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ROTFUCHS/086: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 132 - Januar 2009


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

12. Jahrgang, Nr. 132, Januar 2009



Inhalt
Schuß ins Schwarze
RF-Festakt zum 90. Jahrestag der KPD-Gründung
Perlen auf einer Müllhalde
Luftschlösser als Reihenhäuser
Die neuen Mölders
Der Kaderschmied der NVA
Die Verschafung von Menschen
Göring und seine Fallschirmjäger
Deutsche November-Botschafter
Der Handschlag
Heimkehr nach sechs Jahren NRW
Geschichtsfälscher-Konjunktur
Zur Schwäche des subjektiven Faktors
Grottenfalsche Konjunkturanalysen
Der BRD fehlt ein Arbeitsgesetzbuch
RF-Extra Wie sie die DDR erfinden
RF-Extra Mahnung eines Gehäuteten
Die neue deutsche Hitlerjugend
"Deeskalationsstrategie" der Polizei
Nicaragua im Herzen
Altes von Jung
Lumumbas Mörder ruhen nicht
Bushs Nahostpolitik war ein Fiasko
Großbritanniens Steinkohlebergbau
Dramatische Jobverluste in den USA
Walter Ruge und sein Buch gegen das inszenierte große Vergessen
Älteste aktive Autorin: E. Brüning
Reich-Ranicki: Theaterdonner
Nichts übers Knie brechen
Vom Dreher zum Akademiepräsidenten
Kurzweiliges von Rudi Kurz
Zum Buch: DDR - unauslöschbar
Es ist nichts so fein gesponnen ...
Archie als Boxer
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Fidelidad heißt Treue

Am 1. Januar 1959 - vor genau 50 Jahren - sind einige hundert Rebellen siegreich und unter dem Jubel der Bevölkerung in Havanna eingezogen. Sie kamen als Befreier von der Diktatur der USA-Marionette Batista. Kubas Hauptstadt war bis dahin das Bordell und die Spielhölle der Nordamerikaner gewesen. An der Spitze der bärtigen Sieger stand mit Fidel Castro ein bereits durchs Feuer gegangener Mann. Am 26. Juli 1953 hatte er mit 150 Verschworenen die zweitgrößte Kaserne des Landes - die Moncada - zu nehmen versucht. Der Sturm endete im Kugelhagel. Fast alle Angreifer wurden an Ort und Stelle getötet, Fidel und einige seiner Getreuen stellte man vor Gericht. Dort hielt er eine Rede, die mit dem Satz schloß: "Die Geschichte wird uns freisprechen."

Etwa zwei Jahre verbrachte Castro im Gefängnis, bevor er nach Mexiko ins Exil gehen konnte. Als Emigrant sammelte er - damals noch kein Marxist, aber ein lauterer Revolutionär - wiederum Gleichgesinnte um sich. Im Dezember 1956 landeten sie mit der frühzeitig entdeckten und unter Beschuß genommenen Barkasse "Granma" an Kubas Ostküste. Nur etwa 20 überlebten - nahezu ohne Waffen, Munition und Nahrung. Sie gaben nicht auf und begannen trotz aller Widrigkeiten den Kampf in der Sierra Maestra. Vier Jahre später triumphierten sie über eine vieltausendköpfige Armee.

Bei Fidels Einheiten handelte es sich nicht um einen ideologisch homogenen Kader mit ausgereiften politischen Vorstellungen. Den Männern und Frauen stand noch ein langer und oft qualvoller Klärungsprozeß bevor. Begünstigt wurde ihr Vorhaben durch die Annahme der CIA, das Geschehen sei ein "ganz normaler lateinamerikanischer Staatsstreich". Als Washington des Irrtums gewahr wurde, zog man sofort alle Register. Die USA verhängten einen totalen Wirtschaftsboykott über Kuba. Mörder und Terroristen wurden losgelassen. Ihr Wüten kostete 3400 Menschenleben. Mehr als 600 Attentatspläne richteten sich allein gegen Fidel Castro. Im April 1961 blies man zur großen Attacke. Die Landung von Söldnern in der Schweinebucht endete mit einem Fiasko. Damals verkündete Fidel, Kuba werde fortan den sozialistischen Weg gehen. Die Sowjetunion und deren Bruderländer leisteten zeit ihres Bestehens eine umfassende Hilfe. Kommunisten aus der Sozialistischen Volkspartei und andere Linkskräfte schlossen sich zur KP Kubas zusammen. Castro übernahm die Führung. Er entwickelte sich immer mehr zu einem theoretisch gebildeten und praktisch erfahrenen Verfechter der Lehren von Marx, Engels und Lenin. Zugleich stellte er sich in die Tradition der Großen Lateinamerikas - von Simón Bolivar bis José Martí.

Machteroberung ist eine Sache - ein halbes Jahrhundert Machtbehauptung vor den Küsten der USA eine völlig andere. Wenn Kuba Zeiten der Isolierung und des materiellen Mangels intakt überstand, dann heißt die Erklärung: Vertrauen des Volkes. Um dieses gegen zunächst starke antikommunistische Vorbehalte der Massen zu erringen und zu bewahren, bedurfte es rückhaltloser Aufrichtigkeit der Führung. Castro hat negative Vorgänge nie vertuscht und zu erwartende Belastungen immer klar benannt.

Die kubanische Revolution erfaßte alle Bereiche des Lebens. 1975 gab das Land - im Vergleich zu 1958 - das Zwanzigfache an Mitteln für das Gesundheitswesen und das Zwölffache für Volksbildung aus. Der kleine Inselstaat hat mehr Ärzte in andere Länder entsandt als die WHO. In den vergangenen fünf Jahren haben zwei Millionen Blinde Lateinamerikas im Rahmen der "Operation Wunder" durch kubanische Mediziner ihr Sehvermögen zurückerhalten. Kubas Kindersterblichkeitsrate ist die niedrigste des Subkontinents.

Es wäre unaufrichtig, die sozialistische Insel als Paradies darzustellen. Davon kann trotz der großen Errungenschaften keine Rede sein. Noch immer gibt es erhebliche Defizite, auch Ungleichheit. Häufige Naturkatastrophen erschweren die ohnehin karge Versorgung. Doch Kuba steht nicht allein. Seine langjährige Solidarität wird erwidert. Länder wie Bolivien, Venezuela, Ecuador, Nicaragua, Paraguay und auch Lulas Brasilien suchen heute aus unterschiedlichen Gründen ein enges Verhältnis zu Havanna. Verläßlicher Partner ist die Volksrepublik China. Rußland knüpft wieder Bande der Freundschaft zu Havanna.

Wenn man die Tage des Einzugs der Rebellen mit dem heutigen Kuba vergleicht, muß man den Hut vor seinem Volk und dem Format seiner Führung ziehen. Castro ist ein Revolutionär von besonderem Kaliber, so daß man ihn in seiner politischen Dimension einen Lenin Lateinamerikas nennen könnte. Woche für Woche schreibt er marxistische Reflexionen für die "Granma". Nicht zufällig trägt die Zeitung der KP den Namen jener Barkasse, welche einst die Zukunft nach Kuba brachte.

Glückwunsch an Havanna! Gruß an Fidel!
Wir werden Euch nie im Stich lassen!

Klaus Steiniger

Raute

Schuß ins Schwarze

Vor dem sogenannten Dresdner Bildungsgipfel der Kanzlerin hatte Uwe Steimle einige Fragen an Angela Merkel gestellt. Die sonst eher konservative "Sächsische Zeitung" druckte die polemische Streitschrift des prominenten Schauspielers (46).

Unterdessen teilte die ARD dem Künstler, der sich für die Unterstützung des Präsidentschaftskandidaten der Linkspartei, Peter Sodann, ausgesprochen hat, mit, seine Krimiserie werde 2010 "planmäßig eingestellt". Im folgenden bringen wir den Wortlaut des Steimle-Kommentars "Fairbildung":

Sagt ein Mann aus der alten Bundesrepublik zu einem Dresdner Taxifahrer beim Befahren der Augustusbrücke: "Sagen Sie, guter Mann, was ist das für ein Fluß hier?" "Das ist die Elbe", antwortet der Mann am Steuer. "Nein, nein, das kann nicht sein", ruft der Wessi - "die Elbe fließt in Hamburg." Was soll man dazu sagen? Nichts. "Lerne schweigen, ohne zu platzen", stand bei mir zu Hause über dem Küchentisch. In Zeiten virtuellen Geldes fließt die Elbe eben zweimal. Ja, liebe Frau Merkel, wir waren mal ein gebildetes Volk. WIR. Auch das Elbsandsteingebirge wurde nach der Kehre von der BRD aufgebaut, für uns - damit wir nicht mehr so weit in den Urlaub fahren müssen. Danke auch dafür. Was das alles mit Bildung zu tun hat? Eine Menge. Erstens ist das Weglassen einer Nachricht auch eine Nachricht, und zweitens ist diese ganze Bildung gegenwärtig wirklich der Gipfel. Es gab da mal ein Land, in dem auch Sie, Frau Merkel, aufgewachsen sind, da wurde allen Kindern ein warmes Mittagessen gereicht; auch daran ging die DDR zugrunde, sie hat sich um ihr Kapital gekümmert - ihre Kinder. Manche Kommune würde heute pleite gehen, wollte sie das Geld aufbringen für eine warme Mahlzeit am Tag. Da reden wir noch nicht über den Unterrichtstag in der Produktion, Krippenplatz, Kindergartenplatz, Ferienlager. Und ganz aktuell Berufsausbildung mit Abitur - wird gerade getestet in Thüringen. Bitte, Frau Merkel - Bundeskanzlerin, sagen Sie es allen. Alles, was jetzt mit großem Tamtam neu erfunden werden soll, hat es schon mal gegeben. In der DDR. Ich war dabei und leide nicht an geschichtlichem Alzheimer. Was lernen die jungen Menschen heute auf ihrem Weg zu allseits gebildeten kapitalistischen Persönlichkeiten? Erfahren sie im Fach Geschichte, daß die "Ostzone" fast die gesamten Reparationskosten an Polen und Rußland bezahlt hat? Und, Frau Bundeskanzlerin, wie halten wir es mit dem 8. Mai 1945? Tag der Niederlage, der Kapitulation oder doch der Befreiung? Oder doch eher nicht, also nicht wirklich oder nur ein Stück weit? Auf so eine wichtige Frage kann es nur eine Antwort geben. Und die darf in Bayern nicht anders interpretiert werden als in Bremen oder Berlin. Bildung ist Staatsaufgabe, geschichtliche allemal. Der erste wichtige Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg war Stalingrad, nicht erst die Landung in der Normandie. Oder haben wir das alles falsch gelernt? Sie werden in Dresden verkünden, ich bin mir sicher, liebe Frau Merkel, daß das vielgelobte, vielgepriesene finnische, ja skandinavische Schulsystem, nach dem die BRD so gerne schielt, in Wahrheit unser Schulsystem war, das Schulsystem der DDR. In dem man schon nach zwölf Jahren zum Abitur geführt wurde, ohne noch ein Jahr Schauspielunterricht dranhängen zu müssen. Warum darf Geld arbeiten, nicht aber der Mensch? Was ist die Gründung eines Staates gegen die Plünderung eines Staates? In den Medien verkünden Sie, daß nicht der Kapitalismus schuld sei am Fastzusammenbruch des Systems, sondern daß einzelne Stellschrauben falsch justiert waren. Das ist ungefähr so, als würde ich feststellen, der Pflaumenmus ist nicht schlecht, er ist nur vergoren. Wir hier in Deutschland Nah-Ost wurden erzogen unter dem Motto: Das Sein bestimmt das Bewußtsein. Heute heißt es: Der Schein! Wörtlich und im übertragenen Sinne. Wofür sonst steht virtuelles Geld? Alle Kinder in unserem Land sollen in den Genuß der Bildung kommen - ohne Ansehen der Person oder ihrer Herkunft. Der Zugang zu einem einheitlichen Schulsystem als Staatsziel und Aufgabe. Grundtugenden wie Disziplin, Pünktlichkeit und Ordnung gilt es neu zu vermitteln. Und zwar von Lehrern, die Zeit haben und ausreichend bezahlt werden. Der Lehrer hat zu bilden, das Elternhaus zu erziehen. Auf Deutsch heißt das: Nur erzogene Kinder kann ich auch bilden. Damit die Eltern Vorbild sein können in der Erziehung, müssen sie arbeiten können - und nicht das Geld. Liebe, Güte, Solidarität mit den Menschen sind zu vermitteln - nicht Solidarität mit den Banken. Wenn das alles auf dem Bildungsgipfel auch nur mal erwähnt würde, dann könnte ich frohen Herzens sagen: Meine Heimat BRD. Wenn der real existierende Kapitalismus Herzensbildung vermitteln kann, dann will ich angekommen sein - im Hier, im Jetzt. Ansonsten bleibt mir als Dresdner immer noch die Romantik. Zum Abschluß noch ein schöner Satz meines Bäckermeisters. Der sagte neulich: In der DDR hatten wir immer die Hoffnung, daß es besser wird. Hier habe ich manchmal den Verdacht, daß es ganz schnell zu Ende gehen kann. Übrigens geht dieser Bäcker neuerdings mit Stelzen auf Arbeit. Ich fragte ihn, warum er das tut: "Ich hab gehört, den Großen wird geholfen."

Uwe Steimle

Raute

RF-Festakt zum 90. Gründungstag der KPD in Dresden

Wir sind da, und wir bleiben da

Nachdem Anfang Mai der 190. Geburtstag von Karl Marx in Chemnitz, dem die imperialistischen Rückeroberer den Namen des großen proletarischen Gelehrten geraubt haben, mit einer zentralen Veranstaltung feierlich begangen worden war, hatten die drei sächsischen Regionalgruppen des "RotFuchs"-Fördervereins für den 8. November zu einem Festakt nach Dresden eingeladen. Anlaß war der bevorstehende 90. Jahrestag der Gründung der KPD. Das bedeutsame Ereignis in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung wurde eindringlich gewürdigt, wobei man jedes hohle Pathos vermied.

Der Saal des populären Kabaretts Breschke & Schuch am Wettiner Platz war gut gefüllt, als der Vorsitzende der RF-Regionalgruppe Dresden Günter Strobel die Teilnehmer - darunter die Genossen Rolf Berthold und Klaus Steiniger aus Berlin - herzlich willkommen hieß. Der Oberst a.D. der DDR-Grenztruppen, den die "freiheitlich-demokratische" Justiz der "Delegitimierer" Kinkels nach der Konterrevolution für anderthalb Jahre gegen Recht und Gesetz ins Gefängnis geworfen hatte, hob die Bedeutung des Ereignisses hervor und erteilte dann Peter Dürrbeck aus Göttingen das Wort. Dieser ist ein Veteran der 1956 durch die Adenauerjustiz widerrechtlich verbotenen KPD und gehört heute der Zentralen Schiedskommission der DKP an.

Peter Dürrbeck begann seine Festrede mit den Worten Rosa Luxemburgs auf dem Gründungsparteitag der KPD im Dezember 1918: "Heute können wir sagen: Wir sind wieder bei Marx, unter seinem Banner!" Er schilderte den opferreichen Kampfesweg der deutschen Kommunisten und anderer Antifaschisten. Peter Dürrbeck verwies eingangs auf die Tatsache, daß sich der revolutionäre marxistische Flügel der deutschen Arbeiterbewegung mit der KPD-Gründung von der reformistischen Sozialdemokratie getrennt habe. Das sei der Höhepunkt eines langen Klärungsprozesses gewesen, zu dem bereits Marx mit seiner "Kritik des Gothaer Programms" Entscheidendes beigetragen habe. Zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten der Bewegung wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Clara Zetkin, Franz Mehring, Wilhelm Pieck, Käte und Hermann Duncker hätten diesen Weg theoretisch und praktisch gebahnt.

Peter Dürrbeck schilderte anschaulich den Aufschwung, den die Klassenkämpfe in Deutschland nach der russischen Oktoberrevolution genommen hätten. Doch er sei durch die Eberts und Scheidemanns in entscheidender Stunde abgewürgt worden.

"Zwar mußte der Kaiser gehen, doch die Generäle blieben. Die Konzernherren behielten ihre Fabriken, die Bankiers konnten ihr Vermögen sichern, und die Großgrundbesitzer verfügten weiter über ihre Güter. Die Forderungen der Arbeiter- und Soldatenräte blieben oft auf halber Strecke stehen. Die deutsche Novemberrevolution zeigte deutlich, daß eine Partei fehlte, die konsequent die Macht- und die Eigentumsfrage stellte", sagte der Redner.

Mit der Konstituierung der KPD, die sich dann unter Ernst Thälmann zu einer marxistisch-leninistischen Vorhutpartei mit Masseneinfluß entwickelte, sei diese Lücke geschlossen worden. Doch zunächst habe man die revolutionäre Bewegung enthauptet, ihre besten Köpfe - Luxemburg, Liebknecht und Jogiches - abgeschlagen. Von Lenin sei deren herausragende Rolle zu Recht hervorgehoben worden. Später hätten auch Ernst Thälmann und viele seiner Genossen dasselbe Schicksal erfahren. Zehntausende andere wären durch die Hölle der Konzentrationslager gegangen. Während die Überlebenden nach dem Krieg im Osten am Aufbau einer neuen Gesellschaftsordnung teilgenommen hätten, seien im Westen belastete Nazis wie Globke, Oberländer, Kiesinger und Filbinger in Schlüsselpositionen gebracht worden. Sie und die weiterbeschäftigten Nazijuristen hätten sofort wieder ihre alte Leidenschaft - die Kommunistenjagd - aufgenommen. Schon seit 1951 sei das fünf Jahre danach vollstreckte Verbotsurteil gegen die KPD angestrebt worden.

