Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

ROTFUCHS/125: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 171 - April 2012


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

15.‍ ‍Jahrgang, Nr. 171, April 2012



Inhalt

- Ein Skrupelloser als "moralische Instanz"?
- Letzte Auschwitz-Überlebende an BRD-Spitze: Faschistenbanden endlich verbieten!
- Tiefe Trauer um Fritz Teppich
- "Zwangsheimkinder" wollen Bares
- Unchristliches vom Mann einer Pfarrerin
- Ernst Machacek: Die Vision eines Blinden
- Margot Honecker zum 85.
- Kasseler Grundsicherungsrentner: Genießer ohne Genüsse
- Demagoge im Talar: Rainer Eppelmann
- Dumpfbacken und Brunnenvergifter
- Die "Traumkonstellation" des Sebastian Nerz
- Jeder siebte Mensch hungert
- "RotFuchs"-Seminar an der Uni Rostock
- Von Aktie bis Zocker - ein Abc aus München
- Streit um des Kaisers Bart
- Kein Gedanke an Flucht
- Selbst ein Narr sagt nicht nur Falsches
- Maske in Rot: Zum "Kleinen Schwarzbuch der Sozialdemokratie"
- Käthe Kollwitz: "Meine Kunst hat Zwecke"
- Marxismus für Einsteiger: Was bedeutet Kommunismus?
- Broterwerb bei Beutejägern - Erfahrungen eines "Treuhänders"
- RF-Extra - Wie der Westen den Weg zur deutschen Einheit vermauerte
- RF-Extra - Christa Wolf: "Ich wollte kein anderes Leben als das"
- Hans Modrow: Gerechtigkeit für Zbigniew Wiktor!
- Vom Teufel geritten
- Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts: Das Massaker an den Hereros
- Lateinamerika: CELAC läutete Ende der OAS ein
- Kein "Wegtauchen" für Israels U-Boote
- Athen: PAME zählt jetzt 800 000 Mitglieder
- Gagarins Vermächtnis verteidigen!
- Grüße nach Minsk
- Ungarn: Verwesungsgeruch eines Reichsverwesers
- Erich Weinert - Poet der Proletarier
- Worpswede unterm Hakenkreuz
- Wie ich "Pelle" wieder auf die Pelle rückte
- Das allerjüngste RF-Mitglied wird bald 98!
- Cornelias kleine große DDR (5) - Wie Archie von der Kur kuriert wurde
- Träumer
- Leserbriefe

Wulff unter Wölfen

Von meinen Prinzipien abweichend möchte ich mich ausnahmsweise einmal für einen politischen Gegner "ins Zeug legen". Er wurde nämlich unfairerweise vom eigenen Wolfsrudel angefallen, obwohl er sich völlig artgerecht verhalten hat. Denn Vorteilsnahme gilt unter Bourgeois als Routine. Auch Vertuschung, wenn man sich durch besonderes Ungeschick bei der Spurenverwischung eine Blöße gegeben hat.

Ich finde es einfach unanständig, wie der gestürzte BRD-Präsident von den eigenen Artgenossen zum allgemeinen Fußabtreter erklärt wurde, obwohl er sich doch ganz im Sinne der Moralvorstellungen seiner Klasse bewegt hat.

So ein "Häuschen" wie jenes, bei dessen Errichtung reiche Kreditgeber dem Bauherrn mal rasch mit einer halben Million aus der Klemme halfen, besaßen in der DDR - zu weitaus günstigeren Konditionen - die meisten Handwerksmeister und viele LPG-Bauern.

Weitaus gravierender scheinen mir - wenn schon von Missetaten die Rede ist - Wulffs "Engagement" am Afghanistan-"Theater", wie die Amerikaner Kriegsschauplätze zu bezeichnen pflegen, und seine diffamierenden Äußerungen zur DDR. Die hat der Expräsident, den die niedersächsische Justiz eines Verstoßes gegen die Strafgesetze bezichtigt, nämlich "verbrecherisch" genannt.

Die vom SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel zur Schau gestellte Empörung - in seiner Pauschalkritik an der Kanzlerpartei sparte er Angela Merkel auffälligerweise aus - ist nicht mehr als eine schlecht in Szene gesetzte Schmierenkomödie. Der vom Exbundeskanzler und heutigen Konzernmagnaten Gerhard Schröder protegierte Schulmeister aus Wulffs Niedersachsen träumt doch lediglich davon, bei möglichst vorgezogenen Bundestagswahlen mit der CDU ins Koalitionsbett zu steigen und dann mit Merkel unter einer Decke zu stecken.

Daß Wulff von der eigenen Partei nach seiner gewisse Einblicke gewährenden Lindauer Rede vom 24. August 2011 den Wölfen zum Fraß vorgeworfen und trotz des ebenso hohen wie hohlen Amtes, das er bekleidete, zum Spucknapf bourgeoiser Medien wurde, ist ein sicheres Indiz: Offensichtlich gibt es in der CDU weiter rechts stehende Kräfte mit erheblichem Einfluß, die den Präsidenten ausbooten wollten.

Oder sagte man Wulff und meinte in Wahrheit Merkel, die ihn erfunden und damit einen Konkurrenten aufs tote Gleis geschoben hatte? Denn auch die derzeit "mächtigste Frau Europas" besitzt kompromißlose Widersacher im eigenen Lager. Leute wie Abrißminister Ramsauer, der das Berliner Marx-Engels-Denkmal schleifen oder zumindest verstecken möchte, der forsche Generalssohn und Kriegsminister de Maizière sowie der faschistoide CSU-Hexenjägermeister Dobrindt, der unverhohlen auf ein Verbot der Partei Die Linke drängt, konnten sich gewiß ein weniger blasses und zaghaftes Staatsoberhaupt als den vergleichsweise zahm-zivilen Amtsinhaber a.D. vorstellen.

Zu den Einpeitschern der Anti-Wulff-Kampagne gehörte neben der "Bild"-Zeitung, deren auf Schlammschlachten spezialisierter Chefredakteur den ersten Mann im Staate wie seinen Volontär behandelte, auch das von Beginn an CDU-gesteuerte ZDF. Dessen Macher und Moderatoren ließen keine Gelegenheit aus, den bisherigen Hausherrn im Schloß Bellevue Tag für Tag mehr vorzuführen.

So weiß jetzt alle Welt, daß die Monopolmedien nicht - wie immer behauptet - nach Legislative, Exekutive und Gerichtsbarkeit die vierte, sondern vielmehr die erste Gewalt im "freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat" BRD sind.

Durch die jedes Maß sprengende Treibjagd auf den Präsidenten sollten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Erstens ging es darum, den bereits abgewrackten antikommunistischen Großinquisitor Gauck wieder aus der Versenkung zu holen und als von "Bild" gestylten "Präsidenten der Herzen" auf den Schild zu heben. Zweitens wurde ein gigantisches Ablenkungsmanöver angeschoben, um die zu jener Zeit alles überlagernde Verquickung der bundesdeutschen Nazi-Szene mit dem rechtsäugig blinden Verfassungsschutz aus Schlagzeilen und von Bildschirmen zu verdrängen. Da kam die vergleichsweise harmlose "Affäre Wulff" gerade recht. So blies man bourgeoises Normalverhalten zum Riesenskandal auf und gab das Staatsoberhaupt für den Abschuß frei.

Und einen weiteren Aspekt sollte man im Auge behalten: In aller Stille beginnt sich - nach dem Aus für die Dilettanten- und Wichtigtuerpartei FDP - eine neue politische Kraft zu formieren, bei der die wirklich Mächtigen Regie führen. Ex-Unternehmerverbandspräsident Hans-Olaf Henkel, der von ihm selbst in die Welt gesetzte Gerüchte eifrig dementiert, ist wohl mehr als der Träger des Namens einer bekannten Waschmittelmarke. Er weiß so "verläßliche Leute" wie den früheren BDI-Geschäftsführer Merz sowie die "Sozialdemokraten" Clement und Sarrazin in seiner Nähe. Auch aus der Ecke des Herrn Koch dürfte es nicht an Komplizen und Komparsen fehlen.

Jene aber, die jetzt eine neue Platte auflegen, steuern noch weit schrillere und schlimmere Töne zur antikommunistischen Kakophonie bei, als wir sie bisher gehört haben.

Klaus Steiniger

Raute

Ein Skrupelloser als "moralische Instanz"?

Zu ihrem Neujahrsempfang hatte die SPD, Unterbezirk Gießen, mit Joachim Gauck einen Festredner eingeladen, der zehn Jahre lang Herr über die "Stasi"-Akten gewesen ist. Als Pastor, als ostdeutscher "Bürgerrechtler", ja, als "moralische Instanz" hatte er es 2010 bis zu seiner ersten Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten gebracht.

Über einige Details seiner Vergangenheit möchte Gauck heute gerne den Mantel des Schweigens ausbreiten. Wie der "Spiegel" in Nr. 17/91 berichtete, hat er sich im Sommer 1990 stundenlang mit den über ihn angelegten Akten (Vorgang "Larve") ohne Gegenwart anderer im Archiv der Rostocker Bezirksverwaltung des MfS beschäftigt.

Kaum einer weiß, daß Gauck seiner Kontaktsuche zum Ministerium für Staatssicherheit manche Privilegien verdankte. Nur ein Beispiel: Seine beiden Söhne durften in die BRD übersiedeln und konnten danach jederzeit wieder Besuche in der DDR abstatten. Und auf Gaucks Wunsch wurde ein VW-Transporter eigens für seine persönlichen Zwecke importiert. Ähnliches bestätigte auch "Die Welt", die am 23. April 1991‍ ‍über ein 90minütiges Gespräch berichtete, das Gauck am 28. Juli 1988‍ ‍mit MfS-Hauptmann Terpe geführt hatte. Im Protokoll darüber findet man solche engagierten Äußerungen des Pfarrers wie, es sei "dringend notwendig, die Attraktivität des Sozialismus entscheidend zu steigern" oder: Die Bürger müßten "ein echtes Heimatgefühl entwickeln". Überdies habe Gauck beteuert, "daß letzten Endes auch er versagt und nicht alles dafür getan habe, daß seine Kinder in der DDR blieben". Er erkundigte sich abschließend danach, ob er sich, wenn er ein Problem habe, vertrauensvoll an das MfS wenden könne.

Opportunisten hat es immer gegeben, doch die Art dieses Saubermannes, der Privilegien einheimste und es sich in der DDR gemütlich machte, um anschließend zum Großinquisitor zu mutieren, ist schon perfide. Ohne Skrupel wurden unter seiner Leitung alle, die irgend etwas mit dem MfS zu tun gehabt hatten, angeprangert und verfolgt. Oft reichte ein Wink aus der Gauck-Behörde für eine Hexenjagd bis zur Existenzvernichtung. Übrigens haben hauptamtliche Mitarbeiter der "Stasi" und deren "IM" nicht mehr getan als andere Geheimdienstler auch, nur daß die einen im Solde des Kapitals stehen, während die anderen den Sozialismus verteidigten. Verglichen mit Verfassungsschutz und BND waren sie allerdings die reinsten Waisenknaben. Und Nazi-Mörderbanden wurden von ihnen nicht gedeckt, sondern entdeckt. Gauck hat im Dienste der Siegerjustiz geholfen, die DDR zu "delegitimieren", wie es der damalige Justizminister Klaus Kinkel 1992 gefordert hat. Dafür verlieh man ihm 1999 den Doktortitel - honoris causa ("ehrenhalber"). Müßte es hier nicht eher heißen: humoris causa?

Erika Beltz

Gießener Echo, Januar 2012

Raute

Letzte Auschwitz-Überlebende an BRD-Spitze: Faschistenbanden endlich verbieten!

In großer Sorge wenden wir uns heute an Sie. Antisemitische, rassistische und neofaschistische Ideologie und Praxis finden Akzeptanz bis in die Mitte der Gesellschaft. Sie, die Regierenden, tragen Mitverantwortung an den "deutschen Zuständen" heute, an der Ökonomisierung des Denkens, an der Entsolidarisierung der Gesellschaft, und, daraus folgend, an der sozialen Spaltung, die Ängste schürt. Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit haben heute wieder Konjunktur in Deutschland.

In Zeiten, in denen hierzulande mindestens zehn Menschen von einer rechten Terrorbande ermordet wurden, weil sie türkische und griechische Namen trugen und mindestens 13 Jahre lang der "Nationalsozialistische Untergrund"/NSU unter den offensichtlich rechts zugedrückten Augen der Polizei, der Justiz und des Verfassungsschutzes wütete;

in Zeiten, da 182 Tote durch Gewalt von Nazis und Neonazis in den vergangenen 20 Jahren von den Regierenden scheinbar übersehen wurden, obwohl doch Ausstellungen wie "Opfer rechter Gewalt" seit Jahren vielerorts gezeigt wurden, einschlägige Websites und Foren mit unendlicher Mühe von NGOs, Bürgerinitiativen und Opferverbänden ganz öffentlich zugänglich waren und sind;

in Zeiten, in denen selbst im Winter Menschen schon wieder nachts aus dem Schlaf gerissen und abgeschoben werden, Bürgerkriegsflüchtlinge, Roma, Familien mit Kindern, Alte und Kranke in elende Zustände gewaltsam verbracht werden, obwohl auch Überlebende des Holocaust, die im Exil Zuflucht fanden, immer wieder das Bleiberecht anmahnen;

in Zeiten, in denen ungeachtet zahlreicher Proteste, trotz Mahnungen von Überlebendenorganisationen, von den Zentralräten der Juden und der Muslime, von Wissenschaftlern die Fachministerin beratungsresistent bleibt. Wir müssen uns als Fremde für die Ministerin Schröder schämen, die durch ihre sogenannte Extremismusklausel Überlebendenorganisationen und seit Jahrzehnten ehrenamtlich arbeitende Initiativen gegen rechts mit dem Generalverdacht überzieht, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen. Bespitzelung und Verdächtigung statt Aufklärung und Anerkennung, Geld nur gegen Gesinnungsschnüffelei - wie groß wird der Scherbenhaufen sein, den das Ministerium hinterläßt?;

in Zeiten, in denen schon wieder obrigkeitsstaatliches Denken Konjunktur hat, durch das Befolgen von Befehlen und Anordnungen selbst bei Frosttemperaturen mit Wasserwerfern auf Menschen geschossen wird, die in friedlichen Blockaden sich mutig auf die Straßen der Städte setzen, um marschierende Neonazis zu stoppen. Gegen sie wird Tränengas in gesundheitsgefährdenden Mengen eingesetzt. Der Vertrauensverlust in demokratische Zustände ist kaum zu ermessen, wenn Demonstranten weggespritzt und anderweitig traktiert, Menschen bespitzelt, überwacht und ausgehorcht, Mobilfunkdaten mißbraucht, Immunitäten von Abgeordneten aufgehoben werden;

in Zeiten, in denen selbst ein Shoa-Überlebender wie Ernst Grube, VVN-BdA-Vorsitzender in Bayern, vom Nachrichtendienst überwacht und als Zeitzeuge diskreditiert wird;

in Zeiten, in denen die NPD und neofaschistische Kameradschaften ganze Regionen zu "national befreiten Zonen" erklären und die NPD immer noch nicht verboten ist, mischen wir uns ein und fordern Sie auf: Handeln Sie, jetzt!

Sieben Sofortmaßnahmen schlagen wir Ihnen vor:

Schluß mit der öffentlichen Subventionierung neofaschistischer Organisationen durch V-Leute! Wir fordern gründliche und parlamentsöffentliche Aufklärung der Morde sowie der Verfehlungen und Verstrickungen des Verfassungsschutzes und der Polizei in die Bluttaten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" und ähnlicher Geheimbünde.

Schluß mit der Un-Kultur des Verdachts und der Gleichsetzung "Rot gleich Braun"; wir fordern gründliche und öffentliche Aufarbeitung aller Todesfälle durch rechte Gewalt in den vergangenen 20 Jahren!

Schluß mit den Abschiebungen, Bleiberecht für alle, insbesondere für Roma und Sinti!

Schluß mit den Verdächtigungen staatlich nicht kontrollierter Projekte und Initiativen gegen rechts!

Schluß mit der Gewalt gegen Menschen, die ihren eigenen Körper in friedlichen Sitzblockaden gegen Neonaziaufmärsche einsetzen, die großen Mut beweisen und unsere Hoffnung auf eine bessere Zukunft sind! Schluß mit der Kriminalisierung!

Schluß mit der Überwachung von Überlebenden des Holocaust! Die Diskreditierung ihrer Zeitzeugenarbeit, wie z. B. bei Ernst Grube in Bayern, muß sofort beendet werden!

Und Sie, Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, und die Bundesregierung fordern wir wiederum auf: Verbieten Sie endlich nach Artikel 139 des Grundgesetzes und entsprechend dem Potsdamer Abkommen die NPD und alle faschistischen Nachfolgeorganisationen, ihre Schriften, ihre Embleme, ihre Aktivitäten! Das sind wir den Millionen Opfern der faschistischen Verbrechen schuldig.

Bitte unterrichten Sie uns über Ihre Maßnahmen.

Esther Bejarano, Vorsitzende
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V.

Raute

"Zwangsheimkinder" wollen Bares

Seit Monaten wird alle Welt mit Meldungen über Rettungsschirme zur Behebung der Euro-Krise derart bombardiert, daß es niemand mehr hören oder lesen kann. Da muß ein neues Geisterwort her. Es heißt "Zwangsheimkinder" der DDR. Ehemals in Jugendwerkhöfe Eingewiesene haben auf Grund entsprechender Empfehlungen einen "Interessenverband" gegründet, berichtete die "Schweriner Volkszeitung".

Die Nicht-Unantastbarkeit des Menschen in kirchlichen Heimen der alten BRD war in Blättern und auf Bildschirmen bis zur Neige ausgekostet worden. Das Thema galt als abgegessen. Die Schuld wurde zwar nicht gesühnt, aber einiges Geld ist als "Kompensation" geflossen. Dem Papst war die Angelegenheit sichtbar peinlich. So rief er zu "mehr Glauben" oder mehr zu glauben auf, damit die Zahl der Seligen nicht weiter abnehme.

Doch zurück zu den angeblich gequälten und mißbrauchten Heimkindern der DDR. Wer weiß schon in den alten Bundesländern, daß es ganz unterschiedliche, in aller Regel staatlich geleitete Heime gab? Glaubt man der bürgerlichen Boulevardpresse, dann existierten nur "SED-Zwangsheime", die von der "roten Diktatur" eingerichtet worden waren, um aufsässige junge "Regimegegner", die sich der "kommunistischen Einheitsschule" widersetzten, zur Raison zu bringen. Nach BRD-Maßstäben zur Delegitimierung der DDR handelte es sich bei den auf solche Weise Gepeinigten um aufrechte Widerstandskämpfer und Bürgerrechtler. Sie hätten ihren Individualismus gegen den Kollektivismus der SED, gegen ihnen auferlegte Zwänge und Arbeitspflichten gestellt, seien also für die Freiheit des eigenen Willens und für totale "Selbstverwirklichung" eingetreten. Muß man etwa noch mehr Gründe aufzählen, um zu begreifen, warum von solchem Leid Betroffene den Status von Opfern des "stalinistischen Unrechtsregimes" erlangen wollen?

Es ist doch recht obskur: Derart Drangsalierte haben 22 Jahre lang Nacht für Nacht an das Erlittene gedacht, ohne etwas zu unternehmen, um zu ihrem "Recht", zur Tilgung einst über sie verhängter Strafen und zu angemessener finanzieller Entschädigung durch den "Rechtsstaat" zu gelangen! Sie verfolgten jedoch das Geschehen in der Bundesrepublik sehr aufmerksam. Dabei nahmen sie wahr, welche stattlichen Summen von den beiden großen Kirchen gezahlt worden sind, um von deren Priestern begangenes Unrecht "wiedergutzumachen". Medien nannten das ein "Zeichen der Versöhnung", was zwangsläufig Nachahmer auf den Plan rufen mußte. Zu ihnen zählten auch die vermeintlichen Zwangsheimkinder der DDR. So fanden sie endlich den "Mut", sich zu offenbaren. Wer will es ihnen verdenken, daß sie dem "Beispiel" der durch Geistliche Geschändeten nacheiferten.

Geld des Steuerzahlers aber verwaltet nun einmal die Regierung. Sie gibt es nicht ohne Gegenleistung aus. Der Schaden für die Seele muß "staatsfördernd" begründet werden. Da ist es am erfolgversprechendsten, wenn man Vokabeln wie "Stasi", "Unrechtsstaat" und "SED-Regime" möglichst gebündelt der Medienwelt zukommen läßt. Das lenkt zugleich vortrefflich von gravierenden Übeln in bundesdeutschen Landen ab. Natürlich darf dabei auch der Name Margot Honecker als der "obersten Übeltäterin" nicht fehlen. Tatsächlich wurden in den Jugendwerkhöfen auf gesetzlicher Grundlage nur solche mindestens 14jährige untergebracht, die von der schiefen Bahn weggeholt und erzogen werden sollten. Die soziale Schräglage mußte schon gravierend sein, wenn junge Leute dort eingewiesen wurden, um an Ordnung, Pflichten, Arbeit, Zuverlässigkeit und andere Tugenden gewöhnt zu werden. Sie lebten in Kollektiven unter Aufsicht erfahrener Pädagogen, die nicht nur ihr Fach beherrschten, sondern sich auch der keineswegs leichten Aufgabe unterzogen, die ihnen Anvertrauten vor einem Schmarotzerleben zu bewahren und nach Abschluß des Erziehungsprozesses in die Gesellschaft zu entlassen.

Haben die inzwischen in die Jahre gekommenen Mitglieder des jetzt gegründeten "Interessenverbandes ehemaliger DDR-Heimkinder" all das aus ihrem Gedächtnis gestrichen?

Und vor allem: Warum tut man so, als ob es in der DDR nur Jugendwerkhöfe, nicht aber eine beachtliche Zahl ganz normaler Heime für Kinder und Heranwachsende gegeben habe? Meines Wissens existiert bislang noch kein Gegenprojekt jener, welche sich mit Freude und Dankbarkeit an ihre schöne Zeit in solchen Heimen erinnern. Das wäre doch von Nutzen, auch wenn es nicht zu jener das Bildungs- und Erziehungswesen der DDR schmähenden Karikatur paßt, welche die in der BRD den Ton Angebenden vom sozialistischen deutschen Staat verbreiten. Ein solcher - positiver - Interessenverbund würde in den Medien der Bourgeoisie allerdings wohl kaum Erwähnung finden.

Hans Jürgen Grebin, Rostock

Raute

Unchristliches vom Mann einer Pfarrerin

Gilbert Furian ist seit 2000 "Referent" in Knabes Hohenschönhausener Gruselkabinett. Er durfte der Bundeskanzlerin seine "Stasihölle" vorführen und tritt - wie andere seines Schlages - bei sich bietenden Anlässen öffentlich auf.

Am 2. September 2011 war er Podiumsgast einer Veranstaltung der Berliner "Kiezspinne". Als Moderator fungierte der Vorsitzende des dieses Haus betreibenden Nachbarschaftlichen Interessenverbundes Manfred Becker (SPD). Thema waren die Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR zu Westberlin vom August 1961. Unter den Teilnehmern befand sich die 11.‍ ‍Klasse der Mildred-Harnack-Oberschule aus der Schulze-Boysen-Straße. Zwei Namen von den Faschisten hingerichteter Widerstandskämpfer der "Roten Kapelle"!

Furian referierte zum Thema "Biografie unter Mauerbedingungen". Sein "Vortrag" wurde aufgezeichnet. Er bediente die üblichen antikommunistischen Klischees, welche die reale Entwicklung in der DDR nicht widerspiegeln.

Unter der Schlagzeile "Selbstmord nach Stasi-Vorwurf" hatte das ND am gleichen Tag über ein schlimmes Ereignis in Blankenfelde-Mahlow - einer Gemeinde im Berliner Umfeld - berichtet. Dort tötete sich eine 43jährige Mitarbeiterin des Ordnungsamtes selbst, nachdem sie wiederholt auf ihrer Arbeitsstelle und bei anderen Empfängern per Fax anonym denunziert worden war, Mitarbeiterin des MfS gewesen zu sein. Ein Veranstaltungsteilnehmer in der "Kiezspinne" wollte von Furian wissen, welche Meinung er zu diesem schrecklichen Vorfall vertrete und ob es nicht an der Zeit sei, den Hexenjagden ein Ende zu setzen. Knabes "Referent" erklärte daraufhin: "Ich sage das jetzt ganz drastisch: Solange ehemalige Spitzel wichtige Positionen in Parlamenten dieses Landes haben, kann damit nicht aufgehört werden ­..."

Diese infame Äußerung bezog sich auf den Freitod einer Frau, die zum Zeitpunkt des Untergangs der DDR nicht älter als 22 gewesen sein kann. Der Mann, der das von sich gab, ist mit einer evangelischen Pfarrerin verheiratet!

Herbert Kierstein, Bestensee

Raute

Ernst Machacek - Lehrer, Minister und Vorausschauender

Die Vision eines Blinden

Wer an Ernst Machacek denkt, erinnert sich eines Mannes mit außergewöhnlichen Eigenschaften. Er war unglaublich belesen, ohne andere mit seinem Wissen zu erschlagen. Er war tolerant und zugleich prinzipienfest, umgänglich, aber bestimmt. Und er war in der Gegenwart verwurzelt, träumte jedoch von einer besseren Zukunft.

Wir begegneten einander zum ersten Mal Mitte der 50er Jahre als sehr junge Direktoren von Instituten für Lehrerbildung. Ernst leitete eine solche Einrichtung in Weißenfels, ich war mit der gleichen Aufgabe in Meiningen betraut. Immer, wenn die Hauptabteilung Lehrerbildung im Ministerium für Volksbildung die Institutsdirektoren zu Beratungen oder Kursen nach Berlin einlud, saßen wir zusammen, tauschten Erfahrungen über die Arbeit mit dem Lehrernachwuchs aus. Zwischen uns stimmte - wie man so sagt - die Chemie.

Als ich für einige Jahre eine andere Aufgabe zugewiesen bekam, riß unser persönlicher Kontakt zeitweilig ab. Erst Mitte der 60er begegneten wir einander erneut. Ernst war inzwischen zum Stellvertretenden Volksbildungsminister der DDR avanciert, ich arbeitete als Redakteur der "Deutschen Lehrerzeitung".

Später hatten wir - aufgabenbedingt - wieder häufiger miteinander zu tun. Doch dann folgten zwei Jahrzehnte, in denen wir uns buchstäblich aus den Augen verloren. Ernst arbeitete an einem Buch, dessen gedanklicher Bogen sich von den Anfängen der Lehrerbildung in Deutschland bis in die Zeit der DDR spannte. Ein schrecklicher Unfall, an dessen Folgen er bis zu seinem Lebensende litt, unterbrach diese schöpferische Arbeit. Mich hatten andere Ereignisse aus einer kontinuierlichen beruflichen Entwicklung geworfen.

Erst 2008 sahen wir uns wieder. Ich war hoch erfreut, eine Einladung zu einem Symposium zu erhalten, welches Freunde Prof. Machaceks am 6. Dezember anläßlich seines 85. Geburtstages organisiert hatten. Bei unserer Begrüßung erkannte er mich an der Stimme, nicht aber am Äußeren. Seine Sehkraft war durch eine fortgeschrittene Makula-Degeneration erheblich eingeschränkt. Doch dann sprach er fast eine Stunde frei über den Inhalt seines Buches, welches durch die Zeitumstände leider nicht mehr abgeschlossen werden konnte.

Tage darauf telefonierten wir des öfteren miteinander. Bald verlor Ernst gänzlich sein Augenlicht, und da seine Frau das gleiche Schicksal ereilte, war ein Umzug aus der Leipziger Straße Berlins in die Blindenwohnstätte Weißensee unumgänglich. Am Telefon erzählte mir Ernst in berührenden Worten, wie sehr ihn diese Veränderung in seiner Lebensqualität getroffen habe. Vor allem schmerzte ihn die Trennung von seinen 5000 Büchern.

Und noch eines konnte er, wie Ernst mich wissen ließ - nicht verwinden: Zeit seines Berufslebens hatte er sich um die Erziehung der ihm anvertrauten Schulkinder - und später um die nachfolgenden Lehrergenerationen - zu friedliebenden Staatsbürgern bemüht. Im hohen Alter aber wurde er von den heutigen Machthabern, die Tausende junge Menschen wieder in einen Krieg geschickt haben, wegen "Nähe" zum ersten deutschen Friedensstaat mit Rentenkürzung bestraft.

Am 26. Oktober 2010 haben wir, seine Genossen und Freunde, Ernst Machacek in Berlin-Weißensee auf seinem letzten Weg begleitet.

Auch für ihn galten die Worte des in der Haft erblindeten langjährigen Nationalvorsitzenden der KP der USA, Henry Winston, der nach seiner Freilassung sagte: "Ich habe meine Sehkraft verloren, nicht aber meine Vision."

Helmuth Hellge

Raute

Was sich ein Grundsicherungsrentner alles nicht leisten kann

Genießer ohne Genüsse

Ich erwache. Klar, selbst Grundsicherungsrentner wachen auf, auch wenn es dem Staat vielleicht lieber wäre, sie würden bald gar nicht mehr aufwachen ...

Nach dem Frühstück kommt dann das erste NEIN! Ich höre auf Hessen-Radio-Info, daß "Gerd Brabbelblutz", ein von mir geliebter Musiker, bei uns in Kassel auftritt. Mich durchfährt es wie ein Blitz - TOLL! Äh ... NEIN, das geht ja nicht, der Eintritt ist zu teuer, ganz abgesehen von der Fahrkarte. Da ist nichts zu machen.

Also erst mal was für die Gesundheit tun. Mein Arzt hat mir gesagt, ich solle täglich wegen des Cholesterinspiegels Walnüsse zu mir nehmen. Wieder ein eindeutiges NEIN: Walnüsse kosten zu viel ...

Aber einkaufen müßte ich schon mal. Also rein in die Sommerschuhe mit Lüftung an der Seite, obwohl gerade Winter mit Frosttemperaturen ist. Warum ich mir das antue? Ganz einfach, ich habe nur dieses eine Paar, muß erst sparen, bis ich mir was Vernünftiges kaufen kann. Habe bei der Schuhsuche leider zu oft NEIN sagen müssen ... Weil das Geld zum Beispiel für die Praxisgebühr gebraucht wurde. Beim Einkaufen freue ich mich dann aber doch über die Wärme im Supermarkt, denn die Füße sind schon recht kalt geworden.

Es gibt wirklich viele schöne Sachen in dem Laden, aber für mich liegt das meiste ganz unten. Die sogenannte Bückware kommt meinen chronischen Rückenschmerzen nicht gerade entgegen, doch was soll ich machen, es geht halt nur das Billigste, und das liegt fast immer in der letzten Reihe.

