Kommunismus erleben. Das ist im Leitartikel Klaus Steinigers mit Recht kritisiert worden. Natürlich mußte diese Seifenblase platzen und in der Bevölkerung Enttäuschung, Zynismus und Unglauben in bezug auf das Wort der Partei erzeugen.
Darüber hinaus verschob Chruschtschow das ökonomische Schwergewicht vom Sektor I (Schwerindustrie/Investitionen) zum Sektor II (Konsumgüter) trotz der entgegengesetzten Hinweise von Marx und Lenin. Damit versuchte er, sich kurzfristig populär zu machen, blockierte aber auf längere Sicht das Wachstum der Produktivkräfte ebenso wie auch die nachhaltige Hebung des Lebensstandards.

Fritz Dittmar, Hamburg


"Alles wurde mehr oder weniger auf den Faktor reduziert, den militärischen Widerstand gegen die imperialistische Hauptmacht und ihr Paktsystem im Interesse der Landesverteidigung und des Weltfriedens zu organisieren", heißt es im Februar-RF in dem Beitrag "Blieb der Sozialismus in der UdSSR beim Rüstungswettlauf auf der Strecke?"
Mit der Atom- und Wasserstoffbombe sowie nuklearen Raketen wurde das längst erreicht, obwohl die USA durch Antiraketen angeblich unangreifbar waren und beabsichtigten, den Gegner elektronisch auszuschalten. Ob das im Ernstfall funktioniert hätte, ist zu bezweifeln. Das Risiko, beispielsweise von U-Booten aus einen Gegenschlag erwarten zu müssen, war für die USA wohl zu groß. Bei Fidel Castro las ich, daß sich der Sozialismus aus seiner Sicht selbst umgebracht habe.
Der vermeintliche Sieg des Westens beginnt sich jetzt aber durch die trotz aller frommen Sprüche de facto unbeherrschbaren Flüchtlingsströme mehr und mehr in sein Gegenteil zu verkehren.

Horst Tischler, München


Es ist an der Zeit, die sogenannte Flüchtlingskrise aus der Sicht des historischen Materialismus zu betrachten. Alle Ausbeuterordnungen wurden erst dann zu Hochkulturen, als sie genügend Arbeitskräfte hatten, um ihre Vorstellungen materialisieren zu können. Das reicht von den Sumerern, Ägyptern und Römern bis zu den Kolonialmächten Spanien, England und Rußland. Auch die Leibeigenschaft war ja im Grunde nichts anderes als Sklaverei. In der modernen Industriegesellschaft, dem Imperialismus, tritt der Lohnsklave an die Stelle des Leibeigenen: Es handelt sich um den "doppelt freien Proletarier".
Auch Amerika hat zu seiner Entwicklung der Sklaverei bedurft, und der Norden des Kontinents wurde im 19. Jahrhundert von etwa 45 Millionen europäischen Arbeitern besiedelt, was die Entwicklung enorm vorantrieb. Nicht anders verhält es sich mit der BRD. Ausgehend von Geldern des Marshallplanes konnte sie nach dem Krieg Millionen Italiener, Spanier, Jugoslawen und Türken als Gastarbeiter ins Land holen. Besonders willkommen waren hochqualifizierte ostdeutsche Wirtschaftsflüchtlinge. Bis 1961 kamen sie über die offene Grenze, dann durch Fluchthelfer - die Vorgänger der heutigen Schlepperbanden - und nach 1989 im "Sog der Freiheit".
Er bescherte der BRD nochmals rund zwei Millionen die Muttersprache beherrschende gut ausgebildete Fachkräfte. Es handelte sich um eine ökonomische Bluttransfusion erster Klasse zum Nulltarif. Jetzt braucht der deutsche Imperialismus zu seiner weiteren Expansion jährlich etwa 300.000 zusätzliche Arbeitskräfte. Und welch Wunder, die Leute kommen freiwillig, sind aber in der Mehrzahl vorerst nicht zu gebrauchen. Sie müssen durch Integration für den Arbeitsmarkt der BRD verwendungsfähig gemacht werden, obwohl diese selbst etwa eine Million Langzeitarbeitslose hat.

Peter Pöschmann, Döbeln


Im RF 218 erschien der Beitrag von Dr. Peter Elz zu Klassenkämpfen in Eberswalde. Hierzu möchte ich bemerken, daß die sozialen Auseinandersetzungen in dieser Region nicht erst seit einigen Monaten stattfinden. Mit der Zerschlagung des Kranbaus Eberswalde, der ohnehin nur noch mit einer Minibelegschaft betrieben wurde, der Schließung des Stahlwerkes Finow und weiterer zentraler wie örtlicher Betriebe finden dort bereits seit vielen Jahren heftige soziale Konflikte statt. In der Stadt Eberswalde hat sich die Einwohnerzahl übrigens in den letzten Jahren aufgrund des industriellen Kahlschlags etwa halbiert.