Zuvor im Westen unternommene Anfänge eines Zusammengehens von Sozialdemokraten und Kommunisten seien durch Leute vom Schlage Schumachers im Keim erstickt worden. Andererseits verbreite man beharrlich die Mär von der angeblichen Zwangsvereinigung von SPD und KPD im Osten. Die gnadenlose Verfolgung kommunistischer Aktivitäten sei in der BRD - bei Aufrechterhaltung des Karlsruher Verbotsurteils - im Jahre 1968 eingestellt worden. Damals hätten sich Möglichkeiten zur Neukonstituierung der DKP eröffnet. Davon wäre durch die Kommunisten Gebrauch gemacht worden. Von Beginn an habe sich diese Partei zu Marx, Engels und Lenin bekannt, die Eigentumsfrage sowie die Frage der politischen Macht der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten gestellt und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR begrüßt.

Auf die aktuelle Situation eingehend, stellte Peter Dürrbeck fest: "Was wir gegenwärtig mit dem 'Platzen der Finanzblase', wie es literarisch umschrieben wird, erleben, und damit, daß 'die Krise nun die Realwirtschaft erreicht', ist Herrschaft des Finanzkapitals pur." Man müsse eine vorgespiegelte "Verstaatlichung" ablehnen und statt dessen die Sozialisierung der Gewinne fordern. Es gehe um öffentliche Kontrolle, also um Vergesellschaftung.

Peter Dürrbeck, der Schröder und Merkel als "Kriegskanzler" charakterisierte, schloß seine Rede mit Worten Karl Liebknechts aus der "Roten Fahne" vom 15. Januar 1919: "'Spartakus niedergerungen!' O gemach! Wir sind nicht geflohen, wir sind nicht geschlagen. Und wenn sie uns in Bande werfen - wir sind da, und wir bleiben da! Und der Sieg wird unser sein ... leben wird unser Programm, es wird die Welt der erlösten Menschheit beherrschen. Trotz alledem!"

Nach der mit starkem Beifall aufgenommenen Festrede begeisterte der Dresdner Singeclub Ernesto Che Guevara die Zuhörer mit einem diesmal unter das Motto der Solidarität gestellten Programm. Der Hausherr und gestandene Kabarettist Manfred Breschke - seines Zeichens Doktor der Ökonomie - spießte pointiert, in geschliffener Wortwahl und mit beeindruckender Mimik den Offenbarungseid des Kapitals und seiner Regierungen auf. Der populäre und immer wieder in der gewollten Schlichtheit seines Vortrags anrührende Mime Reinhold Stövesand - wie Dr. Breschke Leser des RF - führte durch das Programm und trug glänzend ausgewählte Texte von Bertolt Brecht und Hermann Kant vor.

Eine bewegende Veranstaltung, zu der man die einladenden Regionalgruppen unseres Vereins nur von Herzen beglückwünschen kann.

K. S.

Raute

Schlamm und Schlaues einer RBB-Debatte

Perlen auf einer Müllhalde

Meine Zeilen betreffen eine am 2. Oktober - unmittelbar vor dem sogenannten Tag der deutschen Einheit - ausgestrahlte Sendung von Radio Berlin-Brandenburg. Es handelt sich um das Magazin "Kontraste" mit anschließender Internetdebatte, in der das aufgeworfene Thema "nachbehandelt" wurde. Als 464 Kommentare im Netz zusammengekommen waren, habe ich mir die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen 130 Seiten ausgedruckt. Ich war am Ende mit mir unzufrieden, daß ich nicht selbst in die Debatte eingegriffen habe. Eine große Zahl unserer lebenserfahrenen Genossen und Freunde sollte sich in "Blogs" einmischen, weil ich davon ausgehe, daß junge Teilnehmer einer solchen Internet-Debatte vermutlich auch das lesen, was andere an Fragen aufgeworfen haben.

Um was ging es an jenem Abend?

Die populäre Schauspielerin Iris Berben hatte einen Stuntman in Afrika kennengelernt. Er soll Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit gewesen sein. Die berüchtigte "Super-illu" nahm sich des "Falles" an und versuchte, sich einmal mehr in Sachen Schlammschlacht zu profilieren. Ihr Chefredakteur erklärte, durch die Nennung des Namens und der Zitate aus der Akte dieses IM habe das Blatt "Stasi-Unrecht" aus DDR-Zeiten "mit aufklären" wollen. Ein Berliner Gericht war dagegen. Die "Kontraste"-Redaktion zog als Verteidigerin der Pressefreiheit in den Kampf. In dem richterlichen Urteil hieß es, der Artikel des Boulevard-Blattes trage nicht zur "Aufarbeitung" bei. Im Anschluß an die Sendung begann der Schlagabtausch. Der überwiegende Teil der Diskutanten folgte dem Denkschema der Moderatoren und verunglimpfte die DDR. Die meisten Verfasser von Meinungsäußerungen nannten nur ihren Namen bzw. Vornamen oder verwendeten Kürzel. Das Lebensalter wurde nicht abgefordert, ebensowenig Aussagen über politische Bindungen, die man nur den übermittelten Texten entnehmen konnte.

Neben einer Flut übler Anwürfe gab es auch einige besonnene Stimmen. Besonders imponierte mir Walter Neumeyer. Er schrieb:

Hurra, alle guten Deutschen können wieder aufatmen! Endlich sagt mal eine Pressefreiheitsstatue die sogenannte freie Meinung derer, die sie dann prompt auch wieder für die eigene halten.

Glückwunsch! Sendeauftrag erfüllt. Stammtischdeutschen die Volksmeinung entlockt. Denunziation - entgegen eigener, scheinheiliger Behauptung - hierzulande und heutzutage wieder ein Stück gesellschaftsfähiger gemacht. Vom "an den Pranger stellen" über "Fotos veröffentlichen" und Sippenhaft bis hin zur Lynchjustiz ist hier im Forum alles dabei, was der deutschen Volksseele so auf derselben liegt. Bespitzelung und Hetze gegen Berliner Richter, jawoll! Pressefreiheit zur Denunziation darf Recht brechen, auch jawoll! Berufsverbot für Iris Berben, noch jawoller!

Hunderttausende Opfer, hunderttausende Täter, Millionen hinter Mauer und Stacheldraht Eingekerkerte, Versklavte, Mißhandelte, auf ewig Geschädigte, Verstümmelte, das Trauma eines ganzen Volkes unter dem Joch von Verbrechern und Un- und Untermenschen und vor allem: Unter dem Fluch von Hammer und Sichel und anderen Gerätschaften. Es ist so lächerlich, so durchsichtig, welch eine Propagandalawine schon wieder seit Tagen auf uns zurollt. Und es ist so armselig, was da so an Klischees, Vorurteilen, Unwissen, Dummheit und Stumpfsinn bei Ihren Publikümmern zusammenkommt. Und es ist sehr beklemmend und beängstigend, wes Geistes und Ungeistes Kinder sich - meinungsgelenkt und von der Leine gelassen - auf die willkommene Beute stürzen, und das alles auch noch im Namen irgendeiner Wasweißich-Menschlichkeit oder gar Gerechtigkeit.

Wie - IMs und OMs hat jeder Geheimdienst der Welt! Politische Gefangene gab und gibt es auch jetzt und hier! Tausende! Stammheim! Berufsverbote gibt es immer noch! Knüppelnde Staatsschergen mehr denn je! Schwerkriminelle und Kriegsverbrecher in Amt und Würden! Verfassungsschutz, Polizei, Behörden, Bundeswehr von Nazis unterwandert! Und der einzige Bundespräsident der ersten Nachkriegsjahrzehnte ohne Nazivergangenheit war Heinemann. Ja und? Das ist doch was ganz was anderes. Das alles geschieht schließlich im Namen der sogenannten Freiheit und der Herrenmenschenrechte und so oder so ähnlich. So! Hauptsache wir haben Erpressefreiheit und Stammeltischmeinungsfreiheiheit à la "Super-illu", "Bild", Guido Knopp, Pastor Eppelmann und jetzt auch "Kontraste", juchhei und zickezacke.

Was heute vielen, vielen Menschen - vor allem in den fünf neuen Ländern - widerfährt, ist Gängelung, Bedrohung und Existenzvernichtung! Vom mehr oder weniger guten Willen der Sozial- und Arbeitsagenten abhängig! Es wird geschnüffelt! Bei denen, die sich nicht wehren können! Es wird verfolgt, entzogen, ins Elend getrieben! Millionenfach! Menschen werden ihrer Arbeit, ihrer Wohnung, ihrer Sozialisation und ihrer Würde beraubt! Vorgeführt, gedemütigt und ausgegrenzt!

Ach so, ja, aber da wird es schon die Richtigen treffen! Ansonsten alles linke und populistische Propaganda, jawoll! Oder kommt das vielleicht einigen - trotz der Meinungsmachermedien - noch Nachdenkfähigen oder einigen der wirklichen und angeblichen DDR-Opfer bekannt vor? Was allen, denen die neue Deutschgeschichtsschreibung und -aufarbeitung zu denken und zu zweifeln gibt, demnächst blühen kann, ist hier in der Mehrheit der Beiträge nur allzu deutlich abzulesen: Rache ist Blutwurst, Denunziation gehört zum Geschäft - solange es die trifft, die anderen Sinnes sind.

Wer heute noch wagt, gegen den Mainstream differenziert oder gar links zu denken und zu schreiben, ist sowieso verdächtig und wird am besten gleich vor den gerechten Volkszorn, in die Volksmeinungsblätter und vor die Volksempfänger gezerrt, angepöbelt, beleidigt, ausgepeitscht, angespuckt. Und dann - Arbeitslager, Knast, Rübe ab, usw.

Übertrieben? O nein! Wenn deutsche Wirts- und Glashaussteineschmeißer erst mal auf die Barrikaden gehen, dann brennen nicht nur Synagogen und Ausländerwohnheime. Dann geht der so viel beschworene Ruck durch Deutschland. Dann geht der Pöbel los. Und die Drecksblätter und - Sendungen in der deutschen Medienlandschaft haben ihn gerufen.

Dann wird hier mal aufgeräumt. Dann reichen die paar hundert jetzt schon von Neonazis Abgestochenen, zu Brei Geschlagenen und Verbrannten nicht mehr aus, dann geht's zur Sache. Und nachher ist es dann wieder keiner gewesen.

"Kontraste" soll selbst entscheiden, ob und wie es die Geister, die es rief, wieder los wird. "In die Ecke Besen, seid's gewesen" wird nicht funktionieren.

Wieso soll man Schmuddel- und Lügenmedien eigentlich Pressefreiheit gewähren? Den Tatbestand der Volksverhetzung und diverse andere gibt es noch! - Noch.

Schade, daß die DDR untergegangen ist. Aber verflucht, sie lebt noch, die Kommune! Und Ihr kriegt sie nie ganz weg.

Sie wächst immer wieder nach, wie viele Ihr auch verfolgt, einkerkert, umbringt. Dies sei allen rechts-vor-links-Staatlern ins Stammbuch geschrieben. Das darf man heute noch ungestraft sagen ... noch!"


So weit Walter Neumeyers Eintrag.

Mein Fazit: Das Thema und seine "Bearbeitung" durch die Redaktion "Kontraste" waren reine Manipulation! Sie ist das Tagesgeschäft von Presse, Funk, Fernsehen, Internet - zur Veranschaulichung genügt der Werbeslogan "Bild - Dir Deine Meinung!"

Der Beitrag im RBB lief nur wenige Minuten, die "Bearbeitung" im Internet mittels "Blog" aber nahm direkten Einfluß auf den einzelnen. Sollten wir uns nicht, wem das technisch möglich ist, mit eigenen Texten an solchen "Foren" beteiligen?

Dr. Karl-Heinz Schatz, Plauen

Raute

Ein "Europa-Papier", das an der Wirklichkeit vorbeigeht

Luftschlösser als Reihenhäuser

Unlängst wurde in unserer Basisorganisation der Linkspartei ein neues Dokument beraten. Es handelte sich um den Entwurf des Wahlprogramms für die Europawahlen am 7. Juni 2009. Wer soll in dieser schnellebigen Zeit 20 Seiten, inklusive diverser Wiederholungen, eigentlich lesen, bloß um in eine weitere unserer ausufernden "Programmdebatten" einzutreten? Der tiefsinnige Meinungsaustausch unter Berufspolitikern hat offensichtlich schon begonnen. Die "breite Diskussion" des Fußvolks trug bis dato ohnedies eher dekorativen Charakter.

Auf das viel zu lange Material soll hier sehr kurz eingegangen werden:

Sämtliche Dokumente dieser Partei (das betrifft nicht allein das "Europa-Papier") müssen auf die Wähler - besonders die neuen - zugeschnitten sein und nicht weitere Unklarheiten schaffen.

Wir zitieren (Seite 2, Zeile 96): "Das Grundrecht auf Asyl ist wieder zu garantieren." So etwas schreibt eine linke Oppositionspartei. Sie tut damit so, als ob es dieses "Grundrecht" je gegeben habe. Ein "Grundrecht auf Asyl" gab es nie - höchstens auf dem Papier. Es ist - solange wir zurückdenken können - mit Füßen getreten worden, während nicht wenige Asylbewerber mit Abschiebehaft beglückt wurden. Übler kann man den herrschenden Klassen kaum zuarbeiten.

Wir zitieren weiter (Seite 2, Zeile 98): "... religiöser Fundamentalismus, Sexismus, Neofaschismus und Homophobie müssen europaweit entschieden geächtet werden." Bei allem Respekt für die vielfältigen Aktivitäten unserer Partei - es ist unerhört, den wieder erstarkenden deutschen Faschismus unter ferner liefen zwischen ein paar Strichjungen und Dominas einzubetten, den Neofaschismus neben den religiösen Fundamentalismus zu stellen! Auf 20 wortreichen Seiten hat sich kein Platz für eine prinzipielle Auseinandersetzung mit dem Faschismus und dessen aktuellen Gefahren gefunden.

Um jeden Zweifel aus dem Wege zu räumen: Hier wird nicht der Versuch unternommen, diesen Entwurf schlechtzureden. Doch so in einem Guß annehmen kann man ihn nicht!

An einer Stelle erreicht der Entwurf sogar einen universellen Höhepunkt (S. 8, Z. 316): "Es ist das Profitstreben der Konzerne, Banken und Finanzfonds, welches die europäische Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik bestimmt." Entspricht das der langen Entstehungsgeschichte der EU? Ursprünglich war da die 1951 gegründete Montanunion, ein Zusammenschluß der französischen, belgischen, italienischen, niederländischen, luxemburgischen und schließlich bundesdeutschen Stahl- und Kohlebarone mit dem ausschließlichen Ziel, das "Profitstreben zu bestimmen".

Sie richtete sich mit ihrer Speerspitze gegen die organisierte Arbeiterbewegung. Zugleich stellte sie eine Antwort auf die Gründung der DDR dar. Es handelte sich um einen ersten Schritt zur Rückkehr der BRD in die antisowjetische Familie der westlichen Großmächte und tat der Ankurbelung einer äußerst profitablen Wiederaufrüstung sehr wohl. So sah der Grundstein aus! Das hieß dann Europäische Gemeinschaft (EG), schließlich EU.

Diese Rückblende war notwendig, um klarzustellen, wo das alles hergekommen ist. Die Verfasser des Entwurfs haben das augenscheinlich vergessen. So beklagen sich die Genossen Programmierer (auf Seite 5, Z. 160): "... in der EU hat die Freiheit von Unternehmen und Kapital Vorfahrt." Na, wer denn sonst! "Bestimmen" besagt "Vorfahrt haben"! Im Entwurf wird dennoch geklagt: "Urteile des Europäischen Gerichtshofes unterstreichen diese rechtliche Schieflage."

Das ist lächerlich, auch Gerichte vertreten Klasseninteressen, sind berufen, "Profitstreben" zu schützen.

Die eindeutige "Schieflage" des vorgelegten Entwurfs entspringt einem Kunstgriff. Es wird ein naiver Widerspruch zwischen der an sich "guten" EU und der "herrschenden Politik" konstruiert. Das Ganze bildet in Wirklichkeit eine Einheit, wird aber hier zum Widerspruch stilisiert. Ein bißchen Dialektik wäre - auch bei einem Entwurf - für ein Wahlprogramm schon angemessen!

Damit erschöpfen sich leider die erwähnenswerten Erkenntnisse unseres Papiers.