Eine Frau spricht mich an und meint, ich solle doch mal das Produkt der Firma Klaboinga versuchen, das stehe gleich hier oben und wäre viel besser als das Zeug, nach dem ich da unten gerade greife. Überdies sei es Bio-Ware, und wir hätten schließlich eine Verantwortung der Welt gegenüber ... Ich kann mich nicht halten und fauche sarkastisch zurück: "Das ist nur für jene, welche das auch verdient haben. Offensichtlich gehöre ich nicht dazu!"

Der "Einkauf" besteht noch aus unzähligen NEINS, aber es ist doch schön zu sehen, wie andere einfach zugreifen ohne Ende ...

An der Kasse kommt dann die bittere Wahrheit. Wieder mehr als gehofft! Oh Gott, das Geld muß noch zwei Wochen reichen ... Dabei hätte ich auch mal gerne ... ach, lassen wir das ... Und obendrein bin ich auch noch Vegetarier. Viele pflanzliche Produkte aber kann man fast mit Gold aufwiegen ...

Ich recherchiere deshalb im Internet, wo vegetarische und andere Sachen günstiger zu bekommen sind, wenn es auch oft sehr viel Zeit kostet, nach den niedrigsten Preisen zu fahnden und das Porto für die Lieferung den Vorteil wieder wegnimmt. Übrigens sind auch die Kosten des Anschlusses für mich recht heftig.

Aber was soll's! Schließlich kann ich mich ja ein wenig bilden, vielleicht am Nachmittag mal ins Museum ... Im Regelsatz sind ja 1,30 Euro für Bildung drin, doch dafür werde ich wohl kaum eine Eintrittskarte bekommen, also lassen wir auch das.

Nachdem ich den Einkauf heimgeschleppt habe - ein Auto oder eine Busfahrkarte kann ich mir nicht leisten - breche ich in meiner Wohnung fast zusammen. Zum Glück liegt mein Asthma-Spray, für das ich allerdings 5 Euro zuzahlen mußte, ganz in der Nähe.

Im Regelsatz für 2010 sind gerade mal 132,83 Euro im Monat vorgesehen - wie ich mich damit vier Wochen lang gesund ernähren soll, bleibt mir ein ewiges Rätsel ...

Dann höre ich im Radio einen tollen Politiker erzählen: "Ja, der Regelsatz ist auch deswegen so wie er ist, damit er Anreize schafft, wieder arbeiten zu gehen, damit man sich nicht darauf ausruht ..." Ich schalte gerührt aus, zumal er ja auch für mich gilt - den Rentner, den dauerhaft Arbeitsunfähigen ... Wie um Gottes willen soll ich das nun wieder verstehen?

Na ja, egal, nur noch ein ganz kleiner Tip für die Leser: Schaut mal gaaanz unten im Regal nach, da liegen immer die billigen Spaghetti für 39‍ ‍Cent ... Irrtum, auch dieser Traum ist leider ausgeträumt: Die kosten jetzt nämlich überall 49 Cent. Die Marktbesitzer wissen genau, bei wem sie sich das Geld holen!

Ich setze mich jetzt vor meinen kaputten Fernseher und schaue mir das Schwarz-Weiß-Bild an, denn für einen neuen mit Farbe ist schon lange kein Geld da.

Allen einen schönen Abend!

Peter Koch, Kassel

P.S. Ich halte mich übrigens an Lenin. Der hat mal geschrieben: "Der Große erscheint nur groß, wenn wir vor ihm auf Knien rutschen."

Raute

Vom Friedensheuchler zum Abrüstungsgegner: Rainer Eppelmann

Demagoge im Talar

Am 25. Januar 1982 veröffentlichte Pfarrer Rainer Eppelmann den "Berliner Appell", der durch eine Unterschriftensammlung massenwirksam werden sollte. Zur gleichen Zeit präsentierte der sächsische Landesjugendpfarrer Harald Bretschneider das Logo für "Schwerter zu Pflugscharen". Es wurde als Aufnäher in Herrnhut produziert und durch protestantische Pfarrer verbreitet. Vieles, was im Eppelmann-Aufruf stand, wirkte zupackend und schlüssig. Da las man zum Beispiel:

"Wenn wir leben wollen, fort mit den Waffen! Und als erstes: Fort mit den Atomwaffen! Ganz Europa muß atomwaffenfreie Zone werden. Wir schlagen Verhandlungen zwischen den Regierungen der beiden deutschen Staaten über die Entfernung aller Atomwaffen aus Deutschland vor."

Und weiter hieß es: "Das geteilte Deutschland ist zur Aufmarschbasis der beiden großen Atommächte geworden. Wir schlagen vor, diese lebensgefährliche Konfrontation zu beenden. Die Siegermächte des 2. Weltkrieges müssen endlich die Friedensverträge mit den beiden deutschen Staaten schließen, wie es im Potsdamer Abkommen von 1945 beschlossen worden ist. Danach sollen die ehemaligen Alliierten ihre Besatzungstruppen aus Deutschland abziehen und Garantien für die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der beiden deutschen Staaten vereinbaren." So weit, so gut.

Doch dann kam Eppelmann zur Sache. Er wandte sich nämlich mit einem Fragenkatalog direkt an die Regierung der DDR. Darin stand u. a.: "Sollten wir nicht anstelle des Wehrkundeunterrichts an unseren Schulen einen Unterricht über Fragen des Friedens einführen? Sollten wir nicht anstelle des jetzigen Wehrersatzdienstes für Kriegsdienstverweigerer auch sozialen Friedensdienst zulassen?

Sollten wir nicht auf alle Demonstrationen militärischer Machtmittel in der Öffentlichkeit verzichten und unsere staatlichen Feiern statt dessen dazu benutzen, den Friedenswillen des Volkes kundzutun?

Sollten wir nicht auf die Übungen zur sogenannten Zivilverteidigung verzichten? Da es im Atomkrieg keine Möglichkeiten einer sinnvollen Zivilverteidigung gibt, wird durch diese Übungen nur der Atomkrieg verharmlost. Ist das nicht womöglich eine Art psychologische Kriegsvorbereitung?"

Und der in der Berliner USA-Botschaft ein- und ausgehende Pfarrer, der später als Minister für Abrüstung und Verteidigung einer unter die Räuber gefallenen Noch-DDR die systematische Zerschlagung der Nationalen Volksarmee einleitete und deren Waffen ins Ausland verscherbelte, präsentierte seine Hauptlosung: "Frieden schaffen ohne Waffen!" Sein Appell war zwiespältiger Natur. Manche Ziele und Argumente stimmten mit politischen Forderungen der DDR überein. Aber schon 1982 war erkennbar, daß die Vorschläge nicht ehrlich gemeint waren. Der "Berliner Appell" sollte lediglich dazu dienen, die DDR ideologisch und militärisch zu entwaffnen. Und: In Deutschland lagern immer noch Atomwaffen.

Andererseits beobachteten die Gegner in der BRD nicht nur das Spiel mit gezinkten Karten, sondern unterstützten die "Dissidenten" auch nach Kräften finanziell. "Die Welt" glaubte schon am 14. Februar 1982 zu wissen, daß die Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen" der Anfang vom Ende der DDR sei.

Tatsächlich erfolgte die Vernetzung der Opposition "unter dem Dach der Kirche". Im Herbst 1989 wurden deren Akteure zu Kohls willigsten Helfern. Dessen Schlüssel-Auftritt fand am 19. Dezember an der Ruine der Dresdner Frauenkirche statt und war vom Klerus organisiert. Die Rolle Rainer Eppelmanns nach 1990 bleibt hier ausgespart, aber dessen Wandlung vom Paulus zum Saulus sollte Erwähnung finden. Ich fragte ihn im Mai 2000, wie er die damaligen Ziele mit seinen neuen Möglichkeiten als CDU-Bundestagsabgeordneter weiterverfolge. Der Mann, der jene berüchtigte Enquetekommission leitete, welche die DDR in Acht und Bann schlug, schrieb mir: "Ich habe einerseits großes Verständnis dafür, daß Sie mich an meine Auffassung erinnern, für die ich sogar einige Zeit ins Gefängnis gegangen bin. Aber gerade weil ich nach der Wiedervereinigung Deutschlands viel dazugelernt habe, sehe ich heute viele Dinge anders. Aus anderer Perspektive betrachtet, erhalten die gleichen Fragestellungen oft ein anderes Gesicht. Es ist natürlich weiterhin mein Wunsch, kriegerische Auseinandersetzungen und die Existenz von Armeen überflüssig zu machen. Ich habe jedoch lernen müssen, daß die Zeit hierfür noch nicht reif ist.

'Schwerter zu Pflugscharen' ist ein sympathischer Gedanke, wenn es jedoch an die Umsetzung geht, wird es schwierig - es gibt zu viele Aspekte, die gegen eine Abschaffung der Bundeswehr sprechen. In meinen Augen sind Militärs nicht unbedingt Friedensbringer. Aber ich glaube, daß eine starke Armee in bestimmten Zeiten zum Frieden beitragen kann, weil sie ein Gleichgewicht und eine Abschreckung für Angreifer darstellt. Armeen sind - so verstanden - ein politisches Mittel."

"Ein großes Problem für die Zukunft" sei "mit Sicherheit das erhebliche soziale Gefälle zwischen den Industrienationen und den Ländern der Dritten Welt sowie die jetzt durch den Wegfall des Eisernen Vorhangs unmittelbar aufeinanderprallenden unterschiedlichen Gegebenheiten zwischen Ost- und Westeuropa." Eppelmann stellte fest: "Es könnten verständliche Begehrlichkeiten zu sozialen Kriegen führen, wenn wir ungeschützt dastünden." Und er fuhr fort: "Sie wissen auch, daß wir in internationale Verträge eingebunden sind, die wir nicht einfach aufkündigen können und auch nicht sollten. Darüber hinaus ist die Bundeswehr ein Wirtschaftsfaktor, und ihre Abschaffung würde viele Arbeitsplätze kosten."

Nachdem Eppelmann seine heutige - total gewandelte - Sicht auf die Rolle von Streitkräften dargestellt und sich dabei übrigens von dem Gedanken einer Berufsarmee scharf distanziert hatte, schloß er sein Schreiben mit einer Retourkutsche: "Abschließend möchte ich Ihnen eine Frage stellen: Haben Sie dazugelernt?"

Mein Kommentar: Eppelmann sieht heute vieles anders. Haben sich die Waffen von damals in nahrhaftes Brot verwandelt? Die Zeit für Abrüstung sei noch nicht reif, meint er. Wann wird das sein? Wenn die vorhandenen Waffenarsenale weitere Iraks, Afghanistans und Libyens in Trümmer verwandelt haben? Welche Armee kann heute die U.S. Army und die NATO "abschrecken"? Doch wohl nur eine - wie Eppelmann feststellt - mit Atomwaffen ausgerüstete. Soll also die atomare Aufrüstung weitergehen? Wie lange? Es gibt ein soziales Gefälle in der Welt, das "verständliche Begehrlichkeiten" weckt. Wird das "Gefälle" durch Rüstung und Kolonialkriege geringer? Inzwischen haben wir die Berufsarmee, die weltweit Aggressionskriege führt. Was sagen Sie jetzt, Herr Eppelmann?

Um Ihr Gewissen sind Sie nicht zu beneiden, denn ob sich auch nur eines Ihrer Argumente für einen vernünftigen Menschen ziemt, für einen Anhänger Christi, mag jeder für sich selbst entscheiden.

Sie fragten mich abschließend: "Haben Sie dazugelernt?" Was hätte ich wohl von Ihnen und Ihresgleichen lernen sollen? Indes: Als Kind erfuhr ich, daß Jesus die Heuchler und Schriftgelehrten aus dem Tempel gejagt hat. Und Luthers Auftreten in Worms imponiert mir bis heute.

Ich frage nicht, was Sie gelernt haben. Der Leser findet die Antwort ohne meinen Rat.

Prof. Dr. Horst Scheider

Raute

Eine Geschichtsfälscherwerkstatt posiert als "Forschungsverbund"

Dumpfbacken und Brunnenvergifter

Unter der Schlagzeile "Aus Klassenhaß wurde Rassenhaß" veröffentlichte die Chemnitzer "Freie Presse" am 2. Januar ein Interview mit dem Politologen Prof. Dr. Klaus Schroeder von der Freien Universität Berlin. Er sucht "die autoritäre Ideologie der DDR für die Entstehung von Rechtsextremismus im Osten mitverantwortlich" zu machen.

Schroeder zeigt sich von der neonazistischen Mordserie der sogenannten NSU "überrascht". Sein Bild von Neonazis sei das von "Dumpfbacken" gewesen, "die intellektuell überhaupt nicht in der Lage sind, solche Taten zu begehen". Die nach dem Interview in der Zeitung veröffentlichten Lesermeinungen brachten überwiegend Empörung oder zumindest Widerspruch in bezug auf Schroeders Unterstellungen zum Ausdruck.

Dieser lehrt Politische Wissenschaft und leitet an der FU den notorischen "Forschungsverbund SED-Staat". In seinen Büchern und Schriften setzte er sich mit DDR und SED, aber auch mit faschistoider Gewalt und Rechtsextremismus auseinander, so daß seine Äußerung über "Dumpfbacken" schlecht gespielte Naivität sein dürfte.

Gemeinsam mit anderen Akteuren gleicher Denkart gründete Schroeder 1992‍ ‍den bereits erwähnten "Forschungsverbund", der sich "schwerpunktmäßig auf die politische Herrschaftsordnung der DDR, der Partei und der kommunistischen Diktatur" zu konzentrieren bekundet. Diesem Gremium, dessen Wirken nicht mit seriöser Historikerarbeit verwechselt werden darf, gehörte bei Gründung auch ein gewisser Bernd Rabehl an. Der einstmal Ultralinke agierte - eigenen Angaben zufolge - vor 1989 als "Fluchthelfer". 1998 sprach er vor der Burschenschaft "Danubia" in München, welche in Medien wiederholt mit dem rechtsextremen Spektrum in Verbindung gebracht worden ist. Aus seiner faschistoiden Gesinnung machte er hier ebensowenig ein Hehl wie in seiner Rede beim Neujahrsempfang der NPD-Fraktion des Sächsischen Landtags im Jahre 2009. Rabehl betätigt sich auch als Artikelschreiber in der "Jungen Freiheit", dem Sprachrohr der "Neuen Rechten" für "gehobene Ansprüche". Im Autorenkreis der "JF" entdeckt man übrigens auch den Namen Hans-Olaf Henkel, Expräsident des Bundes der Deutschen Industrie (BDI).

Ein weiteres Mitglied des "Forschungsverbundes" ist Prof. Manfred Wilke, der sich von einer halblinken Position in den 60er Jahren lossagte und zu einem aktiven Vorstandsmitglied der Berliner CDU wurde. Vor 1989 unterhielt er enge Kontakte zu "mittel- und osteuropäischen Oppositionellen". Deren gegen die sozialistische Ordnung ihrer Länder gerichtete Aktivitäten sind ebenso bekannt wie ihre Verbindungen zu Geheimdiensten von NATO-Staaten.

Betrachtet man Publikationen und Wortmeldungen Prof. Schroeders, dann wird deutlich, daß er prinzipiell nur linke Positionen aus bürgerlicher Sicht angreift. Dabei werden Erfindungen, Halbwahrheiten und Tatsachen miteinander verquickt, so daß z. B. "Durchschnittsleser" der hiesigen "Freien Presse", die sich aus einer SED-Bezirkszeitung in ein gewöhnliches bourgeoises Konzernblatt verwandelt hat, nur schwer die Manöver Prof. Schroeders durchschauen können.

Im Hinblick auf 1989/90 bemerkte dieser: "Die Jugendlichen waren auf sich allein gestellt und hatten niemanden mehr." Dagegen müssen keine Einwände erhoben werden, handelt es sich doch um Tatsachen: gesicherter Arbeitsplatz weg, Jugendklub weg, Jugendtanz weg, Arbeitsgemeinschaften weg, sinnvolle gemeinsame Freizeitgestaltung weg, Gelder zur Förderung der Jugendarbeit weg, antifaschistische Erziehung weg. Die Aufzählung ließe sich beliebig verlängern. Mit anderen Worten: Der gewöhnliche Kapitalismus mit Armut, Gewalt und Perspektivlosigkeit wurde für sehr viele zum Alltag.

Abschließend möchte ich die Frage aufwerfen, wer die dubiosen "Studien- und Forschungsaufträge" Schroeders und in derselben Wolle Gefärbter eigentlich finanziert. Das Internet weiß da Rat. Die Gelder stammen zum Teil aus dem Etat für die Hochschulen zuständiger Ministerien, müssen aber letztlich von den Steuerzahlern aufgebracht werden. Der "Forschungsverbund SED-Staat" kann sich jedoch überwiegend auf "Drittmittel" stützen. Gemeint sind damit Beträge, die von der Volkswagenstiftung, der "Kulturstiftung" der Deutschen Bank, der ARD sowie aus weiteren Kassen des Bundes und der Länder fließen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, das "Problematische" an Drittmitteln sei die "mögliche Einflußnahme der Geldgeber auf die Forschungsfreiheit". Mit anderen Worten: Wer etwas springen läßt, bestimmt das Ergebnis.

Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Wieder einmal will ein westdeutscher Bourgois - in diesem Falle Prof. Schroeder - den "zurückgebliebenen Ossis" erklären, daß die Wurzeln des heutigen Rechtsextremismus vor allem in der DDR zu suchen seien. Nach dem Fall der Mauer wäre aus Klassenhaß über Nacht Rassenhaß geworden. Das ist natürlich die Suche nach dem Schwarzen Peter für das, was heute in der BRD passiert. Die Neonazis eifern der verbrecherischen braunen Szenerie jener Hitler-Faschisten nach, welche zu den Gründervätern des Bonner Staates gehörten und jahrzehntelang das Kommando führten. Sie konnten - vom Verfassungsschutz abgeschirmt und beschirmt - die heutige Nazi-Struktur landesweit etablieren. Seit 1989 hat sich ihr Netz auch über den Osten ausbreitet.

Einen neuen Höhepunkt der "Kultivierung" faschistischer Ideologie stellt seit Januar 2012 die "Sammeledition Zeitungszeugen (1933-1945)" dar, der nicht nur private Fernsehsender reichlich Werbezeit einräumen. In scheinbar harmloser, unverfänglicher Aufmachung enthält das Machwerk u. a. einen Nachdruck des Nazi-Hetzblattes "Angriff" vom 30.‍ ‍Januar 1933. Dort erklärt Hitlers Propagandachef Joseph Goebbels: "Der Nationalsozialismus wird keine halben Sachen versuchen ... wir sind bereit, den kranken deutschen Volkskörper zu heilen und wieder lebensfähig zu machen." Um Objektivität vorzuspiegeln, wurde ein Nachdruck der KPD-Zeitung "Der Kämpfer" hinzugefügt. "BILD Dir Deine Meinung" heißt auch hier die Parole der Rattenfänger.

Dietmar Hänel, Flöha

Raute

Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei kommt aus der CDU

Die "Traumkonstellation" des Sebastian Nerz

Angst, Unsicherheit und mangelndes Vertrauen zur offiziellen Politik nehmen weiter zu. Angesichts dauerhaft nicht mehr behebbarer Finanzkrisen wird auch dem letzten Passagier des weltkapitalistischen Schiffes dessen gefährliche Schräglage bewußt. Er sieht, daß der Kurs falsch, die Besatzung unfähig ist. Da steigt die Piratenpartei aus den Fluten und erhebt den Anspruch, Licht ins politische Dunkel zu bringen. Es handelt sich um eine junge, doch keineswegs brandneue Partei. Ihr deutscher Ableger konstituierte sich 2006. So richtig erstrahlt die Aura der Piraten aber erst seit der Proteststimmung im vergangenen Herbst. Anfang 2012 zählte sie in der BRD mehr als 20.000 Mitglieder. Lobendes Schulterklopfen der bürgerlichen Medien: "Tatsächlich sind die Piraten derzeit die einzige Partei in Deutschland, die eine echte Vision von Zukunft hat", meinte das Systemerhaltungsmagazin "Focus" am 4. Dezember 2011. Und "Spiegel-Online" bescheinigt ihnen "etwas, das andere schon lange verloren haben: Glaubwürdigkeit, Authentizität und Frische".

Eine neue Volkspartei? Der Schein trügt: Neben Protestwählern konzentriert sich bei den Piraten auch eine relativ abgehobene Klientel gutverdienender Leute, die egoistische Autonomie zelebrieren und daher jeglicher Solidarität fernstehen. Nicht wenige Wähler und Mitglieder sind junge Erwachsene, die als kleine und freie Unternehmer mit dem Internet zu tun haben. Systemkritik ist von denen nur insoweit zu erwarten, wie damit das ins Wanken geratene System vor dem Absturz zu bewahren wäre.

Ihre Wahlkampfthese, das politische Handeln aller anderen Parteien diene vor allem der Karriere der Akteure, konterkariert ein Blogger im Internet mit den treffenden Worten: "Womit sollte sich heute besser eine politische Karriere machen lassen als mit dem Thema Internet und Co.?" Er scheint den Weg des Bundesvorsitzenden der Piraten Sebastian Nerz genau verfolgt zu haben: Der war zwischen 2001 und 2009 eingetragenes Mitglied der CDU und kandidierte für diese Partei 2004 erfolglos als Tübinger Stadtratsbewerber. Heute soll er der Union - zumindest offiziell - nicht mehr angehören.

Nerz wurde auf dem Bundesparteitag der Piraten, der im Mai 2011 in Heidenheim stattfand, in sein Amt gewählt. Am Medienhimmel erstrahlte der Piratenstern aber erst so richtig bei dem darauf folgenden Parteitag, der schon im Dezember 2011 in Offenbach stattfand, und wichtige Programmänderungen vornehmen sowie Positionspapiere verabschieden sollte. Dieser "Kongreß" wollte schier in der Flut teilweise abstruser Anträge, darunter jener, die sich mit wieder anderen Anträgen beschäftigten, ertrinken. Dem Antragsteller blieb jeweils nur eine Minute (!) Redezeit zur Begründung seines Ansinnens. Unterstützenswert war, daß Papiere gegen Rechtsextremismus und Rassismus angenommen wurden. Nicht zu übersehen ist indes, daß auch ehemalige NPD-Politiker zu den Piraten übergewechselt sind. Behauptet wird, sie seien geläutert. Längst überfällig ist die in Offenbach erhobene Forderung nach einer Trennung von Staat und Religion. Die Drogenpolitik, das Urheberrecht und die Umsetzung neuer Konzepte im öffentlichen Nahverkehr wurden dort erörtert. Weiter nahm der Parteitag das Modell eines "bedingungslosen Grundeinkommens" ins künftige Wahlprogramm auf, was bürgerliche Politikdeuter als Linksschwenk auszumachen glaubten, obwohl es marxistischer Sicht widerspricht.

Deutlich wurde die explizit rechte Einstellung mancher Mitglieder der Piratenpartei durch den an Sarrazin orientierten Einwurf: "Solidarität geht nicht nur von oben nach unten, sie muß auch von unten nach oben gehen". Faulheit dürfe nicht mit Geld belohnt werden, hieß es. Vorstandsmitglied Matthias Schrade forderte einen "harten Kurs gegenüber Euro-Krisenländern".

Wo aber bleibt die Antwort auf aktuelle politische Fragen? "Wir arbeiten dran" oder "Wir haben dazu noch keinen Beschluß", heißt es ausweichend. Eine kopflose Partei? Offensichtlich. Sebastian Nerz erklärte im Januar auf der Bundespressekonferenz: "Die Partei setzt auf Schwarmintelligenz und weniger auf Köpfe." Ach, und da wäre noch das Interview, das er am 2. Januar der "Passauer Neuen Presse" gewährte. Der Bundesvorsitzende der Piraten sprach dort von einer "Traumkonstellation" mit den Grünen und der FDP nach künftigen Wahlen. Und er fügte hinzu, man könne "im großen und ganzen gut mit den kleinen Parteien, wenn man einmal von der Linkspartei absieht".

Also: Welches Schiff wollen die Piraten kapern und mit welchem Ziel? Wollen sie das Ruder übernehmen, um den Kurs zu ändern, der unweigerlich auf die Klippen zuhält? Oder gehen die Gedanken ihrer Anführer vielleicht eher dahin, klammheimlich an Bord zu gehen, um sich der Crew anzudienen? Vielleicht erscheint manchen von ihnen der Regierungs-Liner komfortabler als ihr Piratenkahn. Beobachter vermuten, daß es sich hier wohl weniger um See- als vielmehr um Stimmenräuber handeln könnte.

Bernd Gutte

Raute

Ungehemmte Börsenspekulation läßt Lebensmittelpreise explodieren

Jeder siebte Mensch hungert

Die Menschheit ist auf mehr als 7 Milliarden Erdenbürger angewachsen, errechneten die Vereinten Nationen Ende Oktober 2011. Ergänzend stellte der "Foodwatch-Report 2011" dazu fest, daß etwa eine Milliarde an Hunger leidet. Auf ihn zurückzuführende Krankheiten sind in über 40 Ländern noch immer die Haupttodesursache. Die Zahl der Darbenden nimmt zu, obwohl die spürbare Zurückdrängung des Hungers in der Welt als UNO-Millenniumsziel verkündet wurde.

Sicherlich gibt es eine Reihe von Ursachen dafür: Kriege, klimatische Veränderungen, Wassermangel, Katastrophen, Mißernten, Vergeudung von Nahrungsmitteln für Treibstoffe und steigende Preise für Rohstoffe, besonders solche agrarischen Ursprungs.

Spekulative Erwägungen kommen hinzu. Das Tor dazu wurde im Jahr 2000 unter dem Druck der Finanzlobby und weltweit operierender Banken aufgestoßen, als der Handel mit Agrarrohstoffen durch die Regierungen der USA und westeuropäischer Staaten dereguliert - also vollends freigegeben - wurde. Seitdem sind diese für Finanzanleger und Spekulanten an den Börsen besonders attraktiv geworden. Das widerspiegelt sich deutlich in Informationen zur Preisentwicklung, welche die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) regelmäßig veröffentlicht.

Sie untersuchte die Preisgestaltung für wichtige landwirtschaftliche Produkte seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Demnach stieg der Preisindex für sämtliche agrarischen Rohstoffe bis Oktober 2011 auf 216, der Preisindex für Fleisch auf 177, für Molkereiprodukte auf 204, für Getreide auf 232, für Öle und Fette auf 223 und für Zucker sogar auf 362. Der Weltmarktpreis für Getreide erhöhte sich 2010 um 73. Daß eine so explosive Preisentwicklung nichts mehr mit "Angebot und Nachfrage" zu tun haben kann, beweisen Tatsachen: Rußland hob im Mai 2011‍ ‍ein Exportverbot für Weizen auf, wodurch 15 Millionen Tonnen dieser Getreideart zusätzlich auf den Weltmarkt flossen, ohne daß der Preis deshalb nennenswert sank. Im Juni 2011 sackte der Preis für Weizen an der Leitbörse in Chicago im Gefolge der Griechenland-Krise um 20 Prozent ab, da Anleger Schlimmstes befürchteten.

Der Handel mit agrarischen Rostoffen, insbesondere saisonabhängigen Produkten, hatte an Börsen in Form sogenannter Termingeschäfte ursprünglich eine wichtige Funktion. Die Produzenten konnten ihre Ernten noch vor der Einbringung verkaufen und sich so gegen mögliche Preisschwankungen absichern.

Mit der Deregulierung des landwirtschaftlichen Rohstoffmarktes wurden Termingeschäfte von einem Preissicherungsinstrument gegen Risiken der Realökonomie in ein reines Spekulationsmittel umgewandelt, das mit landwirtschaftlicher Produktion und Vermarktung überhaupt nichts mehr zu tun hat. Der mehrfache Kauf und Verkauf von landwirtschaftlichen Rohstoffen sowie spekulatives Reagieren auf Preisentwicklungen an den Börsen führt zu enorm gestiegenen Weltmarktpreisen. Zusätzlicher Spekulationsdruck wird auch dadurch geschaffen, daß viele Geschäfte auf Kreditbasis abgewickelt werden.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wer vor allem an der Preistreiberei für landwirtschaftliche Produkte beteiligt ist. Sicherlich sind es Banken und Börsen, die entsprechende "Produkte" (wie Anlage- und Indexfonds) und Dienstleistungen anbieten.

Aber auch die Akteure selbst haben sich verändert. Im Oktober 1998 operierten zu 70 % Firmen oder Personen, die ein normales Preissicherungsgeschäft abschlossen, und 29,5 % Spekulanten auf dem Markt. Zehn Jahre später lag der Spekulantenanteil bereits bei 42,3 %.

Foodwatch analysierte in seinem Bericht, daß bis zum März 2011 mehr als 600 Milliarden US-Dollar von Pensionskassen und Stiftungen, Versicherungskonzernen und Kleinanlegern in Rohstoffe investiert wurden. Das ist mehr als das Vierzigfache dessen, was in diesem Bereich noch zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts angelegt worden war. Etwa ein Drittel dieser Summe betraf Agrarrohstoffe. "Die großen Geldinstitute wie Goldman Sachs und Deutsche Bank tragen mit den verschiedensten Rohstofffonds und anderen Angeboten zur profitorientierten Preistreiberei an den Rohstoffbörsen bei", heißt es im Kapitel des Foodwatch-Reports über die "Hungermacher". Die Spekulation mit landwirtschaftlichen Rohstoffen und Lebensmitteln ist für die Menschen in den armen Weltregionen, aber auch für viele Bürger von Industriestaaten im wahrsten Sinne des Wortes lebensgefährlich.

Deshalb müßten die Rohstoffmärkte dringend wieder reguliert und spekulative Geschäfte verboten werden.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

Raute

"RotFuchs"-Seminar an der Uni Rostock
Information aus Studentenkreisen

Der Redaktion wurde ein für das Sommersemester 2012 geplantes antikommunistisches Seminar am Institut für Politikwissenschaft der Universität Rostock bekannt, welches den "RotFuchs" zum Gegenstand hat. Dozent ist ein Doktorand des Instituts, welcher bereits seine Magisterarbeit zu diesem Thema verfaßt haben soll.

Das Proseminar für höhere Semester wird mit folgendem Text im aktuellen Vorlesungsverzeichnis der Universität Rostock beworben.