Erhard Richter, Berlin


Mich beunruhigt die Tatsache, daß die DDR, die zu den zehn wirtschaftsstärksten Staaten der Welt gerechnet wurde, so sang- und klanglos untergehen konnte. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich noch sehr genau an eine Kreisdelegiertenkonferenz der SED, bei der unser 1. Kreissekretär seinen Rechenschaftsbericht mit den Worten abschloß: "Wir freuen uns über das Erreichte und wenden uns jetzt den Problemen zu, die vor uns stehen und dringend einer Lösung bedürfen."
Im Kontrast dazu erzählte mir unlängst ein ehemals verantwortlicher Genosse des MfS, daß ihn nach kritischen Bemerkungen, die er einem maßgeblichen Parteifunktionär vorgetragen habe, dieser mit den Worten abservierte: "Meine Parteisekretäre berichten mir aber etwas völlig anderes."
Aus meiner Sicht müssen wir über neue Wege zur Macht nachdenken. Doch eines bleibt unveränderlich: Die Notwendigkeit der Einheit der Arbeiterklasse und aller Werktätigen.

Siegfried Mikut, Georgsmarienhütte


"Noch niemals hat mich auf der Straße jemand aufgefordert, für Waffen Geld zu spenden. Offenbar deshalb, weil die Regierungen dafür stets genug Geld zur Verfügung haben. Aber unzählige Male haben mich Menschen mit Sammelbüchsen um eine Spende für Arme, Kranke, Alte und Kinder gebeten." Das Zitat stammt von Sir Peter Ustinov.
Zwei Nachrichten in letzter Zeit erinnerten mich an diesen Satz: Der Demminer Verein Junge Europäer e. V. sammelt für Litauen medizinische Geräte, Ausrüstungen, Betten und Wäsche zur Ausstattung eines Hospitals. Aus "nicht gleichgeschalteten" Medien erfuhr ich, daß sich Litauen etwa zeitgleich mit deutschen Panzern aufrüsten, Kriegsmaterial an die Ukraine verkaufen und sich um die Stationierung von NATO-Besatzungstruppen bemühen will.
Noch einmal Peter Ustinow: "Es mache sich jeder selbst seinen Vers auf diese Ungereimtheit."

Dr. med. Gerd Machalett, Siedenbollentin


An Herrn Ramelow, den Ministerpräsidenten des Freistaates Thüringen, habe ich mich mit mehreren Schreiben gewandt, von denen ich die RF-Leser knapp informieren möchte. Ausgangspunkt war Ramelows Ankündigung in der "Ostseezeitung", er beabsichtige, "die Unrechtsgeschichte der SED gemeinsam mit anderen Ministerpräsidenten der ostdeutschen Länder aufzuarbeiten."
Ramelows Antwort war symptomatisch für die Position der Rechten innerhalb der Linkspartei: Bloß nicht konkret werden und auf keinen Fall einer Zusammenarbeit mit der SPD Steine in den Weg legen.
Sinngemäß schrieb ich an Ramelow: "Sie waren doch Bürger der alten BRD! Warum arbeiten Sie nicht mit Hilfe der Ministerpräsidenten westdeutscher Länder das dort begangene Unrecht auf?" Dabei gab ich dem Adressaten meines Schreibens einige Hinweise. Ich erwähnte die Tatsache, daß Konrad Adenauer schon 1947 den Nazigeneral Halder zu der Frage konsultiert hat, wie man im Westen eine neue Wehrmacht ins Leben rufen könne. Ab 1948 hatten dann gleichartige Gespräche mit den faschistischen Generälen Heusinger, Speidel und Trettner sowie dem Oberst im Generalstab des Heeres de Maizière - dem Vater des heutigen Innenministers - stattgefunden. Später war dann Hitlers Spionagegeneral Gehlen mit dem Aufbau des BND beauftragt worden, während 1954 das "Amt Blank" geschaffen worden war, aus dem das Bundesverteidigungsministerium hervorging. Auch Blank war Nazioffizier. Übrigens erhielt ich von Ramelow keine Antwort auf die von mir aufgeworfenen Fragen, wobei ich ohnehin der Meinung bin, daß weder die Probleme der DDR noch jene der Alt-BRD in den Zuständigkeitsbereich des Landes Thüringen gehören.

Horst Kolbe, Hanstorf


Mich hat die Nachricht zutiefst enttäuscht, daß Thüringens den Regierungschef stellende "Linke" der Aufrechterhaltung des Verfassungsschutzes in diesem Bundesland mit einem Millionenbetrag im Haushalt zugestimmt hat. Die Abschaffung dieser Behörde war doch eine zentrale Forderung im Wahlprogramm der "Linken" gewesen. Wie versprochen, so gebrochen! Da fühlt man sich als mündiger Bürger mehr als getäuscht und empfindet es nicht als ein Wunder, wenn die Zahl der Wahlverweigerer immer weiter zunimmt.

Raimon Brete, Chemnitz


Zu ihrer sehr guten Zeitschrift kann ich Ihnen nur gratulieren! Die Themenvielfalt und die Mischung aus Historischem und Aktuellem - bravo!
Auf Papier las ich den RF im letzten Jahr in der Hamburger Thälmann-Gedenkstätte, nun würde ich ihn gerne abonnieren.

Marian Rose, Brandenburg

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2016

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