Das Weitere gleicht den Schreien ahnungsloser Opfer gigantischer Tsunamibrecher. Gut, ein Tsunami ist ohne (deutsches) Vorwarnsystem kaum zu erkennen - allerdings gab es (deutsche) Analysen, z. B. in der "jungen Welt", die besagten: "Das war vorhersehbar." Die Hilflosigkeit unwissender Opfer einer Naturkatastrophe ist verständlich, aber jetzt, nachdem die verheerenden Folgen dieser "Ordnung" mit brutaler Gewalt über uns hereingebrochen sind, ist es fast sträflich, ein Dokument dieser Art vorzulegen. Von den Schreien der blauäugigen Opfer hier einige Kostproben: "Gestaltung der EU nach sozialstaatlichen Grundsätzen", "Weiterentwicklung des europäischen Sozialstaatsmodells", "solidarische Weltwirtschaft", "Möglichkeiten der Bürger, Einfluß auf grundlegende gesellschaftliche Entwicklungen zu nehmen", "Protokoll mit einer sozialen Fortschrittsklausel", "Neoliberale Politik hat die Regeln (?!) des internationalen Finanzsystems beseitigt", "gefährdet das (!) europäische Sozialmodell" - durchweg völlig wirklichkeitsfremde Wunschträume mitten unter Finanzhyänen und "Heuschrecken".

Damit nicht genug. Wie sieht es denn da mit Möglichkeiten der Bürger - in unserem Falle der Wähler - aus, "Einfluß auf grundlegende gesellschaftliche Entwicklungen zu nehmen"? (S. 4., Z. 211)

Wer wird dieses vorerst unvollkommene, noch zu diskutierende Programm nach der Wahl in die Straßburger Praxis umsetzen? Doch nicht etwa wieder André Brie und Gabriele Zimmer? Wessen "Rechte" haben hier Vorfahrt - die der Wähler, deren "Lebensmittelpunkt" in der EU liegt, oder die der Nominierten? So ist allgemein bekannt, daß die Mehrheit der deutschen Bevölkerung den Afghanistan-Krieg ablehnt. Im vorliegenden Entwurf liest man das so: "Der Abzug der NATO-Truppen und der US-geführten westlichen Allianz aus dem Irak und aus Afghanistan sind notwendige Schritte für eine Beendigung der beiden Kriege." (S. 17, Z. 768) Man kann André Brie nur danken, daß er seine konträren Überlegungen öffentlich gemacht hat (vorzugsweise im "Spiegel"). Dazu drückte die Linkspartei leider ein Auge zu (wir nicht). Eine Nominierung setzt voraus, daß der Kandidat Wählerinteressen, nicht Privatansichten vertritt. In der Endkonsequenz wählen wir ja nicht das Programm, sondern Personen. Da kommen ernsthafte Zweifel auf, ob das die Richtigen sind.

Dasselbe gilt für folgende Passage im Entwurf: "Insbesondere fordert DIE LINKE die Aufhebung der US-Blockade gegen Kuba." Denken wir nur an die großangelegte Provokation mit den "Damen in Weiß" (Frauen von in Kuba rechtmäßig verurteilten USA-Agenten, die oftmals Menschenleben auf dem Gewissen haben). Diese "Damen in Weiß" waren fester Bestandteil der "US-Blockade gegen Kuba". Das EU-Parlament in Straßburg unterwarf sich dem Druck Washingtons und verabschiedete eine scheinheilige Resolution "Zum Schutze der Menschenrechte auf Kuba". Eine Mehrheit stimmte dieser antikubanischen Resolution zu. Nur einige wenige, darunter Sahra Wagenknecht und Tobias Pflüger, votierten dagegen. Auf der Seite der Verfechter der Blockade gegen Kuba engagierten sich "unsere" Abgeordneten Gabriele Zimmer und André Brie. So ist es verständlich, daß das Wahlvolk deren neuerliche Nominierung ablehnt.

So weit meine Betrachtungen zum Versuch einer "Einflußnahme auf "grundlegende gesellschaftliche Entwicklungen" in der bevorstehenden Europawahlkampagne der Linkspartei.

Walter Ruge

Raute

Wie die neuen Mölders für Deutschland fliegen

Mancher BRD-Bürger, dessen Angehöriger bei der Bundeswehr dient - und die Menschen in der Schwäbischen Alb ohnehin - haben mitbekommen, daß da Anfang Juli 2008 um Heuberg herum ein riesiges Manöver stattfand. "Die größte Luftwaffenübung in Europa ELITE", eröffnet der dreigeteilte Sonderdruck auf 100 Glanzseiten mit dem gleichnamigen Titel in deutsch und englisch. An der "einzigartigen Übung im Bereich des elektronischen Kampfes", dem "Highlight der einsatzorientierten Aus- und Weiterbildung der fliegenden Besatzungen", nahmen "42 Strahlflugzeuge, 10 Hubschrauber und 13 Transport- und Unterstützungsflugzeuge" teil.

Nun war Deutschland noch nie kleinlich, wenn es zur Durchsetzung aggressiver Ansprüche in fremden Ländern (1914/1939) um den Einsatz von möglichst unverletzlichen Flugobjekten ging.

Hauptmann Masius, Kommandant des Luftschiffes L.Z. 35, notierte in seinem Bericht vom 20. März 1915 über die Zerstörungsfahrt nach Paris auf Befehl der Obersten Heeresleitung: "Vom Schiff wurden im Ganzen zwölf 58-Kilo-Sprengbomben und zehn Goldschmidt-Brandbomben abgeworfen, deren gute Wirkung in den meisten Fällen beobachtet werden konnte. Mit der letzten Sprengbombe wurden anscheinend am Nordrand von St. Denis die Anlagen oder Gebäude eines Elektrizitätswerkes getroffen, da hellaufleuchtende Feuererscheinungen mit starken elektrischen Entladungen festzustellen waren."

Ein Vierteljahrhundert später: Sondermeldungen im Großdeutschen Rundfunk informierten am 13. August 1940 ununterbrochen, daß "seit heute Kampfverbände der deutschen Luftwaffe in pausenlosen Großeinsätzen die britische Insel angreifen. Mit der Übermacht von 2355 deutschen Flugzeugen suchte das Oberkommando der Wehrmacht zunächst militärische Ziele auf der Insel zu zerstören, konzentrierte sich im September schließlich auf den Großraum London, der zunehmend auch nachts angeflogen wurde."

Ein Oberstleutnant namens Belli von Pino, dessen faschistische Erkenntnisse als "Lesestoff zum nationalsozialistischen Aufbau" auch in Schulbücher gelangten, sah voraus: "Das Flugzeug wird die Schrecken des Krieges in die entlegensten Winkel des Landes tragen."

Der frühere CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer bemerkte zu Afghanistan: "Dort sind über 6000 Zivilisten durch amerikanische Bomben getötet worden." Und die Bundeswehr beteiligt sich am täglichen Morden mit ihren orientierunggebenden Flugzeugen.

Wofür das Manöver ELITE? Die Antwort auf den Glanzseiten lautet: "Getestet wird ein Konzept auf die zunehmend intelligent und verdeckt gestalteten Operationen potentieller Gegner" sowie "die Verbesserung der Durchsetzungs- und Überlebensfähigkeit".

Deutschland, Deutschland (fliegt) über alles!

In Absatz 357 der geltenden "CDU-Grundsätze für Deutschland" erwähnt man ein einziges Mal den Gedanken der Abrüstung: "Wir treten ein für die Fortsetzung der weltweiten Abrüstung, die Stärkung der Rüstungskontrolle und eine europäisch koordinierte Handhabung der Rüstungsexporte."

Die dreiteilige Sonderausgabe ELITE vermittelt einen Einblick in die "privaten" Mitgestalter der Mordwerkzeuge. Etwa die "Deutsche Gesellschaft für Flugzieldarstellung" aus Hohn, kurz GfD. "Die Zieldarstellungsflüge und EloKa-Trainingseinsätze finden im gesamten NATO-Europa statt, d. h. von den Schießplätzen Ustka in Polen oder Biscarosse in Frankreich bzw. von Norwegen bis in Namfi auf Kreta. Ferner dienen unsere Flugzeuge auch als Erprobungsträger oder Meßplattform für die wehrtechnische Industrie und die WTDs (Erprobungsstellen) der Bundeswehr. Die Herren Norbert Witt und Oliver Börner von der GfD standen für den Elektronischen Kampf", so drückt sich das Glanzblatt militärisch exakt aus, beim Manöver zur Verfügung. Auch Dr. Alexander Schwarz und Frau Caroline Schweizer, Angestellte der Forschungsanstalt für Angewandte Naturwissenschaften (FGAN) in Wachtberg, machten ihre Aufwartung. Internet: "FGAN betreibt seit 50 Jahren anwendungsorientierte Forschung im Bereich wehrtechnischer Aufgabenstellungen." Kaum noch verdeckte Aufrüstung! Zum Einsatz kamen aus Spanien beispielsweise auch Flugzeuge, die sich in der "Operation Deny Flight" in Bosnien bewährt hatten.

Detaillierter:

"Bei der Übung ELITE 2008 fliegen zweimal täglich rund 35 Kampfflugzeuge. Geplant sind insgesamt 430 Missionen bei mehr als 1000 Starts und Landungen."
"Pro Tag verbrauchen die Übungsteilnehmer rund 10 000 Liter Dieselkraftstoff." Angesetzt waren 15 Übungstage.
Die Glanzseiten verschweigen jegliche Ausgabenbenennung oder Bemerkungen zu Umweltfragen.
Und es flossen Tränen. Man verabschiedete den MAN-Laster Y-517764. "Von diesem Fünftonner gibt es insgesamt nur noch zwei in der Bundeswehr." Und man schwärmte: "Außerdem hat er mehrere Kaltstartmöglichkeiten, für sibirische Verhältnisse ... wenn es je so weit gekommen wäre."
Wie weit ist es denn gekommen? Wer ist wo der potentielle Gegner? Waren es die jugoslawischen Völker, das irakische Volk, das afghanische Volk? Im Oktober 2008 bejahte die Mehrheit der Abgeordneten im Deutschen Bundestag die Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr am Hindukusch, erhöhte sogar das Kontingent.
Zur gleichen Zeit probten die "Aufbauhelfer" und "Friedensstifter" der NATO auf Sardinien das Manöver "Trial Imperial Hammer", gegen wen eigentlich?

Die BRD hat sich zu einem der aggressivsten Staaten in Europa entwickelt. Nur als Nebensatz kreiert das CDU-Programm die Tatsache: Deutschland, "das immer arm an Rohstoffen war", und verschleiert damit ihre eigentliche Zielstellung, die sich von der faschistischen in dieser Frage überhaupt nicht mehr unterscheidet.

Hitlers Vision der Kriegsziele: Es handele sich nicht um die Gewinnung von Menschen, sondern von "landwirtschaftlich nutzbarem Raum". Auch die Rohstoffgebiete seien "zweckmäßiger im unmittelbaren Anschluß an das Reich" in Europa und nicht in Übersee zu suchen, wobei die Lösung sich für ein bis zwei Generationen auswirken müsse ... "Für Deutschland lautet die Frage, wo größter Gewinn unter geringstem Einsatz zu erreichen ist."

Bomben, bomben und nochmals bomben. Der Tod von Zivilisten wird weiterhin als Kollateralschaden abgetan, über ihn berichtet man kaum noch.

Angesichts der prekären Finanzsituation in der BRD und überhaupt darf doch gefragt werden: Was kostet das den Steuerzahler im Jahr 2009?

Hans Horn

Raute

Ewald Munschke - Kommunist, Spanienkämpfer und Arbeitergeneral

Der Kaderschmied der NVA

Es war nicht ungewöhnlich, daß der Leiter der Abteilung Kader im Zentralkomitee der SED zum Generalsekretär gerufen wurde. Für die Entwicklung der Partei und den Aufbau des jungen Staates DDR besaßen Personalfragen Vorrang. Deshalb erwartete Ewald Munschke Vorschläge, wie diese oder jene Funktion zu besetzen sei. Er war überrascht, als Walter Ulbricht ihn ohne Umschweife fragte, ob er bereit sei, noch einmal Uniform zu tragen. Der 51jährige mußte nicht lange überlegen. Die Adenauer-Regierung hatte mit den USA und einigen Staaten Westeuropas Verträge geschlossen, nach denen die BRD remilitarisiert und aufgerüstet werden sollte, um die antifaschistisch-sozialistische Ordnung in den volksdemokratischen Staaten und der Sowjetunion mit militärischer Gewalt "zurückzurollen", die Ergebnisse des von Hitlerdeutschland begonnenen und verlorenen 2. Weltkrieges zu revidieren. Das verlangte entsprechende Gegenmaßnahmen - auch militärischer Art. Davon mußte man den Kommunisten und Klassenkämpfer Munschke nicht überzeugen. Er beschloß, den Dienst mit der Waffe anzutreten und nahm am 1. Mai 1952 seine Arbeit als Chef der Verwaltung Kader im Ministerium des Innern der DDR auf.

Am 20. März 1901 als Arbeiterkind in Berlin geboren, zog Ewald Munschke schon als 12jähriger fast täglich einen fünf Zentner schweren Karren durch Straßen der Hauptstadt, um Kneipen und Kioske mit Getränken zu beliefern. Drei Mark brachte das pro Woche ein, die er der verwitweten Mutter in die Haushaltskasse legen konnte. Eine Berufsausbildung blieb ein unerfüllbarer Wunsch. So ging er mit 14 auf den Bau, und da er von gedrungener, kräftiger Statur war, mußte er als Hucker Ziegelsteine schleppen. 1917 schickte ihn das kaiserliche Militär an die Ostfront, wo er in einem Infanterieregiment Hilfs- und Kurierdienste zu leisten hatte.

Nach dem Sturz der Hohenzollernmonarchie schlug sich Ewald Munschke mit verschiedenen Tätigkeiten durchs Leben, als Kutscher, Packer, Transportarbeiter, Eisenbahner. Die politischen Veränderungen im Lande nahm er zwar wahr, beteiligte sich hin und wieder auch an Demonstrationen und Streiks, aber zu einer festen politischen Überzeugung führte das bei ihm noch nicht. Mehr aus Neugier trat er 1923 in die KPD ein, verließ sie jedoch nach einem knappen Jahr wieder.

In der darauffolgenden Zeit verdiente der junge Mann sein Geld abermals als Bauarbeiter. Damals nahm sein politisches Wissen zu, sein Klassenbewußtsein reifte, so daß er 1930 erneut um Aufnahme in die KPD bat. Diesmal stellte er sich mit ganzer Kraft in den Dienst der Partei, übernahm Funktionen, vor allem auf dem Gebiet der Militärpolitik. Als auch er arbeitslos wurde, nutzte er die Jahre 1931 bis 1933, um in Kasernen und auf Truppenübungsplätzen wichtige Informationen über die geheime Aufrüstung der Reichswehr zu sammeln. Zugleich leitete er den militärpolitischen Apparat der Bezirksleitung Berlin-Brandenburg.

Nach monatelanger Illegalität emigrierte Ewald Munschke in die UdSSR, eignete sich dort gründliches marxistisch-leninistisches Wissen an, arbeitete beim Bau der Moskauer Metro und in der Landwirtschaft. 1936 gehörte er zu den ersten, die nach Spanien gingen. Den Kampfeinsatz begann er als Kommissar der 1. Kompanie des 8. Bataillons der XIII. Internationalen Brigade, die ihre Feuertaufe bei Teruel bestand. Dem folgte die Ernennung zum Kommissar des Tschapajew-Bataillons. Dieser Einheit gehörten Kämpfer aus 21 Nationen an. Nachdem er sich in den Schlachten bei Malaga, in der Sierra und vor Madrid bewährt hatte, setzte man ihn 1937 als Org.-Leiter an der von Franz Dahlem und Anton Ackermann geleiteten Parteischule in Benecassim, dann als Leiter der Kommissarschule in Pozorubio ein.

Im Sommer des folgenden Jahres rief die Partei Ewald Munschke nach Paris, wo er sich auf seine Entsendung in die Tschechoslowakei, später nach Nazideutschland vorbereiten sollte. Durch Verrat geriet er in die Fänge der französischen Polizei, kam aber nach etlichen Monaten frei. Inzwischen hatten die Nazis die SR besetzt, so daß der Einsatzplan geändert werden mußte. Neues Aufgabengebiet: Holland, daneben Belgien und Frankreich. Holländische Genossen beschafften ihm Quartiere, halfen ihm, Unterkünfte, Geld und Papiere für Illegale zu organisieren, verfolgte Widerstandskämpfer und Juden in Sicherheit zu bringen. Er erlernte die fremde Sprache, die er nach erstaunlich kurzer Zeit gut beherrschte, so daß er als Kaufmann Anton Bakker und mit einem echten Paß ausgestattet seinen Parteiauftrag ausführen konnte.

Am 1. September 1945 traf Ewald Munschke wieder in Berlin ein. Sein Elternhaus stand nicht mehr. Für Trauer blieb keine Zeit, der Neuaufbau verlangte alle Kraft. Der ehemalige Bauarbeiter und Spanienkämpfer zog die Uniform der von Paul Markgraf geführten Berliner Polizei an. Doch schon ein Jahr später holte die Partei den bewährten Kommunisten als Kaderchef in ihre Landesleitung. 1949 wurde er in die gleiche Funktion beim Zentralkomitee der SED berufen.