"Christian Nestler, M. A.
Probleme des Linksextremismus -
unter Berücksichtigung des 'RotFuchs'

Montag: 09.15-10.45 Uhr
Beginn: 02.04.12
Raum: 224
Grundkurs/Proseminar
Module: B, D, I, K

Mit dem Urteil, die 'Resteliten würden keine Rolle spielen', fassen Wilhelm Bürklin und Hilke Rebenstorf das Ergebnis der Potsdamer Elitenstudie von 1995 für die ehemaligen Kader der DDR zusammen. Im Seminar soll am Beispiel der Monatsschrift 'RotFuchs', die seit 1998 erscheint, dargestellt werden, welchem Beschäftigungsfeld sich ein Teil dieser Restelite zugewandt hat.

Folgendes Zitat stellt die Haltung der Autoren exemplarisch dar: 'Die DDR war die größte Errungenschaft in der Geschichte der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung, da sie dem Kapital für vier Jahrzehnte die politische Macht und das privatkapitalistische Eigentum an den entscheidenden Produktionsmitteln entzog. Wir verteidigen ihr Erbe ­...'. (Leitsätze des 'RotFuchs'-Fördervereins e. V.). Unter Einbeziehung von Transformations-, Eliten- und Extremismustheorie soll die Monatsschrift im gesamtgesellschaftlichen Diskurs verortet werden."


Welche "Verortung" hier beabsichtigt ist, liegt auf der Hand. Es bleibt indes abzuwarten, ob sich die Teilnehmer des Seminars darauf einlassen oder ob sie eine sachliche Behandlung des Themas bevorzugen.

Raute

Ein aufschlußreiches Abc zur Schulden- und Finanzkrise aus München

Von Aktie bis Zocker

Seit dem akuten Ausbruch der Weltwirtschafts- und Finanzkrise, die bis heute nicht bewältigt ist und sich ständig verschärft, reißt die öffentliche Diskussion der damit zusammenhängenden Fragen nicht ab. Das geht von Tageszeitungen über Zeitschriften und Bücher bis zu Vortragsveranstaltungen und TV-Talkshows. Aber worüber da alles getalkt wird, ist selbst für die interessierte Öffentlichkeit oft nicht klar erkennbar. Da tauchen wirtschaftspolitische und finanztheoretische Begriffe auf, die es vor 25 Jahren noch gar nicht gab oder deren Inhalt sich inzwischen deutlich gewandelt hat.

Und so ist es ein bedeutsames Verdienst des Instituts für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e. V. - kurz isw -, ein Abc der Schulden- und Finanzkrise herausgegeben zu haben. Das isw mit Sitz in München hat dieses Abc als Report Nr. 87 im Dezember 2011 veröffentlicht. Die Zahl der Ausgaben weist darauf hin, daß das Institut seit langem wirtschaftswissenschaftliche Studien betreibt. Es wurde im Juni 1990 von gesellschaftskritischen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern und Gewerkschaftern - Männern wie Frauen - gegründet. Es versteht sich als Einrichtung, die alternativ zum "neoliberalen Mainstream" Analysen, Argumente und Fakten für die wissenschaftliche und soziale Auseinandersetzung anbietet.

Vor diesem Hintergrund ist zu betrachten, auf welche Weise die Autoren ihr Abc durchbuchstabiert haben. Dabei ging es ihnen - wie es im Geleitwort heißt - "nicht in erster Linie um eine lexikalische Definition der Sachverhalte, sondern um ihren jeweils speziellen Beitrag zur Krise und zur Krisenhaftigkeit des an seine Grenzen stoßenden neoliberalen Akkumulationsmodells des Kapitalismus".

Dieses Vorhaben ist zweifelsfrei gelungen. Außer der sachlichen Erläuterung der Begriffsinhalte ist sichtbar gemacht, auf welche Weise damit jeweils das bestehende Herrschaftssystem unterstützt, gestaltet und erhalten wird. Das zeigt sich deutlich bei Stichworten wie Bad Bank, Dividende, Leerverkauf, Rohstoffspekulation und Schattenbanken, um nur einige zu erwähnen. Dabei werden so klare Aussagen getroffen wie: "Der Bankrott der politischen Strukturen im Finanzsystem bis hin zum Finanzministerium ist unübersehbar". Und es wird dargelegt, warum das so ist: "Alle schönen Grundsätze zerschellen an der skrupellosen Profitmentalität der Banker und ihrem gewaltigen Einfluß auf Politik und Wirtschaft."

Dieses durchaus scharfe Urteil wirft indes die Frage auf: Wenn man den Bankrott der politischen Strukturen mit der Mentalität der Banker und ihrem Einfluß begründet, läßt man dann nicht außer acht, daß es letztlich nicht um ungeschickte oder korrumpierte Politiker oder unmoralische Banker geht, sondern um die Funktionsweise des Systems?

Der Kapitalismus heißt deshalb so, weil das Kapital die gesamte Gesellschaft und deren Entwicklung beherrscht. Das realisiert sich über die Kapitaleigentümer, die mit ihrer Wirtschaftsmacht die Politiker steuern. Beide eint das gemeinsame Interesse an der Aufrechterhaltung der bestehenden Eigentums- und Herrschaftsverhältnisse. Diesen prinzipiellen und hier nur angedeuteten Zusammenhang sichtbar zu machen ist wichtig, weil noch immer vielfach geglaubt wird, die Finanzmarktproblematik mit all ihren sozialen Folgen beruhe lediglich auf falscher Politik und Raffsucht oder Geldgier und sei durch Verbesserung des politischen Stils und der Moral zu lösen.

Auch bei einigen anderen Stichworten richtet sich die Kritik gegen "gravierende Organisationsmängel - deutliche Schwächen in der Praxis", die Bankenaufsicht sei "wenig fähig oder auch wenig willig". Hier wäre mehr theoretische Konsequenz wünschenswert. Die Auswahl der Stichworte verdient Respekt. Bei vielen Begriffen erfährt der Leser wichtige Sachverhalte und kann so die Zusammenhänge besser verstehen. Ob allerdings solche umgangssprachlichen Stichworte wie Zocker, zocken oder Kasino-Kapitalismus in ein wissenschaftliches Nachschlagewerk gehören, darf bezweifelt werden. Aber wenn schon, dann ist die These "die kapitalistische Wirtschaft" sei "größtenteils zum Kasino-Kapitalismus degeneriert" dahin gehend zu hinterfragen, ob es sich um die Degeneration eines eigentlich funktionsfähigen oder nicht vielmehr um die gesetzmäßige Entfaltung eines historisch überlebten Systems handelt.

Oft begegnen wir dem DAX, dem Dow Jones oder wir werden persönlich von der Schufa berührt. Hier dürfte manchem eine Erläuterung fehlen. Auch wenn Hypotheken, Zertifikate, Deflation und Bretton Woods innerhalb anderer Begriffe kurze Erwähnung finden, so sind sie als selbständige Stichworte im alphabetischen Inhaltsverzeichnis nicht vorhanden.

Das Verdienst dieses Abc besteht zweifelsohne darin, viele komplizierte und schwer durchschaubare Zusammenhänge sichtbar gemacht zu haben. Dabei wird - wie es im Vorwort heißt - gezeigt, "daß der Kapitalismus keine Lösungen für die von ihm produzierten Probleme hat".

Prof. Dr. Herbert Meißner
Unser Autor war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR.

Raute

Zu einem Disput über Materialismus und Idealismus

Streit um des Kaisers Bart

Im Leserbrief Günter Vehoffs aus Hagenow, den der RF im September 2011 veröffentlichte, berichtet dieser vom Verlauf einer Debatte um die Begriffe Materialismus und Idealismus. Während er selbst den Standpunkt vertrat, daß es sich hierbei um die beiden Hauptrichtungen der Philosophie handelt, meinten seine Gesprächspartner, Materialismus sei lediglich ein Synonym für saufen und fressen, während Idealismus philanthropische Selbstlosigkeit ausdrücke. Offensichtlich nahm die Debatte einen unentschiedenen Verlauf, weshalb Genosse Vehoff "einen Philosophen" um Entscheidungshilfe bat.

Angesichts des Unsinns, der in jener Debatte geäußert wurde, möchte man sich erschrocken fragen, wie sich der Briefschreiber denn überhaupt auf so etwas einlassen konnte, womit ich ihm keineswegs irgendwelche Vorwürfe machen möchte. Zum einen hat er sachlich recht, zum anderen ist er nicht allein solcher Begriffsverwirrung ausgesetzt. Im Grunde genommen hätte sich das ganze Wortgefecht mit dem Hinweis erledigen lassen, daß es eben in jeder Sprache Begriffe mit verschiedenen Ausdeutungsmöglichkeiten gibt. Wem das als Argument zu dürftig erscheint, der könnte ja in diesem Falle noch einen Schritt weitergehen: Materialismus stammt vom lateinischen materia ab, was heißt, daß es sich um eine auf die Materie orientierte Denkungsart handelt.

Was haben nun aber "saufen und fressen" mit diesem Begriff zu tun? Oder anders gefragt: mit dem Universum und in ihm ablaufenden Prozessen? Waren Marx, Engels und Lenin als Genüssen keineswegs abholde Materialisten etwa "Fresser und Säufer"? Ich fühle mich durch die Streitgegner Vehoffs geradezu persönlich angegriffen, bin ich doch auch ein bekennender Materialist, aber weder der Völlerei noch dem Alkoholismus verfallen. Mit dem hier Dargelegten wären die Gesprächskontrahenten unseres Hagenower Freundes sicherlich geistig überfordert gewesen. Anderenfalls hätten sie nämlich von selbst darauf kommen müssen.

Jene Debatte förderte zwar komplette Unkenntnis zutage, war aber gerade deshalb nicht belanglos, zumal man sich zwangsläufig die Frage stellt, wovon die selbstlosen Philanthropen eigentlich ihr Leben fristen. Bekanntlich müssen sie dazu regelmäßig "fressen und saufen", was ihnen als Idealisten reinsten Wassers nicht gut zu Gesicht steht.

Was aber, als Einzelfall betrachtet, geradezu absurd erscheint, ist in seiner Summe längst Normalität und als solche das Symptom eines Prozesses, in dessen Verlauf wir seit mehr als einundzwanzig Jahren auch ideelle Verluste in außergewöhnlichen Größenordnungen einfahren. Sie rechtfertigen es, von einem enormen geistig-kulturellen Abstieg zu sprechen.

Seinerzeit ist nach dem Verlust des sozialistischen Gegengewichts zum Kapitalismus eine Erkenntnis wie eine Stichflamme emporgeschossen, die lange zuvor schon geschwelt hatte: Wenn eine Gesellschaft verfault, dann tut sie das in Gänze. Die Geistlosigkeit ist gewissermaßen ihr Verwesungsgeruch, der zunächst nur den Anschein erweckt, es handle sich um einen bedauerlichen Makel, der mit ein paar entschlossenen Maßnahmen zu beheben sei. Vermag jemand Schritte gegen geistigen Mangel einzuleiten, dem es selbst an Substanz fehlt und der obendrein noch damit beschäftigt ist, dieses Defizit als nationale Tugend anzupreisen? Das Staatswesen BRD darf sich rühmen, einer Denkart von urdeutscher Schlichtheit zu wahrem Triumph verholfen zu haben: Wenn sich heutzutage jemand erdreistet, einen Kenntnisstand als mangelhaft zu kritisieren, wird ihm mit vereinten Kräften das Gegenteil "bewiesen". Man erklärt ihn kurzerhand zum Ignoranten. Zeigt sich der Kritiker dann immer noch nicht einsichtig und beharrt auf seiner Meinung, muß er gewärtig sein, von der "aufgebrachten Volksseele" mit voller Wucht getroffen und durch sie hysterisch niedergeschrien zu werden. Das alles klingt vielleicht etwas verwirrend, ist aber absolut logisch und spätestens seit dem 30. Januar 1933 in Gebrauch. Damals hieß das Stichwort "Die Juden sind unser Unglück", heute greift man zur "Stasi"-Keule. Der Katalog ließe sich beliebig erweitern und macht selbst vor den Akademien nicht halt. Idiotie durch Idiotisierung - namentlich als Ergebnis medialer Abrichtung - schießt flächendeckend ins Kraut.

Als Folge dessen nimmt die Gewalt in Wort und Tat, in Theorie und Praxis zu, schwinden doch zugleich die traditionellen Möglichkeiten inhaltlich anspruchsvoller Auseinandersetzung. Es geht nicht mehr um Recht im Sinne von Richtigkeit und Wahrheit, sondern nur noch um Rechthaberei. Man streitet sich um des Kaisers Bart, weil im Ringen um den besten Platz am Freßtrog der Herrschenden die günstige Gelegenheit genutzt werden muß, einen Konkurrenten niederzuwerfen - und Konkurrent ist im Kapitalismus jeder. Denn wer im Run auf den großen Bottich zu lange denkt oder nachdenkt und sich womöglich sogar Zweifel und Kritik am Sinn dieser perversen Freßorgie leistet, die nicht zuletzt in der Reklame allerhöchste Heiligung erfährt, zieht automatisch den Kürzeren: Er bleibt nicht nur ohne Futter, sondern wird von der Meute auch noch in Grund und Boden getrampelt, die damit Zweifel an der von Engels beschriebenen Menschwerdung des Affen im Hinblick auf bestimmte Artgenossen aufkommen läßt. Denn was sich in dieser Gesellschaft abspielt, ist eigentlich nichts anderes als die Übertragung der Strategie der verbrannten Erde vom Gebiet der militärischen Aggression auf das Gebiet der geistigen Verwüstung. Und wer meint, darin die Nähe faschistischer Ideologie zu wittern, leidet keineswegs an Geruchsverirrung. - Der "Meinungsaustausch" unseres Freundes aus Hagenow mit seinen "Gesprächspartnern" sollte in diesen Zusammenhang eingeordnet werden.

Rolf Bullerjahn, Berlin

Raute

Das "Gesülze" war mir zuwider, nicht aber die Sache

Kein Gedanke an Flucht

Der Verfasser des nachfolgenden Beitragsbewies seinerzeit Courage, als er im sächsischen Waldheim eine Ausstellung politischer Grafiken unseres langjährigen künstlerischen Mitarbeiters Klaus Parche arrangierte. Bei einem unlängst geführten Telefonat mit dem Künstler erfuhr unser Autor einmal mehr, wie schwer es ist, Werke mit solcher Aussage heutzutage öffentlich zu zeigen. Diesmal wendet sich der engagierte Waldheimer einem anderen Thema zu: der pauschalen Verdammung des sozialistischen deutschen Staates.

Ein gewisser V. Zottmann hat seine "Mein DDR-Leben" getitelte "Botschaft" vor geraumer Zeit ins Netz gestellt. Ohne Zweifel enthält diese etliche Fakten, schildert allerdings auch Geschehnisse, die aus seiner sehr subjektiven Sicht beurteilt und ohne Grund verurteilt werden. Beim Verweis auf diese oder jene Umstände fragt der Verfasser des Textes nicht danach, warum das so und nicht anders sein konnte. Letztlich legt ja der Staat die Rahmenbedingungen für das Verhalten seiner Bürger fest. Wer bestehende Regeln nicht einhält, eckt zwangsläufig an. In jedem Staatswesen werden bestimmte Interessen durchgesetzt, gibt es führende politische und soziale Kräfte. In der DDR hatten die SED und mit ihr Verbündete das Sagen, jetzt sind es Großindustrielle und Bankiers. Ich will hier nicht philosophieren, sondern nur erklären, warum ich in der DDR Zottmanns negative Erfahrungen so nicht gemacht habe.

Mir fehlte es in der Kindheit an nichts, meine Bedürfnisse wurden befriedigt, darüber hinausgehende Wünsche hatte ich nicht. Auch heute muß man sich nach der Decke strecken, wobei man aber stets von weitergehenden und zugleich realistischen Zielen träumen und deren Verwirklichung anstreben sollte.

Mich fragte übrigens zu DDR-Zeiten vor und während der Immatrikulation niemand nach einer Parteizugehörigkeit, auch nicht nach der Mitgliedschaft in der damals schon recht gesichtslosen FDJ, die mit den Jugendlichen keinesfalls streng verfuhr. In die SED bin ich nicht wegen einer Erhöhung meiner Bezüge eingetreten. Die hätte ich auch ohne diesen Schritt erhalten. Nein, ich betrachtete die Zugehörigkeit zur Partei ihrer Ziele wegen als erstrebenswert.

Der Leser wird sich fragen, ob mir die Mitgliedschaft etwas gebracht hat. Leider wenig. Das erkläre ich weinenden Auges. Das "Gesülze" - vor allem auf der unteren Ebene der Parteistruktur - ging mir, offen gestanden, auf die Nerven. Doch was die Betreffenden politisch zum Ausdruck bringen wollten, hielt ich für richtig, nur die Art und Weise des Auftretens etlicher Funktionäre erzeugte nicht nur bei mir Unbehagen. Gleichwohl, dem Ziel bin ich bis heute treu geblieben, auch wenn ich inzwischen parteilos bin. In meiner Zeit als Grenzer war ich LKW-Fahrer und gehörte zur Hundestaffel, was bedeutete, daß ich die Tiere mit zu versorgen hatte.

An einem bestimmten Punkt mußte ich (weil ich damals der Wendigste war, wovon heute keine Rede mehr sein kann) auf die Mauer klettern und das Betonrohr unter mir wie einen Gaul reiten, um zu den Vierbeinern zu gelangen. Links war Westberlin, rechts das Gebiet der DDR. Ich spielte nie mit dem Gedanken, mich aus dem Staube zu machen, denn rechts war mein Zuhause. Viele Menschen sehen die DDR keineswegs so haßerfüllt wie der einstige Bausoldat V. Zottmann in seiner Internetbotschaft. In diesem Staat hatte man sich eingerichtet und gelebt. Übrigens besaßen Gemüse und Obst damals noch einen Eigengeschmack, saure Gurken waren nicht überzuckert.

Nach der Grenzöffnung fuhr ich mit Mutter und Frau zum ersten Mal ins bayerische Hof. Vom Kaufrausch unbeeindruckt, begab ich mich in die Außenbezirke der Stadt, um Antwort auf die Frage zu erhalten, wie Westdeutsche eigentlich seien. Die Sauberkeit und Ordnung, die ich antraf, beeindruckten mich. Das wirkte verbindend. Mit dieser Vorstellung bin ich dann in das Stadtzentrum zurückgewandert und habe dort mit Entsetzen sehen müssen, wie sich ostdeutsche Landsleute gleich Irren an den Bananenständen aufführten. Ich habe mich so geschämt, daß ich bis jetzt dieses Obst nicht mehr angerührt habe. Dann folgte die Zeit der Nachäfferei, auch in der Sprache. Das war beschämend und traurig.

Noch heute versetzt es mich in Wut, wenn mir bestimmte Westdeutsche erklären wollen, wie ich in der DDR gelebt habe. Das Ganze bilanzierend möchte ich meine DDR-Zeit nicht missen. Mir fehlen nun die Zusammengehörigkeit und der Gemeinsinn von einst.

Bei der Bewertung der DDR sollte man stets eines beachten: Es handelte sich um das Bemühen, den uralten Menschheitstraum von Gerechtigkeit und Gleichheit auf deutschem Boden zu verwirklichen. Dafür gab es keine Wegkarten, was dazu führte, daß Abirrungen unvermeidlich waren. Hinzu kam, daß der übermächtige Gegner eines solchen Planes die Verantwortlichen nicht selten zu Handlungen veranlaßte, die nur als Gegenreaktion erklärbar sind.

Man sollte sich allein auf wissenschaftlich exakte Quellen beziehen, statt den vorgekauten Brei von "Bild" & Co. zu schlucken. Zottmanns "Botschaft" stehen andere Auffassungen gegenüber. Meine gehört dazu.

Andreas Lässig, Waldheim

Raute

Selbst ein Narr sagt nicht nur Falsches

Die RF-Lektüre ist für mich immer eine Freude und ein Mutmacher. In der Januar-Ausgabe beschäftigten sich Sebastian Zachow-Vierrath und der inzwischen verstorbene Waldemar Arndt mit Uwe Liebschers Leserzuschrift. Dabei geht es um den Umgang mit Kritik und den vermeintlichen Mangel an Orientierung "nach vorn".

Zu Kritik ist zu sagen, daß selbst ein Narr nicht nur Falsches sagt. Dabei sind natürlich die Formen des Umgangs miteinander entscheidend. Da haben gewisse PDL-Politiker Nachholbedarf. Wenn deren Entscheidungen im RF kritisiert werden, heißt das aber nicht, daß unsere Zeitschrift auf ihre Partei insgesamt "eindrischt". Politische Kultur und scharfe Polemik schließen einander nicht aus.

In Beiträgen zu DDR-Themen sollten die RF-Autoren den Blick tatsächlich stärker nach vorn richten und nicht auf das Anbieten von Alternativen verzichten. Außerdem: Wer zwischen den Zeilen zu lesen vermag, entdeckt in vielen Artikeln auch zukunftsträchtige Hinweise. Die Auffassungen von Gerrit Junghans und Petra Reichel im RF (Nr. 168), Leseanreize für junge Leute zu schaffen, teile ich. Die Jugend ist nicht mit komplizierten wissenschaftlichen Darlegungen zu gewinnen, sondern durch Informationen, die schnell zur Sache kommen. Man sollte die Systemunterschiede für jeden verständlich darstellen und den Lesern die eigene Meinungsbildung überlassen, damit die Autoren nicht als Apostel der absoluten Wahrheit erscheinen. Überdies könnte man im gleichen Heft Beiträge zu verschiedenen Lösungsvarianten in Vergangenheit und Gegenwart mit Blick auf die Zukunft bringen. Konkrete Beispiele: Bürgerliches Gesetzbuch - Zivilgesetzbuch der DDR; Niedergelassene Ärzte - Polikliniken; Schulbuchtexte in der BRD und der DDR; Sportsponsoren in der BRD - Sportförderung in der DDR; Betriebswirtschaftslehre (BWL) der BRD - Politische Ökonomie des Sozialismus.

Wer heute 30 oder jünger ist, kann die Verhältnisse in der DDR oder der Sowjetunion nicht aus eigenem Erleben beurteilen. Wer soll ihnen hier Auskunft geben, wenn nicht wir Älteren?

Dr. Manfred Graichen, Berlin

Raute

Wie sich Führer der einst glorreichen SPD selbst entzauberten

Maske in Rot

Was weiß die Öffentlichkeit, was wissen junge Linke über die SPD? Das, was die Medien der Bourgeoisie verbreiten, mal dieses, mal jenes. So meldete dpa am 30. Januar, die SPD wolle - laut Sigmar Gabriel - 2013 "keinen Lagerwahlkampf gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) führen". Gegner seien "die Finanzmärkte und die soziale Spaltung". Dabei hat doch die SPD-Spitze diese Spaltung der Gesellschaft mit ihrer berüchtigten "Agenda 2010" weiter forciert! Wer war das noch ...? Steinmeier, Schröder, Peter Hartz - lauter Leute mit dem Parteibuch der SPD!

Am 2. Februar freute sich Gabriels Partei über den Beschluß des Pentagons, in Ramstein das Hauptquartier für den US-Raketenabwehrschirm einzurichten, was die BRD - mitten in der Krise - zwölf Milliarden Euro kosten soll.

Um die Winkelzüge dieser einst als revolutionäre Arbeiterpartei gegründeten politischen Formation - heute ein Chamäleon, das mal im Armani-Anzug, mal im Blaumann daherkommt - richtig einordnen und beurteilen zu können, muß man ihre Geschichte kennen. Darüber viel zu wissen, dürften inzwischen kaum noch SPD-Mitglieder und nur recht wenige PDL-Genossen von sich behaupten.

Dringend gebotene Abhilfe bietet hier das von Konstantin Brandt vorgelegte "Kleine Schwarzbuch der deutschen Sozialdemokratie". Neben der chronologischen Darstellung wichtiger politischer Entscheidungen der SPD-Führung und einer Namensliste ihrer einflußreichsten Funktionsträger ermöglicht es einen tiefen Einblick in die wechselvolle Chronik der einst von so bedeutenden Arbeiterführern wie August Bebel und Wilhelm Liebknecht glanzvoll gesteuerten, später aber politisch-moralisch heruntergekommenen Partei. Der Anhang enthält im Beitrag Götz Dieckmanns Kernsätze aus dem Rundschreiben von Marx und Engels an Bebel, Liebknecht und andere namhafte Sozialdemokraten vom 17./18. September 1879. Darin distanzierten sich beide scharf von revisionistischen Theorien eines "dritten Weges" und des "friedlichen Übergangs zum Sozialismus", wie sie der Weimarer SPD-Parteitag dann 1919‍ ‍unter Ablehnung einer proletarischen Revolution entwarf. Auf den nachfolgenden Parteikongressen in Heidelberg und Kiel (1925/1927) wurde dieses Konzept als "staatsmonopolistisch-genossenschaftlicher Wettbewerb für ein allmähliches Hineinwachsen in eine andere Ordnung mit demokratischen Mitteln" festgeschrieben. Mit dem Godesberger Programm trennte sich die SPD 1969 schließlich ganz vom Ziel der Überwindung des Kapitalismus, bekannte sie sich zur "sozialen Marktwirtschaft" - einer abgefederten Form kapitalistischer Ausbeutung.

Seit der Bewilligung der vom Kaiser geforderten Kriegskredite durch die SPD-Reichstagsfraktion mit dem alleinigen Gegenvotum Karl Liebknechts ging die deutsche Sozialdemokratie unzählige Bündnisse mit Reaktionären und Militaristen zum Erhalt des politischen Systems ein. Hitlers Steigbügelhalter Hindenburg wurde als Reichspräsidentenkandidat von der SPD unterstützt. Mit ihrem "Bluthund" Noske, dem mörderischen Berliner Polizeipräsidenten Zörgiebel und Innenministern wie Severing wütete die "Radieschen"-Partei zwischen 1919 und 1932 unter Demonstranten und Streikenden. Die von ihr mitgetragenen linken Regierungen in Sachsen und Thüringen wurden durch das Zusammenspiel der SPD mit dem reaktionären Beamtenapparat und der Reichswehr bald wieder zu Fall gebracht. Der fanatische Antikommunismus ihrer Spitze spaltete die Arbeiterschaft und lähmte deren Abwehrkraft gegenüber zunehmender faschistischer Bedrohung. Unter Zurückweisung wiederholter Angebote Thälmanns koalierten die Spitzen der Sozialdemokratie lieber mit rechts, als einer Einheitsfront oder einem Generalstreik gegen Hitler zuzustimmen.

Nach dem 2. Weltkrieg schlug sich die von Kurt Schumacher dirigierte SPD der Westzonen trotz anfänglicher Lippenbekenntnisse zum Sozialismus und rasch wieder aus dem Verkehr gezogener Enteignungsparolen abermals auf die Seite des deutschen Imperialismus. Westberlins Frontstadtbürgermeister Willy Brandt wurde zum Vorkämpfer des Kalten Krieges und der NATO-Politik, später zum Einpeitscher der Berufsverbote und einer rabiaten Kommunistenverfolgung in der BRD. Die "Sozialpartnerschafts"-Ideologie deformierte die zunächst stärker klassenorientierte Gewerkschaftspolitik, was zur Entsolidarisierung führte. Offene oder verdeckte Bündnisse mit Teilen der Wirtschaft und bürgerlichen Parteien folgten auf dem Fuße. Der Kapitalismus galt fortan als "reformierbar". "Im Interesse der Schaffung von Arbeitsplätzen" wurden die Unternehmer steuerlich massiv subventioniert. Dafür gab es Vorbilder. Schon 1929 waren unter der SPD-Regierung Hermann Müllers erhebliche Mittel zur Bankenrettung durch Lohnkürzung und Sozialabbau geflossen.

Nicht erst Willy Brandt vertrat die "Totalitarismusdoktrin". Schon Otto Wels hatte einst die gemeinsame Abwehr der Nazigefahr mit der Behauptung zurückgewiesen, Nazis und Kommunisten seien ja Brüder im gleichen Geiste. Der Antikommunismus als Programmgrundsatz blockierte auch Bestrebungen von KPD- und SPD-Genossen im Westen, die dem Beispiel des Vereinigungsparteitages von 1946 folgen wollten. So heißt es treffend im Klappentext des "Schwarzbuches", der Antikommunismus und die Kriegsbejahung durch die SPD seien die auffälligsten Konstanten der praktischen Politik dieser Partei.

Das durch Konstantin Brandt und den Wiljo Heinen Verlag besorgte Nachschlagewerk über die SPD ist geeignet, verdrängtes Wissen wachzurufen und neue Erkenntnisse über den Sozialreformismus in Deutschland zu gewinnen. Statt "BAK Shalom"-Themen in der Rosa-Luxemburg-Stiftung und dem Einreihen Willy Brandts unter die "Vorväter der PDL" zu folgen, sollten dem Sozialismus treu Gebliebene aus der Lektüre Gewinn ziehen. Mit gutem Grund schreibt der Autor im Vorwort: "Wenn Phantasten in der Partei Die Linke an eine von Gysi angemahnte 'Sozialdemokratisierung' der SPD glauben, ist an deren Chronik zu erinnern."

Deshalb sollten wir alles tun, um für die Verbreitung der kleinen, aber substanzreichen Schrift zu sorgen.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg


Konstantin Brandt. Das Kleine Schwarzbuch der Sozialdemokratie.
Verlag Wiljo Heinen, Berlin 2012, 156 Seiten, 7,50 EUR, ISBN 978-3-939828-90-7

Raute

Käthe Kollwitz: "Meine Kunst hat Zwecke"

Welch ein Frauenleben! Begeistert vertiefe ich mich in ihre so ausdrucksstarken Bilder und Skulpturen, fühle ich zugleich die Nöte jener Zeit, zumal ich ihre Tagebuchaufzeichnungen zur Hand habe. Ich will nicht allzusehr in ihre Biographie eintauchen, obwohl diese allein schon bemerkenswert genug ist, sondern die Frau und deren Werk betrachten, das nichts an Aktualität verloren hat.

Erfüllt von Schmerz, Klage und Trauer steht die Bilderwelt der Künstlerin vor uns. Das quälende Leid wird nur durch wenige Blätter und Plastiken übertönt, die von Kraft und Schönheit erfüllt sind. Aus ihnen sprechen das Wissen um die Stärke einer handelnden Gemeinschaft und Zuversicht. Käthe Kollwitz fordert nicht Mitleid, sondern tätige Hilfe bei der Überwindung menschenunwürdiger Zustände. Aus Hoffnung und Glauben an die Zukunft formuliert sie ihr Bekenntnis, in die das persönlich erlebte Leid der Weltkriegsjahre und die Enttäuschung über das Scheitern der deutschen November-Revolution einfließen: "In solchen Augenblicken, wenn ich mich mitarbeiten weiß in einer internationalen Gemeinschaft gegen den Krieg, hab' ich ein warmes, durchströmendes und befriedigendes Gefühl ... Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind."