Nach dem Gespräch mit Walter Ulbricht lautete sein Auftrag, die Kasernierte Volkspolizei mit aufzubauen. An der Seite vieler Kampfgefährten aus den Internationalen Brigaden in Spanien und des antifaschistischen Widerstandskampfes, die als Kommandeure, Stabsoffiziere und politische Funktionäre den Dienst in diesem bewaffneten Organ antraten, sah Ewald Munschke, der am 1. Oktober 1952 zum Generalmajor ernannt worden war, seine wichtigste Aufgabe darin, befähigte und geeignete junge Männer auszuwählen und zu qualifizieren. Auf diesem Posten blieb er, als am 1. März 1956 die Nationale Volksarmee gegründet wurde. Fünf Jahre diente er der Republik und ihren Streitkräften als Chef der Verwaltung Kader im Ministerium für Nationale Verteidigung. Er hatte großen Anteil daran, daß sowohl die Generalität als auch das Offizierskorps dieser deutschen Volksarmee fast ausschließlich der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauernschaft entstammten.

Wie hoch das Ansehen Ewald Munschkes war, wie sehr seine Leistungen geschätzt wurden, beweist seine Wahl zum Vorsitzenden der Parteikontrollkommission der SED in der NVA. Diese Aufgabe versah er von 1961 bis 1969. Am 21. Oktober 1981 starb Ewald Munschke in Berlin.

Günter Freyer

Raute

Wie Seelenhirten des Kapitals die Menschen verschafen wollen

Der Fall Rot

"Ich bin Christ. Das zwingt mich, Kommunist zu sein." Das Wort stammt von George Bernard Shaw.

Genau! Jesu Forderung nach mehr Nächstenliebe schon hienieden zwingt zu mehr Gemeinsamkeit. Gemeinsam aber heißt kommun. Du bist ja wohl von allen guten Geistern verlassen! So mahnt man einen Tunichtgut, der gerade im Begriff ist, eine große Dummheit zu begehen. Man meint damit heute nicht mehr, daß der Mensch von guten oder bösen Geistern oder Dämonen oder sonstwie genannten Wesen besessen ist, die man durch irgendwelche okkulten Rituale einlassen oder austreiben könnte. Heute will man mit diesem Ausruf an seine Vernunft appellieren, ihn von unsinnigem oder bösartigem Tun abhalten. Wir Atheisten glauben nämlich, daß die Vernunft, der Heilige Geist des Menschen, sein Tun und Lassen mitbestimmen sollte. Wir trauen ihm zu, daß er zu Selbsterkenntnis, Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung fähig ist, daß er als soziales Wesen zu gedeihlichem Miteinander finden, das gesellige Zusammenleben verantwortungsbewußt gestalten, die Gesellschaft sinnvoll ordnen kann, wenn er sich von der geistigen Bevormundung befreit, vom verbotenen Baum der Erkenntnis nascht ... Genau deshalb aber werden wir atheistischen Kommunisten von den Staatskirchen aller Konfessionen so abgrundtief gehaßt, so heimtückisch verleumdet, so hinterhältig bekämpft. Wenn sich nämlich unsere Weltanschauung durchsetzt, wenn der Mensch erkennt, daß unser All zwar unendlich, unsere Welt wundervoll und einzigartig, sein Dasein in ihr aber leider eben nur einmalig, unwiederholbar und unkorrigierbar ist, dann gibt er sich bei dessen Ausgestaltung wohl etwas mehr Mühe. Dann durchschaut er das Geschwafel all der Priester, Pfaffen, Popen, Pastoren, Pröbste und Prälaten von einer Welt jenseits unserer irdischen, die als Seelenhirten zur Verschafung des Menschen beitragen.

Ich muß hier ausdrücklich die wohl wirklich selber gottgläubigen Seelsorger ausnehmen. Sie sind barmherzige Vertröster der von ihren durchtriebenen Amtsbrüdern ganz bewußt um ihr irdisches Glück Betrogenen.

Albert Einstein, der sich selbst für einen tiefreligiösen Ungläubigen hielt und unter Religion das Vertrauen in die vernünftige und der menschlichen Natur wenigstens einigermaßen zugängliche Beschaffenheit der Realität verstand, hielt den Glauben an einen persönlichen Gott für unsittlich, weil dieser eine Quelle von Furcht und Hoffnung ist, aus der die Priester in der Vergangenheit so unermeßliche Macht geschöpft haben. In seinem sehr empfehlenswerten Büchlein "Mein Weltbild" (Ullstein-Verlag, 1934) schrieb er: "Einen Gott, der die Objekte seines Schaffens belohnt und bestraft, ..., kann ich mir nicht einbilden. Auch ein Individuum, das seinen körperlichen Tod überdauert, mag und kann ich mir nicht denken; mögen schwache Seelen aus Angst oder lächerlichem Egoismus solche Gedanken nähren."

Den Ursprung der Religion sah er so: "Beim Primitiven ist es in erster Linie die Furcht, die religiöse Vorstellungen hervorruft. Furcht vor Hunger, wilden Tieren, Krankheit, Tod. Da auf dieser Stufe des Daseins die Einsicht in die kausalen Zusammenhänge gering zu sein pflegt, spiegelt uns der menschliche Geist selbst mehr oder minder analoge Wesen vor, von deren Wollen und Wirken die gefürchteten Erlebnisse abhängen. Man denkt nun, die Gesinnung jener Wesen sich günstig zu stimmen, indem man Handlungen begeht und Opfer bringt, welche nach dem von Geschlecht zu Geschlecht überlieferten Glauben jene Wesen besänftigen bzw. dem Menschen geneigt machen. Ich spreche in diesem Sinne von Furcht-Religion. Diese wird nicht erzeugt, aber doch wesentlich stabilisiert durch die Bildung einer besonderen Priesterkaste, welche sich als Mittlerin zwischen den gefürchteten Wesen und dem Volke ausgibt und hierauf eine Vormachtstellung gründet. Oft verbindet der auf andere Faktoren sich stützende Führer oder Herrscher bzw. eine privilegierte Klasse mit ihrer weltlichen Herrschaft zu deren Sicherung die priesterlichen Funktionen, oder es besteht eine Interessengemeinschaft zwischen der politisch herrschenden Kaste und der Priesterkaste."

Die besteht übrigens heute noch. Noch immer benutzt die Kirche den Staat als Steuereintreiber. (siehe RF 129, S. 11, "Fromme Finanzen")

"Der Staat, der von seinen Bewohnern Militärdienst verlangt, ist genötigt, eine nationalistische Gesinnung dieser Bewohner zu züchten, die für die militärische Brauchbarkeit die psychische Grundlage liefert. Er muß neben der Religion sein Instrument brutaler Gewalt in den Augen der Jugend in seinen Schulen verherrlichen!", erklärte Einstein 1932 auf der Weltabrüstungskonferenz.

Jede Schlacht, in die sich gottesfürchtige Untertanen von ihren gütigen Landesvätern und von den extra dazu gedungenen guten Hirten zu Ruhm und Ehre Gottes hetzen lassen, bedarf patriotischer Verzückung, religiöser Fanatisierung, gezielter Verblödung also.

"Gott mit uns!" oder ähnliches prangt denn also auch auf den Koppelschlössern der sich gegenseitig abschlachtenden lammfrommen Schafe, trieft aus den geifernden Mäulern glaubenseifriger Feldgeistlicher. Ja, auch heute noch, im dritten Jahrtausend der Neuzeit, gibt man den Rammböcken der stolzen KSK-Killerkommandos Gottes Segen mit auf den Weg, wenn sie Deutschlands Freiheit am Hindukusch verteidigen, in Wahrheit aber den bushistischen Raubmörderhorden die Kastanien aus dem Feuer holen. Möglich, daß so ein frommer Feldkurat das weltweite Wirken der gottlob wiedererstarkten Bundes-Wehrmacht für ein gottgefälliges Werk hält und folglich guten Gewissens einen auf die Verteidigung seines deutschen Vaterlandes eingeschworenen braven Bundeswehrsoldaten, der von serbischen, syrischen, libanesischen, palästinensischen, afghanischen, mesopotamischen oder sonst welchen heimtückisch-hinterhältigen Heckenschützen in Ausübung seines grundgesetzlich abgesicherten Wehrauftrages, in Durchführung seiner humanistischen Menschenrechts-Wiederherstellungmission, als Friedensbringer quasi, von terroristischen talibanesischen Saddam-Sympathisanten bestialisch gemeuchelt wurde, seinen letzten Trost spendet. Diese frommen Tröster, humanitären Sterbehelfer, sind selber nur Reparaturwerkzeug für die Kampfmoral. Denn wer stirbt schon gern in der Gewißheit, umsonst gelebt zu haben, von gewissenlosen Verbrechern als Auftragsmörder mißbraucht worden zu sein, in unrühmlicher Erinnerung zu bleiben, nur als willenloser Befehlsempfänger, wehrloses Ausbeutungsobjekt, manipulierter Verbraucher gebraucht worden zu sein, nur als Kanonenfutter und Wurmfraß gedient zu haben?

Der Ex-IWF-Chef und heutige Bundespräsident Köhler beschönigt: "Dabei sind als Weltverbesserer gerade auch wir Deutschen gefragt und können gute Geschäfte machen." Großkotz Struck brüstete sich: "Wir sind weltweit hinter unseren amerikanischen Freunden der größte Truppensteller für internationale Einsätze. Mögliches Einsatzgebiet ist die ganze Welt." Am deutschen Wesen soll die Welt genesen ...

Dabei bleibt man den Traditionen der BRD treu. Am 10. Februar 1951 erklärte Konrad Adenauer in Freiburg im Breisgau: "Wichtigstes Ziel meiner Politik ist es, daß die Wiederaufrüstung Westdeutschlands die Vorbereitung einer Neuordnung in Osteuropa sein soll." Sein Kriegsminister Strauß verkündete am 25. März 1958 im Bundestag: "Es gibt heute für die militärische Kriegsvorbereitung nur einen einzigen Fall, das ist der Fall Rot."

Jürgen Kuhlmann, Dabel

Raute

Eine Tradition, in die man sich nicht stellen sollte

Göring und seine Fallschirmjäger

Fast ein halbes Jahrhundert ist seit meinem freiwilligen Dienst in der Nationalen Volksarmee vergangen. Ich würde gern an einem Treffen der Genossen der Funktechnischen Kompanie am Flugplatz Trollenhagen aus jener Zeit teilnehmen, denn ich habe die meisten von ihnen in guter Erinnerung. Sicher würden wir über manches Heitere reden, aber gewiß auch darüber, was schwer oder gar schlecht gewesen ist. Es war eine ernste Zeit. Der Kalte Krieg drohte in den heißen umzuschlagen. Wir wurden in das Diensthabende System der Luftverteidigung des Warschauer Paktes eingegliedert und waren uns bewußt, auf der Zielliste der NATO-Streitkräfte nun ziemlich weit oben zu rangieren. Gary Powers mit seiner U-2 wurde damals über sowjetischem Territorium abgeschossen. Wir sind auch über Gefahren der Radarstrahlung belehrt worden. Insbesondere sollten wir uns bei Reparaturarbeiten von den Hohlleitern der Radargeräte fernhalten. Ich möchte wissen, ob Funkorter unserer Einheit gesundheitlich geschädigt wurden.

Nun bin ich, mehr zufällig, im Internet auf eine Seite gestoßen, auf der Teilnehmer eines Treffens von NVA-Fallschirmjägern in Eilenburg sich über den Verlauf ihres Zusammenseins austauschen. Vieles, was da geschrieben steht, zeugt von einer "gelungenen Veranstaltung". Das kann man den Teilnehmern, die sich zum Teil seit Jahrzehnten nicht gesehen hatten, wohl so abnehmen. Doch bei aufmerksamem Lesen erkennt man dann doch mit einiger Beunruhigung, daß es offenbar auch zu scharfen Kontroversen kam. Es ging dabei um Dinge, über die Streit unausweichlich ist. Worum handelt es sich? Gestritten wurde um Erbe und Tradition, was immer auch Auskunft gibt über politische und weltanschauliche Positionen und deren Entwicklungsrichtung.

Unter dem Kürzel "Sachse 02" lesen wir: "Achtung vor jedem, der mal in einer Uniform gesteckt hat! Soldat war er! Ob als noch in Linienformation gekämpft oder aus dem Flugzeug 'gefallen'. Die Traditionen sind nicht nur die Jahre der DDR! Vor uns haben auch schon andere ihre Köpfe hingehalten! Gleich klarzustellen, die Uniform konnte sich keiner aussuchen! Gehandelt auf Befehl! Wir hatten das Glück und die Ehre, den Frieden zu bewahren! Deshalb waren und sind wir aber nicht besser als die, die vor oder nach uns dienen/dienten!"

Das Erschrecken über eine solche Verwahrlosung der Gesinnung wird allerdings gemildert durch die Reaktion von "Konny", der entgegensetzt: "Wir waren besser, weil wir dem Frieden und dem Volk gedient haben. Vor 1945 und nach 1989 bin ich mir sicher, war das nicht so." Hochachtung Konny! Das ist die unbestreitbare Wahrheit: Wir haben in der einzigen deutschen Armee gedient, die niemals Krieg geführt hat. Unsere Fallschirmjäger werden nicht umhin können, reinen Tisch zu machen. Denn sonst laufen sie Gefahr, da es 1813 und noch lange danach keine Truppen dieser Waffengattung gab, sich in der "Tradition" der Wehrmacht, wenn nicht gar der Waffen-SS, wiederzufinden.

Deshalb einige Erinnerungsstützen, obwohl ich annehme, daß die Fakten den meisten Mitgliedern des NVA-Fallschirmjägerverbandes nicht unbekannt sein dürften.

Im Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher hat Herrmann Göring Ursprung und Charakter seines 1. Fallschirmjägerregiments geschildert: "Der damalige SA-Führer Lutze hat dem Führer vorgeschlagen, mich zum Inhaber dieser Standarte (der SA-Standarte "Feldherrnhalle", G. D.) zu machen. Es ist eine Ehrenposition, wenn man Inhaber eines Regiments oder einer Standarte ist. Als ich nun zum ersten Male diese Standarte, ich glaube, geschlossen, beim Parteitag in Nürnberg gesehen habe, gefiel sie mir außerordentlich, weil sie nur junges, ausgesuchtes, hervorragendes Menschenmaterial hatte.

Ich habe der SA diese Spezial-Ehrung eigentlich sehr schlecht gedankt, denn als ich diese ausgezeichnete Standarte sah, habe ich sie wenige Wochen später kassiert, geschlossen in die Luftwaffe überführt und daraus mein erstes Fallschirm-Regiment gemacht." (IMT, Bd. 9, S. 457). In Nürnberg wurde zudem festgestellt, die Fallschirmjäger der Luftwaffe hätten im Kampfeinsatz den Befehlen der jeweiligen Armeekommandos nur in taktischer Hinsicht unterstanden. Sie mußten täglich Göring Bericht erstatten. "Es war ihnen nicht erlaubt, Befehle von Oberbefehlshabern der Armeen bezüglich Strafverfahren entgegenzunehmen, noch über die Ergebnisse derartiger Verfahren zu berichten. Auf diese Weise führten sie Krieg gegen Partisanen nach Grundsätzen, die in gewisser Hinsicht von denen der Armee abwichen." (Ebenda, S. 255)

Wie diese "abweichenden Grundsätze" aussahen, ist im Bundeswehrarchiv aktenkundig. Während der Kämpfe um die Insel Kreta, als sich Teile der Bevölkerung bewaffneten und den deutschen Angreifern Widerstand leisteten, hat Fallschirmjäger-General Student am 31. Mai 1941 folgenden Befehl erlassen: "Als Vergeltungsmaßnahmen kommen in Frage: 1.) Erschießungen, 2.) Kontributionen, 3.) Niederbrennen von Ortschaften, 4.) Ausrottung der männlichen Bevölkerung ganzer Gebiete.  ... Es kommt nun darauf an, alle Maßnahmen mit größter Beschleunigung durchzuführen, unter Beiseitelassung aller Formalien und unter bewußter Ausschaltung von besonderen Gerichten. Bei der ganzen Sachlage ist dies Sache der Truppe und nicht von besonderen Gerichten. Sie kommen für Bestien und Mörder nicht in Frage." Am 2. Juni, wohlgemerkt nach Beendigung der Kampfhandlungen auf Kreta, haben auf Anweisung Students seine Fallschirmjäger in Kondomari zahlreiche Nicht-Kombattanten umgebracht. In zwei Sonderunternehmen in Zusammenarbeit mit dem SS-Reichssicherheitshauptamt waren schon zuvor Dutzende Zivilisten "auf der Flucht" erschossen worden. Insgesamt fielen den deutschen Truppen, Fallschirmjägern und Gebirgsjägern, in wenigen Monaten mehr als 2000 Bürger Kretas zum Opfer.

Kurt Student wurde im Mai 1946 von einem britischen Militärgericht als Kriegsverbrecher zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Als es darum ging, ihn an Griechenland auszuliefern, hat man ihn 1948 - nun waren im Kalten Krieg Wehrmachtsgeneräle wieder nützlich - vorzeitig entlassen. Student war dann über Jahrzehnte das Idol der Fallschirmjäger der Bundeswehr, bis ihm - zehn Jahre nach seinem Ableben - im Herbst 1998 das Bundesministerium für Verteidigung die "Traditionswürdigkeit" absprach. Dazu war man gezwungen, denn jetzt brauchte man unbedingt die verleumderische Gleichsetzung von Wehrmacht und Nationaler Volksarmee im Sinne der Totalitarismusdoktrin, um zu "begründen", "daß die mit der Vereinigung Deutschlands aufgelöste Nationale Volksarmee wegen ihres Charakters als Partei- und Klassenarmee eines kommunistischen Systems keine Tradition für die Bundeswehr stiften kann".

Offenbar kann man, was ausgeprägten Klassenstandpunkt angeht, von der Führung der Bundeswehr hinsichtlich Erbe und Tradition einiges lernen. Das sollten die Mitglieder des "Fallschirmjäger-Traditionsverbandes Ost e.V." beherzigen. Mit umgekehrtem Vorzeichen freilich.

Prof. Dr. Götz Dieckmann

Raute

Wie revolutionäre Kriegsgefangene kaiserliche Diplomaten davonjagten

Deutsche November-Botschafter

Unmittelbar nach dem Beginn der Novemberrevolution in Deutschland, am 10. November 1918, zu einem Zeitpunkt, da man annehmen konnte, daß die erste große Massenbewegung des deutschen Proletariats dem Beispiel der russischen Oktoberrevolution folgend die kapitalistische Herrschaft beseitigen, die Macht der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes begründen und den Weg zu einer sozialistischen Entwicklung öffnen würde, besetzten revolutionäre ehemalige deutsche Kriegsgefangene die kaiserliche Botschaft in Moskau und konstituierten hier einen Arbeiter- und Soldatenrat. Die Entstehung dieser ersten diplomatischen Vertretung eines anderen Deutschland in Sowjetrußland gehört zu den wenig bekannten Ereignissen in der Geschichte unserer Arbeiterbewegung.

Zur Zeit der Novemberrevolution befanden sich noch etwa hunderttausend deutsche Kriegsgefangene in Rußland. Die Sowjetregierung hatte die einstigen Angehörigen der kaiserlichen Armee, die infolge des noch andauernden Krieges nicht in die Heimat zurückkehren konnten, zu freien und gleichberechtigten Bürgern erklärt. Dies war ein in der bisherigen Kriegsgeschichte einmaliger Schritt. Er zeugte davon, daß eine völlig neue Macht errichtet worden war, die nicht nur im Interesse der russischen Arbeiter und Bauern, sondern auch zum Nutzen der Werktätigen der ganzen Welt wirkte.

Die Mehrheit der deutschen Kriegsgefangenen sympathisierte mit der Revolution in Rußland. Sie sah in ihr eine Möglichkeit, mit den Schuldigen des Völkermordens abzurechnen, den Krieg zu beenden, einen demokratischen Frieden herbeizuführen und ein Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung aufzubauen. Eine praktisch-politische Schlußfolgerung aus der deutschen Novemberrevolution erblickten die noch in der Sowjetrepublik befindlichen revolutionär gesinnten ehemaligen Kriegsgefangenen darin, die diplomatischen und konsularischen Vertretungen Kaiserdeutschlands, die nach dem Abschluß des Brester Friedens im März 1918 geschaffen worden waren, durch diplomatische Vertretungen des neuen revolutionären Deutschlands zu ersetzen. So entstand der "Zentralrat deutscher revolutionärer Arbeiter und Soldaten" als koordinierende Leitung aller örtlichen deutschen Arbeiter- und Soldatenräte, die in Kiew, Charkow, Samara, Saratow und anderen Städten die konsularischen Einrichtungen des kaiserlichen Deutschlands abgelöst hatten. Vorsitzender des Zentralrats war zunächst Josef Böhm, danach Rudolf Rothkegel, der Jahrzehnte später Bürger der DDR wurde.

In einer Mitte November 1918 angenommenen Resolution legte der Zentralrat die Gründe dar, warum es nicht möglich war, die Vertretung Deutschlands in Sowjetrußland in den Händen der alten Kräfte, die sich mit antisowjetischer Tätigkeit sowie der ungesetzlichen Ausfuhr russischen Nationaleigentums befaßt hatten, zu belassen.

Die Sowjetregierung, die sich nach dem Ausbruch der Novemberrevolution in Deutschland einen künftigen Verbündeten im gemeinsamen proletarischen Befreiungs- und Friedenskampf erhoffte, erkannte den Zentralrat als Vertretung des deutschen Volkes in Sowjetrußland an und setzte die neuen Machthaber in Berlin, den sogenannten Rat der Volksbeauftragten, davon in Kenntnis. An dessen Spitze aber standen mit Ebert, Scheidemann und Haase Leute, die zwar demagogisch die Losung "Der "Sozialismus marschiert" verkündeten, zugleich aber die antisowjetische Hetze und den Kampf gegen die Sowjetmacht in Rußland auf ihre Fahnen schrieben. Dieser konterrevolutionäre und fortschrittsfeindliche Kurs der sozialdemokratischen Ebert-Scheidemann-Regierung fand seinen Niederschlag in deren Haltung zum Zentralrat deutscher revolutionärer Arbeiter und Soldaten. Im Dezember 1918 (!) berichtete der Mitarbeiter in der ehemaligen Kaiserbotschaft in Moskau Karl Hahn an das Reichsamt des Innern: "Der Zentralrat besteht aus Mitgliedern, die überzeugte, geschulte internationale Kommunisten sind ... Die ihnen übertragene Stellung nutzen sie aus, um durch Verbreitung des Kommunismus auf die Weltrevolution hinzuarbeiten und vor allem in Deutschland selbst der Gruppe Liebknecht zum Sieg zu verhelfen."

Der Rat der Volksbeauftragten nahm diese "Mitteilung" Hahns zum Anlaß, sämtliche Kontakte zum Zentralrat sofort abzubrechen, ihm die Anerkennung zu verweigern und eine massive Hetze einzuleiten. Der Zentralrat setzte dennoch seine Tätigkeit fort und leistete eine große Arbeit bei der Rückführung der letzten deutschen Kriegsgefangenen. Ende 1920/21 stellte er sein Wirken ein.

Dr. Rudolf Dix

Raute

Als Wittenburger Sozialdemokraten und Kommunisten zusammenfanden

Der Handschlag

Der Vorsitzende der DBD, Ernst Goldenbaum, ließ mich 1974 wissen, er wolle aus bestimmten Gründen nicht, daß sein Name in meinem Buch "750 Jahre Stadt Wittenburg" erscheine. Wohl aber könne ich alle von ihm übermittelten Informationen verwenden. Heute fließt die Quelle Goldenbaum nun wieder frei und munter. (siehe RF 131, S. 9)

Ernst Goldenbaum schrieb mir am 13. September 1973 unter anderem: "In unserem damaligen Unterbezirk Parchim (der KPD, Sp.) war die Ortsgruppe Wittenburg die schwächste, was sich aus der Größe der Stadt und der fehlenden Industrie erklärt. Die Genossen waren teilweise auf Gelegenheitsarbeit außerhalb des Ortes angewiesen, wodurch ein richtiger Kern fehlte. ... Ich nehme nur ein Beispiel, den Cuno-Generalstreik im Jahre 1923. Er wurde, was Mecklenburg betraf, allein in den Städten des Unterbezirks Parchim durchgeführt, und zwar in Goldberg, Plau, Parchim, Neustadt Glewe und Boizenburg. Hagenow, Wittenburg und Ludwigslust waren nicht dabei. ... Ich war einige Male dort (in Wittenburg, Sp.), zeitweilig gab es auch einen Aufschwung.  ... Dennoch haben die Genossen in Wittenburg unter schwierigen Verhältnissen Pionierarbeit geleistet, die gewürdigt werden muß, wie auch die der klassenbewußten Arbeiter, die in der SPD und in der Gewerkschaft eine gute Rolle gespielt haben." Hans Warnke weilte mehrmals zur Anleitung der Genossen dort. Er berichtete mir: "Unterlagen oder Notizen über Wittenburg besitze ich nicht. Soweit ich mich erinnere, bestand in der Stadt eine Ortsgruppe der USPD. Diese hat sich Ende 1920 mit der KPD vereinigt. Die zahlenmäßige Stärke schwankte, und die Ortsgruppe Wittenburg hörte auch mal zu bestehen auf, ist aber immer wieder gegründet worden."

Zur Wittenburger SPD-Ortsgruppe gehörten durchschnittlich 40 bis 50 Mitglieder, wie mir Genosse Willi Rinne sagte. Langjähriger Vorsitzender und Sprecher im Stadtparlament war Genosse Karl Lücke.

Als Kapp 1920 putschte, wurden die Genossen Heinrich Greßmann und Heinrich Schink mit dessen einspännigem Pferdewagen nach Gadebusch geschickt, um Waffen zu holen. Genosse Rinne, der damals noch jung war, wurde mitgenommen, "damit er etwas lernt".

13 Karabiner mit der dazugehörenden Munition brachten sie nach Wittenburg. Die Gewehre kamen jedoch nicht zum Einsatz, wurden aber auch nicht abgegeben, als die Regierung des Freistaates Mecklenburg-Schwerin das generell verlangte. Die Waffen hatte man aus dem Arsenal des Arztes Dr. Senske genommen, der 210 Gewehre und 6300 Schuß Munition von der Reichswehr zur Verteilung an die Gutsbesitzer der Umgebung erhalten hatte.

Der von Genossen Rinne erwähnte Heinrich Greßmann war auch sonst aktiv. Einem Bericht der "Volkswacht" vom 18. November 1921 zufolge - die Zeitung verstand sich übrigens seit dem Herbst 1920 als "Tagesorgan für beide Mecklenburg, Lübeck und Vorpommern der Kommunistischen Partei" - trat er in einer Mieterversammlung in Wittenburg auf. Das war für die Partei wichtig, wurde doch auf solchen Zusammenkünften Lokalpolitik gemacht. Die "Volkswacht" berichtete: "Die am 15. November 1921 in "Stadt Hamburg" tagende Mieterversammlung nahm ganz energisch Stellung gegen die Hausbesitzer und gegen das bisherige Siedlungswesen. ... Als Vorsitzender wurde Genosse Heinrich Greßmann gewählt."

Genosse Rinne erzählte mir auch von der Tätigkeit der Wittenburger SPD-Genossen im Reichsbanner. Einmal marschierten sie mit etwa 30 Mann - die eigene Kapelle vorneweg - zu einem Treffen nach Schwerin. Die Nazis hatten das spät erfahren. Im Eilmarsch holten sie die Genossen zwischen Püttelkow und Boddin ein. Und stramm wollten sie die Reihen der Reichsbanner-Genossen sprengen. Es setzte Prügel, und zwar so heftig, daß die Nazis schneller nach Wittenburg zurückfanden, als sie von dort gekommen waren. Am 6. Februar 1924 berichtete das Kreisblatt über eine Wählerversammlung der Deutschnationalen Volkspartei in Wittenburg. Dem Redakteur paßte es gar nicht in den Kram, daß Hildebrand, der spätere Nazigauleiter, dort niedergeschrien wurde, als er behauptete, der größte Teil der aktiven Offiziere sei an der Front verblutet.

In Wittenburg konnten die Nazis in der Zeit der Weimarer Republik kleingehalten werden. 1932 hatte die SPD sieben Sitze in der Wittenburger Stadtverordnetenversammlung, die KPD stellte einen Vertreter.

Im Wittenburger Rathaus ging es in jenem Jahr hoch her. Der KPD-Abgeordnete Genosse Pesch beantragte, den vielen Erwerbslosen mehr materielle Unterstützung zukommen zu lassen. Die Braunen und die Deutschnationalen begannen daraufhin ein Spektakel. Der Antrag sollte nicht einmal in die Tagesordnung aufgenommen werden. Da stand der Sprecher der SPD, Genosse Lücke, auf. Er erklärte sich namens seiner Fraktion für den Antrag der KPD. Weil SPD und KPD zusammen acht Sitze im Stadtparlament hatten, die beiden anderen Parteien aber nur sieben, gelangte das Anliegen der Kommunisten in den Wohlfahrtsausschuß. Derweil hatte sich auf dem Marktplatz eine große Zahl Erwerbsloser versammelt. Immer wieder hörte man den Namen Lücke und "Einheitsfront". Als ihn Genosse Pesch sah, ging er auf den sozialdemokratischen Klassengenossen zu, streckte ihm die Hand entgegen und sagte: "Das hast du gut gemacht, Genosse Lücke. Nun halte fest!" Dieser zögerte einen Augenblick, dann schlug er ein.

Ende Juli 1945 wurden die Wittenburger zu einer Kundgebung auf den Marktplatz gerufen. Von der KPD sprach Walter Sempt und von der SPD Karl Moltmann. Auch die Gedenkfeier für die Opfer des Faschismus wurde von beiden Parteien bereits gemeinsam veranstaltet. Walter Sempt schrieb am 26. November 1965: "So wie die Genossen der KPD und der SPD in den faschistischen Zuchthäusern und Konzentrationslagern eine feste Gemeinschaft bildeten, so fanden sie sich auch nach der Befreiung bei der Arbeit zusammen."

Genosse Sempt, der seit 1932 der KPD angehörte, war auf dem Sachsenhausener Todesmarsch von der Roten Armee befreit worden.

Siegfried Spantig, Hagenow

Raute

Heimkehr nach sechs Jahren Nordrhein-Westfalen

Brief aus Dresden

Nach sechsjähriger Abwesenheit bin ich aus NRW in meine Heimatstadt Dresden zurückgekehrt. Viele Erlebnisse und Erinnerungen verbinden mich mit ihr. Ich war Zeuge der Zerstörung dieser schönen Kultur- und Kunstmetropole am 13. Februar 1945, nahm an ihrem Wiederaufbau teil, als ich bei einer mit der Sicherung der Bausubstanz des ausgebrannten Zwingers, der Hofkirche und der Semperoper beschäftigten Firma arbeitete. Später, als ich bei den bewaffneten Organen der DDR als Berufsoffizier diente, kam ich fast jedes Jahr nach Dresden, um einen Teil meines Urlaubs dort zu verleben.

Mich erfreute das Entstehen des neuen Stadtzentrums um den wiederaufgebauten Alten Markt. Ein Höhepunkt war 1984 die Wiedereröffnung der Semperoper, die unsere Firma Eisenbau Ladwig in den Jahren 1946 bis 1948 durch ein provisorisches Dachgerüst über der zerstörten Hauptbühne vor Verfall und Verwitterung geschützt hatte.

Im Gedächtnis geblieben sind mir solche großartigen Menschen wie Max Seidewitz, Hermann Matern, Otto Buchwitz, Karl Maron u. a., die in Dresden wirkten, 1946 die Vereinigung von SPD und KPD zur SED vorbereiteten und damit die Lehren aus Krieg, Faschismus und unheilvoller Teilung der Arbeiterklasse zogen.

Ich erinnere mich an die Rückgabe der Kunstschätze der Gemäldegalerie und des Grünen Gewölbes durch die UdSSR im Jahre 1955. Ich gehörte damals zu den ersten Besuchern beider Ausstellungen.

Unvergessen sind mir auch die schmachvollen Tage der Konterrevolution im Spätherbst 1989, als nicht wenige Dresdner, verblendet von Kohls Versprechungen, diesem Rattenfänger zujubelten, seinen Freiheits- und Demokratiephrasen auf den Leim gingen und dann rasch importierten Westpolitikern wie Biedenkopf willig Gefolgschaft leisteten.

Ohne Zweifel ist Dresden durch den Wiederaufbau der Frauenkirche, die imposante Gestaltung des Neumarktes und andere Finessen noch mehr als früher zu einer Touristenattraktion geworden. Aber die prächtigen Wohnungen in den schönen Häusern rund um den Neumarkt stehen oftmals leer, weil die Mieten nur Gutbetuchten den Einzug gestatten. Den Dresdner Stadtoberen war die Verschleuderung von 50.000 kommunalen Wohnungen an USA-Immobilien-Spekulanten offensichtlich wichtiger, als diese zu einigermaßen bezahlbaren Bedingungen in eigener Regie zu behalten. Mancher holte sich dabei eine goldene Nase. Nicht zufällig mußte Oberbürgermeister Roßberg (FDP) wegen "Erschleichens von Vermögensvorteilen" seinen Hut nehmen.

Ich habe die letzten sechs Jahre in Nordrhein-Westfalen gelebt. Das hing damit zusammen, daß unsere zwei Söhne, die im Osten arbeitslos geworden waren, im Westen eine neue Bleibe fanden. Unser zeitweiliger Aufenthaltswechsel war natürlich mit vielen neuen Eindrücken verbunden. Für mich war dieser Lebensabschnitt durch die tägliche Auseinandersetzung mit antikommunistischen Vorurteilen und geduldige Diskussionen über Rolle und historische Leistung der DDR geprägt.

Auf offene Ohren und Verständnis stieß ich bei DKP-Genossen in Osnabrück, die den Untergang des sozialistischen deutschen Staates mit Schmerz und Betroffenheit verfolgt hatten. Die eingetretene Enttäuschung habe die bereits erheblichen Auseinandersetzungen in ihrer Partei verstärkt und jenen Oberwasser verschafft, die schon früher am Sozialismus gezweifelt hatten, berichteten sie mir. Vielen Genossen der DKP, denen ich begegnete, war unverständlich, wie man so leicht die errungene Macht aus den Händen geben und den verlogenen Argumenten der westdeutschen Bourgeoisie Glauben schenken konnte. Als ehemaliger Offizier der NVA-Raketentruppen mußte ich mich solchen und vielen anderen Fragen stellen.