Käthe Kollwitz stellt ihr ganzes Schaffen in den Dienst der von ihr bekundeten Wirkungsabsicht. So steht das Leben des Proletariats im Mittelpunkt ihrer Werke. Sie kannte das Dasein der Arbeiter, sah deren Not, Sorgen und Qualen. Sie begegnete ihnen auch in der Literatur, in Zolas "Germinal" und Hauptmanns "Webern". Ausbeutung, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit durch Krankheit und Siechtum, Selbstmord, Abtreibung, Prostitution und Alkoholismus erlebte sie hautnah in den Arbeitervierteln Berlins. Aber sie war auch Augenzeugin von Aufbegehren, impulsivem Aufruhr und kühn geführter revolutionärer Aktion. Käthe Kollwitz sah die durch den weißen Terror Erschlagenen. Aus Leid und Schmerz - ihr Sohn Peter fiel als begeisterter Freiwilliger schon zu Beginn des Ersten Weltkrieges - erhob sie sich und erblickte fortan ihre wichtigste Aufgabe darin, unermüdlich mit Wort und Bild gegen das Gemetzel einzutreten. Für fast jede Analyse des Kollwitzschen Werkes gilt die Feststellung, daß es zweifellos von einer Frau geschaffen wurde, deren Gefühls- und Gedankenwelt ihre Kraft aus dem Kampf für sozialen Wandel bezog. Sie spürte, daß das Ringen um Veränderung der Lebensbedingungen bei den vom Kapitalismus am tiefsten Erniedrigten beginnen muß: den Mädchen, Frauen, Müttern und Witwen aus dem Proletariat. Sie erkannte aber auch, daß die Befreiung der Frau nur Teil einer weitaus umfassenderen Befreiung sein kann.

In Deutschland zählte Käthe Kollwitz zu den ersten bildenden Künstlern, welche schon 1917 die von der russischen Oktoberrevolution eingeleitete und eingeläutete historische Veränderung begriffen. Besonders nachhaltig wirkte sich die Freundschaft mit dem Maler und Kommunisten Otto Nagel auf ihr Denken und Schaffen aus. Ihr verdanken wir einige der besten Kollwitz-Arbeiten. "Helft Rußland!", "Brot", "Demonstration", "Wir schützen die Sowjetunion" lösten auch in der UdSSR Begeisterung aus. Von großer emotioneller Stärke und Hingabe zeugen das Gedenkblatt für Karl Liebknecht, der Zyklus "Die Weber" und die Lithographie "Mutter beschirmt ihre Kinder" ("Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden").

Auch wenn die Nazis Käthe Kollwitz aus der Preußischen Akademie der Künste warfen, ihr den Professorentitel aberkannten und sie mit Ausstellungsverbot belegten, hat ihr Schaffen die Zeiten der Finsternis überdauerte. Am 22. April 1945 - unmittelbar vor der Befreiung vom Faschismus - ist sie im Alter von 77 Jahren verstorben.

Cornelia Noack, Beeskow

Raute

Marxismus für Einsteiger - Was bedeutet Kommunismus?

Kommunismus, das heißt: Beseitigung des kapitalistischen Privateigentums an den entscheidenden Produktionsmitteln. Kommunismus bedeutet Brechung der politischen Macht der Kapitalistenklasse und Errichtung der von der Arbeiterklasse und ihren Verbündeten getragenen Staatsmacht. Kommunismus ist der Schritt um Schritt zu vollziehende Aufbau einer ausbeutungsfreien Gesellschaft und letztlich in fernerer Zukunft eine weltweite "Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist" (MEW, Bd. 4, S. 482), - also eine Gesellschaft ohne Klassen und ohne Staat.

Kommunistische Bestrebungen gab es - zumeist in religiösem Gewande - bereits in der Antike und im Mittelalter. Als der erste Kommunist der Neuzeit gilt der Franzose François Noël Babeuf (Grachus), der im Verlauf der französischen bürgerlichen Revolution das radikalste, auf soziale Gleichheit zielende Jakobinertum vertrat. Er stand an der Spitze der bewaffneten "Verschwörung der Gleichen" und wurde 1796 hingerichtet. Das war der eigentliche Ausgangspunkt jenes utopischen Kommunismus, der zu den historischen Quellen des Marxismus zählt. Doch Kommunismus - Dreh- und Angelpunkt des gesamten theoretischen Schaffens von Karl Marx und Friedrich Engels - darf auf keinen Fall mit utopischem Kommunismus verwechselt werden. Kommunismus ist die historisch gesetzmäßig den Kapitalismus ablösende sozialökonomische Gesellschaftsformation und umfaßt eine niedere (sozialistische) und eine höhere, im engeren Sinne kommunistische Phase. Der Sozialismus ist "die Gesellschaft ..., die unmittelbar aus dem Kapitalismus hervorwächst; er ist die erste Form der neuen Gesellschaft, während der Kommunismus eine höhere Form der Gesellschaft ist, die sich erst dann entwickeln kann, wenn sich der Sozialismus vollständig gefestigt hat." (LW, 30/274) Wie Karl Marx nachwies, muß im Sozialismus das Prinzip gelten: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung." In der in allen ihren Einzelheiten heute noch keineswegs faßbaren höheren Phase wird gelten - vorausgesetzt, alle Springquellen gesellschaftlichen Reichtums sind voll erschlossen - "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen." Der sozialistische Staat wird im Prozeß des Übergangs zur höheren Phase nicht abgeschafft, sondern als politische Macht der arbeitenden Klassen in einer klassenlosen Gesellschaft zwangsläufig "absterben". Als kommunistisch bezeichnet man jedoch nicht nur diese neue Gesellschaftsformation, sondern auch die revolutionäre Arbeiterbewegung, die noch im Rahmen der bestehenden kapitalistischen Ordnung kämpft. Marx und Engels unterstrichen im "Kommunistischen Manifest", daß die Kommunisten keine von den Interessen des ganzen Proletariats getrennten Interessen haben und keine sektiererischen Prinzipien aufstellen, wonach sie die Arbeiterbewegung modeln. Denn: "Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, daß sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerseits dadurch, daß sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.

Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weiter treibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus." (MEW, 4/474)

Prof. Dr. Götz Dieckmann

Raute

Erfahrungen eines "Treuhänders", der seine Hände in Unschuld wäscht

Broterwerb bei Beutejägern

Im vergangenen Jahr erschien Günter-Heribert Münzbergs Buch "Fette Beute", in welchem er seine Erfahrungen als ehemaliger Mitarbeiter der Treuhandanstalt verarbeitet hat. Ich war gespannt darauf, die Erlebnisse eines Insiders dieser von vielen als kriminelle Vereinigung betrachteten Behörde zu lesen. Der 1941 geborene Autor war viele Jahre Leiter der Zentralen Gutachterstelle für Investitionen des Ministeriums für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie und von entsprechenden Gremien der Zentralen Inspektion für Investitionen in der Staatlichen Plankommission der DDR. Im Mai 1990 übersiedelte er von Berlin nach Leipzig. Dort nahm er seinen Dienst in der Außenstelle der Treuhandanstalt auf.

Heute wird häufig vergessen, daß diese Einrichtung durch einen Beschluß des von Hans Modrow angeführten DDR-Ministerrates am 1. März 1990‍ ‍gegründet worden war. Erst nach der Annexion der DDR durch die BRD verwandelten die Plünderer des Volksvermögens sie vollends in jene Behörde, die bis zum heutigen Tage in Ostdeutschland Haß und Abscheu hervorruft.

Münzberg beschreibt seine Erlebnisse als Treuhänder der ersten Stunde sehr lebendig. Wir erfahren vom Chaos jener Tage, von den sich ständig verändernden gesellschaftlichen Bedingungen und vom Idealismus mancher Mitarbeiter, die ehrlich bemüht zu sein schienen, die Errungenschaften der DDR zu bewahren und Fehlentwicklungen zu überwinden.

Doch wenn auch die Treuhand bis zum 3. Oktober 1990 noch offiziell als staatliche Einrichtung der DDR galt, so war sie tatsächlich längst fremdbestimmt. Die Kohl-Regierung hatte schon im Juli 1990 erreicht, daß die Führungsspitze von "marktwirtschaftlich erfahrenen" westdeutschen Managern besetzt wurde. Erster Vorsitzender war Reiner Maria Gohlke, ihm folgte Detlev Karsten Rohwedder und nach dessen Ermordung Birgit Breuel.

Auch in Leipzig tauchten immer öfter seriös wirkende Herren aus dem Westen auf und boten sich als Unternehmensberater an. Im Oktober 1990 wurde die Stelle des Leiters der Treuhand-Außenstelle von einem erfahrenen "Wessi" übernommen.

Münzberg beschreibt sehr anschaulich, wie sich das Arbeitsklima änderte, wie Mißtrauen, Intrigen, Schikane und pure Arroganz gegenüber ehemaligen DDR-Bürgern nun die Atmosphäre bestimmten. "Ossis" wurden heruntergestuft und mit der Zeit gänzlich verdrängt. Immer öfter waren sie beinahe rassistisch anmutenden Vorurteilen ausgesetzt. Manches erinnerte an den Umgang kaiserlicher Kolonialoffiziere mit afrikanischen Eingeborenen zur Zeit Wilhelms II.

Münzberg berichtet von der Privatisierung des Handels, dem Verkauf kleiner und großer Betriebe und auch vom Protest der Arbeiter, die vor dem Leipziger Treuhand-Sitz demonstrierten. Man lernt beim Lesen seines Buches wirklich alle Formen von "Flachzangen aus dem Westen" (Klaus Huhn) kennen, die über die einstige DDR herfielen, aber erfährt auch manches über redliche Menschen von dort, die keine egoistischen Absichten verfolgten. Detailliert beschreibt der Autor, wie Verträge zustande kamen und wie die Unterschriften unter ihnen das Leben der Arbeiter in den betroffenen Betrieben auf den Kopf stellten.

Das Buch ist ohne Zweifel interessant. Und doch überkommt den Leser ein ungutes Gefühl. Der Autor beschreibt zwar sehr anschaulich, wie Westdeutsche im Osten "fette Beute" machten, sagt aber kein Wort darüber, ob bei ihm, der er Mitarbeiter jener Behörde war, welche ein ganzes Land deindustriealisierte, Millionen Biographien zerstörte und das Vermögen eines ganzen Volkes zum Raub freigab, nicht hin und wieder Zweifel am Sinn seiner Tätigkeit aufgekommen sind. Wie kann jemand, der zuvor in der DDR-Volkswirtschaft an verantwortlicher Stelle tätig war, übergangslos weitermachen, wenn es um deren Zerstörung geht? Wie kann man gestern noch das Volkseigentum behüten und schon am nächsten Tag jenen dienen, welche es dem Volk entreißen? Ist ihm denn niemals in den Sinn gekommen, daß die eine oder andere "fette Beute" auch mit seiner Hilfe ergattert wurde?

Münzberg erwähnt derartige Fälle immer so, als ob es sich nur um das Versagen anderer gehandelt habe, während seine eigene Arbeit absolut korrekt gewesen sei. Es ist schon beklemmend zu lesen, wie ein ehemaliger DDR-Bürger nach dem Untergang seines Staates ohne Skrupel in einer Behörde weiterwirkte, ohne deren völlig veränderte Ziele zu hinterfragen. Mit naivem Stolz verweist der Autor schließlich darauf, daß viele von ihm mit ausgehandelte Verträge seine Unterschrift tragen. Er verzichtet aber auf die Frage, ob diese Signatur nicht Menschen direkt in die Erwerbslosigkeit geführt hat. Münzberg analysiert oft messerscharf die Mißstände nach 1990, tut das jedoch immer so, als hätte er dabei nur eine Beobachterrolle gespielt. In Wahrheit genoß er es durchaus, Macht zu besitzen und seinen "Job" gründlich und beflissen zu tun. So schildert er mit unverhohlenem Stolz, wie er zufällig zu einer Einladung kam, die ihm den Besuch der Vortragsveranstaltung des damaligen NATO-Generalsekretärs Manfred Wörner ermöglichte. O-Ton Münzberg: "Er besaß eine beeindruckende Ausstrahlung, der Vortrag hatte Hand und Fuß und überzeugte durch seine Sachlichkeit." Bei Wörners Ausführungen ging es 1992 um die vermeintliche Notwendigkeit eines "Engagements" der NATO in Jugoslawien.

Der Treuhand-Bedienstete lehnte sich erst gegen die Anstalt auf, als er am Ende selbst abgewickelt werden sollte. Von dem Schicksal unzähliger anderer nun auch selbst bedroht, ging er gegen "seine" Behörde arbeitsgerichtlich vor. Wenn Münzberg indes schreibt, er habe sich beim Sammeln von Informationen gegen den "Arbeitgeber" fast wie Günter Wallraff gefühlt, dann ist das wohl ein sehr unangemessener Vergleich.

Ein Treuhand-Mitarbeiter, der seine Hände in Unschuld wäscht, klagte hier auf Wiedereinstellung und hatte dabei Erfolg. Wenn er sich aber als Anwalt unterdrückter Ostdeutscher empfand, scheint das noch gewagter, als der Bezug auf den couragierten Enthüllungsschriftsteller aus dem Westen. War Münzberg immer noch nicht klar, wohin er zurückstrebte? Sein Plädoyer über die Vorzüge des "Rechtsstaates" und seine Klage darüber, viele Ostdeutsche wüßten diesen nicht zu schätzen, sind aus der Sicht eines durch die Treuhand abgewickelten Arbeiters blanker Zynismus. In dessen liquidierten Betrieb gab es - auch bei gewonnener Klage - kein Zurück.

Dennoch: Wer erfahren möchte, wie es in der Treuhand zuging, welcher Geist in ihr herrschte, welcher Menschenschlag sie wie Motten das Licht umkreiste oder wie das gesellschaftliche Klima vor und nach Zerschlagung der DDR gewesen ist, sollte Münzbergs Buch kritisch lesen. Eine historische Analyse der Geschehnisse von damals aus marxistischer Sicht ist von diesem Mann natürlich nicht zu erwarten, doch viele Details und etliche Wertungen bringen die Dinge auf den Punkt.

Ulrich Guhl

Raute

RF-Extra

Wie der Westen den Weg zur Einheit Deutschlands buchstäblich vermauerte

Komplott der Spalter

Waren die USA im Ergebnis des Ersten Weltkrieges zu einem globalen Faktor geworden, so übernahmen sie im Ergebnis des Zweiten die Rolle der Führungsmacht der kapitalistischen Welt. Andererseits war das internationale Prestige der Sowjetunion, die im antifaschistischen Befreiungskrieg die Hauptlast getragen hatte, bedeutend gewachsen. Die Idee des Sozialismus erhielt weltweit beträchtlichen Zuspruch.

In Washington wollte man sich mit dieser neuen Realität jedoch nicht abfinden.

Bereits während des Krieges hatten Experten des U.S. State Department und des Rates für Auswärtige Angelegenheiten Fragen der Nachkriegsstrategie beraten. "Wie organisieren wir die Welt?" hieß ihre Vorgabe. Als "Grand Area" umrissen sie ein Gebiet, das die gesamte westliche Hemisphäre, das in Auflösung begriffene Britische Empire und den Fernen Osten umfaßte. "Das war das Minimum - das Maximum war das Universum", urteilte der US-Wissenschaftler und Publizist Noam Chomsky. Es ging demnach um die Weltherrschaft.

Daß es dennoch zu den Abmachungen der Hauptmächte der Antihitlerkoalition von Jalta und Potsdam und zur europäischen Nachkriegsordnung kam, entsprach der Forderung der Völker, die faschistischen Kriegsverbrecher zu ahnden und Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß nie wieder Krieg von deutschem Boden ausgehen sollte.

Doch schon während der Potsdamer Konferenz erteilte Truman der Politik der friedlichen Koexistenz eine Absage. Gestützt auf das US-Monopol in dieser neuen Waffenart, befahl er den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki, obwohl Japan Kapitulationsbereitschaft signalisiert hatte. Truman wollte gegenüber der UdSSR "Stärke" demonstrieren. Vor dem Abwurf der Bombe hatte er geprahlt: "Wenn die explodiert ... habe ich zweifellos einen Hammer gegen jene Burschen." Gemeint war die sowjetische Führung. Das von Truman betriebene Auseinanderdriften der Antihitlerkoalition und das Abrücken von den Potsdamer Grundsätzen nahmen ihren Lauf.

Die westlichen Militärregierungen sahen sich zunächst mit einer massiven Antikriegsstimmung in Deutschland konfrontiert. Sie widerspiegelte sich auch in den Gründungsaufrufen der zugelassenen Parteien. Grundlegende Umgestaltungen der politischen und sozial-ökonomischen Strukturen wurden gefordert. Die KPD verlangte die Entmachtung der Nazi- und Kriegsverbrecher, die Errichtung einer parlamentarischen Republik und eines antifaschistisch-demokratischen Regimes.

Der SPD-Politiker Kurt Schumacher sprach im Herbst 1945 von der Vergesellschaftung der Produktionsmittel. Wenige Monate später erklärte die SPD der Westzonen sogar den Sozialismus zur "Tagesaufgabe".

Auch die CDU forderte eine "Neuordnung von Grund auf". Es gehe um einen "christlichen Sozialismus".

In einigen Landesverfassungen fanden diese Forderungen ihren Niederschlag. So sah z. B. Artikel 41 der hessischen Verfassung vor, den Bergbau und die Betriebe der Eisen- und Stahlerzeugung, des schienen-und oberleitungsgebundenen Verkehrswesens sowie das Banken- und Versicherungswesen in Gemeineigentum zu überführen.

Die US-Militärregierung blockierte diesen Artikel. Ein daraufhin durchgeführter Volksentscheid ergab aber die Zustimmung von über 70 Prozent der Wähler.

Am 6. September 1946 signalisierte US-Außenminister Byrnes in seiner Stuttgarter Rede, daß sich Washington nicht mehr an Potsdam gebunden fühle.

Die vereinbarte Schaffung deutscher Zentralverwaltungen für verschiedene Bereiche der Industrie, des Handels und der Finanzen wurde von den Westmächten verhindert. Sie erörterten statt dessen die Einführung einer separaten Währung für ihre Besatzungszonen und die daraus folgende Abgrenzung gegenüber der Ostzone. Schon 1945 hatte der bekannte US-Politiker George F. Kennan erklärt: "Besser ein zerstückeltes Deutschland, von dem wenigstens der westliche Teil als Prellbock für die Kräfte des Totalitarismus wirkt, als ein geeintes Deutschland, das diese Kräfte wieder bis an die Nordsee vorläßt." Im März 1947 wurde die Truman-Doktrin verkündet, die in der Strategie des "Zurückrollens des Kommunismus" gipfelte. Bei den Viermächtekonferenzen erfolgte die Ablehnung aller auf ein einheitliches, demokratisches und friedliches Deutschland gerichteten sowjetischen Initiativen.

Konrad Adenauer hatte schon im Herbst 1945 seine Antipathie gegenüber einem einheitlichen deutschen Staat verkündet, indem er erklärte, "die Westmächte sollten die drei Zonen, die sie besetzt halten, tunlichst in einem staatsrechtlichen Verhältnis zueinander belassen".

Auch Schumacher war ein Wegbereiter der Spaltung. Er wandte sich entschieden gegen alle Bestrebungen zur Vereinigung von SPD und KPD auch im Westen. Im Sommer 1946 forderte er eine Revision der Potsdamer Beschlüsse und das Aufgehen Deutschlands in einer europäischen Föderation.

Einen gravierenden Spaltungsakt stellte die von den Westmächten veranlaßte Bildung der Bizone und die Konstituierung eines Bizonen-Wirtschaftsrates, dem auch Vertreter westdeutscher Konzerne angehörten, im Herbst 1946 dar.

In dieser bedrohlichen Situation rief der Parteivorstand der SED zur Durchführung eines Volksentscheids für ein einheitliches Deutschland und die Einsetzung einer gesamtdeutschen Zentralregierung auf. Er wurde in den westlichen Besatzungszonen ebenso verboten wie die sich herausbildende Volkskongreßbewegung für Einheit und gerechten Frieden.

Die US-Administration reagierte auf diese Entwicklung mit der Verkündung des Marshallplans.

Westeuropa und die westlichen Besatzungszonen Deutschlands wurden zum Abladeplatz für amerikanische Überschußprodukte - Lebensmittel wie Industriegüter. US-Großunternehmen machten damit ein Riesengeschäft. Zugleich aber bewirkten die Lieferungen eine spürbare Verbesserung der Ernährungsbasis, was erhebliche Produktionssteigerungen ermöglichte.

Der Marshallplan diente in der heftiger werdenden Systemauseinandersetzung vor allem dazu, ökonomische Voraussetzungen für die Gründung eines westdeutschen Separatstaates zu schaffen und dessen künftige Rolle als europäische "Speerspitze" der USA ideologisch vorzubereiten.

Unmittelbar nach Verkündung des Marshallplans lud der bayerische Regierungschef zu einer Ministerpräsidentenkonferenz nach München ein. Seitens der SED wurde vorgeschlagen, dort über Wege zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu beraten. Schumachers SPD drohte bei Akzeptenz dieses Themas mit dem Verlassen der Konferenz. Vor deren Beginn wurden die ostdeutschen Teilnehmer aufgefordert, der Tagesordnung ohne den von ihnen vorgeschlagenen Punkt zuzustimmen. Kategorisch zurückgewiesen wurde auch deren Wunsch, während der Beratungen eine Erklärung abzugeben. Die Delegation aus dem Osten verließ daraufhin die Konferenz. Die von den westlichen Besatzungsmächten inszenierte Provokation war gelungen. Der Spaltungsprozeß schritt weiter voran.

Unterdessen wurde die französische Besatzungszone der Bizone angegliedert, was zur Trizone führte.

Im Frühjahr 1948 wurden die Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder sowie Vertreter von Parteien ersucht, den Verfassungsentwurf für eine Staatsgründung im Ergebnis der Konferenz der Westmächte und der Beneluxstaaten in London auszuarbeiten. Der sowjetische Vertreter im Alliierten Kontrollrat erhielt keine Information über die Konferenzbeschlüsse.

Einen weiteren Spaltungsakt stellte im Juni 1948 die separate Währungsreform der Westmächte dar. Sie war zugleich die Initialzündung zur Auslösung einer brisanten Spannungslage in Europa.

Die sowjetischen Vertreter im Kontrollrat stimmten seit geraumer Zeit mit ihren westlichen Partnern darin überein, daß eine Währungsreform für alle Besatzungszonen erforderlich sei. Sie schlugen deshalb die sofortige Schaffung einer Finanzverwaltung und einer Emissionsbank für ganz Deutschland vor. Tatsächlich einigte man sich auf ein Viermächteabkommen über Hauptgrundsätze der Reform.

Doch am 20. Juni 1948 wurde mit einer Nacht-und-Nebel-Aktion die D-Mark in den Westzonen eingeführt. Es stellte sich heraus, daß die Kontrollratsverhandlungen lediglich ein Manöver der Westmächte waren, um insgeheim den Spaltungsakt vorzubereiten. Am 23. Juni wurde die D-Mark auch in Westberlin zum Zahlungsmittel, nachdem es noch fünf Tage zuvor in einer schriftlichen Erklärung geheißen hatte, es bestünden keine der derartigen Absichten.

Der CDU-Politiker Gradl triumphierte: "Von nun an verläuft zwischen den Westzonen und der Sowjetzone eine Währungsgrenze. Jenseits der Zonengrenze ist Ausland, Devisenausland."

Die Kalte-Kriegs-Aktion bedeutete aber nicht nur die Währungsspaltung, sondern auch die ökonomische und politische Trennung.

Die sowjetische Seite sah sich gezwungen, eine Reihe von Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Verkehrsbeschränkungen betrafen die Verbindungslinien für den Güter- und Personenverkehr zwischen Westdeutschland und Berlin, nicht aber den Luftverkehr. Die Einschleusung der Spalterwährung und der im Westen ungültig gewordenen Reichsmark wurde verboten.

Westliche Politiker und Medien sprachen daraufhin von einer "unmenschlichen Blockade". Die Westberliner würden damit in Not und Elend gestürzt.

Tatsächlich war der allgemeine Personenverkehr von den sowjetischen Maßnahmen nicht betroffen. Die Berliner S-Bahn verkehrte normal. Westberliner Bürger und Firmen konnten weiterhin in Ostberlin und in der sowjetischen Besatzungszone einkaufen. Am 1. Juli unterbreitete die Deutsche Wirtschaftskommission dem Berliner Magistrat den Vorschlag, ganz Berlin aus der Ostzone zu versorgen. Die Regierung der UdSSR stellte für diesen Zweck umfangreiche Lebensmittelmengen zur Verfügung. Ihr Angebot wurde nicht zur Kenntnis genommen.

Auf Drängen der Sowjetregierung kam es im August 1948 bei Viermächteverhandlungen in Moskau zu einer Übereinkunft. Vereinbart wurden die Aufhebung der Verkehrsbeschränkungen, die Einführung der Deutschen Mark in der sowjetischen Besatzungszone sowie die Rücknahme der D-Mark als Zahlungsmittel in Westberlin. Bis zum 7. September sollten die vier Oberbefehlshaber die Durchführungsbestimmungen festlegen. Doch US-General Lucius D. Clay ließ das Ergebnis der Beratung auffliegen.

Die Westmächte errichteten nun eine Luftbrücke, die sich - bis heute - als antikommunistischer Dauerbrenner erweist. Mit der "Brechung der Blockade" wurden die intensiv betriebene Spaltung Deutschlands und Berlins propagandistisch abgeschirmt sowie die Fundamente für den Ausbau Westberlins zur Frontstadt der NATO gelegt, deren Gründung kurz bevorstand.

Am 1. Juli 1948 wurde zunächst ein weiterer entscheidender Schritt zur Spaltung getan. Die Militärgouverneure veranlaßten die in Frankfurt/Main zusammengetrommelten Ministerpräsidenten der westdeutschen Länder dazu, den Parlamentarischen Rat einzuberufen. Dieser sollte eine Verfassung ausarbeiten und sie den drei Militärregierungen zur Bestätigung vorlegen. Überdies wurden ein Oberstes Gericht für die Westzonen installiert und die Bank Deutscher Länder eingerichtet.

Am 8. Mai 1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat ein als Provisorium bezeichnetes Grundgesetz. Dem in Potsdam gesetzten Völkerrecht sowie einem einheitlichen, friedlichen, neutralen und antifaschistischen Deutschland war damit eine endgültige Absage erteilt worden.

Am 20. September 1949 konstituierte sich die BRD als Separatstaat. Bundeskanzler wurde Konrad Adenauer. Sein Wort "Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb" ging davon aus, daß im Osten Deutschlands die alten Machtverhältnisse nicht kurzfristig wiederhergestellt werden könnten. Doch schon bald sprach der Bonner Regierungschef von der "Befreiung der Sowjetzone". In der BRD spekulierte man darauf, daß die DDR infolge der Spaltung Deutschlands wirtschaftlich nicht lange überleben werde. Die Grundstoffindustrie als volkswirtschaftliche Basis befand sich im Ruhrgebiet. So prophezeiten westdeutsche Gazetten, die DDR werde ihren ersten Jahrestag wohl kaum begehen können.

1952‍ ‍berief die Bundesregierung dann einen "Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands". In ihm waren Vertreter der Monopole, darunter auch Nazi-Experten, die bei der Ausplünderung der besetzten "Ostgebiete" eine führende Rolle gespielt hatten, damit befaßt, konkrete Pläne für eine Rekapitalisierung des DDR-Volkseigentums auszuarbeiten. Es handelte sich um jene konterrevolutionären "Umgestaltungen", welche die Menschen im Osten seit 1990 hautnah erlebt haben.

Prof. Dr. Georg Grasnick

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Der Marshallplan war keine Freundesgeste: Er half dem deutschen Imperialismus wieder auf die Beine und bescherte USA-Konzernen traumhafte Dividenden.

- "Brechung der Blockade": ein US-Rosinenbomber bei der Landung in Berlin-Tempelhof

Raute

Christa Wolf: "Ich wollte kein anderes Leben als das"

Der "Geteilte Himmel" und Würde auf Erden

In den 60er Jahren war in der DDR eine Diskussion über Literatur in Gang gekommen, wie sie seitdem nicht noch einmal und meines Wissens in solchem Umfang und solcher Öffentlichkeit auch nirgendwo anders wieder geführt wurde.

Daran waren viele beteiligt: Franz Fühmann, Brigitte Reimann, Stefan Heym, Alfred Wellm, Helmut Sakowski, in besonderem Maße aber Hermann Kant, Erik Neutsch, Erwin Strittmatter und Christa Wolf.

"Die Aula", "Spur der Steine", "Ole Bienkopp" und "Der geteilte Himmel" regten die Leser im wahrsten Sinne des Wortes auf. Sie begegneten sich zum ersten Mal in Augenhöhe mit ihren Autoren. Sie sahen und fühlten sich verstanden, hatten die gleichen Probleme, Hoffnungen und Ängste.

Damit überschritt die Literatur eine Grenze, durchbrach sie einen Wall. Sie war nicht mehr nur Schöngeist, sondern auch Gebrauchswert. Das hatte es in dieser Ausprägung noch nicht gegeben. Im ewigen Streit um die Frage, ob Literatur etwas bewirken kann oder nicht, gab es nun eine Antwort: Sie kann! Sie muß nur zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Probleme aufgreifen, die Hand am Puls der Zeit haben und sich so artikulieren, daß sie von einer Mehrheit verstanden und aufgegriffen wird. Es war ja im eigentlichen Sinne keine Literaturdiskussion, die damals die Gemüter bewegte, sondern eine Debatte um den Zustand der Gesellschaft, den die Literatur bewußtgemacht hatte.

So zu schreiben ist allerdings nicht jedes Autors Art - Christa Wolfs war es schon. Sie hat sich dazu bekannt, daß sie ihre "Bücher nur hier" (in der DDR), in der Spannung zwischen Wirklichkeit und Vorstellung, zwischen Hoffnung und Enttäuschung schreiben konnte. "Ich brauche diese Reibung", meinte sie. Sie wollte sich "kenntlich machen durch Schreiben", "die Grenzen des Sagbaren" erkunden. Das hat sie getan. Jedes ihrer Bücher ist von diesem persönlichen Beschluß und der sich selbst auferlegten Mühe bestimmt. Darin eingeschlossen ist die Zuversicht, daß die Menschen jenseits des Kapitalismus nach Gesellschaftsmodellen suchen müssen, die das Leben humaner, gerechter, friedlicher machen, und daß jeder Versuch auf dem Weg dorthin mehr als eine Chance verdient.