Einige meiner Gesprächspartner in NRW bestätigten mir, daß manche Errungenschaften der Gewerkschaftsbewegung in der alten BRD und viele Zugeständnisse der Unternehmer, die zu einem höheren Lebensstandard der Menschen in Westdeutschland führten, ohne die Existenz der DDR, deren Ausstrahlung und Beispiel bei der Gestaltung der Arbeitswelt nicht denkbar gewesen wären. Das Kapital habe die DDR in Rechnung stellen müssen. Seit dem Sieg der Konterrevolution hat es das nicht mehr nötig, was seine gewachsene Brutalität zum Teil erklärt.

Meinen Besuch von Wahlveranstaltungen, insbesondere der SPD, nutzte ich, um Fragen zur Gesamtpolitik dieser Partei und deren Rolle in der großen Koalition zu stellen, was mir nicht nur Freunde und Sympathie einbrachte, zumal ich meine Weltanschauung nicht verleugnete. Manchmal drohte man mir nach Zwischenfragen sogar Handgreiflichkeiten an.

Es fällt eben schwer, bei extremen Plattheiten fanatischer Antikommunisten gelassen zu bleiben. Immerhin ist es mir gelungen, in einem NRW-Ort vier Sozialdemokraten, die mit Schröders "Agenda 2010" unzufrieden waren, zu bewegen, sich der Linkspartei anzuschließen.

Insgesamt herrschen noch mangelnde Solidarität und Kampfbereitschaft bei großen Teilen der Arbeiterschaft vor. Man resigniert leicht bei Mißerfolgen und zeigt wenig Bereitschaft, zeitweilige Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen, Opfer für eine gemeinsame Sache zu bringen, die Politik der Regierenden ernsthaft zu hinterfragen. All das wird durch die Stillhaltepolitik der meisten Gewerkschaftsführer begünstigt.

Noch ein konkretes Beispiel: Die Osnabrücker Firma Karmann war 1945 zu 75 Prozent zerstört. Aufgerufen durch die Gewerkschaft, leisteten Hunderte ehemalige Betriebsangehörige freiwillige Aufbaustunden. Im Laufe der Zeit entstand wieder ein modernes Unternehmen der Kfz-Produktion. Doch die Arbeiter begnügten sich mit ihrem Anspruch auf "Mitbestimmung" und übergaben feierlich das von ihnen wiederaufgebaute Werk an die Kapitalisten. Karmann beschäftigte in den besten Zeiten 6500 Arbeiter, moderne Fahrzeuge liefen vom Band, darunter der PKW "Gia". Am Ende meldete das Firmenkonsortium Insolvenz an. Man konnte im harten Konkurrenzkampf nicht mehr standhalten. Schon in den Jahren 2006/2007 mußten rund 5800 Arbeiter und Angestellte gehen. Die letzten wird es im Frühjahr 2009 erwischen. Auch mein Sohn gehörte zu den Betroffenen. Er mußte sich als "Zeitarbeiter" bei einem anderen Unternehmen für geringeren Lohn und mehr Arbeitsstunden verdingen.

Alles in allem: In NRW hinterließ ich gute Freunde und Genossen. Meine Hauswirtin, die vier große Immobilien besitzt, gehörte allerdings nicht dazu. Sie schickte mir noch eine saftige Betriebskostenrechnung hinterher.

Hans-Joachim Hartlieb

Raute

Wie war das mit der Herrschaft der Arbeiterklasse in der DDR?

Hochkonjunktur für Geschichtsfälscher

Seit Monaten zeichnet sich ab, daß das "Jubiläum" der 2009 um 20 Jahre zurückliegenden konterrevolutionären Rückwende in der DDR neue Höhepunkte des ideologischen Terrors gegen Sozialisten und Kommunisten bringen wird.

Wenn wir die Methodologie der ideologischen Aggression des Gegners hinterfragen, so ergeben sich etwa folgende Komponenten: Die deutsche Geschichte wird weiter skrupellos verfälscht; Errungenschaften der DDR werden arrogant totgeschwiegen, während man Unzulänglichkeiten skandalisiert; die BRD wird zur Insel der Seligen verklärt. Dazu dienen willfährige politische Denunzianten als Kronzeugen, während man ihrem Staat treugebliebene DDR-Bürger als angebliche Täter diffamiert. Selbst wenn bestimmte DDR-Einrichtungen wie Kinderkrippen, Polikliniken oder Gemeinschaftsschulen eingeschränkt übernommen werden, gibt man sie als nagelneue Erfindungen der auf diesen Gebieten zurückgebliebenen BRD aus.

Wird nach dem Hauptgrund eines solchen Vorgehens gefragt, so zeigt sich vor allem: Selbst nach fast zwei Jahrzehnten Abwesenheit des Sozialismus auf deutschem Boden ist die ursprüngliche Rechnung der DDR-Hasser nicht aufgegangen, haben sich ihre ständigen Bemühungen, diesen alternativen Staat aus dem Gedächtnis seiner einstigen Bürger zu tilgen, unsere marxistisch-leninistische Weltanschauung total in Mißkredit zu bringen und den Sozialismus als humanistisches Gegenstück zum menschenverachtenden Imperialismus ein für allemal zu entsorgen, als Rohrkrepierer erwiesen.

Politisch interessierte Jugendliche in Ost und West reagieren inzwischen mit Unbehagen auf die stereotypen Fragen von Forschungsverbänden und Stiftungen zu einer entstellten DDR-Wirklichkeit. Als Arbeitsuchende, Praktikanten, Niedriglöhner und auf Pump lebende Studenten bekunden sie zunehmend Interesse an wahrheitsgemäßen Berichten über die Zeit vor 1989.

Die Etikettierung der DDR als "Unrechtsstaat" und die Lüge von den "zwei deutschen Diktaturen" sind längst zu Eckpfeilern der antikommunistischen Hetze geworden.

In der DDR haben wir unseren Staat mit Fug und Recht als eine Form der Diktatur des Proletariats bezeichnet. Der erste Versuch einer proletarischen Diktatur in diesem Sinne war bekanntlich die Pariser Kommune. In den ursprünglichen Konzepten des Kommunistischen Manifests war noch die Rede davon, daß es darauf ankomme, im Prozeß der proletarischen Revolution den bürgerlichen Staatsapparat zu übernehmen. Nach den Erfahrungen der "Himmelsstürmer", wie sie Marx nannte, erkannte man jedoch endgültig die Notwendigkeit, diesen zu zerschlagen und durch die Macht der arbeitenden Klassen zu ersetzen.

Die Marxisten betrachten die Diktatur des Proletariats bei der Entstehung des Sozialismus als die bis dahin höchste Form der Demokratie. An die Stelle der bürgerlichen Diktatur von Kapitaleignern über die besitzlose Mehrheit des Volkes tritt die staatliche Herrschaft der Arbeiterklasse im Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft und der Intelligenz. Dabei ist die Diktatur des Proletariats keineswegs der Endpunkt des sozialistischen Aufbaus. Je weiter der Prozeß der Errichtung einer qualitativ neuen Gesellschaftsordnung voranschreitet, desto intensiver wird sich deren Umwandlung zu einem wirklichen Volksstaat gestalten.

Der schändliche Vergleich der Diktatur des Proletariats mit der faschistischen Gewaltherrschaft ist ein Stück aus dem Tollhaus, Tatsachenverdrehung pur. Er bagatellisiert die unvergleichbaren Verbrechen des deutschen Faschismus und zielt darauf ab, die DDR zu kriminalisieren.

Geschichtlich betrachtet stellt jede Herrschaftsform einer Klasse über eine andere eine Diktatur dar. Demokratie und Diktatur sind immer zwei Seiten der Machtausübung, solange einander diametral entgegengesetzte Klasseninteressen verfolgt werden.

In der BRD haben Eigentümer und Verfügungsberechtigte über die wichtigsten Produktions-und Finanzmittel die staatliche Macht in ihren Händen konzentriert. Die Regierung ist nur der geschäftsführende Ausschuß. In diesem Sinne ist Merkel eine Erfüllungsgehilfin. Denn die eigentlichen Chefs im kapitalistischen Deutschland heißen Ackermann und Hundt. Die bürgerliche Demokratie wird von den Unternehmerverbänden und ganzen Heerscharen ihnen dienender Lobbyisten systematisch deformiert. Deren aktuelles Programm ist die Agenda 2010.

Natürlich sind die Erinnerungen von DDR-Bürgern an die Diktatur des Proletariats unterschiedlich. Eine meiner ersten Bekanntschaften mit ihr war der sanfte Druck, doch endlich ein Studium an der neugegründeten Berliner Arbeiter- und-Bauern-Fakultät aufzunehmen. Das geschah in einer Zeit, zu der die West-CDU verkündete, die Entwicklung der ABFs sei ein Irrweg, da Arbeiter-und-Bauern-Kinder über zu wenig entsprechende Erbmasse verfügten.

Die Diffamierung der DDR als "Unrechtsstaat" ist ein Eigentor für den bundesdeutschen Kapitalismus. Im Grundgesetz heißt es, Eigentum verpflichte. Sein Gebrauch solle zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Ist dieses Prinzip etwa vom Staat der Monopole jemals eingehalten worden? Gerade jetzt vollzieht sich in gigantischem Ausmaß seine Mißachtung. Darf sich ein solches Herrschaftsregime als Rechtsstaat ausgeben? Die BRD ist ein Land, wo jedes sechste Kind in Armut lebt, Schüler schon nach der 4. Klasse aussortiert werden, Kleinstaaterei in der Bildungspolitik gesetzlich festgeschrieben ist und Studienplätze weitgehend von einer gutsituierten sozialen Herkunft abhängig gemacht werden. Chancengleichheit? Pustekuchen!

Und vor allem: Jeder Staat ist ein Unrechtsstaat, der das grundlegende Menschenrecht auf Frieden durch völkerrechtswidrige Kriege - von Jugoslawien bis Afghanistan - mißachtet.

Auch das nebulöse Geschwätz von der maroden und bankrotten DDR hält keiner ernsthaften Beweisführung stand. Auch hierbei erzielt der Merkel-Clan nur Bumerang-Effekte. Warum glaubt man nicht wenigstens dem Abschlußbericht der Bundesbank aus dem Jahre 1999? Er weist eine DDR-Nettoverschuldung von 19,9 Mrd. Valutamark aus. Sie betrug also pro Kopf 3625 DM. Nicht ganz unerheblich, aber um es im Westjargon auszudrücken: "Peanuts" im Vergleich zur anhaltenden BRD-Verschuldung von mehr als 1,5 Billionen Euro.

Übrigens hat die Bundesrepublik seit dem Jahr 2000 mindestens 7 Billionen DM aus dem Osten Deutschlands herausgepreßt.

War die DDR marode und bankrott, wenn sie bis zuletzt soziale Sicherheit als Staatsdoktrin garantierte, Bildung, Erziehung und Kultur für alle bereithielt? Warum fielen - angespornt von der berüchtigten Treuhand - besonders 1990 ganze Schwärme westlicher Heuschrecken über uns her, um Kombinate und Betriebe restlos auszuschlachten oder aus ihnen verlängerte Drehbänke eigener Unternehmen zu machen? Weil nichts mehr zu holen war? Oder aus entgegengesetzten Gründen? Die DDR-Industrie, die oftmals dem westlichen Embargo-Diktat standhielt, verlor erst in den drei auf 1990 folgenden Jahren 70 % ihres Potentials und 80 % ihrer Forschungskapazität.

Die deutsche Linke hat allen Grund, der Verleumdung der DDR offensiv entgegenzutreten und nicht unterwürfige Schuldbekenntnisse gegenüber den derzeit Herrschenden abzulegen. Dazu ist eine sachliche Geschichtsbetrachtung erforderlich. Es geht um nichts anderes als um eine wahrhaftige Chronik der DDR sowie um die Analyse der objektiven und subjektiven Ursachen unserer Niederlage.

Prof. Dr. Harry Milke

Raute

Den Kapitalisten steht das Wasser am Hals, aber ...

Zur Schwäche des subjektiven Faktors

Die Finanzkrise weitet sich zu einer weltwirtschaftlichen Rezession aus. Frau Merkel meinte im Bundestag: "So eine ernste Lage hatten wir noch nie." In der Presse heißt es: "Freie Marktwirtschaft passé" und "Es stellt sich die Systemfrage". Der Run nach Maximalprofiten mit virtuellem oder fiktivem Kapital und Manipulationen, insbesondere auf dem Immobilienmarkt, bewirkten den Zusammenbruch des kapitalistischen Währungs- und Finanzsystems. Den Ernst der Lage haben die Regierenden der imperialistischen Hauptmächte erkannt. Sie suchen nach Auswegen im Interesse der Systemerhaltung.

Ein gemeinsames Handeln im Sinne alternativer gesellschaftlicher Ziele kann man bei linken Kräften weder parlamentarisch noch außerparlamentarisch auf nationaler oder internationaler Ebene feststellen. Während die objektiven Voraussetzungen für einen grundlegenden Wandel immer mehr heranreifen, bleibt der subjektive Faktor - die reale politische Kraft mit einem die Linken zusammenführenden inhaltlichen Konzept - weit hinter den Erfordernissen zurück. Dabei schreit die Lage geradezu nach Aktion.

Die Regierenden haben keine Scheu, eine Erhöhung von Bezügen, Renten und Arbeitslosengeld, eine angemessene Besteuerung der Maximalprofiteure und die Einführung eines Mindestlohnes abzulehnen, während sie gleichzeitig angeschlagene Banken, die Milliarden verzockt haben, für einige Zeit unter "staatliche Obhut" stellen. Das wird sogar als Verstaatlichung ausgegeben. Dabei geht es um nichts anderes als darum, die Gewinne einer kleinen Minderheit auf Dauer zu sichern und deren Verluste dem Steuerzahler aufzubürden.

Die Krise ist nicht auf das "Versagen" einer Handvoll Manager zurückzuführen, sondern sie entspringt dem Wesen des kapitalistischen Systems. Krisen gehören zu seinem Zyklus. Der Staat schnürt jetzt als Instrument des Finanzkapitals die "Rettungspakete" für das System und zwingt die Bürger zum "Verständnis". Die Meinungsmanipulierung durch die Medien besorgt den Rest.

In Wirklichkeit haben sich die sogenannten Leitungsinstrumente der Marktwirtschaft - Kontrollinstanzen wie die Bankenaufsicht - als reiner Bluff erwiesen und total versagt. Auch die parlamentarischen Gremien wurden "überrascht", obwohl etliche Abgeordnete ja in Aufsichtsräten großer Konzerne sitzen. Die Jagd nach Maximalprofit gilt als Haupttriebkraft dieser Gesellschaft. Deshalb läßt man die Dinge laufen. Die gegenwärtige Krise ist mit der Energie-, Ökologie- und Hungerkrise sowie Niederlagen in Afghanistan und Irak verbunden.

Für die Linke geht es nicht nur um finanz- und wirtschaftspolitische Forderungen, sondern auch um die Mobilisierung gegen zunehmende Gefahren reaktionärer innerer Entwicklung, die anhaltende Hochrüstung und militärische Gewaltpolitik. Allein die Stärkung des subjektiven Faktors - der Arbeiter- und Volksbewegung - könnte die objektive Schwäche des Kapitalismus für Veränderungen nutzbar machen.

Bruno Mahlow

Raute

Über das "plötzliche Platzen der Spekulationsblasen"

Grottenfalsche Konjunkturanalysen

Es läuft alles total schief." Diese Überschrift ist der Zusammenfassung eines Vortrags von Prof. Hans-Peter Dürr zum Thema "Wissenschaft und Zukunft des Menschen" entnommen. Er hielt ihn im Jahre 2002. Der Autor ist Atom- und Quantenphysiker und erhielt 1987 den Alternativen Nobelpreis. 1995 erhielt "Pugwash International" (an deren Konferenzen Dürr teilnahm) den Friedensnobelpreis. Anschaulich beschreibt er den neuen Zugang zu unserer Wirklichkeit aus der Sicht der modernen Physik, was sich für das menschliche Zusammenleben und die Notwendigkeiten einer Friedenspolitik daraus ergibt. In vielen Fragen nähert sich der Wissenschaftler materialistischen Geschichtsauffassungen. Dürr folgert: "Die Menschheit ist nicht vorbereitet, um aus der Zukunft etwas zu machen." Diesem Gedanken möchte ich einmal nachgehen.

Der durch die Spekulanten verursachte "Sandsturm" verwüstet den kapitalistischen Teil der Welt. Es handelt sich um den alle Superlative sprengenden Drang der herrschenden Klasse nach Maximalprofit. Den anderen voran schreiten die Vereinigten Staaten mit ihren im globalen Maßstab operierenden Superkonzernen. Die Kriege der Gegenwart gehen auf ihr Konto. Doch mit den Überfällen auf Irak und Afghanistan, aus denen sich langjährig hinziehende militärische Konflikte geworden sind, haben sie sich augenscheinlich übernommen. Hinzu kommen die seit vielen Jahren betriebenen Manipulationen der Banken und Börsen, das Entstehen riesiger "Spekulationsblasen", die dem spätkapitalistischen System eigen sind. Darin muß man einige der Ursachen für die gegenwärtige "Finanzkrise" der kapitalistischen Hauptländer suchen. Möglicherweise wird sie zu einem dramatischen Desaster nicht nur für die Weltwirtschaft, sondern auch für die gesamte Erdbevölkerung führen. Die Folgen sind noch nicht absehbar.

Inzwischen ist offensichtlich, daß die kapitalistische "Marktwirtschaft" versagt, der Sozialabbau voranschreitet, Pleiten und Insolvenzen auch riesiger Unternehmen immer häufiger auftreten, der Arbeitsmarkt seine relative Stabilität verloren hat, die Reallöhne sinken und die "Globalisierung" enorme Verwerfungen hervorruft. Katzenjammer tonangebender Kreise des Kapitals ist die Folge. Man kann das in der großbürgerlichen Zeitschrift "Wirtschaftswoche" nachlesen. Dort wird in Nr. 40/08 unverhohlenes Mißtrauen gegenüber den Investbanken signalisiert. Man greift die interessengeleiteten Empfehlungen der "Konjunkturanalytiker" massiv an. So schreibt ein Aufsichtsratsvorsitzender: "Die Analysten liegen so grottenfalsch, daß ich mich wundere, wenn sich professionelle Anleger danach richten." Besser kann man das Versagen der Ökonomen des Kapitalismus nicht in Kurzform fassen.

Inzwischen wird auf die Mitverantwortung der Regierungen verwiesen, die sich von den Banken glatt über den Tisch ziehen ließen. Diese Frage wirft der "Wirtschaftswoche"-Chefredakteur R. Tichy auf. Heißt das vielleicht, daß der Staat als "Regulierer" empfindlich an Macht verloren hat? Unverdrossen lautet Tichys Schlußfolgerung: "Der Kapitalismus wird auch diesmal eher gestärkt aus der Krise herausgehen." Daran darf man getrost zweifeln.

Wo aber bleibt in dieser für das System prekären Situation die Verantwortung der bürgerlichen Medien? Statt den Dingen auf den Grund zu gehen und wahrheitsgemäß die Ursachen der Krise zu benennen, kolportieren sie z. B. BRD-Finanzminister Steinbrück, der vor dem Bundestag zunächst Scheinoptimismus zur Schau trug. "Die finanziellen Engagements deutscher Kreditinstitute bei Lehman Brothers bewegen sich in einem überschaubaren Rahmen und sind verkraftbar", erklärte dieser sich als Sozialdemokrat ausgebende Gewährsmann des Finanzkapitals.

Die enorme Überflutung der Bürger mit richtigen, halbrichtigen und falschen Informationen sowie die gezielte Unterschlagung wesentlicher Fakten laufen auf Desinformation und Ablenkung hinaus. Zusammenhänge und Hintergründe werden kaum vermittelt. Die allgemeine Politikverdrossenheit hat sich erst unlängst in Bayern entladen, wo 43 % der Stimmberechtigten die Landtagswahl einfach boykottierten. Unterdessen ist davon die Rede, daß "nationale und internationale Spielregeln beim Finanzgebaren aufgestellt und eingehalten" werden müßten. Die G20-Beratungen in den USA haben das manifestiert. Das geltende Prinzip "Reich, reicher, am reichsten" ist dazu wohl nicht geeignet.

Es zeigt sich: Das gegenwärtige kapitalistische Macht-, Eigentums- und Verteilungssystem ist weder tauglich noch tragfähig.

Daran dürfte auch der neugewählte Präsident der USA kaum etwas ändern können. Sicher mag man zufrieden sein, daß nicht ein so rabiater Reaktionär wie John McCain die Wahl gewonnen hat. Doch auch Barack Obama und seine Berater sind mit dem System verwoben. Die Überwindung des Krisenkapitalismus wäre für die Weltwirtschaft der einzige Ausweg. Dafür aber fehlen in den wichtigsten Ländern die subjektiven Voraussetzungen. Die an den neuen Mann im Weißen Haus geknüpften Hoffnungen sind verständlich, gehören aber in das Reich der Träume.

Dr. Werner Liebig

Unser Autor war stellvertretender Sekretär des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)

Raute

Sozialismus sorgte für rechtsstaatliche und demokratische Kodifizierung

Der BRD fehlt ein Arbeitsgesetzbuch

Obwohl beide deutsche Staaten der UNO beigetreten waren, wurde nur in der DDR das Menschenrecht auf Arbeit in eine durch Volksabstimmung bestätigte sozialistische Verfassung aufgenommen und in einem Arbeitsgesetzbuch (AGB) verankert. Der Kodifizierungsprozeß verlief demokratisch und rechtsstaatlich.

Es ist zwingend notwendig, eine öffentliche Diskussion über ein Arbeitsgesetzbuch auch für die BRD zu führen, um die Interessen der Berufstätigen, gleich in welchem Beschäftigungsverhältnis sie auch stehen mögen, besser wahrnehmen zu können. Wir haben deshalb in Brandenburg eine landesweite Arbeitsgemeinschaft "Arbeitsgesetzbuch" ins Leben gerufen. Heute ist sie die zweitgrößte AG der Partei Die Linke in dieser Region.

Wir leben und arbeiten alle in prekären Verhältnissen. Nur einzelne verfügen über ein Fahrzeug, die Kommunikation verläuft fast allein über Handy, da es an Möglichkeiten mangelt, E-Mail oder Internet zu nutzen. Die Einrichtung und Pflege einer qualifizierten Website ist zu einem kaum überwindbaren Hindernis geworden. Deshalb bitten wir auch den "RotFuchs", unser Anliegen in seinen Spalten publik zu machen und zu unterstützen. Uns geht es um eine bundesweite AG "Arbeitsgesetzbuch".

Gerade im Hinblick auf den bevorstehenden 60. Jahrestag der Gründung der DDR würden wir uns wünschen, dem Geschichtsrevisionismus und der Diskreditierung sozialistischer Demokratie eine lebhafte Diskussion über unser damaliges Projekt entgegensetzen zu können.

Hans-Joachim Börner, Grünheide


Aus dem Aufruf zur Bildung einer bundesweiten Arbeitsgemeinschaft "Arbeitsgesetzbuch":

Im Vordergrund stehen zunächst die Analyse der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung; die Auseinandersetzung und Wertung der vorliegenden Gesetzentwürfe, die Auswertung der DDR-Erfahrungen auf arbeitsrechtlichem Gebiet und die Erarbeitung erster Rechtsgrundsätze und Generalklauseln (Gewährleistung der Grundrechte, Mitwirkungsrechte der Gewerkschaften, Arbeitsschutzrechte).

Wir müssen in die Arbeitsrechtsentwicklung gestaltend eingreifen, ihre lückenhafte und durch die Vielzahl von Einzelgesetzen und widersprüchlichen Urteilen völlig unübersichtliche Kodifikation überwinden. ... Das sich neu bildende Bewußtsein für Veränderungen des Arbeitsrechts muß sich in entsprechenden Regelungsideen wiederfinden. Es besteht politischer Reformbedarf.

Um einer solchen Aufgabenstellung gerecht zu werden, bedarf es neben gründlicher Analyse eines weitgehenden Meinungsbildungsprozesses, vor allem mit den Gewerkschaften und sozialen Organisationen, sowie der aktiven Mitarbeit von Arbeitsrechtspraktikern, Vertretern der Wirtschaft, Betriebsräten und derer, die an der Ausarbeitung des AGB der DDR beteiligt waren.

Die Arbeitsrechtsentwicklung darf nicht dem Selbstlauf überlassen bleiben. Ein neues einheitliches Arbeitsrecht wäre ein ganz bedeutsamer Schritt zu mehr Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. ...

Der Landesverband Brandenburg der Partei Die Linke unterstützt dieses Projekt.

Wir rufen zur Bildung einer bundesweiten Arbeitsgemeinschaft "Arbeitsgesetzbuch" auf und bitten um Meldung von Interessierten unter AGB.Hultsch@web.de

Raute

RF-Extra

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt

Wie sie die DDR erfinden

Am 25. Juli 2008 stellte der "Forschungsverbund SED-Staat" der Freien Universität Berlin sein Buch "Soziales Paradies oder Stasi-Staat?" vor. Teilergebnisse einer ihm zugrunde liegenden "Untersuchung" waren schon im November 2007 veröffentlicht worden und hatten bei einigen Politikern für Wirbel gesorgt. Angeblich bewirken "unzuverlässige Erinnerungen" der Eltern und "schwere Versäumnisse der Schulen" eine "DDR-Verklärung unbedarfter Jugendlicher". Den für die Klitterung der SED-Geschichte zuständigen Autoren Monika Deutz-Schroeder und Prof. Dr. Klaus Schroeder ist unbegreiflich, daß Ostdeutsche die DDR heute anders beurteilen, als von offizieller BRD-Seite erwünscht. Selbst zwei Drittel der befragten Westdeutschen (!) lehnten es ab, die DDR als Diktatur zu bezeichnen. Auch Gruselkabinettsverwalter Hubertus Knabe beklagt "zunehmende Unwissenheit über die SED-Diktatur". Brandenburgs Polizeiminister Schönbohm warnt vor einer "systematischen Verherrlichung der DDR". Merkels sogenannter Ostbeauftragter Tiefensee fordert, "die Fakten über Unterdrückung, Mauer-Tote, Stasi-Spitzel, Folter-Knäste und den Konkurs der DDR-Wirtschaft" stärker im Geschichtsunterricht zu behandeln. Herr Köhler, Bundespräsident, erzählt Schülern, die er im Schloß Bellevue empfängt, Lebensglück habe es für DDR-Bürger "nicht wegen, sondern trotz des SED-Regimes" gegeben. Da fragt man sich doch unwillkürlich, ob von BRD-Seite noch immer nicht genug getan worden ist, um die DDR zu verunglimpfen.

Geht man in Berlin die Prenzlauer Allee in Richtung Alex hinunter, so findet man das eingerüstete und zugehängte Gebäude Torstraße 1. Als "Kreditkaufhaus Jonass" wurde es einst erbaut. Im Zuge der "Arisierung" - sprich Raub jüdischen Eigentums - machten es die Faschisten zum Hauptquartier ihrer "Reichsjugendführung". Ab 1946 "Haus der Einheit", war es dann Sitz des Parteivorstandes der zur SED vereinten Arbeiterparteien, später wurde hier das Institut für Marxismus-Leninismus angesiedelt. Jetzt will eine britisch-deutsche Investorengruppe aus dem Gebäude einen Klub für Medien- und Geschäftsleute machen. Vor dem Haus steht eine Tafel, auf der es verleumderisch heißt: "Hier wurden die Übernahme des Stalinschen Parteimodells für die SED vorangetrieben, 'Säuberungen' zur innerparteilichen Disziplinierung geplant und politisch begründete Todesurteile gegen Regimegegner angeordnet." Die "Bevölkerung der DDR" habe sich mit dem "Aufstand vom 17. Juni 1953" zur Wehr gesetzt. Namen von aus politischen Gründen zum Tode Verurteilten können aus gutem Grund nicht genannt werden: Es gibt sie nämlich nicht! Leute wie Burianek wurden wegen krimineller Taten gerichtet, und was den "Volksaufstand" - den ersten Versuch einer Konterrevolution in der DDR - betrifft: Ich habe in der Nacht vom 16. zum 17. Juni 1953 neben Karl Namokel, der eine Zeitlang den Zentralrat der FDJ leitete, in der Menschenkette gestanden, die untergehakt und dicht an dicht das Haus der Einheit nicht gegen "das Volk der DDR", sondern gegen brutale Rowdies aus Westberlin verteidigte und ihnen den Zugang verwehrte.

Geht man die Prenzlauer Allee in Richtung Spitze hinauf, so kommt man zu den gelben Backsteinbauten an der Fröbelstraße. Nachdem Pfarrer Eppelmann von der "Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur" dort ein "Denkzeichen zur Erinnerung an die Opfer des NKWD und des MfS" enthüllt und eine Monstershow zur Geschichte der Häuser eröffnet hatte, beschlossen die Pankower Bezirksverordneten, daraus eine Dauerausstellung zu machen.

1889 als Hospital und Siechenheim errichtet, dann Obdachlosenasyl "Die Palme" und anschließend Sitz einer Gesundheitsbehörde der Nazis, diente der Komplex nach 1945 der sowjetischen Kommandantur und dem Bezirksamt Prenzlauer Berg, später der Berliner Verwaltung des MfS sowie dem Rat des Stadtbezirks.

Die Ausstellung erfindet einen Folterkeller des NKWD. Tausende "Dissidenten" seien hier gequält worden. Auf einer Tafel ist von dem seinerzeit 20jährigen Fritz Naujoks die Rede. Er habe in einem Jugendklub ein Spottlied auf Stalin gesungen und sei daraufhin zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Jahre 2000 habe ihn ein Moskauer Gericht rehabilitiert. Heute ist das ganze Haus 3 mit einem schwarzen Acrylband umschlungen; darauf kann man Dutzende Fragen lesen, die der Phantasie von Frau Karla Sachse entsprungen sind. Ein paar Proben: "Wer verschwand im Keller? Wann weinten die Männer? Wieviel Nägel ragten aus der Pritsche? Wo stand der Kübel? Wie kalt war die Wand? Was fühlte der geschorene Kopf?" Die Fragen seien ihr "beim Lesen der Verhörprotokolle" so eingefallen. ... Aus der Zeit, in der das MfS der Hausherr war, wird in der Ausstellung u. a. der Fall eines Mannes geschildert, der für den Westberliner "Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" spioniert hatte. Er wurde verurteilt, dann aber von der BRD freigekauft.

Über die vier Jahrzehnte währende Tätigkeit des Rates des Stadtbezirks Prenzlauer Berg berichten sogenannte Arbeitsbiographien. Wir lesen von einer Mitarbeiterin des Wohnungsamtes, die die "Verlogenheit in den Parteiversammlungen" nicht mehr ertragen konnte, aus der SED austrat und zu einem "Aufhebungsvertrag im gegenseitigen Einverständnis" gezwungen worden sei. ... Schließlich wird noch von der Konstituierung des "Runden Tisches" im Dezember 1989 berichtet.

Kein Wort fällt über die aufopferungsvolle Arbeit Hunderttausender, die nach der Befreiung vom Faschismus den Schutt aus den Straßen und den Unrat aus den Köpfen räumten, das kommunale Leben wieder in Gang brachten, Hunger, Kälte und Wohnungsnot trotzten, Schulen und Krankenhäuser, Handel und Handwerk arbeitsfähig machten! Kein Wort über Änne Saefkow, die - von der Sowjetarmee aus dem KZ Ravensbrück befreit - erst als Bezirksrätin in Pankow, dann als Bürgermeisterin in Prenzlauer Berg den schweren Anfang bewältigen mußte! Keine Silbe liest man über die Umgestaltung des Stadtbezirks, über die Verwandlung eines Viertels der Mietskasernen aus der Gründerzeit und des Zille-Milieus auf den Hinterhöfen in einen florierenden Teil der DDR-Hauptstadt mit Industriebetrieben, modernen Volks-Schwimmhallen, Einkaufsstätten, Kindereinrichtungen, großen Neubaukomplexen, dem Thälmann-Park, dem Planetarium, den modernisierten Wohnvierteln um den Arnimplatz. Und das alles während der 20jährigen Bürgermeister-Ära des einstigen Baumaschinisten Harry Gnilka.

Denkzeichen, Mahnmale und Ausstellungen zur Verächtlichmachung der DDR gibt es inzwischen zuhauf - vom "Stein des Anstoßes" auf dem Friedhof der Sozialisten, von entsprechenden Filmen, Fernsehspielen und verlogenen "Dokumentationen" ganz abgesehen. In der Bernauer Straße informiert ein "Open-Air-Spektakel" über die geplante Erweiterung der "Gedenkstätte Berliner Mauer" zu einem "zentralen Ort der Erinnerung". Teilfertigstellung bis zum 9. November 2009, Endtermin 13. August 2011. Eine "Erinnerungslandschaft" mit Dokumentationszentrum, Informationspavillon, Veranstaltungsräumen, Turm und Aussichtsplattform, Toten-Gedenken in einer Kapelle, Hörfunksendungen per Knopfdruck - Antikommunismus aufs Modernste. Goebbels würde blaß vor Neid! "Hier werden Erfolg und Scheitern der Versuche, der Diktatur durch Flucht in den Westen zu entkommen oder Fluchthilfe zu leisten, dokumentiert", heißt es im Knabe-Birthler-Jargon.

Skrupellos wird die Lüge kolportiert, die DDR-Grenzsoldaten wären täglich verpflichtet worden, Grenzverletzer "zu vernichten". Aus in aller Welt üblichen Schußwaffen-Gebrauchsbestimmungen wird der "Schießbefehl" ...

Durch die "Stasi-Opfer-Gedenkstätte" in Hohenschönhausens Genslerstraße werden jährlich über 200.000 Besucher geschleppt - Wähler, die auf Einladung von Bundestagsabgeordneten aller Parteien für ein paar Tage kostenlos nach Berlin reisen und dabei ein Pflichtprogramm zu absolvieren haben, Schulklassen, Studenten, Azubis. Gehirnwäsche und ideologische Abrichtung vulgärster Art. Jetzt baut man im Rahmen eines "Architektur-Wettbewerbs" das Etablissement für 16 Millionen Euro um.