Daß sie es ernst damit meinte, hat sie mit ihrer Rede am 4. November 1989‍ ‍auf dem Berliner Alexanderplatz bewiesen: "Mit dem Wort 'Wende' habe ich meine Schwierigkeiten", erklärte sie der Menge. "Ich sehe da ein Segelboot, der Kapitän ruft: 'Klar zur Wende!', weil der Wind sich gedreht hat, und die Mannschaft duckt sich, wenn der Segelbaum über das Boot fegt. Stimmt dieses Bild? ... Ich würde von 'revolutionärer Erneuerung' sprechen. Revolutionen gehen von unten aus. 'Unten' und 'oben' wechseln ihre Plätze in dem Wertesystem, und dieser Wechsel stellt die sozialistische Gesellschaft vom Kopf auf die Füße. Große soziale Bewegungen kommen in Gang, so viel wie in diesen Wochen ist in unserem Land noch nie geredet worden, miteinander geredet worden, noch nie mit dieser Leidenschaft, mit so viel Zorn und Trauer und mit so viel Hoffnung ... Verblüfft beobachten wir die Wendigen, im Volksmund 'Wendehälse' genannt, die, laut Lexikon, sich 'rasch und leicht einer gegebenen Situation anpassen, sich in ihr geschickt bewegen, sie zu nutzen verstehen'... Träumen wir mit hellwacher Vernunft. Stell dir vor, es ist Sozialismus, und keiner geht weg!"

Diese Rede haben ihr viele, die sie wegen ihrer kritischen Haltung gegenüber dem realen Sozialismus zur widerständlerischen DDR-Vorzeigeautorin gemacht hatten, nie verziehen. Von nun an war sie eine andere, sogar hochgradig "Stasi"-verdächtig.

In einem Aufsatz "Abschied von Phantomen. Zur Sache Deutschland" schreibt sie: "Ich bin auf der Suche nach einem Namen für Gefühl ... In der deutschen Öffentlichkeit (findet) 'Vergangenheitsbewältigung' weithin als Skandalchronik statt, reduziert auf das Blättern in Akten ­... Das, dachte ich damals und denke ich heute, diese Aktengläubigkeit ist wohl nur in Deutschland möglich. Ich werde und will das körperliche Gefühl nicht vergessen, Stück für Stück, Glied für Glied ausgewechselt zu werden gegen eine andere Person, die in die Medien paßte, und dort, wo ich eigentlich war, eine Leerstelle entstehen zu sehen. Da wurde mir unheimlich: Jetzt hatte ich das Wort für mein Gefühl. Unheimlich vor dem Verschwinden von Realität."

Realität wird jedoch nicht allein auf diese Weise ausgekehrt, erkennt Christa Wolf. Es gibt viele Gründe und viele Spielarten, sie unkenntlich zu machen. In einem Brief an Wolfgang Thierse schreibt sie bereits im September 1991: "Ich gehöre zu denen, die lange vor dem 3. Oktober 90 davor gewarnt haben, daß die Wiedervereinigung als Anschluß des kleineren, ärmeren, an den größeren, reichen Teil Deutschlands den selbstkritischen Umgang mit unserer Vergangenheit enorm erschweren würde. Da habe ich die westliche Abwehrhaltung bis hin zum Ekel vor uns noch nicht in ihrem ganzen Umfang sehen können, es zeigten sich erst die Tendenzen, die DDR so unhistorisch wie möglich zum Phantom, ihre Bewohner zu Monstern zu dämonisieren ...

Der Erfolg bei den 'normalen' Westdeutschen ist erreicht: Aus Angst haben sie sich ein DDR-Bild einimpfen lassen, das an Realitätsferne nichts zu wünschen übrig läßt ... Unsere Verzweiflung wird, wenn wir sie zu formulieren wagen, uns als 'Nostalgie' in den Hals zurückgestopft."

Man ist versucht, Christa Wolf in dieser Angelegenheit fortwährend zu zitieren. Sie ist auch hier wieder auf Augenhöhe mit ihren Lesern und spricht aus, was viele zwar auch denken, so aber nicht sagen können oder sich nicht zu sagen trauen.

Noch einmal! "Das groß angelegte Unterfangen, die DDR auf den Begriff 'Unrechtsstaat' zu reduzieren, sie dem Reich des Bösen zuzuordnen und damit historisches Denken zu blockieren, war nützlich für die ebenfalls groß angelegte massenhafte Enteignung und Infragestellung des Eigentums von DDR-Bürgern, half aber vor allem - nicht zuletzt vor den westdeutschen Mitbürgern - die Tatsache zu kaschieren, daß der Mantel der Geschichte wieder einmal zugunsten derjenigen weht, die genug Puste haben, die Windrichtung zu bestimmen." Christa Wolf ahnt eine Gefahr: "Wer ins Unrecht gesetzt ist, begehrt nicht so leicht auf - wenn er nicht eines Tages blindlings um sich schlägt."

Es ist klar, diese Frau paßt mit ihrer Meinung nicht ins Klischee von "Historikern" wie Hubertus Knabe, Michael Richter oder denen des Hannah-Ahrendt-Instituts für Totalitarismusforschung, aber auch nicht ins Bild mancher Bürgerrechtler, die sich ihre eigene Ost-Ikone geschnitzt haben. Wäre Christa Wolf beim Bücherschreiben geblieben, hätte man ihr manches durchgehen lassen, aber sich direkt ins aktuell-politische Geschehen einzumischen, vor großem Publikum Reden zu halten, Pamphlete zu verfassen, Licht am Ende des Tunnels zu bezweifeln - das ist für jene, welche "die Windrichtung bestimmen" wollen, nicht hinnehmbar. Zum Glück besteht die Welt aber nicht nur aus Windmachern, sondern auch aus Persönlichkeiten, die sich weitgehend noch ihre Unabhängigkeit bewahrt haben und genug Zivilcourage besitzen, gegen den Stachel zu löcken und ein paar Kulissen zu verschieben, um Blicke dahinter zu ermöglichen.

Im November 1991 erhielt Christa Wolf Post von Jürgen Habermas, dem Mitgestalter der Frankfurter kritischen Philosophenschule und ideellen Wegbegleiter der 68er. Was er ihr schreibt, sollte sehr aktuell gelesen werden. "In der alten Bundesrepublik besteht das Neue der Situation vor allem darin, daß sich die bisher getrennten Elemente des rechtsextremen Lagers zu einer explosiven Mischung verbinden. Nationaldemokraten und Republikaner vereinigen sich zum ersten Mal mit einer gewaltbereiten Jugendszene von Skinheads und Hooligans, und um beide rankt sich ein weit verzweigtes publizistisches Netzwerk von Rechtsintellektuellen, in das sich auch immer mehr Konservative unbefangen einfädeln ... Überhaupt hat der Geist hierzulande wieder einmal einen Ruck getan: die Liberalen werden nationalliberal, die Jungkonservativen deutsch-militant. Was im Historikerstreit noch eine kontroverse Frage war, ist nun längst entschieden: Von 'beiden Diktaturen' darf fortan undifferenziert die Rede sein ... Wir hier sind auf die liberalen und linken Intellektuellen in der ehemaligen DDR angewiesen, wenn das Netz einer halbwegs zivilen politischen Kultur unter den neuen Belastungen nicht reißen soll. Das Netz ist vielleicht noch nicht zerrissen, aber doch reichlich verschlissen und immer weniger tragfähig." Habermas' Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Die linken Intellektuellen aus der DDR hatten zumeist keine Chance, sich in die deutsche Einheit einzubringen. Sie wurden evaluiert, politisch verdächtigt, entlassen, kaltgestellt und an den sozialen Rand gedrängt. Die meisten sind verstummt. Die wenigen, die sich noch einmischen, sind alt, werden von den Medien überwiegend ausgegrenzt und haben kein eigenes Podium für ihre Meinungen.

Christa Wolf hat auch das durchschaut. In ihrem Brief an Thierse schreibt sie: "Die Akademie wird sicherlich aufgelöst werden, ein Westdeutscher, der es wissen muß, soll in der jüngst abgelaufenen Medienkonferenz die Absicht geäußert haben, das intellektuelle Potential Ost zu zerschlagen."

"Wo ist euer Lächeln geblieben?", fragt sie in einem Aufsatz. Sie läßt einen "vorwitzigen Kollegen", wie sie ihn nennt, zu Wort kommen. "Die Freiheit hat sich durchgesetzt: Die D-Mark ist frei. Ich bin der Herr dein Gott, sagt die D-Mark. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Es empfiehlt sich nicht."

Christa Wolf hat einen Platz auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin neben vielen großen Deutschen erhalten. Das ist würdig und verdient. Das ist ein Denkmal, das bleiben wird. Ob die Erinnerung an ihr Werk und ihre Persönlichkeit ebenso dauerhaft sein wird, bleibt abzuwarten.

Es ist die übliche Regie zu befürchten: in der nächsten Zeit noch ein paar feierliche Reden, schnelle Nachauflagen ihrer Bücher, die Plazierung von zwei, drei Titeln auf Bestsellerlisten ("Der geteilte Himmel", "Kindheitsmuster", "Kassandra" - auf keinen Fall "Auf dem Weg nach Tabou"), beginnende Kritik, Verabschiedung in Freundeskreise und wissenschaftliche Konferenzen. Mag sein, daß ich mich irre. Recht hat und behält Volker Braun, der in seiner Trauerrede sagte: "Sie blieb nach dem Umbruch voll Neugier, die Spottlust ungestillt, und das Nachdenken über alles. Ein Fassungbewahren in der Großen Verwerfung. Ernüchterung blieb ihr Zauberwort. Sie 'wollte kein anderes Leben als das'.

Sie hat der deutschen Literatur - wie wenige - Würde und Weltbewußtsein gegeben."

Prof. Dr. Benno Pubanz, Güstrow

Die Zitate sind überwiegend entnommen aus: Christa Wolf. Auf dem Weg nach Tabou. Texte 1990-1994, Kiepenheuer und Witsch, Köln 1994

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Die Literatin in ihrem Arbeitszimmer
- Eberhard Esche und Renate Blume in "Der geteilte Himmel"
- Anna Seghers im Gespräch mit Christa Wolf
- Signierstunde in Leipzig am 14. März 1983

Ende RF-Extra

Raute

Hans Modrow an Polens Staatspräsidenten:
"Lassen Sie Gerechtigkeit für Wojciech Jaruzelski und Zbigniew Wiktor walten!"

Staatspräsident der Republik Polen
Herrn Bronislaw Komorowski
ul. Wiejska 10, PL-00-498 Warszawa
Berlin, 16. 12. 2011

Sehr geehrter Herr Staatspräsident Komorowski,

in freundschaftlicher Verbundenheit verfolge ich seit vielen Jahrzehnten die Entwicklung in Ihrem Land. Als Mitglied des Europäischen Parlaments habe ich mich für die Aufnahme Polens und ihres Nachbarn, der Republik Tschechien, aktiv eingesetzt und für die Aufnahme Ihres Landes in die Europäische Union meine Stimme gegeben.

Ich möchte mich nicht in die inneren Angelegenheiten Ihres Landes einmischen, Ihnen jedoch in zwei Angelegenheiten meine Betroffenheit übermitteln.

In Kenntnis vieler Zusammenhänge in der Politik am Ende des Jahres 1981‍ ‍hatte ich die größten Befürchtungen, daß gegen Polen ähnliches geschehen könnte wie im Jahre 1968 in der CSSR.

Man kann über Personen und ihr Handeln unterschiedlich denken, aber Tatsachen sollten Tatsachen bleiben.

Es gab aus Warschau keine Wünsche oder Anforderungen zum Eingreifen des Warschauer Vertrages, aber die bittere Überzeugung: Wenn die mit einem Einmarsch verbundene Katastrophe für Polen und Europa verhindert werden soll, dann müßten die Verantwortlichen in Polen eigenständig handeln.

Ich verstehe die Entschuldigung des Generals Wojciech Jaruzelski, die er nun wiederholt als Verantwortlicher dieser Zeit ausgesprochen hat, und bleibe ihm und allen Beteiligten bis zum letzten Soldaten Polens dankbar, die mit ihrem Einsatz Europa und damit auch Polen vor dem Schlimmsten bewahrt haben.

Wer das Tun in dieser Zeit aus den geschichtlichen Zusammenhängen löst, verbreitet Haß.

Polen ist heute ein Land, welches in der EU geachtet wird. Zu den Regeln in der Europäischen Union gehören die Freiheit von Wissenschaft und Lehre sowie die Gleichheit der Rechte für alle Staatsbürger. Im Jahr 2003 wurde Dr. Zbigniew Wiktor von der Universität Wroclaw zum Außerordentlichen Professor ernannt. Er lehrte dort am Institut für Politologie und ist an Universitäten anderer Länder tätig gewesen. Mit der Begründung, es gäbe in seinen Publikationen "methodologische Mängel" und als Marxist sei er nicht zu wissenschaftlicher Arbeit fähig, wurde ihm keine Professur mehr zuerkannt.

In der Bundesrepublik Deutschland gab es vor einigen Jahren eine Umfrage, wer zu den größten deutschen Persönlichkeiten gehört, wobei Karl Marx den dritten Platz einnahm. Marx gehört ohne jeden Zweifel zu den großen Sozialwissenschaftlern des 19. Jahrhunderts und findet gerade in der gegenwärtigen globalen Finanz- und Wirtschaftskrise mit seiner Methodologie neue Aufmerksamkeit.

Wissenschaftlicher Streit gehört zur wissenschaftlichen Freiheit. Die nun erfolgte Aberkennung des Professorentitels für Dr. Wiktor kann nur als ein Verstoß gegen die polnische Verfassung und die Normen demokratischen Rechts gewertet werden.

Hochverehrter Herr Staatspräsident, als ehemaliges Mitglied des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments möchte ich an Sie die dringliche Bitte richten, alle Möglichkeiten Ihres Amtes einzusetzen, um Schaden von Ihrem Land abzuwenden und gegenüber General Jaruzelski und Dr. Wiktor Gerechtigkeit walten zu lassen.

Hochachtungsvoll

Dr. Hans Modrow
Ministerpräsident a. D.


Antwort aus Warschau

Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen, Warszawa, 12. Januar 2012

Sehr geehrter Herr Modrow,

wir bestätigen den Eingang des Briefes an den polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski vom 16. 12. 2011, der an das Büro für Bürgerbriefe und -meinungen zur Beantwortung weitergeleitet wurde.

Wir haben den Worten Ihres Briefes Beachtung, Forderungen und Bemerkungen entnommen, die den wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Wroclaw, Herrn Dr. Zbigniew Wiktor, betreffen. In bezug auf ihn bitten wir freundlich zur Kenntnis zu nehmen, daß der polnische Präsident in Übereinstimmung mit dem geltenden Recht keine Aufsicht über die Hochschulen ausübt und auch nicht in deren Tätigkeit eingreift. Deshalb haben wir Ihr Schreiben mit der Bitte um Prüfung unmittelbar an den Rektor der Universität Wroclaw, der entsprechende Hinweise geben kann, weitergeleitet.

Zugleich informieren wir Sie darüber, daß die eintreffende Korrespondenz von den Beratern und Experten des Präsidenten analysiert wird. Aktuelle Vorschläge werden an den Präsidenten weitergeleitet, um ihm Überlegungen zur Kenntnis zu geben, damit er eine Entscheidung treffen und entsprechend handeln kann.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift

(Einer Bitte Hans Modrows entsprechend dokumentiert der RF die Korrespondenz im Wortlaut.)

Raute

Vom Teufel geritten

Ende letzten Jahres machte ein geistlicher Herr von sich reden, der seit über 25 Jahren beim jetzt durch einen "Stellvertreter Gottes" aus Bayern geleiteten Vatikan einen recht lukrativen Job innehat. Don Gabriele Amorth ist vom Oberhaupt der katholischen Kirche als dessen Chef-Exorzist angestellt. Mit anderen Worten: Ihm untersteht die gesamte Innung der klerikalen Teufelsaustreiber.

Die Leser mögen tief durchatmen: Diese mittelalterliche Gattung gibt es tatsächlich auch noch im 21. Jahrhundert! Gewissermaßen neben Facebook und Twitter, bei denen ja auch - im übertragenen Sinne - bisweilen der Teufel los ist.

Vater Amorth, der in seiner mit menschlichem Verstand nicht nachvollziehbaren "Amtszeit" rund 70.000 exorzistische "Seelenreinigungen" vom Gehörnten Befallener oder Bedrohter vorgenommen hat, hielt vor einiger Zeit in Umbrien eine vielbeachtete Rede. Darin verurteilte er das Ausüben von Yoga, das die in dessen Bannkreis Geratenen direkten Weges zum Hinduismus, also zum falschen Glauben an die Reinkarnation, führe. Überdies seien die Lektüre und das Anschauen von Harry Potter geweihten Büchern oder Filmen gleichermaßen schwarze Magie, die im unterirdischen Reich des Bösen ende.

"Yoga ist Teufelswerk", verkündete der Experte für derlei Dinge. Der Satan sei "stets verborgen" und erstrebe nichts sehnlicher, als die Menschen glauben zu machen, daß es ihn nicht gebe, verkündete der paranoide Teufelsaustreiber des Vatikans.

Man sollte annehmen, daß Pater Amorth selbst von tausend Teufeln geritten wird.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

Raute

Deutsche Herrenmenschen massakrierten im heutigen Namibia Zehntausende Hereros

Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts

Am 7. April 1900 äußerte sich ein Major von François in der Zeitschrift "Die Woche" zur Situation in Deutsch-Südwestafrika: "Halten wir also unsere junge Kolonie rein, nicht nur von Buren, sondern überhaupt von fremden Elementen, sorgen wir für eine kräftige deutsche Ansiedlung! Deutsch-Südwestafrika muß auf viele Jahre hinaus dem Mutterland als Abfluß- und Absatzgebiet dienen, wenn es seinen Zweck als deutsches Kolonialland erfüllen soll. Deutsche Sprache und deutsches Nationalbewußtsein müssen die Vorherrschaft behalten, wenn Südwestafrika dem deutschen Ansiedler eine Heimat sein soll." Das war kaiserlich-wilhelminische Kolonialpolitik in höchster Potenz! "Die besten Stücke der Welt waren ja schon verteilt, aber es war doch noch manches zu haben, aus dem mit deutschem Fleiß etwas Gutes zu werden versprach. Die deutsche Regierung wollte nicht gleich von Reichs wegen zugreifen, sondern schickte den Kaufmann voran. Hatte dieser eine Niederlassung gegründet, so stellte sie die Reichsregierung unter ihren Schutz, mit dem Vorbehalt der späteren Übernahme in die Verwaltung des Reiches. Den Anfang machte dabei der Bremer Kaufmann Lüderitz, der 1884 die Bucht Angra Pequena in Südwestafrika erwarb. Am 24.‍ ‍April erklärte der deutsche Generalkonsul in Kapstadt, daß die Erwerbung des Kaufmanns Lüderitz unter den Schutz des Reiches gestellt worden sei", wußte ein Berliner Professor Paul Schwartz mitzuteilen.

Wer aber war dieser Generalkonsul? Ernst Heinrich Göring, der Vater des späteren, 1946 in Nürnberg zum Tode verurteilten Nazi-Reichsmarschalls Hermann Göring.

Natürlich hielt sich der Kanzler des Kaisers, Otto von Bismarck, nicht bei dem Geschehen heraus: "Er ließ an der südwestafrikanischen Küste auf des Bremers Lüderitz Ansuchen mit ruhiger Entschlossenheit die Flagge hissen. Darauf folgten die weiteren Neulandgebiete des Reiches im mittleren Afrika, sowie auf und um Neuguinea", schrieb 1910 ein gewisser Eduard Heyck in seiner Bismarck-Biographie. In dem dünnbesiedelten Gebiet an der Küste des Südatlantik waren die Hereros und Namas beheimatet. Sie dienten als billige Arbeitskräfte auf deutschen Farmen. Man entriß auch ihnen das Land und die Viehbestände.

Doch die dort Ansässigen erhoben sich gegen die Eindringlinge. "Der Aufstand der Hereros unter ihrem Kapitän Samuel Maharero begann am 12. Januar 1904, nachdem sich die Volksgruppe durch massive Landkäufe der Deutschen Kolonialgesellschaft immer mehr aus ihrem Siedlungsgebiet verdrängt sah und sie durch skrupellose Händler an den Rand der wirtschaftlichen Existenz gebracht worden war. Zunächst wurden einzelne Farmen, Eisenbahnlinien und Handelsstationen angegriffen. Die zunächst zahlenmäßig unterlegene deutsche Schutztruppe wurde im Februar durch 500 Marineinfanteristen und Freiwillige verstärkt.

Der Kampf gegen die Hereros wurde mit drei Abteilungen aufgenommen. Da Leutwein die Kampfkraft der Hereros falsch einschätzte, gelang es zunächst nicht, entscheidende Vorteile zu erringen. Die Reichsregierung war mit dem Verlauf der Operationen unzufrieden und ernannte Generalleutnant Lothar von Trotha zum neuen Oberbefehlshaber der Schutztruppe. Im Gegensatz zu Leutwein verfolgte dieser das Ziel der völligen Vernichtung des Gegners", ist einem zeitgenössischen Bericht zu entnehmen.

"Die Vorgänge kosteten durch Krankheiten, Hunger und Durst, Kampfhandlungen, Überfälle, Flucht und vielfach menschenunwürdige Mißstände in den Internierungslagern nach Schätzungen zwischen 24.000 und 64.000 Hereros, etwa 10.000 Namas sowie 1365 Siedler und Soldaten das Leben."

Köpfe ermordeter oder gestorbener Hereros und Namas gelangten zum Zweck von "Rasseforschungen" in die Berliner Charité. Hier lagern etwa 7000‍ ‍solcher Schädel. 20 davon wurden 2011 auf Ersuchen der Regierung Namibias in ihr Herkunftsland überführt - ohne jegliche Entschuldigung der Bundeskanzlerin für die von Deutschen begangenen Greuel. - Am 28. Juni 1919 unterschrieben der damalige Außenminister Hermann Müller und Justizminister Bell den Versailler Friedensvertrag. Danach verpflichtete sich Deutschland zum "Verzicht auf seinen gesamten Kolonialbesitz". Südwestafrika ging an die Südafrikanische Union über.

Daß Hitler den kaiserlichen Kolonialterror für "zu schwächlich" hielt, ist seinem Machwerk "Mein Kampf" zu entnehmen. "Die einstige deutsche Kolonialpolitik war halb, wie alles, was sie taten. Sie hat weder das Siedlungsgebiet der deutschen Rasse vergrößert, noch hat sie den - wenn auch verbrecherischen - Versuch unternommen, durch den Einsatz von schwarzem Blut eine Machtstärkung des Reiches herbeizuführen".

Am 20. Oktober 2011 wurde im Bundestag die BRD-"Rohstoffpolitik" behandelt. Da erkühnte sich doch der SPD-Abgeordnete Rolf Hempelmann, die Merkel-Regierung einer "dritten Welle der Kolonialisierung" zu bezichtigen.

Südwestafrika heißt heute Namibia und wird von Sam Nujomas SWAPO regiert. Die Frau des einstigen Präsidenten der Republik Namibia leitete zu DDR-Zeiten das Heim für Kinder von SWAPO-Freiheitskämpfern in Bellin bei Krakow am See im mecklenburgischen Kreis Güstrow. Wie man sieht, wird dadurch eine völlig andere - unsere - Tradition im Verhältnis zum tapferen Volk im südwestlichen Afrika unter Beweis gestellt, das einst von den deutschen Kolonialisten auf den Opferblock geführt wurde. Diese tiefe Verbundenheit kommt auch darin zum Ausdruck, daß ein Minister Namibias, den wir auf diesem Wege herzlich grüßen, zur großen und weltweiten Leserschaft des RF gehört.

Hans Horn

Raute

Das erste Foto nach 17 Jahren in der Todeszelle. Der afroamerikanische Journalist und Bürgerrechtskämpfer Mumia Abu-Jamal wurde nach der Aufhebung der bisher über ihm schwebenden Hinrichtungsdrohung in den normalen Vollzug überführt. Die Aufnahme vom 27. Januar zeigt ihn mit seiner Sprecherin Johanna Fernandez und Heidi Boghosian, Direktorin der Nationalen Liga amerikanischer Rechtsanwälte.

Raute

In Caracas läutete die CELAC das Ende der OAS ein

Lateinamerika wirft Yankee-Joch ab

Anfang Dezember 2011 gründeten die Repräsentanten aus 33 Ländern in Caracas die Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten, CELAC. Sie ist die erste regionale Organisation auf dem amerikanischen Kontinent, in der die Vereinigten Staaten und Kanada nicht mehr vertreten sind. Die CELAC setzt den Weg fort, welchen Freiheitskämpfer wie Simon Bolívar einst gebahnt haben. Hugo Chávez aus Venezuela, Evo Morales aus Bolivien und Daniel Ortega aus Nikaragua sprachen deshalb von einer zweiten Befreiung aus kolonialer Abhängigkeit.

Der Zusammenschluß hatte sich seit langem angekündigt. Auf dem Gipfel der Rio-Gruppe im April 2008 forderten die Präsidenten linksregierter Länder Lateinamerikas und der Karibik die Herstellung normaler Beziehungen zu Kuba. Bereits seit 2004 attackieren Staatschefs dieser Gruppe die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) als den kontinentalen Willensvollstrecker der Politik Washingtons. Ende 2005 entstand ALBA, die vor allem von Venezuela initiierte Bolivarianische Alternative zum Schwächere knechtenden USA-Freihandelsvertrag ALCA. Das war eine politische Rebellion des Südens gegen den Norden.

Auf dem 5. OAS-Gipfel im April 2009, an dem USA-Präsident Barack Obama teilnahm, zeigten sich die Kritiker der Organisation noch einmal kompromißbereit. Damit aber war nach der empörenden Verleihung des Friedensnobelpreises an den Repräsentanten einer gerade kriegführenden Macht Schluß.

Mit der CELAC entstand nun eine regionale Institution, welche die Staaten ganz Lateinamerikas und der Karibik in einem politischen Block zusammenfaßt. Die Uhr der OAS dürfte damit de facto abgelaufen sein.

Der CELAC-Gründungsgipfel verabschiedete einmütig die Deklaration von Caracas. Sie ist ein Vertrag der neuen Organisation über deren gemeinsame Strategie und enthält spezielle Aufgaben für die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Region. Sie betrifft die Verteidigung der Demokratie, die Position zu Argentiniens Malediven, die Notwendigkeit der Beendigung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade der USA gegen Kuba, die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit, den Kampf gegen Finanzspekulation und Preistreiberei bei Nahrungsgütern, die Verteidigung der Menschenrechte auch für Eingewanderte, die nachhaltige Entwicklung der Gemeinschaft der Karibik (CARICOM) und die Solidarität mit dem Volk Haitis.

Integration ohne Bevormundung durch den Norden und Differenziertheit waren Hauptpunkte, in denen die sehr unterschiedlichen Mandatsträger Übereinstimmung erzielten. Venezuelas Präsident Hugo Chávez sagte, einer der größten Vorzüge von CELAC bestehe in dem Willen, kontroverse Themen zu vermeiden. Für den Präsidenten Uruguays, Pepe Mujica, "ist kein Kapital mehr wert als das Streben nach Einheit". Daniel Ortega, der Präsident Nikaraguas, betonte, daß die Einheit Lateinamerikas und der Karibik nicht dem Markt und den Finanzspekulanten, sondern der Souveränität der Völker dienen müsse. Zum Abschluß der Tagung übertrug Chávez die zeitlich befristete CELAC-Präsidentschaft an seinen Amtskollegen aus Chile, den konservativen Politiker Sebastián Piñera. Venezuela, Chile und Kuba bilden die Troika, welche die CELAC in den nächsten zwei Jahren führen soll. Das sei, so Piñera, trotz erheblicher ideologischer Unterschiede und stark differierender Meinungen möglich.

Die Gründung der CELAC widerspiegelt das veränderte Kräfteverhältnis auf dem amerikanischen Kontinent. Ein Bericht der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) verwies darauf, daß der Wertumfang der Warenexporte der Region 2011 gegenüber 2010 um 27 Prozent angewachsen sei. Das Volumen der Importe habe sich um 23 Prozent erhöht. Die Region erzielte einen Überschuß in der Handelsbilanz von rund 80 Mrd. US-Dollar. Entscheidend dafür waren die Erhöhung der Preise für Grundstoffe sowie Chinas diesbezügliche Nachfrage. Lateinamerikas Entwicklung im Jahr 2011 wurde von der Geburt der CELAC, der Stärkung von ALBA, der Union der Nationen Südamerikas (UNASUR), dem Zusammenschluß PETROCARIBE und der Bank des Südens maßgeblich geprägt.

Die Gründung der CELAC nahm die ersten Seiten vieler großer Tageszeitungen ein. So titelte das mexikanische Blatt "La Jornada": "OAS ist das Alte, CELACs Geburt erfolgte im neuen Geist". Und Spaniens "Publico" schrieb: "Lateinamerika schüttelte die Vormundschaft der Vereinigten Staaten und Europas ab."

Wolfgang Herrmann,
Nueva Nicaragua e. V., Dreesch

Raute

Kein "Untertauchen" für Israels U-Boote aus BRD-Waffenschmieden

Beihilfe zu atomarer Aufrüstung

"Die deutsche Bundeskanzlerin, Angela 'Mutti' Merkel, hat es sich nicht nehmen lassen, Israel noch vor Jahresende erneut mit einem U-Boot zu beglücken", schrieb Aram Babilon Anfang Januar in der "Jüdischen Zeitung". "Es ist bereits das sechste, da sich Israel diese konventionellen Jagd-U-Boote schon seit Aufnahme diplomatischer Beziehungen in den 50er Jahren immer wieder wünscht."

Das NATO-Mitglied BRD habe sich verpflichtet, seine gewaltigen Potentiale als Rüstungsexportland nur zu nutzen, wenn mit den gelieferten Waffen kein böses Spiel getrieben werde.

Die "Jüdische Zeitung" betont ausdrücklich: "Rüstungsexport in Spannungsgebiete war und ist strikt verboten." Israel stehe zwar der NATO nahe, sei aber kein Paktmitglied. Die BRD begründe ihre U-Boot-Lieferungen an das nahöstliche Land stets mit der deutschen Schuld an der Ausrottung von Millionen europäischen Juden.

Das Blatt stellt indes klar: "Das zu einem großen Teil ermordete Volk war allerdings nicht mit dem Staat Israel identisch." Da sich David Ben-Gurion und Konrad Adenauer darüber einig gewesen seien, "das nicht wiedergutzumachende Leid der Juden in staatliche und militärische Unterstützung Israels umzumünzen, mußte auch das Verbot für Waffenexporte in Spannungsgebiete in diesem Sonderfall vom Tisch", bemerkt Aram Babilon. Allerdings werde die bundesdeutsche "Hilfe" noch durch das weit darüber hinausgehende "Engagement" der USA und der EU übertroffen.

1991‍ ‍seien die ersten beiden U-Boote der Dolphin-Klasse, 1994 dann das dritte geordert worden. Israel habe sie 1999 und 2000 in Dienst gestellt. Auf 58 m Länge und 12 m Höhe fänden zwölf Torpedorohre Platz.

Nach ihrer Auslieferung durch das Kieler Rüstungsunternehmen Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) unterliegen der Umbau und die Weiterbestückung der Boote in Israel strengster Geheimhaltung. Es bestehe der begründete Verdacht - schrieb die "Jüdische Zeitung" unter Hinweis auf internationale Pressemeldungen -, "daß die vier Torpedorohre mit größerem Durchmesser für nukleare Marschflugkörper eingerichtet werden". Jeweils eines der U-Boote solle - der gleichen Quelle zufolge - "mit diesem Droh- und Vernichtungspotential im Persischen Golf vor Iran patrouillieren".

Israel nehme bekanntlich "nicht einmal zu der Frage Stellung, ob es überhaupt Atomwaffen besitzt. Nach Schätzung ausländischer Experten dürften es mehr als 200 sein." Während Tel Aviv keinerlei Anstalten gemacht hat, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten oder der Wiener Kontrollbehörde irgendwelche Auskünfte zu erteilen, treffe das bekanntlich auf die BRD nicht zu. Sie werde durch den in Israel erfolgenden Umbau der U-Boote "in Mißkredit gebracht".

Die Vereinbarung über eine zweite Staffel der Kriegsschiffslieferungen - es handle sich abermals um drei U-Boote - sei 2005, am letzten Arbeitstag der Schröder-Fischer-Regierung, unterzeichnet worden. Die beiden ersten Boote würden 2013 fertiggestellt, für das dritte habe zunächst nur eine Option bestanden, die aber - wie eingangs erwähnt - von Angela Merkel Ende 2011 ebenfalls in ein gültiges Rüstungsgeschäft verwandelt worden sei.

Die drei bereits vor Jahren gelieferten Boote hätten jeweils 225 Millionen Euro gekostet, wobei Kohl die ersten beiden Israel zum Geschenk gemacht habe, während sich beim dritten beide Staaten die Summe geteilt hätten - auf Kosten der Steuerzahler, versteht sich.

Durch den Großauftrag für den imperialistischen Vorposten im Nahen Osten seien die Arbeitsplätze der Kieler HDW und der Emdener Nordseewerke für ein Jahrzehnt gesichert worden, verlautete.

"Wiedergutmachung für den jüdischen Staat geriet so zur Wirtschaftshilfe an der Nord- und Ostsee", bemerkte Aram Babilon sarkastisch. Für die neuen Boote seien jeweils eine halbe Milliarde Euro aufzubringen, wobei die BRD, so Finanzminister Schäuble - zeitgleich mit Merkels Verkündigung am Jahresende - jeweils ein Drittel übernehme. Für das Boot Nr. 6 wurden bereits vorsorglich 135 Millionen Euro in den Bundeshaushalt 2012 eingestellt. Aufschlußreich ist die Tatsache, daß der sogenannte BRD-Verteidigungshaushalt geschont wurde, indem man auf einen Einzelplan Schäubles zurückgriff.

Israel - ebenfalls einer der Hauptrüstungsexporteure der Welt - glich zwei Drittel seines Anteils 2005 durch direkte Waffenlieferungen an die Bundeswehr aus, so daß Tel Aviv nur für das letzte Drittel auf "harte Devisen" zurückgreifen mußte.

RF, gestützt auf den Beitrag "In trockenen Büchern", Jüdische Zeitung, Januar 2012

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Die "Jüdische Zeitung" versah dieses Bild mit dem Text: Großer Bahnhof: Im Jahr 2000 wird ein neues U-Boot aus Deutschland in Israel in Empfang genommen.

Raute

Athener Paukenschlag: Die Panhellenische Arbeiterfront zählt jetzt 800.000 Mitglieder

Georgios Pondikos, Sekretär für Internationale Beziehungen der Panhellenischen Arbeiterfront (PAME), die der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) verbunden ist und auf klassenkämpferischen Positionen steht, war in Australien Gast dortiger Gewerkschafter. Im traditionsreichen Versammlungslokal "United Voice" (Vereinte Stimme) der Unions in der Hafenstadt Adelaide wurde ihm ein ebenso herzlicher wie stürmischer Empfang bereitet. "Wir sind stark und werden stärker", überschrieb "The Guardian", das Organ der KP Australiens, seinen Bericht. Ausführlich zitierte das Blatt aus der Rede des griechischen Gastes, der die extrem zugespitzte Lage in seinem Land und den Kampf der inzwischen 800.000 Arbeiter und Angestellte umfassenden PAME darstellte. Das systematische Verscherbeln staatlichen Eigentums, die angekündigte Entlassung Hunderttausender Beamter und Beschäftigter des öffentlichen Dienstes innerhalb der nächsten Jahre, die drastische Heraufsetzung der Mehrwertsteuer sowie empfindliche Lohn-, Gehalts- und Rentenkürzungen seien das Ergebnis der Athen durch die EU und in erster Linie durch die BRD oktroyierten Sparzwänge. Die Arbeitslosigkeit liege derzeit über 20% und werde nach Prognosen noch im Laufe dieses Jahres auf 25% ansteigen. Über 40% der jungen Griechen seien ohne Job, schilderte Pondikos den dramatischen sozialen Abstieg seiner im Würgegriff der kapitalistischen Krise von Erdrosselung bedrohten Nation.

Das rechtssozialdemokratische PASOK-Kabinett Papandreous sei von Brüssel so brutal an die Wand gespielt worden, daß es unter dem Druck der EU einer "Experten"-Koalition habe weichen müssen, die der als Premier fungierende Banker Papadimos groteskerweise als "Regierung der Nationalen Rettung" bezeichne.

Doch der klassenbewußte Teil der griechischen Werktätigen leiste dieser fatalen Entwicklung energischen Widerstand. 22 Generalstreiks der letzten beiden Jahre, zu denen die PAME und andere Gewerkschaften aufgerufen hätten, zeugten von der Kraft seines Volkes. Die Kunde von machtvollen Demonstrationen in ganz Hellas sowie die zeitweilige Besetzung mehrerer Regierungsgebäude in Athen und das von den Kommunisten auf der Akropolis gespannte riesige Spruchband "Völker Europas - steht auf!" hätten weltweite Solidaritätsbekundungen mit dem Kampf der griechischen Werktätigen ausgelöst. Während Pondikos betonte, die PAME visiere die Beseitigung des Kapitalismus und die Errichtung einer ausbeutungsfreien sozialistischen Gesellschaft an, warnte er zugleich vor kurzatmigem Aktionismus und auf Sand gebauten Illusionen. Das derzeit in Griechenland bestehende Kräfteverhältnis begünstige eine solche Entwicklung noch nicht. Man müsse auch das Wirken der mehrheitlich reformistischen Gewerkschaften des Landes in Betracht ziehen. Dennoch verlören weder die PAME noch die KKE das strategische Ziel aus den Augen.

"Unsere Feinde dachten, uns wäre nach all den Schlachten die Puste ausgegangen, erklärte Pondikos. "Doch das ist nicht der Fall."

Wie recht er damit hatte, bewiesen die nach dem Überstülpen noch drakonischerer Sparzwänge durch Brüssel abermals spontan ausgerufenen weiteren Generalstreiks sowie der grandiose Arbeitskampf der Stahlwerker von Aspropyrgos.

Eine Mehrheit der Griechen beginne, ihre Furcht zu verlieren und tiefer nachzudenken. Das habe die Herrschenden dazu gezwungen, ihre Taktik zu ändern.

"Sie werden ohne Zweifel neue politische Parteien schaffen, den Terrorismus und die staatliche Repression verstärken sowie den Versuch unternehmen, die Rechte der Gewerkschaften auszuhebeln", ließ der Gast aus Athen seine australischen Zuhörer wissen. Nicht zufällig hätten Merkel und Sarkozy in letzter Zeit wiederholt über die Schaffung einer "neuen EU" laut nachgedacht. Es gehe ihnen darum, Griechenland noch fester an die Kandare zu legen.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

Raute

Gagarins Vermächtnis verteidigen!

Am 12. April 1961 half der Oberkonstrukteur der Rakete "Wostok" (Osten) O.G. Iwanowski dem ersten Weltraumflieger Juri Gagarin persönlich in die Kabine der Raumkapsel. Hunderte wissenschaftliche Mitarbeiter waren in Baikonur Zeugen, Millionen Menschen verfolgten das Ereignis weltweit am Bildschirm.

Doch die politischen Gegner der Sowjetunion verbreiteten schon bald nach dem spektakulären Flug die "Ente", Gagarin sei ja gar nicht im Weltall gewesen, im Raumschiff habe sich kein Pilot befunden, und die Gespräche mit ihm seien schon zuvor aufgezeichnet worden. Statt seiner habe man bereits am 7. April W. Iljuschin in den Kosmos geschossen, der aber verunglückt sei. Ein ungarischer Journalist legte noch eins drauf und veröffentlichte sein Buch "Gagarin - eine kosmische Lüge". Darin behauptete er, lljuschin sei unglücklich gelandet, worauf man Gagarin als "Ersatz" präsentiert habe. Beide seien später auf Geheiß Moskaus umgebracht worden.

Auch russische Blätter, die Gagarin einst gepriesen hatten, darunter die gewandelte "Komsomolskaja Prawda" - brachten verleumderische Artikel: Gagarin wird darin als drogenabhängig und schwer krank bezeichnet. Man habe ihn während des Fluges in der Rakete mit Riemen an den Sessel geschnallt, weil er sonst aus der UdSSR geflüchtet wäre.

Solche Phantasien erinnern stark an Märchen aus dem Kalten Krieg. Schon damals suchten die Gegner der UdSSR die sozialistische Großmacht von innen zu schwächen, was letztlich zum Kollaps beitrug. Das betraf auch die Weltraumfahrt. Am Beginn der Perestroika wurde im Obersten Sowjet ernstlich darüber debattiert, sie gänzlich einzustellen, da es an Geld dafür mangele. Sogar die beliebte Jugendsendung "Mensch, Erde, Weltall", die der Kosmonaut W.I. Sewastjanow 21 Jahre lang im Fernsehen moderiert hatte, wurde abgebrochen.

Juri Gagarin war sehr jung, als er in den Jahren 1951 bis 1955 als Kosmonaut ausgebildet wurde. Aufgrund seines aufrichtigen und fröhlichen Wesens, seiner freundlichen, hilfsbereiten Art, seiner moralischen Integrität und seines beachtlichen Wissens galt er der sowjetischen Jugend als Vorbild. Seine Heimatstadt wurde nach ihm benannt, das kleine Elternhaus in eine Gedenkstätte umgewandelt, wo sich Freunde, Verwandte, Kosmonautenkollegen, Wissenschaftler, Schriftsteller, Konstrukteure u. a. trafen. Dort hielt Gagarin auch als Abgeordneter des Obersten Sowjets der UdSSR Sprechstunden ab. Dieses Haus wurde von Rußlands neuen Machthabern abgerissen. Erst nach Protesten im In- und Ausland stellte man eine Imitation auf.

Das Land war stolz auf seinen ersten Kosmonauten und alle, die ihm folgten. Aber bis Anfang der 90er Jahre wurde kein Museum für Gagarin eingerichtet. Viele Originaldokumente und Erinnerungsstücke sind inzwischen entweder verlorengegangen, in Privatbesitz gewechselt oder über ganz Rußland verstreut. Ins Ausland versteigerte man für Bares solche Reliquien wie Gagarins Uniform und seinen Spezialanzug. Man verkaufte sogar das berühmte wissenschaftliche Forschungsschiff "Kosmonaut Juri Gagarin" an eine ausländischen Abwrackfirma. Auf diesem befand sich ein kleines Museum mit der Kapsel, welche die Erde enthielt, auf der Juri Gagarin 1961 gelandet war.

Saratow, wo Juri Gagarin studierte und zum Kosmonauten ausgebildet wurde, besitzt zwar ein 1995 offiziell eingeweihtes Denkmal zu Ehren des Weltraumf liegers, hat aber alle mit seinem Namen verbundenen Gebäude geschleift. Die Landestelle der Kapsel Gagarins ist markiert, befindet sich jedoch in einem schlechten Zustand. Zwei Erinnerungstafeln sind gestohlen worden.

Gagarins Flug wurde seinerzeit natürlich im geheimen vorbereitet, so daß der Kosmonaut nach seiner Landung den Journalisten gegenüber keine Details mitteilen durfte. Von damaligen und heutigen politischen Gegnern wurde und wird behauptet, er habe geschwindelt. Doch welche Raumfahrtbehörde der Welt macht außer Erfolgen auch Mißerfolge oder gar Fehler ihrer Besatzungen publik? Der Kosmonaut schrieb in einem Artikel, die ihn erhöhenden Reaktionen auf seinen Weltraumflug seien ihm peinlich gewesen, zumal er nicht alles richtig gemacht habe. Indes - die zuvor antisowjetische und heute antirussische Propaganda schreckt nicht davor zurück, selbst die Großtat des ersten Kosmonauten der Welt in den Schmutz zu ziehen.

RF, gestützt auf "Tribüne für die Wahrheit", Wien

Raute

Grüße aus Minsk

Boris A. Popow aus Minsk gehört zu unseren treuen Lesern in den Republiken der früheren Sowjetunion. Am 19. April begeht er - bis zu seiner Pensionierung stellvertretender Intendant des Belorussischen Fernsehens - seinen 90. Geburtstag. Für den RF ist das ein Anlaß, dem gestandenen Kommunisten, der 1940 freiwillig in die Reihen der Roten Armee eintrat, den Kriegsbeginn an der Westgrenze miterlebte und schwere Jahre in faschistischer Gefangenschaft verbringen mußte, von ganzem Herzen zu gratulieren. Erst unlängst hat Boris Popow in einem Brief an den RF seine zustimmende Meinung zum Artikel Dietmar Hänels "Operation östliche Partnerschaft", der sich mit den NATO-Machenschaften zur Destabilisierung von Belarus beschäftigte, zum Ausdruck gebracht. Er schrieb u. a.:

In der Westpresse finden sich häufig Forderungen nach Sanktionen gegen Belarus und zur Unterstützung Oppositioneller in unserem Land. Natürlich geht es dabei immer nur um die Errichtung "wahrer Demokratie" ...

Leider nimmt auch Frau Merkel an den Bemühungen teil, Belorußland zu destabilisieren. Sie hat unserer Opposition jegliche Unterstützung zugesagt. Die deutsche Kanzlerin vergeudet jedoch das Geld der Steuerzahler, denn diese Kräfte besitzen hierzulande wenig Anhänger.

Belorußlands Volk geht den von ihm selbst gewählten Weg, bewußt und erfolgreich, wenn auch nicht ohne Fehler. Doch die in Minsk verfolgte Politik der Unabhängigkeit gefällt manchen nicht. Der belorussische Außenminister sagte unlängst, über 20 Vorschläge unserer Seite seien westlicherseits unbeantwortet geblieben.

Dem "RotFuchs" wünsche ich auch weiterhin Erfolg!

Boris A. Popow

Raute

Ungarns rechtsradikale Orbán-Regierung steht in Horthys Schuhen

Verwesungsgeruch eines Reichsverwesers

Nach dem Fall der schon zuvor untergrabenen sozialistischen Ordnung stürzten sich Ungarns prowestliche Machthaber blindlings in die Arme eines besonders rabiaten Kapitalismus. Vor dem Hintergrund der sich ständig verschärfenden Wirtschafts- und Finanzkrise ist der an die faschistische Ideologie des einstigen Reichsverwesers Horthy und der Pfeilkreuzler anknüpfende Rechtsextremismus noch stärker als in anderen Staaten Osteuropas zur Blüte gelangt. Die soziale Situation der Massen wird durch grassierende Armut geprägt. Vier von zehn Millionen Staatsbürgern Ungarns beziehen ein Monatseinkommen von etwa 250‍ ‍Euro, bei anderthalb Millionen liegt es sogar unter 200 Euro. Eine Million Ungarn gilt offiziell als arbeitslos. Nach Schätzungen leben in der Hauptstadt Budapest etwa 30.000 Menschen ohne festes Obdach.

Während die Linke aus der Unzufriedenheit breiter Schichten der Bevölkerung keinen politischen Nutzen zu ziehen vermag, wird die Verdrossenheit der Magyaren auf bedrohliche Weise nach rechts kanalisiert. Die faschistoide Fidesz-Partei des derzeitigen Ministerpräsidenten Viktor Orbán erweist sich dabei als Hauptgewinner. Die raffinierte Demagogie ihres Anführers hat der Fidesz bei den Parlamentswahlen im April 2010 zu einem überwältigenden Sieg verholfen. Die schon bald darauf ergriffenen Sparmaßnahmen führten zu weiteren drastischen Einschränkungen des ohnehin kargen Lebensstandards der ärmeren Schichten. Am 1. Januar 2011 trat eine allgemeine Mehrwertsteuer von 16 % in Kraft - für Bezieher von Niedrigeinkommen enorm! Das Rentenalter wurde um zwei Jahre heraufgesetzt.

Als nicht weniger einschneidend erweisen sich die "politischen Reformen" unter Orbán: Ein neues Mediengesetz wurde durch das von den Fidesz-Faschisierern und deren offen faschistischen Verbündete aus den Reihen der Jobbik-Partei beherrschte Parlament beschlossen. Es sieht turmhohe Geldstrafen bei Nichtbeachtung der Direktiven des Nationalen Medienrates vor, dem ausschließlich Fidesz-Leute angehören.

Am 1. Januar 2012 trat eine neue Verfassung in Kraft, deren erster Satz lautet: "Gott segne die Ungarn!" In dieser ist nicht etwa von der "Republik Ungarn", sondern nur noch von "Ungarn" die Rede. Dabei sollen auch jene mit einbezogen werden, die gleiche nationale Wurzeln haben, derzeit aber außerhalb der Staatsgrenzen leben. Das betrifft vor allem die Nachkommen jener Ungarn, welche nach dem Ende des Ersten Weltkrieges Bürger Rumäniens, der Tschechoslowakei und Serbiens wurden. Dabei handelt es sich um ein Drittel aller ethnischen Ungarn, auf die das ultranationalistische Konzept Orbáns Anspruch erhebt. Denn auch die im Ausland Lebenden können nunmehr die ungarische Staatsangehörigkeit erwerben.

Das autoritäre und schwer rechtslastige Orbán-Regime ist ein Ergebnis unter dem Druck der EU und der USA in den Jahren nach der Zerschlagung des Sozialismus ergriffener Maßnahmen. Sie führten 1989/90 nicht nur zur durchgängigen Reprivatisierung der Betriebe und Banken sowie zur Auflösung der landwirtschaftlichen Genossenschaften, sondern machten Ungarns Wirtschaft auch vom Auslandskapital ganz und gar abhängig. Die politischen und gewerkschaftlichen Rechte wurden drastisch eingeschränkt.

16‍ ‍Jahre lang herrschte Einvernehmen zwischen der rechtskonservativen Fidesz und den Rechtssozialdemokraten der MSzP. Beide Parteien konkurrierten im Ergreifen antikommunistischer Repressalien. Die Fidesz führte Ungarn 1999 in die NATO, die MSzP schleppte das völlig heruntergewirtschaftete Land 2004 in die EU. Hatte sich Ungarn bereits unter Janos Kádár (1956ð1988) gemäß der Devise "Wer nicht gegen uns ist, ist für uns" westlichen und prokapitalistischen Einflüssen stark geöffnet, so errangen jetzt antimarxistische Kräfte in der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) vollends die Oberhand. Aus der USAP ging neben der rechtssozialdemokratischen MSzP, die deutlichen Mehrheitseinfluß sicherte, auch eine wesentlich kleinere Gruppe unter Führung Gyula Thürmers hervor, die jetzt den Namen Ungarische Kommunistische Arbeiterpartei trägt. Sie wurde wütenden Repressalien des jeweiligen Regierungslagers ausgesetzt, gegen die sie sich tapfer zu wehren sucht.

Vor den Wahlen im Jahre 2006 bedienten sich die Sozialdemokraten von Ferenc Gyurcsány einer überraschend linken Rhetorik, da der MSzP mit ihrer rechtslastigen Politik die Luft auszugehen drohte. An das Ruder gelangt, schlugen sie ihre eigenen Parolen von gestern sofort wieder in den Wind. Löhne und Gehälter wurden eingefroren, Reste sozialer Errungenschaften aus Ungarns sozialistischer Zeit restlos über Bord geworfen. Dieser politische Zynismus schockierte die Massen. Sie gingen gegen die MSzP auf die Straße, wo die Rattenfänger der Fidesz bereits ihre Netze spannten. Bei den bald darauf abgehaltenen Kommunalwahlen errang sie einen haushohen Sieg, der sich dann im April 2010‍ ‍wiederholte. Diesmal gingen 68 % der Parlamentssitze an Orbáns Leute oder deren Verbündete.

Die 2003 gegründete faschistische Jobbik-Partei, die an üble Pfeilkreuzler-Traditionen anknüpft und paramilitärische Milizen unterhält, errang auf Anhieb 12 % der Mandate. Sie verbreitet mit ihrem vor allem gegen Ungarns 800.000 Roma gerichteten Terror Angst und Schrecken. Fidesz und Jobbik, die heute in der EU am Mischen der Karten beteiligt sind, rufen die Erinnerung an Ungarns faschistische Parteien der 30er und 40er Jahre wach. Zugleich betätigen sie sich als Türöffner für das Europa der Monopole und den Internationalen Währungsfonds, der auch Budapest immer härtere Konditionen aufzwingt.

Ungarns antikapitalistischen Kräften bleibt unter diesen Bedingungen nur der durch die Kommunisten gewiesene Weg des entschlossenen Kampfes gegen Fidesz, Jobbik und MSzB.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Faschistische Jobbik-Milizen marschieren in Budapest auf.

Raute

"Den Gedanken Licht, dem Herzen Feuer, den Fäusten Kraft!"

Erich Weinert - Poet der Proletarier

Nach 1990 wurde der aus Magdeburg stammende kommunistische Dichter Erich Weinert von den neuen Machthabern und deren Medien schnell ausgegrenzt. Sie wollten ihn in Vergessenheit geraten lassen. Aus ihrer Sicht mit gutem Grund. Im April 1953 hatte Willi Bredel in seiner Totenrede mit der Feststellung begonnen: "Es gibt keinen deutschen Dichter der Vergangenheit und Gegenwart, der zu Lebzeiten bei den einfachen und werktätigen Menschen so populär und so beliebt war wie Erich Weinert."

Der Arbeiter- und Volksdichter trat bis 1933 in Deutschland und mehreren europäischen Staaten bei über 2000 Veranstaltungen auf. Er verstand wie nur wenige, die Massen zu begeistern und aufzurütteln, zumal er der beste Rezitator seiner eigenen Gedichte war. Wenn es hieß: "Erich Weinert spricht!" waren die Säle überfüllt. Sein dichterisches Wort zu brennenden Fragen der Zeit machte ihn zum Volkstribunen. "Den Gedanken Licht, dem Herzen Feuer, den Fäusten Kraft!" war sein Credo. Bredel sah in Weinert "die eiserne Lerche der Zeit". An Brennpunkten des Geschehens erhob er seine streitbare Stimme. Weinert war Vorstandsmitglied des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller und gehörte zur Redaktion der "Linkskurve". Er arbeitete an zahlreichen anderen Blättern mit, vor allem bei der "Weltbühne", dem "Simplizissimus" und dem "Eulenspiegel".

1930‍ ‍reiste er in die Sowjetunion und übersiedelte später nach Moskau. 1937‍ ‍nahm er am Internationalen Schriftstellerkongreß im spanischen Valencia teil, kämpfte an vorderster Front in den Internationalen Brigaden gegen die von Hitler und Mussolini unterstützten Franco-Horden und wurde nach der Niederlage der Republik 1939 in Südfrankreich interniert. Im Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion ging er als Frontagitator in die Schützengräben bei Stalingrad. 1943 wurde Weinert Präsident des Nationalkomitees "Freies Deutschland". Drei Jahre später kehrte er nach Deutschland zurück und engagierte sich beim Neuaufbau im Osten. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Akademie der Künste der DDR.

In den 50er Jahren erschien eine zehnbändige Werkausgabe, u. a. mit folgenden Bänden: "Rufe in die Nacht" (1955), "Camaradas ð Ein Spanienbuch" (1956), "Das Zwischenspiel" (1956), "Memento Stalingrad" (1957), "Um Deutschlands Freiheit" (1958), "Ein Dichter unserer Zeit" (1958), "Nachdichtungen" (1959) und "Nachgelassene Lyrik aus drei Jahrzehnten" (1960). Weinert verfaßte auch Erzählungen, Reportagen und Aufrufe. Im Literaturunterricht der Polytechnischen Oberschulen der DDR lernten die Schüler einige der ausdrucksstarken Gedichte Weinerts kennen. Erinnert sei hier an "Das Lied vom roten Pfeffer", "Sozialdemokratisches Mailiedchen", "Eine deutsche Mutter", "John Schehr und Genossen", "Bänkelballade vom Kaiser Nero", "Ferientag eines Unpolitischen" und "An einen deutschen Arbeiterjungen". Das literarische Erbe des Dichters lebte unter der Jugend, zumal er auf eindringliche und überzeugende Weise den Faschismus entlarvte. Und er mahnte: "Denn nicht Schicksal ist Geschichte, wie die feigen Flüchter lehren." Straßen, Schulen und Einrichtungen trugen den Namen des proletarischen Poeten. Ein staatlicher Preis wurde nach ihm benannt. Das Erich-Weinert-Ensemble der NVA legte Ehre für ihn ein.

Viele Künstler schufen Bildnisse des volkstümlichen Dichters. Sie gestalteten Zeichnungen, Gemälde, Büsten oder Standbilder von ihm. Joachim Sendlers Porträtbüste entstand 1961, sechs Jahre später wurde im Magdeburger Stadtzentrum eine Weinert-Statue aufgestellt. Franz Fühmann würdigte den Dichter mit den Worten: "Größte politische Wirksamkeit und bleibende literarische Gültigkeit ð das ist das Kennzeichen der einmaligen Lyrik Erich Weinerts. Deshalb werden seine Werke für immer im Herzen unseres Volkes lebendig bleiben."

In der Gegenwart ist Weinerts Schaffen ð wie so vieles Kostbare ð leider arg in den Hintergrund gedrängt worden. Doch es wird für den Kampf um die Zukunft dringend gebraucht.

Dieter Fechner

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Albert Kuntz, Walter Ulbricht, John Schehr und Erich Weinert am 28. August 1930 auf einer Großkundgebung in Berlin

Raute

Als Niedersachsens Künstlerkolonie im braunen Morast versank

Worpswede unterm Hakenkreuz

In gut sortierten Buchhandlungen liegt seit kurzem der Titel "Worpswede im Dritten Reich 1933-1945" auf dem Tisch der Neuerscheinungen. Ferdinand Krogmann hat darin akribisch zusammengetragen, was im Vorfeld der faschistischen Diktatur, von 33 bis 45 und schließlich nach dem Krieg in dem kleinen niedersächsischen Ort Worpswede, einer Künstlerkolonie nördlich von Bremen, geschah. Es ist nicht Heimatgeschichte im engeren Sinne, was uns der Donat-Verlag da in gewohnter Qualität anbietet, sondern ein Lehrbeispiel von hoher Aktualität. Beantwortet wird die Frage, wie es möglich ist, aus einem "Volk der Dichter und Denker" - zunächst unmerklich, dann aber immer brutaler - eine Art "zivilisierter" Räuberbande zu machen, bis es zum Schluß keiner gewesen sein will ... Niemand habe angeblich gewußt, was da geschah - als habe es weder Nazi-Bonzen noch SS-Schergen, weder Täter noch Mitläufer oder gar Nutznießer der braunen Herrschaft gegeben. Schließlich mutiert ein faschistischer Rassenfanatiker dann auch noch zum Leiter des örtlichen Entnazifizierungsausschusses ...

Während Kurt Gossweiler in "Kapital, Reichswehr und NSDAP" das Wesen sowie die national und zeitlich unterschiedlichen Erscheinungsformen des Faschismus wissenschaftlich analysiert, illustriert Ferdinand Krogmann an etlichen Beispielen Geschehnisse und Schicksale, die sich in einem niederdeutschen Ort abgespielt haben. Er zeigt, wie es die "Wumme-Zeitung" mit einer Auflage von knapp 3500 Exemplaren als Heimatblatt übernahm, die Bevölkerung "auf Vordermann zu bringen", wie Schule, Heimatvereine, der Kunstund Kulturbetrieb hierbei mitwirkten ­...

Da ist der NSDAP-Mann und Vorsitzende des "Kampfbundes für deutsche Kultur", der das Land von der "entarteten Kunst" säubern will. Für ihn ist Hitler das Vorbild "kultureller Gesundung". Seine ukrainische Zwangsarbeiterin züchtigt er mit der Hundepeitsche. Doch in der BRD erhält dieser Faschist - weil er sich für "Freiheit und Unantastbarkeit der Kunst" so wacker geschlagen habe - das Bundesverdienstkreuz. Straßen und Plätze tragen heute die Namen von Nazi-Größen, und Leute, die in deren Geist tätig werden, gelangen ungehindert in Ämter und Funktionen. Man baut auf den "politischen Infantilismus ..., der sich einredet, man müsse die Hände nur richtig vor Gesicht und Augen halten, und schon sei alles gut". Die Geschichte werde "glorifiziert, umgedeutet oder das Unangenehme verschwiegen", urteilt Krogmann. Es fragt sich, wie die Nazis erreichten, daß ihnen so viele Menschen auf den Leim gingen, ja selbst zur Teilnahme an Untaten bereit waren. Der Autor zeigt den Übergang vom Revanchismus der Weimarer Zeit, der emotional-nationalistischen Beeinflussung der Jugend, der Pflege des Führerprinzips und des Glaubens an die "Volksgemeinschaft" zur restlos entfesselten chauvinistisch-faschistischen Mordhetze. Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Hunger einerseits, Zulassung und Förderung der Nazi-Aktivitäten durch den Staat, Hitlers Versprechen, "Ordnung zu schaffen", der Erwerbslosigkeit ein Ende zu setzen und "Deutschland wieder groß zu machen" andererseits - all das griff hier ineinander.

Was Krogmann nicht behandelt, sind die sozialökonomischen Ursachen und der Klassencharakter des Hitlerfaschismus, das Interesse des Großkapitals, die Arbeiterbewegung zu zerschlagen, der Verrat der rechten SPD-Führer und die sektiererischen Schwächen der KPD. Er zeigt jedoch anschaulich, wie junge Menschen schon vor 33 für den "Stahlhelm" begeistert, wie Künstler, Sportler, Geflügelzüchter, Handwerker, Lehrer, Gastwirte und der "Reichsnährstand" - die Bauern - in verschiedenen Verbänden erfaßt, Heimatfeste genutzt und Traditionen vereinnahmt wurden.

Sofort nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler schuf man die pseudogesetzlichen Grundlagen zur Verfolgung von Antifaschisten und errichtete erste Konzentrationslager.

Leider erfahren wir zu wenig vom Kampf der Widerstandsbewegung in Norddeutschland. Ein Kommunist, Schneider aus Worpswede, wurde in "Schutzhaft" genommen, sein Verbleib nicht geklärt ... Die Nazis organisierten die Hitlerjugend, schufen Wehrsportgruppen und die NS-Frauenschaft, hielten Luftschutzübungen ab und setzten allenthalben Blockwarte ein, bedienten sich der "Deutschen Christen", des "Winterhilfswerkes" und des Eintopf-Essens, erfanden das Mutterkreuz ­... Worpswedes NSDAP wurde "eine der besten Ortsgruppen im Gau". Hier stellten sich Rosenberg, Heß und Himmler ein. Die Bevölkerung nahm alles hin: die Arbeitsfront an Stelle von Gewerkschaften, das Einfrieren der Löhne, die Ausgabe von Lebensmittelkarten, die 60-Stunden-Woche, den Arbeitsdienst und Zwangsverpflichtungen in den Betrieben. Die menschenfeindliche Hetze konzentrierte sich gegen Juden, "Bolschewisten" und andere "Untermenschen". Als Hitlers Wehrmacht Polen, die westlichen Nachbarländer und 41 dann die Sowjetunion überfiel, strotzte die Presse von Siegesmeldungen, Soldatengrüßen an die Heimat, Berichten von Auszeichnungsorgien, Fanfarenklängen für U-Boot-Kommandanten und Stuka-Piloten. Kriegsfilme und Groschenhefte erschienen massenhaft, Wandteppiche und Gemälde mit "Charakterköpfen deutscher Soldaten" waren die Norm ... In Romanen wurde die "Reinhaltung der deutschen Rasse" propagiert. Ein Worpsweder Schriftsteller erzählte vom Untergang einer Insel, weil sich die Friesen "mit Söhnen und Töchtern fremder Länder eingelassen" hatten. Der Held des Buches tötet die eigene Tochter, weil sie mit einem Holländer Freundschaft geschlossen hatte. Nachdem sowjetische Zwangsarbeiterinnen in Worpswede eingesetzt worden waren, verlangte die "Wumme-Zeitung" eine "scharfe Trennlinie zwischen Volksgenossen und Fremdvölkischen". Sie wetterte gegen "Tisch- und Bettgemeinschaften" besonders auf den Bauernhöfen. In dem Maße, in dem sich das "Kriegsglück" zu wenden begann, erschienen mehr und mehr Todesanzeigen. Man brachte die Erklärung einer "Gebiets-Mädelführerin", sie wolle lieber "um einen toten Helden trauern als einen feigen Lebenden zum Manne zu haben".

Bis kurz vor Toresschluß wurden Volkssturm-Männer vereidigt, Bürgermeister erhängt, weil sie "beim Herannahen des Feindes" die weiße Fahne gehißt hatten. Das Heimatblatt schrieb noch am 20. April 45, der Glaube an Hitler sei eine "Allzweck-Waffe, die schwerste Prüfungen überwindet". Doch nur Tage darauf nahmen sich einige Nazis - dem Beispiel des "Führers" folgend - das Leben. Wenig später ließen die meisten wissen, sie hätten sich "schon immer für Juden eingesetzt" und "allein im Interesse Worpswedes als wertvoller Kulturstätte gehandelt".

Krogmann erzählt uns, was dort geschah. Ähnliches trug sich in dieser oder jener Weise überall in Deutschland zu.

Leider ist das keineswegs nur Vergangenheit. Vieles, was wir über die schleichende Faschisierung vor 1933 erfahren, erleben wir heute erneut und auf erschreckende Weise in der BRD. So ist das Buch nicht allein Rapport, sondern auch Warnung vor den neuen Faschisten, die sich dieses Landes Stück für Stück zu bemächtigen suchen.

Dr. Ernst Heinz

Ferdinand Krogmann: Worpswede im Dritten Reich 1933-1945. Donat-Verlag, Bremen 2011, 304 Seiten, Hardcover, 19,80 Euro, ISBN 978-3-938275-89-4

Raute

Wie ich "Pelle" wieder auf die Pelle rückte

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Das allerjüngste Mitglied wird bald 98!

Genosse Karl-Heinz Hoffmann aus Weißenfels ist in den RF-Förderverein eingetreten. Viele Jahre journalistisch tätig gewesen, macht er unsere Leser mit einigen seiner Gedanken vertraut.

Als ich im Januar-RF neben der ausführlichen Würdigung des am 11. Dezember verstorbenen Genossen Hans Heinz Holz nur wenige Worte für den 96jährig von uns gegangenen Walter Ruge las, wollte ich Euch fragen, warum Ihr ihm nicht ebenfalls eine ganze Seite eingeräumt habt. Das wurde jedoch mit der Februar-Ausgabe nachgeholt. Ich bin Euch dafür sehr dankbar!

Dieser wunderbare Mensch ð Walter Ruge ð wird uns sehr fehlen. Ich habe erst vor einem Jahr durch Bruno Mahlows Rat von Walters Buch "Treibeis am Jenissei" erfahren. Ich hatte Bruno, dessen Vater vor 1933‍ ‍mit meinem Vater in der Roten Gewerkschaftsopposition der KPD gekämpft hat, mein Mißvergnügen über Wolfgang Ruges Lenin-Biographie zu verstehen gegeben. Doch die beiden Ruge-Brüder sind in keiner Weise miteinander zu vergleichen. "Treibeis am Jenissei" habe ich inzwischen an mehrere Gleichgesinnte geschickt, die davon ebenso begeistert sind wie ich.

Auf den "RotFuchs" machte mich übrigens Kurt Gossweiler aufmerksam, mit dem ich als Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand ð ich lebte von 1914 bis 1944 in Berlin ð durch die Traditionsarbeit der Herbert-Baum-Gruppe freundschaftlich verbunden bin.

Am 15. April 1949 begann meine journalistische Ausbildung bei der "Märkischen Volksstimme", später habe ich viele Jahre in Lokalredaktionen der Frankfurter Bezirkszeitung "Neuer Tag" gearbeitet, bis ich aus gesundheitlichen Gründen meine Tätigkeit aufgeben mußte. Als Verfolgter des Naziregimes konnte ich 1974 in Rente gehen.

Seit dem Tod meiner Frau, der mich 2008 nach 35jähriger Ehe schwer getroffen hat, kann ich nicht mehr so aktiv wie zuvor sein. Am 2. August werde ich 98 Jahre alt.

Karl-Heinz Hoffmann

Wir heißen Genossen Karl-Heinz Hoffmann als unser allerjüngstes und zugleich zweitältestes Mitglied im RF-Förderverein herzlich willkommen!

Raute

Vom ganz normalen Aufwachsen und Leben im Sozialismus

Cornelias kleine große DDR (5)

Bei der trotz des hundekalten Märzwetters das Herz wärmenden Jugendweihe wurde meine Generation auf das Leben Erwachsener in unserer Republik vorbereitet. Wir waren bemüht, eine möglichst gute Figur zu machen und stolz wie Spanier, zumal uns die Lehrer schon am nächsten Tag mit "Sie" anreden mußten.

In diesem Schuljahr machten wir erstmals mit Polytechnik Bekanntschaft. Bei der Arbeit im Straßenbahnausbesserungswerk begegneten wir ölverschmiert dem Ernst des Lebens. Auch mit meinem späteren Beruf, dem technischen Zeichnen, kam ich in Kontakt. Wir hatten das Gefühl, nun bald ins Leben entlassen zu werden. Immer öfter hörten wir von Älteren, wir würden uns noch einmal nach der Schule zurücksehnen.

Ein Höhepunkt war 1968 die Teilnahme am Pfingsttreffen der FDJ in Schwedt. Zu solchen Ereignissen delegierte die Klasse nur jene, die es tatsächlich verdient hatten. In Schwedt besiegelte ich auch meine erste feste Verbindung zu einem Jungen. Er ging in die Klasse über mir. Es fiel mir nicht leicht, Schule, FDJ und Liebe unter einen Hut zu bringen, zumal es bei uns zu Hause eine eiserne Regel gab: Wer nicht um 18 Uhr da war, bekam kein Abendbrot. Das war eine recht drastische Erziehungsmaßnahme.

So manches Mal half mir ein übriggebliebenes Schulbrot oder eine von Mutti heimlich hereingereichte Schnitte über den Hunger hinweg. Ein Zuspätkommen hatte bisweilen lange Debatten mit meinem Vater zur Folge. Erst später begriff ich den Grund seiner Beunruhigung. In der Luckauer Straße entwickelte sich nämlich eine Art "Rotlichtmilieu", und er wollte verhindern, daß seine Tochter da hineingeriet. Irgendwann wurde mir das zu bunt. Ob meine Eltern tatsächlich glaubten, mich so erzogen zu haben, daß ich mit einem solchen Umfeld in Verbindung gebracht werden dürfte, wollte ich wissen. Ich habe mein Jung-Sein eingefordert, was zu einer gewissen Verlängerung meiner abendlichen Freizeit führte.

Mein Vater war durch seine Tätigkeit in der Bezirksleitung der Partei an Wachsamkeit gewöhnt. Das führte zu Verschwiegenheit und bewirkte, daß wir viel zu wenig voneinander wußten. Vielleicht war seine Verschlossenheit auch der Grund dafür, daß sich die Eltern immer mehr auseinanderlebten. Ihre Scheidung empfanden wir Kinder als harten Schlag. Ich war damals knapp 15 und hatte den Kopf schon mit Liebesdingen voll. Die Trennung traf mich deshalb besonders, weil ich trotz seiner Unnachgiebigkeit keinen anderen Vater hätte haben wollen. Nicht nur seine politische Geradlinigkeit und weltanschauliche Konsequenz, sondern vor allem auch seine künstlerische Ader und seine mit Strenge gepaarte Liebe uns Kindern gegenüber waren mir lebenswichtig. - Papa zog nun ins Wohnheim, während wir mit Mutti in der halbleeren Wohnung zurückblieben. Aber ich hielt die Verbindung zu meinem Vater und war traurig, daß er getrennt von uns lebte. Er übersiedelte dann bald nach Brandenburg. Mutti versuchte, alles in den gewohnten Bahnen zu halten. Dafür nahm sie so manche Nachtwache im Krankenhaus in Kauf, während ich meine häuslichen Pflichten erweiterte.

Die 9. Klasse war unter diesen Umständen besonders anstrengend. Ich wurde trotz guter Leistungen nicht für die 12klassige Erweiterte Oberschule (EOS) ausgewählt, weil es noch bessere Schüler als mich gab und die zur Verfügung stehenden Plätze rar waren. In der 10. Klasse gehörte ich dann zu den Leistungsstärksten.

Während der Sommer- und Winterferien arbeiteten wir - meine Freundin Petra und ich - stets in der Verwaltung des Hygieneinstituts, um unser Taschengeld aufzubessern und mal etwas "über unsere Verhältnisse" leben zu können. Zugleich suchten wir uns in der Tanzstunde vor den Füßen des Partners in acht zu nehmen. Dort bot sich eine verlockende Gelegenheit, die von Mutti neu genähten Kleider auszuführen. Leider mußten wir beim Abschlußball fehlen, da wir in ein Trainingslager der Gesellschaft für Sport und Technik fahren wollten. Das Zusammensein von jeweils 20 Weibsen machte trotz strömenden Regens und nachts im Wasser schwimmender Luftmatratzen einen Riesenspaß.

Langsam übten wir für die Abschlußprüfungen, lernten in einem halbstaatlichen Landmaschinenbetrieb neben Metallbearbeitung auch die Arbeit an der Drehbank und konnten Einblicke in die Gießerei nehmen. Nun stand auch die Berufswahl zur Debatte. Da war guter Rat teuer. Von einem Jurastudium und einer Bewerbung als Stewardeß hatte mir Papa abgeraten. Mathe- und Physiklehrerin, wie Mutti es wollte, war mir ein Graus. Meine Vorstellung, Moderzeichnerin zu werden, also mein Hobby zum Beruf zu machen, ließ sich nicht verwirklichen. Die Suche ging also weiter.

Die 10. Klasse begann mit einem Paukenschlag. Am 20. Jahrestag der DDR - dem 7. Oktober 1969 - durfte ich zum großen Fackelzug mit nach Berlin fahren. Die Stimmung war phantastisch, das Erlebnis der Gemeinsamkeit beeindruckte mich stark, zumal ich es mit meinem Freund teilen konnte. Nach den Winterferien ging die Büffelei los, um die Vor-Noten noch etwas zu verbessern. Zu dieser Zeit erfuhren wir, daß in der Berufsschule des VEB Wohnungs- und Gesellschaftsbau technische Zeichner mit Abitur ausgebildet würden. Ich bewarb mich und wurde angenommen.

Zwischen den Prüfungen fuhren wir zum Arbeitseinsatz in die Gärtnerische Produktionsgenossenschaft "Frohe Zukunft". Einen Tag lang hackten wir Stubenhocker Mohrrüben, tags darauf hatten wir mächtigen Sonnenbrand. So sagte uns die Ernte im Tomaten- und Gurkengewächshaus mehr zu. Bei der mündlichen Prüfung kam ich in Biologie ran. Als Tochter einer Krankenschwester wurde ich zu Infektionen befragt. Ich redete frei von der Leber weg, und als ich auf Lungenkrankheiten zu sprechen kam, starrten mich alle wie gebannt an. Am Ende stand eine Eins. Hätte ich es in einem weiteren Fach zu dieser Zensur gebracht, wäre mein Prädikat "sehr gut" gewesen.

Die feierliche Zeugnisübergabe fand in unserer wunderschönen Konzerthalle statt. Ich war nicht nur auf mein Zeugnis und die Abschlußbeurteilung stolz, sondern auch darauf, daß die DDR aus einer alten Garnisonskirche dieses Schmuckstück gemacht hatte. Der neue Lebenspartner meiner Mutti war beim Bau als Zimmermann beteiligt gewesen.

Abends luden mich meine Eltern ins erste Haus am Platz ein - das Hotel "Stadt Frankfurt". Ich kam mir recht erwachsen vor. Im Sommer durfte ich dann mit den Eltern meines Freundes in deren Vier-Mann-Zelt ein paar Tage am Scharmützelsee verbringen. Obwohl wir gut behütet wurden, haben wir natürlich unsere Kuschelecken gefunden. So endete meine glückliche Schulzeit. Sie bleibt für mich ein schöner Lebensabschnitt, von dem ich noch heute zehren kann.

Cornelia Noack, Beeskow
(wird fortgesetzt)

Raute

Wie Archie von der Kur kuriert wurde

Archie war noch nie zur Kur. In der DDR erhielt seine Frau, Mutter von drei Kindern und als Lehrerin berufstätig, eine Kur, als ihre Gesundheit angeschlagen war. In Szczawno-Zdroj (Bad Salzbrunn) unweit von Walbrzych im damaligen Volkspolen wurde sie von dortigen Ärzten ein paar Wochen lang behandelt. Auch die Tochter kam als Schülerin der Unterstufe zu einer Kur, weil sie schlecht aß und deshalb dünn war. Sie wurde von Schulärzten dafür bei Routineuntersuchungen ausgewählt. Von der Ostsee kehrte sie etwas aufgepäppelt zurück. Archie, zu DDR-Zeiten scheinbar noch kerngesund, hatte 2003 eine schwere Herz-OP mit Klappenersatz. Fünf Jahre darauf stellte er einen Kurantrag. Die Antwort lautete, er möge doch zunächst einmal die ambulanten Möglichkeiten vollends ausschöpfen. Sein damals noch lebender Freund Heribert meinte dazu: "Heute darf es nichts mehr kosten. Du hast entweder die falsche Ärztin oder bist in der falschen Kasse."

Inzwischen hat Archie zwar eine ärztliche Bescheinigung über Multimorbidität, aber immer noch keine Kur. Da ergab es sich, daß seine Partnerin, resolut wie sie ist, auf eine Annonce in der AOK-Zeitschrift reagierte und eine Kurzkur in Kolobrzeg bestellte, natürlich mit Anzahlung. Archie hatte Bedenken, wollte lieber in die Wärme fliegen, sie aber schwärmte vom Hotel, das auf einer CD vorgestellt wurde, mit zwanzig dazugehörigen medizinischen Anwendungen. Auch die Abholung von der Haustür mit einem Kleinbus schien für ältere Herrschaften mit Gepäck von Vorteil zu sein. In halsbrecherischer Fahrt ging es dann Richtung Norden zur grauen Stadt am grauen Meer im stürmischen, aber trockenen Januar.

Die Einteilung für die verschiedenen Anwendungen erfolgte durch einen jungen, freundlichen polnischen Arzt. Er fragte nur: "Haben Sie Allergien, epileptische Anfälle oder Herzschrittmacher - nein, gut, dann der Nächste bitte." Später wurde der Ablaufplan für die Anwendungen unter der Zimmertür hindurchgeschoben. Bekam einem eine Kaltbehandlung nicht, dann erhielt man eben eine heiße. So einfach lief das ab.

Das Beste war das große Hallenbad, zwei geräumige Bassins, sehr warmes Wasser, fürsorglich behindertengerecht, ein enormer Whirlpool, der in Berlin jedem Stadtbezirk zur Ehre gereichen würde. Man hatte fast den Eindruck, das Bad sei vor dem Hotel gebaut worden, für das man dann das übriggebliebene Geld verwendet habe. Das Hotel war etwas verschachtelt, innen mit allzuviel Nippes ausgestattet. An den Wänden hingen Bild an Bild Landschaften von Schnellmalern in schweren, auf Barock getrimmten Goldrahmen. Dazu unechte Stilmöbel, die Behaglichkeit vortäuschen sollten. An der Rezeption war man nicht immer freundlich, der Zloty-Umtausch erfolgte zu einem ungünstigen Kurs, Ansichtskarten gab es nur vom Hotel. Um das Haus herum herrschte Ödnis, weit und breit bestanden keine Einkaufsmöglichkeiten, ins Zentrum gelangte man nur per Taxi.

Übrigens waren zu Zeiten Volkspolens die Büffets, kalt oder warm, in den Hotels üppig und verführerisch, was man jetzt nur noch von den Serviererinnen sagen konnte.

Die Kurgäste kamen vorwiegend aus Bayern, dem Schwabenland und dem Rheinischen, auch ein paar Sachsen waren dabei, indes kaum Berliner. Man wurde plaziert, durfte den Tisch nicht wechseln und mußte auf seltsame Fragen gefaßt sein: "Sagen Sie, Archie, Sie waren doch 40 Jahre quasi an der Ostsee eingesperrt, und jetzt fahren Sie immer noch hierher, seltsam." Archie, zunächst etwas perplex, antwortete dem Schwaben an seinem Tisch: "Ihre Frage erscheint mir seltsam. Zu DDR-Zeiten konnte ich Vergleiche zwischen Schwarzem Meer, Baikal, der übrigens auch ein Meer ist, und den Stränden Kubas anstellen ..." "Wieso nehmen Sie eigentlich 16 Fahrstunden im Kleinbus auf sich, um hierherzugelangen? Weil es für Sie ein Schnäppchen ist?"

Früher gefiel Archie der Klang des Schwäbischen durchaus, doch nun wuchs sein Widerwille von Mahlzeit zu Mahlzeit. Natürlich kam die Rede auch auf die "Stasi". Sein Vater habe zu deren Gründungsvätern gehört, er selber sei wegen persönlicher Defizite leider nicht genommen worden, ging Archie zum Angriff über. Damit war das Thema abgehakt, fortan sprach man nur noch über Krankheiten, diverse Anwendungen, das Wetter und die Eintönigkeit des Essens. Archie hatte sich seine Argumentation in Sachen "Stasi" von einem Spanier abgeguckt, der auf ständige Fragen nach Stierkämpfern in seiner Familie ähnlich zu reagieren wußte. Alle seien seit Urzeiten Stierkämpfer gewesen, nur er sei dafür leider zu korpulent, parierte dieser.

Fazit des Aufenthalts in Kolobrzeg: relativ wenig Kur, weil zu kurz, exzellentes Hallenbad, gute Betten, geräumiges Zimmer, allerdings ohne Ausblick, mäßige Kost, keine Tageszeitung erhältlich, weder in deutsch noch in polnisch, unerquickliche Gespräche, kulturelle Angebote fast bei Null, schwacher Service, doch leidlicher Erholungseffekt durch Abschalten, selbst des modernen TV-Geräts.

Vielleicht sind solche Kurzkuren für den Hotelbesitzer bekömmlicher als für den Gast, meint Archie. Die Schnupperkur soll ihn beflügeln, mit mehr Geld in der Tasche wiederzukommen und dann die teuren Zusatzanwendungen in Anspruch zu nehmen, die das Hotel jedem anzudrehen versucht. Auf neudeutsch: Business as usual, wer etwas springen läßt, ist König. In diesem Falle: Kur-König.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an RotFuchs

Liebe RotFuchs-Genossen! Als ständiger Leser Ihrer Zeitschrift darf ich Ihnen meinen Dank aussprechen und Ihnen gute Gesundheit und viel Erfolg wünschen. Ich lese Ihre Zeitschrift mit Interesse und Vergnügen. Sie hilft mir viel bei der Arbeit als Journalist und Schriftsteller in Vietnam. Besonders wichtig sind für mich die wertvollen Materialien über die DDR und aktuelle Probleme. Ich danke Ihnen für alles!

Tran Duong, Hanoi

*

Gerade habe ich den Antrag um Aufnahme in den "RotFuchs"-Förderverein mit Freude ausgefüllt. Es ist mir schon lange ein Bedürfnis, allen Mitarbeitern und Autoren des RF für die geleistete Arbeit zu danken. Ich bin 1966 geboren und war vor 1989/90 zuletzt Jugendbrigadier im VEB Eisen- und Hüttenwerke Thale. Als alter RF-Leser beziehe ich die Zeitschrift seit der Nr. 1 und besitze noch fast alle Ausgaben. In diesen 14 Jahren habe ich den "RotFuchs" liebgewonnen - so sehr, daß ich ihn nicht mehr missen möchte. Ich habe viele Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Deshalb ist der RF für mich unersetzlich - als Mutmacher, Lebenshilfe und Bindeglied zu anderen Menschen, aber natürlich auch als politische Heimat und Vermittler von Wissen und Bildung.

Danke für Eure Treue, für die über 14jährige ununterbrochene Zusendung der Zeitschrift.

Jens Wunderlich, Stecklenberg/Harz

*

Das derzeitige politische Spiel setzt allem, was wir bisher in der BRD erlebt haben, die Krone auf. Dieses Staatswesen, das seit seiner Gründung jahrzehntelang die Integration ganzer Heerscharen von Nazis in sämtliche Apparate betrieben hat, verfolgt nach dem Verschwinden der DDR - seiner geschichtlichen Alternative - mit derselben Besessenheit die Ausgrenzung und Diffamierung all derer, die sich als Linke bekennen und als solche handeln wollen. Der paranoide Antikommunismus Hitlers findet seine gesellschaftsbestimmende Fortsetzung im Handeln der bürgerlichen Parteien dieses Landes. Während nicht einmal das gerichtliche Verbot der Neonazi-Partei gelingt, war das Verbot der KPD die kleinste Übung dieses Staates.

Jetzt hat eine Nationale Front des antikommunistischen Deutschland ihre Galionsfigur gekürt. Ausgegrenzt wurde dabei lediglich die Linkspartei. Als Parteiloser der Linken rate ich, sich an Erich Kästner zu halten.

"Was auch immer geschieht:
Nie dürft ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken!"

Peter Franz, evangelisch-lutherischer Theologe, Weimar

*

Herrn Gauck, dessen Wahl letztlich von der inzwischen völlig unbedeutenden FDP entschieden wurde, die Merkel zum Umschwenken zwang, verkaufte "Bild" als "Traumkandidaten" und - im Courths-Mahler-Stil - als "Kanzler der Herzen". In meinen Augen ist er lediglich ein Notnagel, einer aus der zweiten Reihe. Dieser in sich verliebte Mann strotzt vor Selbstgefälligkeit. Aus dem Kuckucksei, das da der bürgerlichen Demokratie ins Nest gelegt wurde, könnte recht bald ein Vogel mit weit ausgebreiteten Schwingen hervorgehen.

Marianne Wuschko, Hoyerswerda

*

Der als Inquisitor berüchtigte Pfarrer Gauck sagte bei seiner Vorstellung als designierter Bundespräsident am 19. Februar, er wolle den Deutschen vermitteln, "daß sie in einem guten Land leben, das sie lieben können".

Ja, auch wir Kommunisten lieben unser Land, das große Revolutionäre, Dichter und Denker, Wissenschaftler und viele heimatverbundene, arbeitsame einfache Menschen hervorgebracht hat. Es ist das Land von Karl Marx und Friedrich Engels, Heinrich Heine und Ferdinand Freiligrath, Clara Zetkin und Wilhelm Pieck, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, Ernst Thälmann und Max Reimann, Erich Weinert und Bertolt Brecht.

Doch dieses Land lieben Sie, Herr Bundespräsident, mit Gewißheit nicht.

Heinz Behrendt, Plauen/Vogtland

*

Joachim Gauck war in der Schlußphase der DDR zwar führend in sogenannten Friedensforen tätig, tritt aber heute offen für Angriffskriege wie in Afghanistan ein und hält die vom Kaiser und von Hitler angezettelten verlorenen Weltkriege mit Millionen Toten für "Niederlagen nicht nur im sportlichen Sinne". Folgerichtig engagiert er sich in der "Atlantik-Brücke", einer CIA-gesponserten Kalte-Kriegs-Vereinigung der Reichsten und Mächtigsten in den USA und der BRD, die u. a. ideologische Schulungen für Militärs durchführt. Wenn Gauck in jedem zweiten Satz von Freiheit spricht, meint er die Freiheit der Wirtschaft, Steuergelder zu verzocken und Arbeitsplätze zu vernichten.

Nicht zufällig haben die Nazis der NPD bei seinem ersten Anlauf im dritten Wahlgang für ihn gestimmt. Gauck wird als Bundespräsident unmaskiert zeigen, wohin diese Republik marschiert: im Gleichschritt der Faschisierung weiter nach rechts.

Hans Dölzer, Hirschberg

*

Mit dem zum "König" aufgestiegenen "Kronprinzen" der Reaktion sind für viele Ostdeutsche Begriffe wie "Gauck-Behörde" und "gegauckt" verbunden.

Einiges hat der Mann seinem Vorgänger zweifellos voraus: Hartnäckigkeit bei der Verfolgung seiner Ziele, die Fähigkeit, Medien für sich einzuspannen und einen maßlosen Geltungsdrang - Eigenschaften, die für sein hohes Amt wichtig sind. Aber wären nicht auch die Befähigung zu politischer Toleranz und der Wille zum Ausgleich bedeutsam?

Übrigens: War es tatsächlich notwendig, Herrn Rösler mit seiner Mini-Partei derart zu hofieren? Soweit die Meinung eines Nichtgegauckten.

Andreas Wenzel, Strausberg

*

Herr Gauck bezeichnet sich selbst als überzeugten Christen und engagierten Demokraten. Hauptsächlich aber ist er ein rabiater Antikommunist.

1992, als er das Amt zur Auswertung der Unterlagen des MfS leitete, wurden Dokumente aus dieser "Behörde" illegal und rechtswidrig an Außenstehende übergeben oder veräußert. Ich könnte dazu mit konkreten Fakten aufwarten.

Major a.D. Werner Orzschig, Wilkau-Haßlau

*

Zuallererst möchte ich mitteilen, daß ich von dem "RotFuchs"-Interview, das am 18. Februar in der Wochenendbeilage der "jungen Welt" erschien, begeistert bin. Nicht nur, weil ich als "Kind der Konterrevolution" - ich bin vom Jahrgang 1989 - und junger Kommunist viele gute und inhaltlich richtige Standpunkte in dem Interview finden konnte, sondern auch, weil es in diesen für Sozialisten und Kommunisten schwierigen Zeiten ein Projekt wie den "RotFuchs" vorstellt, das eine solche Erfolgsgeschichte erlebt hat. Ich würde die Zeitschrift gern beziehen.

Harald R., Köln

*

Der im Oktoberheft 2011 erschienene Beitrag Bernd Guttes "Besier ist kein Baiser" war uns Anlaß, den beschämenden Vorfall im Dresdner Landtag in unserer Vorstandssitzung auszuwerten. Wir legten in einer Versammlung des Ortsverbandes eine Protestresolution zur Übermittlung an die PDL-Landtagsfraktion vor. Darin werden von uns entsprechende Konsequenzen verlangt, z.B. die Distanzierung von den Aussagen des Abgeordneten Prof. Besier in der Presse.

Wolfgang Kronschwitz, PDL-Ortsverband Radeberg

*

Der RF ist in das 15. Jahr seines Bestehens eingetreten. Was wäre er ohne unseren Chefredakteur Klaus Steiniger, dessen umfangreiches Wissen. Seine reichen politischen und Lebenserfahrungen sind für die Zeitung von großem Nutzen! In all diesen Jahren hat er, ohne sich zu schonen, daran gearbeitet, daß die Zeitschrift stets pünktlich erscheinen konnte.

Gern erinnere ich mich an die Anfänge, als wir in Kurt und Lena Andräs Wohnung den Versand organisierten. Leider ist von denen, die damals dabei waren, nur noch Bruni Büdler im Vertrieb tätig. Viele Genossinnen und Genossen mußten aus Alters- oder Gesundheitsgründen - so Gerda Klabuhn und Armin Neumann - ausscheiden. Das Ableben unseres langjährigen Gestalters Egon Schansker und Gerdas Tod haben uns schwer getroffen.

An dieser Stelle wären noch viele Mitstreiter zu erwähnen - ich nenne stellvertretend für alle Wolfgang Metzger, Gerald Umlauf, Sylvia Feldbinder, Hans Ludwig und Peter Barth, würdige aber auch jene, die erst später beim RF tatkräftig in die Speichen gegriffen haben.

Sonja Brendel, Berlin

*

Bitte berichtigt umgehend einen peinlichen Fehler in Überschrift und Text des Februar-RF (EXTRA I): Nicht über 72 Jahre, sondern über 62 Jahre muß es dort heißen! Mit solidarischen Grüßen

Christoph Holländer, Berlin

Diese Fehlleistung geht auf das Konto des Chefredakteurs, dessen Stärken zwar in der Berechnung von Freund und Feind, nicht aber im Kopfrechnen liegen.

*

Ich habe die Februar-Ausgabe des RF wieder interessiert gelesen. Spannend war für mich z.B. der Werdegang seit Gründung der Zeitschrift. Als weitergebildeter PR-Fachfrau ist mir klar, welche Leistung dahintersteckt, hierzulande eine so große Verbreitung in der relevanten Zielgruppe zu erreichen. Unternehmen zahlen dafür sechsstellige Euro-Beträge an die Agenturen, das praktische Zeitungsmachen und -vertreiben nicht einmal eingerechnet!

Marianne Walz, Gernsheim

*

Eine Bemerkung zum Beitrag über den Radikalen-Erlaß im Februar-RF: Unter Berufung auf den sogenannten Einigungsvertrag - dort steht etwas über persönliche oder fachliche Nichteignung drin - begann in den Jahren 1990/91 eine skrupellose Entlassungswelle für Parteisekretäre, Pionierleiter, Staatsbürgerkundelehrer und an den Schulen der DDR in Führungspositionen tätig gewesene Pädagogen. Auch ich war als Lehrerin in Staatsbürgerkunde und Deutsch sowie als Parteisekretär davon betroffen. Mit Hilfe der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung klagte ich. Eine aus Hamburg stammende Richterin am Arbeitsgericht Greifswald wies die Wiedereinstellung an, da an meiner Fachkompetenz für Deutsch keine Zweifel bestünden. Doch das Schulamt fand neue Gründe, meine persönliche Eignung in Frage zu stellen. Der Schulamtsleiter verlangte, ich solle erklären, daß die im Osten wiedererrichtete "neue" Gesellschaftsordnung der sozialistischen überlegen sei, was ich natürlich nicht tat. Ich fand dann bald Arbeit als Dozentin bei einer westdeutschen (!) Umschulungsfirma, während andere Kollegen bei der Arbeitssuche scheiterten und an den unmenschlichen Verhältnissen zerbrachen. Diese Entlassungen glichen den Berufsverboten im Westen. Es handelte sich um Gesinnungsterror zur Etablierung des kapitalistischen Systems auch an den Schulen.

Ingrid Glow, Demmin

*

Seit 1992 bin ich als Busfahrer in Berlin beschäftigt. Damals legten wir durchschnittlich ca. 70 bis 80 km in einer Schicht zurück, bis 2005‍ ‍erhöhte sich die Kilometerzahl auf 120 bis 130. Im Vorfeld der damaligen Einführung des Tarifvertrages Nahverkehr (TV N) behauptete ein Boulevardblatt: "Berliner Busfahrer verdienen 30% zuviel." Der einstige PDS-Wirtschaftssenator Wolf meinte sogar: "30%, das reicht nicht!"

Auf einer Personalversammlung im ICC fragte ich die etwa 5000 anwesenden Mitarbeiter, ob sie alle bis zu 30% weniger verdienen wollten. Keiner hob die Hand. Daraufhin bat ich die Gewerkschaft sowie den Vorstand, dieses eindeutige Votum zu akzeptieren. Was ich damit sagen will: Man darf sich nicht alles bieten lassen. Letztendlich kam es so, daß sämtliche Mitarbeiter, die nach dem TV N eingestellt wurden und werden, bei einer Mehrarbeitszeit von rund 6,5% nun doch 30% weniger Lohn bekommen als die "Altbeschäftigten", denen ein "Sicherungsbetrag" gewährt wird.

Wolfgang Wendt, Berlin

*

Unter dem Motto "Sich fügen, heißt lügen" wurde Erich Mühsams mutiges Wirken 2003 anläßlich seines 125. Geburtstages mit einer Ausstellung im Lübecker Buddenbrookhaus gewürdigt. Um das Andenken an den durch die Faschisten 1934 im KZ ermordeten antifaschistischen Schriftsteller zu bewahren, soll der Erich-Mühsam-Preis in Zukunft auf eine möglichst breite Basis gestellt, also von vielen, denen der Namensgeber vertraut und Vorbild ist, getragen werden. Ein Erich-Mühsam-Preis, unterstützt von ganz unterschiedlichen Kräften und Initiativen, verbunden durch die Ideale Menschlichkeit, Würde und Widerstand gegen jegliches Unrecht, wäre in Zeiten politischen Umherirrens und wirtschaftlicher Krisen ein ermutigendes und Orientierung gebendes Zeichen. Unsere Website: www.erich-muehsam-gesellschaft.de

Sabine Kruse, E-Mail

*

Regelmäßig finde ich den hiesigen "WochenKurier" in meinem Briefkasten. Es handelt sich um ein Lokalblatt. Diesmal stieß ich auf den alarmierenden Leserbrief einer SPD-Politikerin. Aus ihm geht hervor, daß die CDU-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Saskia Ludwig, allen Ernstes die Forderung erhoben hat, sämtliche noch aus der DDR stammenden Gedenkplatten und Erinnerungstafeln zu entfernen. Angesichts dieses Verlangens packte mich blankes Entsetzen. Sind wir schon wieder so weit? Erst wollte ich Frau Ludwig vorschlagen, auch noch allenthalben für Hausdurchsuchungen zu sorgen, befinden sich doch z.B. in meinen Schubfächern Medaillen und Urkunden aus einer schöpferischen Lebenszeit in der DDR. Sogar eine schöne Fahne besitze ich noch. Vielleicht ist das ja ein Fall für den Verfassungsschutz oder Merkels illustre Ministerin Kristina Schröder. Würde ich mich mit meiner Wortmeldung an den "WochenKurier" wenden, müßte ich dort meinen Namen und meine Adresse mitteilen. Die verrate ich lieber Euch!

Karin Gruhne, Staupitz

*

Viele Jahre arbeitete ich in der Redaktion Landwirtschaft-Agrarpolitik des Deutschen Fernsehfunks. Zum Kollegenkreis gehörten Mitglieder der SED und der Demokratischen Bauernpartei (DBD) sowie Parteilose. Wie mein Freund, der bekannte Porträtzeichner Gerhard Vontra, der für uns tätig war, gehörte ich zur dritten Gruppe.

Bis 1970 war ich ebenfalls freischaffender Künstler. Als Grafiker und Szenenbildner schuf ich für die Kinderredaktion des Fernsehens u. a. die Figuren Herr Fuchs und Frau Elster. 1981 wurde die Landwirtschaftsredaktion aufgelöst. Ich war dann bis 1989 Regisseur der Sendereihe "Du und Dein Haustier".

Übrigens beförderte mich jener Chefredakteur (H. Günther), welcher mich 1970 eingestellt hatte, dann in seiner Eigenschaft als Personalchef in den "Vorruhestand". Er gehörte bis 1989 der DBD an und war nach der Einverleibung dieser Partei durch die CDU deren Mitglied.

Als "Abgewickelter" habe ich Verständnis für die vielen Beiträge ehemaliger DDR-Funktionäre, die im "RotFuchs" erscheinen. Leider gelingt es nur wenigen "Altgenossen", ihr Schicksal und das der Partei tatsächlich aufzuarbeiten.

Hans Schroeder, Berlin

*

Den Inhalten des RF, den ich probeweise bestellt hatte, stimme ich im Grundsätzlichen zu, doch ist mir vieles noch unklar, vor allem, was den Weg in eine wesentlich demokratischere, ja sozialistische Gesellschaft betrifft. Dazu zählen auch Fragen zum Eigentum sowie zur Machteroberung durch die "vom Kapital Ausgebeuteten".

Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Stehvermögen für Ihre Vorhaben.

Siegfried Schubert, Plauen

*

Als 86jähriger bin ich darüber besorgt, daß die Zahl derer immer mehr abnimmt, die der heutigen Jugend noch aus eigenem Erleben von den Verbrechen der Faschisten und den Schrecken des Zweiten Weltkrieges berichten können. Die meisten der Älteren schweigen sich lieber aus und wollen vor allem nicht ihr eigenes Versagen zugeben.

Doch ich kann auch Positives berichten. Im Sebnitzer Gymnasium fand unlängst eine öffentliche Veranstaltung statt, zu der man mich eingeladen hatte. Ich schilderte dort mein Leben - von der Nazi-Erziehung bis zu der Zeit, in der ich ein überzeugter Kommunist wurde. Dabei verschwieg ich keinesfalls die schweren Jahre unseres sozialistischen Aufbaus. Ich ging auch auf eigene Fehler und darauf ein, daß wir ständig in Konflikt mit dem Gegner lebten.

Übrigens nahmen an der Zusammenkunft im Gymnasium auch zwei Pfarrer teil. Der Beifall der Schüler, den ich bekam, war deutlich stärker als der Applaus für die Vertreter des Klerus.

In den letzten Monaten habe ich als einstiger LPG-Vorsitzender und späterer Leiter einer großen Tierzuchtanlage auf mindestens 10 Bauernversammlungen im Kreisgebiet gesprochen.

Schließlich ermutigt mich auch die Tatsache, daß meine Enkelin jetzt schon das dritte Mal an einer Veranstaltung der Dresdner RF-Regionalgruppe teilgenommen hat.

Werner Döring, Hohnstein

*

Die Schrift "Bewegt Euch!" von Manfred Kubowsky, die im Januar-RF ausführlich vorgestellt worden ist, halte ich für außerordentlich wichtig. Darin finde ich auch meine eigenen Ansichten wieder.

Anne Beck, Salzwedel

*

Leider konnte ich den von mir sehr verehrten Genossen Walter Ruge nicht persönlich kennenlernen. Ich habe ihn immer wegen seines aufrechten Ganges und seiner geradlinigen Haltung bewundert. Ruges Buch "Treibeis am Jenissei" hat mich tief beeindruckt. Seine Standhaftigkeit und Festigkeit angesichts härtester Belastungen legen die Meßlatte für kommunistisches Verhalten sehr hoch. Ich würde gerne ein paar Blumen auf sein Grab legen und mich auf diese Weise von ihm verabschieden. Laßt mich doch bitte wissen, wo er beigesetzt wurde.

Andreas Eggert, Berlin

Walter Ruge ist auf dem Potsdamer Alten Friedhof in der Heinrich-Mann-Allee bestattet.

*

Zum Artikel "'Towarischtsch' wurde wieder zu 'Gorch Fock'" im Februar-RF möchte ich anmerken, daß das Traditionsschiff wie auch die Gorch Fock II sowie deren Besatzungen zu keiner Zeit als "Botschafter in Blau" fungierten, sondern stets im Dienst deutscher Seegeltung und Großmachtinteressen standen.

Ich befand mich Ende 1944 zur Ausbildung auf der Gorch Fock I. Diese war vor allem durch preußische Militärtraditionen, Kastengeist und Elitedenken des Marineoffizierskorps sowie durch Chauvinismus geprägt. Hier wurde die Elite für die deutsche Seekriegsführung herangezüchtet. Es geht also nicht nur um Namensgleichheit, sondern auch um Sinn und Zweck dieser Schiffe.

Dr. Woldemar Wagner, Markkleeberg

*

Obwohl der "RotFuchs" doch schon relativ lange "lebt", habe ich ihn erst jetzt kennengelernt. Die Mehrzahl der Autoren schreibt sehr offen und objektiv zu Problemen unserer Geschichte und über Kämpfe in der Gegenwart.

Für mich ist es allerdings beängstigend, wie viele einstige Parteimitglieder inzwischen die Lehren von Marx, Engels und Lenin vergessen oder zuvor nie richtig begriffen haben. Ihr heutiges opportunistisches Verhalten zeugt davon.

Gerhard Konrad, Potsdam

*

Ende Januar veröffentlichte das ND auf seiner letzten Seite ein beeindruckendes Farbfoto. Es zeigte eine Menschenkolonne - wie eine Perlenschnur - auf dem Marsch, um im strengen afghanischen Winter der Bevölkerung eingeschneiter Dörfer zu helfen. Hans-Dieter Schütts Begleittext trug die Überschrift: "Macht der Tracht". In seiner ästhetisierenden Darstellung langer Märsche schilderte er Menschenkolonnen in der Weltgeschichte. Er erfaßte dabei Römer und Sklaven, chinesische Revolutionäre und deutsche Kriegsgefangene auf Wegen nach Sibirien. Es ging auch um "lange schwarze Reihen von Bombern am Himmel" - um welche es sich handelte, blieb allerdings unklar.

Bei hds sind die Todesmärsche von 6 Millionen deutschen und europäischen Juden in die Gaskammern der hitlerfaschistischen Vernichtungslager Auschwitz, Treblinka und Majdanek - im Bundestag wurde von Reich-Ranicki eindringlich daran erinnert - offenbar in Vergessenheit geraten.

Hans Linke, Suhl

*

Seit Oktober 2011 bin ich RF-Leser. Die Beiträge sind aktuell, informativ und widerspiegeln das wirkliche Leben. Der Artikel "Cornelias kleine große DDR (2)" sprach mir aus dem Herzen. Man sah sich unwillkürlich in die eigene Kinder- und Jugendzeit zurückversetzt. So war unser Leben. Ich bin vom Jahrgang 1947.

Christian Krug, Leipzig

*

Brüssel wird allmählich zur Hauptstadt "Deuropas" ausgebaut. Auf diese Weise kann das deutsche Kapital seine Vorherrschaft im europäischen Teil der Welt nahezu unangefochten festigen. Was der Kaiser und Hitler im Auftrag der Kapitalistenklasse mit Donner und Blitz versuchten, geschieht heute - ganz unblutig - per Weisung aus Brüssel. Der Zeitpunkt des Umzugs der EU aus der belgischen Hauptstadt an die Spree könnte möglicherweise gar nicht so fern sein, gibt es doch wieder einmal Leute, die Berlin für das eigentliche Zentrum Europas halten.

Dr. Günter Freudenberg, Bernburg

*

Die im Leserbrief von Karl Pfaff, Dresden (Februar-RF), aufgeworfene Frage, ob bei sozialistischen Produktionsverhältnissen auch Mehrwert erzeugt wird, möchte ich dahin gehend beantworten, daß das zutrifft, wobei sich dessen Verwendung ganz maßgeblich von kapitalistischer Aneignung des Mehrwerts unterscheidet. Diese setzt voraus, daß die "Lohnabhängigen" nur jenen Teil ihrer Arbeit vergütet bekommen, der für die Reproduktion ihrer Arbeitskraft notwendig ist.

Unter sozialistischen Produktionsverhältnissen geht der Mehrwert zunächst an den Staat, der ihn anschließend über seinen Haushalt nutzbringend für die gesamte Gesellschaft einsetzt. Die Aneignung des Mehrwerts mit dem Ziel der Erlangung von Maximalprofit bleibt unter sozialistischen Bedingungen ausgeschlossen. Sie entspricht nicht dem Wesen dieser Gesellschaftsordnung.

Die von der DDR im Zeitraum bis 1990 vorgesehene und auch weitgehend erreichte Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem war diesem Umverteilungsprozeß geschuldet.

Wolfgang Schröder, Schöneiche

*

Gegenwärtig schreibe ich im linken Promedia-Verlag (Wien) ein Buch über die Slowakei. So war ich hocherfreut, im "RotFuchs" etwas zum Thema lesen zu können, wobei mich der diesbezügliche Artikel im Januar-RF etwas irritierte. Der Autor schreibt dort, die KP der Slowakei (KSS) sei in den 90er Jahren in den Nationalrat eingezogen - tatsächlich war sie jedoch nur zwischen 2002 bis 2006 im Parlament vertreten. Die erwähnten Kontakte zur MLPD gehen slowakischerseits nicht vom Jugendverband aus, sondern von einer anscheinend autonomen "Denkfabrik" (Spolocnost Vedeckého Komunizmu). Der von der KSS ausgeschlossene Hopta hat mittlerweile seine eigene Partei gegründet (Morgenröte).

David Noack, Berlin

*

Im Mai 1952 führte die Friedensfahrt erstmals durch drei Länder zum Zielort Berlin. Von der damaligen CSR kommend passierte das Feld des in Warschau begonnenen Rennens auf der Etappe nach Chemnitz auch Lichtenstein. Täve Schur gab damals als 21jähriger seinen Einstand. Im September 1952 ging auch eine Mannschaft der SSV Fortschritt Lichtenstein in Berlin an den Start der DDR-Rundfahrt. Ich habe ihr als junger Genosse angehört.

Am 26. Mai fährt - wie in den letzten vier Jahren - wieder ein Reisebus von uns nach Kleinmühlingen zum neuerbauten Friedensfahrtmuseum. Auch diesmal ist Täve ab Mittag unser Gastgeber. Die Genossen und Freunde von der AG "Cuba Sí" aus Chemnitz und die Truppe der "RotFüchse" aus unserer Region sowie weitere Mitstreiter freuen sich schon heute auf diese Begegnung.

Gerhard Pfefferkorn, Lichtenstein

*

Im RF Nr. 167 las ich mit großem Interesse den Artikel "Warum nicht gleich Kurt Schumacher?". Darin schreiben Sie, Willy Brandt sei ein "notorischer Vietnamkriegsbefürworter" gewesen. Mir war bisher nur bekannt, daß er sich zum Vietnamkrieg nicht geäußert, also diesen bestialischen Krieg der Amerikaner in der Öffentlichkeit nicht verurteilt hat. Das nahmen ihm viele seiner damaligen Anhänger sehr übel. Bisher habe ich aber nirgends gelesen, daß er ein aktiver Befürworter dieses Krieges gewesen sei.

Renata Eckhoff, Geislingen

*

Mir wäre sehr daran gelegen, daß die satirischen Bemerkungen des Genossen Wollner (Februar-RF) zum Parteiprogramm der "Linken" die letzten dieser Art im RF gewesen sind. An ihnen ist überhaupt nichts falsch, aber sie nützen m. E. nicht. Meine Änderungsvorschläge blieben ebenfalls unberücksichtigt. Mir gefällt auch manches am Programm nicht. Und die "Verdienste" Willy Brandts sind mir bestens bekannt. Allerdings handelt es sich um ein ziviles Korps für internationale Katastrophenhilfe und nicht um Militäreinsätze.

Johannes Dreßler, Zechliner Hütte

*

Im Vorfeld des jüngsten PDL-Parteitags hatte ich mir das Erfurter Programm der SPD von 1891 angesehen. Darin heißt es sehr exakt, die Arbeiterklasse könne den "Übergang der Produktionsmittel in den Besitz der Gesamtheit nicht bewirken, ohne in den Besitz der politischen Macht gekommen zu sein".

Aus diesen und weiteren Grundsätzen wurden zehn Forderungen abgeleitet, die in der BRD bis heute nicht erfüllt sind. Es ging dabei um gleiche Rechte für Frauen, die vollständige Trennung von Staat und Kirche, unentgeltliche Bildung, Rechtspflege und ärztliche Betreuung.

Nach Auffassung von Friedrich Engels, der das Ergebnis des Erfurter Parteitages von 1892 im Ganzen als positiv bewertete, muß ein Programm "so kurz und so präzis" wie möglich sein.

Die eigentlich unzumutbare Textlänge des Erfurter Programms der PDL ergibt sich aus der Vielzahl von Strömungen in der Partei sowie eines ganzen Fächers von Aussagen, die noch vage sind und verschiedene Interpretationen zulassen.

Dr. paed. Peter Nitze, Wittenberg

*

Als fast 78jähriger verfolge ich die Entwicklung der PDL mit Interesse, wobei ich immer dachte, daß eine Partei mit dem Anspruch, die Interessen der fortschrittlichen Kräfte der Gesellschaft zu vertreten, eine Strategie und Taktik auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus besitzen müßte. Ich ging davon aus, daß alle Mitglieder an der Umsetzung des auf dieser Grundlage Beschlossenen teilnehmen. Leider kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es einigen leitenden PDL-Funktionären nur darum geht, sich unter Verzicht auf Klarheit der Aussagen persönlich zu profilieren, was dazu beiträgt, daß sich die PDL immer weniger von den bürgerlichen Parteien unterscheidet.

Ernst Gallert, Rudolstadt

*

Mit ihren inzwischen zu einer Tradition gewordenen Flugblättern versucht die Dabeler Friedensinitiative seit 1999 wahlberechtigten Bürgern des leider nur noch sehr dünn besiedelten Landkreises Parchim eine politische Entscheidungshilfe an die Hand zu geben. Da die "Schweriner Volkszeitung" immer mehr zu einem verkappten Kirchenblatt wurde, das meine Leserbriefe nicht mehr druckte, war ich 2005 sehr froh, als mir ein Freund den "RotFuchs" empfahl. Ohne Vera Butlers treffsichere Analysen wäre ich nicht dazu imstande, die Machenschaften des Finanzkapitals so gründlich zu durchschauen. Mit Peter Franz lernte ich einen sympathischen Christen achten. Unverzichtbar sind mir auch die wertvollen Hintergrundinformationen zu aktuellen weltpolitischen Ereignissen, die man so kompakt anderswo kaum findet. Und, und, und ... Danke!

Jürgen Kuhlmann, Dabel

*

Der Zuschrift von Dr. Rolf Ziegenbein (RF 168) können wir nur beipflichten, möchten jedoch eines anmerken: So wichtig es ist, alle eigenen Defizite, die zum Untergang der DDR beitrugen, "schonungslos zu analysieren", so darf man sich nicht einseitig auf diese beschränken. Man muß vielmehr auch all jene Faktoren möglichst konkret benennen, die wir weder selbst verursacht hatten noch ausschließen konnten, weil uns objektiv Möglichkeiten, Kräfte und Mittel dazu fehlten. Überdies sollten wir stets versuchen, hinter allen Defiziten die ihnen zugrunde liegenden tieferen Ursachen zu verdeutlichen.

Dank für Euer Wirken!

Familie Heinz Simon, Berlin

*

Wenn die fortschrittlichen Kräfte der BRD nicht begreifen, daß dem Kapital nur durch gemeinsames Handeln Einhalt geboten werden kann, erleben wir früher oder später eine neue "braune" Diktatur. Das Kapital beherrschte die Gesellschaft immer dann, wenn die Linken zersplittert waren. Es tritt niemals freiwillig ab, sondern ist zu jedem Verbrechen bereit, um an der Macht zu bleiben. Das sollten vor allem die Spitzenpolitiker der linken Parteien stets in Rechnung stellen.

Harald Grünbeck, Magdeburg

*

Es ist wohltuend, jeden Monat den RF in Händen zu halten. Für mich erweist er sich als wirklich spannende Lektüre. Manches lese ich mehrmals - viele Texte verdienen das auch. Doch - und hierbei schließe ich mich ein - noch so gründliches Studieren reicht einfach nicht aus. Wir müssen die Inhalte auch ständig nach außen vermitteln. Allein aus Gründen politischer Hygiene sind wir das uns selbst und unserer Umgebung schuldig. Eine "RotFuchs"-Mitgliedschaft verlangt das Gegenteil von Passivität. Oftmals ergeben sich spontan Gelegenheiten für interessante und freimütige Gespräche. Sie zielgerichtet zu nutzen, kann auch zu einem persönlichen Erfolgserlebnis werden.

Ernst-Manfred Mölle, Sohland (Spree)

*

Bei "zugunsten" des Ostens ausgehenden Renten-Vergleichen mit dem Westen wird "in der Regel" vergessen, daß dort die Beamten, deren Altersbezüge das Drei- bis Vierfache einer kleinen Westrente betragen, nicht mit berechnet werden. Andererseits gab es ja in der DDR keine Beamten, sondern alle Personen, die höhere Einkommen bezogen oder besonders qualifizierte Tätigkeiten ausübten sowie sämtliche "Staatsdiener" zählen daher heute wie alle anderen als "normale Rentner", was den Ost-Durchschnitt merklich anhebt. Daraus entsteht ein schiefes Bild. Wären die Beamten auch im Westen einbezogen, fiele der Vergleich natürlich völlig anders aus, wäre die Ungerechtigkeit im Verhältnis der Renten West-Ost für jedermann erkennbar.

Daß neuerdings auch das ND Äpfel und Birnen gleichsetzt und den Ostrentnern - wie in seiner Ausgabe vom 15. Februar geschehen - deutlich höhere Bezüge als denen im Westen bescheinigt, trägt zusätzlich zur Verwirrrung bei.

Familie Tittler, Berlin

*

Die Berliner Regierungspolitiker produzieren sich als Europas Zuchtmeister, Oberlehrer und Wundertäter. Sie locken Hunderttausende Arbeitsuchende mit ihrer Wohlstands- und Quasi-Vollbeschäftigungs-Prahlerei hierher, besonders aus den Elendsgebieten und Krisenregionen des Südens. Freie Arbeitsplätze sind jedoch äußerst rar und von der Bezahlung her so schlecht, daß die große Masse der Jobsucher erfolglos wieder abdrehen muß.

Die ostdeutschen Arbeitsagenturen hatten 2011 einen Zugang von 2,45 Millionen Erwerbslosen, während der Stellenanstieg nur 392 000 betrug. Mit anderen Worten: Die "Chance", leer auszugehen, war sehr groß. Auch 2012‍ ‍dürften wir die Zahlen der Arbeitslosen und der Firmenschließungen sowie die Differenz zwischen Erwerbslosen und freien Stellen nur in geschönter Form vorgesetzt bekommen. Die Politiker und gewisse Medien verlassen sich fest darauf, daß die 82 Millionen Germanen kein Volk von Statistikern sind und deshalb das ihnen Untergejubelte ohne Nachprüfung schlucken.

Übrigens, Europas größte Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Finanz-, Schulden- und Sozialkrise seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hat der Kapitalismus ganz allein zuwege gebracht - ohne jedes Mittun der vielgescholtenen "Linken" ... Diese stolpern nämlich lieber über die eigenen Beine ...

Joachim Spitzner, Leipzig

*

Herzliche Glückwünsche zum 14jährigen Bestehen Eurer Zeitschrift, die ich sehr schätze und mir regelmäßig aus dem Internet herunterlade.

Zu meinem Bedauern bin ich nicht im Sozialismus aufgewachsen, was ich mir (nicht selten) gewünscht habe. Doch trotz der antikommunistischen Propaganda, der ich unablässig ausgesetzt war - oder gerade deshalb -, wandte ich mich dem Sozialismus und Kommunismus zu. Gründe dafür gibt es ja genug. Für mich war die Deutsche Demokratische Republik tatsächlich das Beste, was die revolutionäre deutsche Arbeiterklasse je zuwege gebracht hat. Angesichts der massiven Hetze der bürgerlichen Medien und Politiker freut es mich ungemein, vom "RotFuchs" ein objektives DDR-Bild vermittelt zu bekommen und zu sehen, daß es trotz allem nicht wenige Genossen gibt, die ihrer Überzeugung treu geblieben sind und sich seit Jahren um die Zeitschrift gruppieren. Die Arbeit, die Ihr leistet, ist sehr wertvoll.

Max Ludwig, Berlin

Raute

RF-Bezugsbedingungen

Kurze Nachricht per Telefon oder E-Mail oder Briefpost an den Vertriebsleiter Armin Neumann genügt.

Er ist folgendermaßen erreichbar.
Tel.: 030/654 56 34
E-Mail: arminneumann@ewt-net.de
Adresse: Salvador-Allende-Straße 35, 12559 Berlin

Der RotFuchs wird ausschließlich aus Spenden und nach eigenem Ermessen jedes einzelnen finanziert.
Einen festen Preis gibt es nicht. Die Zeitschrift kommt jeweils am letzten Werktag eines Monats zum Versand.

Raute

IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift für Politik und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.

CHEFREDAKTEUR: Dr. Klaus Steiniger, (V.i.S.d.P.)
Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin,
Telefon 030/561 34 04
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
(Redaktionsadresse)

SEKRÄTERIN: Karin Großmann

LAYOUT: Rüdiger Metzler

HERSTELLUNG: Druckerei Bunter Hund

INTERNET: www.rotfuchs.net

INTERNET-PRÄSENTATION DES ROTFUCHS
UND AKUSTISCHE AUSGABE (für Sehbehinderte):
Sylvia Feldbinder

Redaktionsschluß für die übernächste Ausgabe ist der 20. eines Monats.

AUTORENKREIS:
Dr. Matin Baraki
Rolf Berthold
Dr. Manfred Böttcher
Konstantin Brandt
Dr. Vera Butler (Melbourne)
Wolfgang Clausner
Prof. Dr. Götz Dieckmann
Dr. Rudolf Dix
Ralph Dobrawa
Dieter Fechner
Bernd Fischer
Peter Franz
Günter Freyer
Prof. Dr. Georg Grasnick
Ulrich Guhl
Bernd Gutte
Dr. Ernst Heinz
Jürgen Heiser
Helmuth Hellge
Dr. Dieter Hillebrenner
Manfred Hocke
Hans Horn
Dr. Klaus Huhn
Dr. Hans-Dieter Krüger †
Rudi Kurz
Wolfgang Mäder
Bruno Mahlow
Dr. Bernhard Majorow
Prof. Dr. Herbert Meißner
Wolfgang Metzger
Frank Mühlefeldt
Jobst-Heinrich Müller
Horst Neumann
Gerhard Schmidt
Prof. Dr. Horst Schneider
Prof. Dr. Rolf Sieber
Joachim Spitzner
Fritz Teppich †
Dr.-Ing. Peter Tichauer
Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wroclaw)

KÜNSTLERISCHE MITARBEIT:
Dieter Eckhardt, Heinz Herresbach,
Klaus Parche, Heinrich Ruynat,
Renatus Schulz

VERSAND UND VERTRIEB:
Karin Dockhorn
Postfach 02 12 19, 10123 Berlin
Telefon 030/241 26 73
WDockhorn@t-online.de
oder Sonja Brendel, Tel. 030/512 93 18
Heiner Brendel, Gerald Umlauf, Hans Ludwig,
Peter Barth u.v.a.m.

FINANZEN: Jürgen Thiele, Wartenberger Str. 44
13053‍ ‍Berlin, Tel.: 030/981 56 74

UNSER KONTO:
"RotFuchs"-Förderverein, Konto-Nr.: 2 143 031 400
Berliner Sparkasse, BLZ: 100 500 00
Für Einzahler im Ausland:
IBAN: DE 27 1005 0000 0220 1607 59
BIC: BELADEBEXXX

Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht immer mit denen der Redaktion übereinstimmen.

*

Quelle:
RotFuchs Nr. 171, 15. Jahrgang, April 2012
Redaktion: Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin
Telefon: 030/561 34 04, Fax: 030/56 49 39 65
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
Internet: www.rotfuchs.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2012