All das sind nur Versatzstücke aus der "Gedenkstätten-Förderkonzeption" der auf Antikommunismus eingeschworenen Bundesregierung. Die Erinnerung an die "beiden deutschen Diktaturen" - also die Gleichsetzung der sozialistischen DDR mit dem Kriegs- und Mordregime des Hitlerfaschismus - sei "nationale Aufgabe", geifert Kultur-Staatsminister Neumann (CDU). Aus seinem Budget gehen Millionen Euro an die Brunnenvergifter der "Bundesstiftung für Aufarbeitung der SED-Diktatur". Das Berliner Alternative Geschichtsforum erklärte, der Titel des Konzepts "Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen" sollte eher lauten: Geschichtsbild verordnen, kalten Krieg verschärfen, Gräben vertiefen.

Die Absicht ist unverkennbar: Die Erinnerung an den einzigen Staat in der deutschen Geschichte, der keine Kriege führte, seinen Bürgern soziale Geborgenheit von Kindesbeinen bis ins hohe Alter garantierte, Bildung und Gesundheitsfürsorge für alle bereithielt, soll ausgelöscht werden, um den täglichen Mord unter bundesdeutscher Beteiligung am Hindukusch und anderswo sowie die zunehmende innere Repression, um Ausbeutung und Verelendung von Millionen zu legitimieren.

Vom Klassenfeind, seinen Parteien und seinen Medien etwas anderes zu erwarten als Gift, wäre indes höchst naiv. Die Bourgeoisie wird uns nie verzeihen, daß wir im Osten des Landes über vier Jahrzehnte seine Macht gebrochen, die Kapitalisten enteignet und eine ausbeutungsfreie Gesellschaft aufgebaut haben.

Was aber veranlaßt um Himmels Willen auch Politiker der PDL, Lügen des Gegners, seine Karikatur der DDR-Wirklichkeit, ihren angeblich verordneten Antifaschismus, ihren vermeintlichen wirtschaftlichen Ruin und ihr "stalinistisches Gesellschaftsmodell" zu bedienen? Anläßlich einer Ehrung des großen deutschen Arbeiterführers Ernst Thälmann sprach Lothar Bisky von dessen "Beitrag zur Stalinisierung der KPD". Etwas Besseres ist ihm wohl nicht eingefallen. Der Berliner Landesvorsitzende der Linkspartei, Klaus Lederer, verhinderte, daß ein Papier von PDL-Genossen, die den "Sozialismus des vergangenen Jahrhunderts" als historisch legitim betrachten, in den Basisorganisationen auch nur zur Diskussion gestellt wurde. Statt dessen werden ein "Konzept der politischen Bildung" für die Mitglieder erarbeitet, eine Geschichtskommission gebildet und ein "Lesematerial zur Geschichtsdebatte" herausgegeben, in dem man erneut den "antistalinistischen Grundkonsens" beschwört. "Die Geschichte hat" - so Lederer - "ihr Urteil über den real existierenden Sozialismus gesprochen. Er hat den 'Kampf der beiden Weltsysteme' verloren ..." Das müsse der Ausgangspunkt aller Betrachtungen sein. Als ob es China, Vietnam, Kuba und den grandiosen Vormarsch der antiimperialistischen Kräfte in Lateinamerika nicht gäbe! Wieso "hat" die Geschichte ihr Wort bereits gesprochen? Ist der Sozialismus für den Landesvorsitzenden nur noch Vergangenheit? Und noch dazu eine insgesamt "stalinistische", mithin - nach dieser Diktion - eine verbrecherische? Soll der Sozialismus als Ziel unseres Kampfes schon vor der neuen Programmdiskussion in der PDL aufgegeben werden?

Was hat es eigentlich mit dem Kampfbegriff "Stalinismus" auf sich? Diese Wortschöpfung wurde inzwischen zum Lieblingsslogan aller Antikommunisten, die damit natürlich nicht so sehr Stalin, sondern den wissenschaftlichen Sozialismus in seiner Gesamtheit und vor allem den Leninismus treffen wollen. In den Augen der "Antistalinisten" war die Errichtung und Verteidigung einer ausbeutungsfreien sozialistischen Gesellschaft das eigentliche Verbrechen, das gegeißelt werden muß. Dieses Zerrbild der Realität soll die DDR gewesen sein? Da muß ich wohl in einem anderen Land gelebt haben! Ohne Zweifel wurden Erfolge erzielt und Fehler begangen, darunter auch ernste und schwerwiegende, die wir nicht bagatellisieren dürfen und wollen. Das gleiche gilt für Unzulänglichkeiten und Defizite - und zwar für solche, die wir auch beim besten Willen nicht hätten verhindern können, sowie andere, die selbstverschuldet waren. Aber nicht solcher Fehler wegen hetzt die Meute bürgerlicher Politiker und Medienmacher gegen uns. Sie richtet das Feuer auf Sozialisten und Kommunisten, weil sie mit gutem Grund befürchtet, daß unsere Sache eben nicht der Vergangenheit angehört, daß Kinder und Enkelkinder von ihren Eltern und Großeltern erfahren, wie im Sozialismus alles wirklich gewesen ist.

Die DDR, deren 60. Gründungstag wir im Oktober 2009 begehen werden, war kein Paradies, aber schon lange keine "Stasi-Hölle", wie die Kurzformel des Gegners lautet. Sie war ein Staat des Friedens, der Arbeit und des Volkes. Sie war und bleibt das Beste, was die deutsche Geschichte bisher hervorgebracht hat. Deshalb besorgen wir nicht das Geschäft ihrer Feinde. Wenn wir uns ehrlichen Herzens zur Deutschen Demokratischen Republik bekennen, meinen wir nicht die Vergangenheit, sondern ihre in die Zukunft weisende Botschaft.

Dr. Ernst Heinz

Unser Autor war viele Jahre 1. Sekretär der Kreisleitung Prenzlauer Berg und später Sekretär der Bezirksleitung Berlin der SED. Heute ist er Mitglied der Linkspartei und Vorsitzender der RF-Regionalgruppe Berlin.

Raute

Ein lebendig Gehäuteter mahnt: Laßt euch nicht das Fell über die Ohren ziehen!

Gedanken zu einer Marsyos-Skulptur

Ende September - also in zeitlicher Nähe zum sogenannten Tag der deutschen Einheit - wurde in Bautzen die Plastik Marsyos der Öffentlichkeit übergeben. Ziel jeder Kunst sollte es sein, das Denken der Menschen über den Sinn eines geschaffenen Werkes anzuregen und - darüber hinausgehend - über den Sinn unseres Daseins und den der Gesellschaft, in der wir unsere Gegenwart und Zukunft gestalten müssen, nachzudenken.

Ich dachte nach, und kam zu anderen Erkenntnissen als jene, welche die Enthüller der Plastik beabsichtigt hatten. Nun bin ich aber, dessen Ahnen stets Proleten, Mägde und Knechte im preußisch-junkerlichen Ostelbien waren, ein typisches Produkt kommunistischer Diktatur. Der sozialistische Unrechtsstaat zwang mich (nur wegen meiner proletarischen Vorfahren?), die gottgewollte Ordnung zu verlassen und - statt Knecht zu werden - das Abitur zu machen und zu studieren. So wurde das Hungerleiderkind (Jahrgang 1941) auch mit griechischer Philosophie und antiken Mythen vertraut. Ich weiß also von Marsyos, daß er die gotteslästerliche Schmähung beging, den aristokratischen Olympier Apoll zum künstlerischen Wettstreit herauszufordern, der ihn am Ende mit einem faulen Trick - wie bei den großen Herren Usus - bezwang. Als Sieger übte der Gott - sehr zeitgemäß - grausame Rache: Er häutete den Besiegten bei lebendigem Leibe (Es muß wohl an den aristokratischen Genen liegen: Schon die göttliche Mutter des Musenkönigs vom Parnaß ermordete die 14 Kinder ihrer Kritikerin Niobe.) So liegt es wohl auch an meinen proletarischen Genen, daß ich den Sinn der Plastik - das Geschenk der Stadtoberen an ihre Untertanen zum "Tag der Einheit" - anders deute, als es in der Absicht der Mächtigen lag:

Erst hat mir die Konterrevolution und ein abschließender Staatsstreich - die Mißachtung des Grundgesetzartikels 146, der eine vom ganzen deutschen Volk zu beschließende Verfassung vorsieht - mein Vaterland genommen, dann wird durch Gesetzgebung und Mißwirtschaft systematisch die Einheit des Volkes verhindert, die notwendiger wäre als die oktroyierte staatliche Einheit, und seit dieser wird dem Volk - wie einst dem Marsyos - das Fell über die Ohren gezogen.

Oder was war die Enteignung des Volkes der DDR durch die Un-Treuhand unter Mitwirkung des verantwortlichen Staatssekretärs Horst Köhler? Oder wie soll man das nennen, was die Prokuristen des Kapitals à la Bush, Merkel und Co zur Rettung des Systems Kapitalismus beschlossen? Die angedachte Rentenerhöhung durch Aussetzung des Riester-Faktors wird bis 2013 zwölf Milliarden Euro kosten. Also sind Wirtschaftsbosse und "Wissenschaftler" des Kapitals gegen das "Geschenk für Rentner", aber für die Sanierung der Banken mit einer halben Billion. Das heißt doch, die stets Geschädigten und Betrogenen, das arbeitende und Steuern zahlende Volk, müssen für die Fehler der Schuldigen, Betrüger und Unfähigen haften. Die Adepten des Kapitals plündern nach ihrem konterrevolutionären Sieg und ihrer Mißwirtschaft das Volk per Gesetz aus.

Zur sogenannten Finanzkrise stelle ich die Frage: Wo ist das durch die Banken verlorene Geld geblieben, da es weder verbrannt noch von Mäusen gefressen wurde? Karl Marx: "Jeder Aktienschwindler weiß, daß das Unwetter einmal einschlagen muß, aber jeder hofft, daß es das Haupt seiner Nächsten trifft, nachdem er selbst den Goldregen aufgefangen und in Sicherheit gebracht hat." Staatliche Kontrolleure - besser eine Arbeiter- und Bauern-Inspektion (ABI) - sollten Geldhändler und gewisse Unternehmer unter die Lupe nehmen.

Wieder melden sich meine proletarischen Gene. Die kommunistische Diktatur zwang mir nicht nur antikes Wissen auf. O Todsünde: Auch mit dem Erzteufel Marx wurde ich vertraut. Mir fällt ein: 1. Die bürgerliche "Demokratie" gibt den Landeskindern bei Wahlen die "Freiheit" mitzubestimmen, von wem sie sich ver- und zertreten lassen wollen, um so viel im unwesentlichen zu verändern, daß im wesentlichen nichts geändert wird, nämlich 2., daß der Grundwiderspruch des Kapitalismus erhalten bleibt: gesellschaftlich produzieren, aber privat die Gewinne aneignen und die Risiken und Verluste wieder gemeinsam tragen.

Woher kommt die 500-Milliarden-Euro-Hilfe bei stets knappen Kassen, wenn es um Soziales geht (10 Euro mehr pro Kind und Monat), und bei Gültigkeit des Artikels 110/1 des GG, wonach "alle ... Ausgaben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen" sind, obwohl die halbe Billion im Staatshaushalt 2008 nirgends vorgesehen sein konnte? Marx stellte 1857 fest: Die Regierung hilft "durch Garantien und Vorschüsse. Das Vermögen der gesamten Gesellschaft hatte die Verluste des privaten Kapitals zu vergüten. Diese Art Kommunismus, wo die Gegenseitigkeit völlig einseitig ist, scheint dem Kapital ziemlich anziehend."

Da ich nicht aus einem protestantischen Pfarrhaus komme und auch keine angelikale göttliche Inspiration (oder war es doch nur der "Geist" von Jim Beam?) zur Weltbeglückung empfangen habe, aber mit Klassikerschriften wie mit der Bibel vertraut bin, machte ich mir in den letzten Wochen zweierlei bewußt:

1. Um 1990 erlebten wir, daß der europäische Sozialismus, der u. a. vom Primat der Politik ausging und in dem somit die Partei und der Staat die Wirtschaft lenken wollten, nicht funktionierte: Das System implodierte.

2. Jetzt erleben wir, daß das Gegenteil, der Kapitalismus mit dem vergotteten Liberalismus, wonach - unter Ausschluß staatlicher Eingriffe - der Markt alles zum Guten reguliert, ebenfalls nicht funktioniert: Das System kollabiert.

Die "Rettung": Der Staat greift in die Wirtschaft ein - im Kapitalismus selbstverständlich mit Geld - lumpige 500 Milliarden Euro werden allein in der BRD aus den "knappen Kassen" lockergemacht, der Staat hilft nicht etwa den Geschädigten oder dem größer werdenden Heer der Armen, er hilft den Banken auf die Beine. Wem dient dieser Staat? Ist das Volksherrschaft?

Wieder fällt mir Marx ein: Wenn der Kapitalismus schwach ist, leiht er Krücken bei anderen Gesellschaftsformationen; in der schwachen Anfangsphase des US-Kapitalismus durch Wiedereinführung der (rassistischen) Sklaverei; jetzt - offensichtlich in der Niedergangsphase - beim verteufelten Sozialismus: Staat - hilf!

Die Verteidiger des Kapitals werden schizophren und spalten ihr Ich in Bourgeois und Bürger: Einerseits rufen sie nach mehr Staat zum Schutz ihrer Interessen zur Abwehr ihres Gegenspielers und nach mehr Geld, Geld, Kapital. Andererseits verlangen sie vom gleichen Staat liberale Enthaltsamkeit: Keine Einmischung in ihre mafiosen Geschäfte, nur Sicherung des Profits.

Die soziale Funktion des Staates wird immer mehr abgebaut durch "Reformpakete", die die Reichen noch reicher machen und das Heer der Armen vergrößern.

Marx: "Sie (herrschende Klasse) ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden."

Da dieses Heer der Armen und Rechtlosen dem System sehr gefährlich werden könnte, wird die repressive Funktion des Klassenstaates ausgebaut und vervollkommnet. So beschließen die Paladine des Kapitals in ein und derselben Nacht das 500-Milliarden-Hilfspaket für die Banken und einen harten Knüppel für den großen Lümmel, das Volk, und (so nebenbei, von den Medien nur spärlich erwähnt, also in der Öffentlichkeit kaum beachtet) den möglichen Einsatz der Bundeswehr im Innern. Mit anderen Worten: Wenn die Parias sich auf ihre Kraft besinnen und "das Pack, General und Ataman" samt ihrer Regierer "zum Teufel jagen" sollten, wenn die Urenkel den 1917 und dann nach 1945 begonnenen Kampf in einem zweiten Versuch besser ausfechten wollen, stoßen sie auf das Militär.

Wie groß muß die Angst der Paladine des Kapitals sein, die selbst keine reale Macht besitzen und nur als Prokuristen dessen Geschäfte betreiben dürfen, die Angst vor dem eigenen Untergang, vor dem eigenen Volk, daß präventiv bei einer nur möglichen (gegenwärtig leider unwahrscheinlichen) Gefahr für das System solche Verbrechen legalisiert werden sollen. Zur Angst paßt die Demagogie, daß der Einsatz der Bundeswehr gegen das eigene Volk durch Novellierung des Artikels 35 des GG geregelt werden soll: Katastrophenhilfe (ein entlarvendes Wort) des Bundes, falls die Länder mit ihren Polizeikräften soziale Unruhen nicht mehr beherrschen würden, nachdem Bundeswehrsoldaten ja seit längerem in Afghanistan Polizeiaufgaben gegen ein anderes Volk praktisch geübt haben.

Als im Herbst 1989 klar wurde, daß das System in der DDR nicht mehr zu retten war, wurde den noch intakten Sicherheitskräften nicht befohlen, auf das eigene Volk zu schießen. Welches System hat also die überlegene, den Menschen nützende Moral? Welcher Staat ist der Unrechtsstaat? Wem dient "unsere Demokratie"? Könnte ein Deutscher gar das "Ehrenkreuz für Tapferkeit", das neue EK erhalten, das bisher stets nur im Krieg verliehen wurde, wenn er als Bundeswehrsoldat im Inlandseinsatz "für beispielhafte Pflichterfüllung und besonders mutiges Verhalten bei Gefahr für Leib und Leben" Brüder und Schwestern, Mütter, Väter und Kinder zusammenschießt wie weiland der Prinz von Preußen (alias Kartätschenprinz), der 1849 die Revolution niederkartätschen ließ. Immerhin wurde dieser Wilhelm, dessen Denkmal immer noch am Deutschen Eck steht, für solche und andere "Heldentaten" Kaiser Wilhelm I.

Armer Marsyos, du Schicksalsahne des Kreuzestoten aus Nazareth, in dessen Namen so grandios gegen seine Lehre der Liebe gesündigt wurde. Dieser Jesus lehrte, man könne nicht Gott und dem Mammon (Matth. 6 / 24) dienen, weil eher ein Kamel durchs Nadelöhr käme als ein Reicher in den Himmel.

Dieser Jesus wollte, daß die Knechte nicht nur Hoffnung, sondern Freiheit und Brot und alles, was ein Mensch braucht, bekämen, auch Bildung und Freude. Deshalb legte er als Grundlage für alle Gemeinschaft die Norm fest: "Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele, auch nicht einer sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam ... Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Äcker oder Häuser besaß, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte." (Apg. 4 / 32-35)

Den Nachahmern des Schmerzensreichen vom Kreuze aber, die die Utopie des Jesus durch Taten verwirklichen wollten, wurde als Mahnung und Abschreckung das Kruzifix erfunden, auf daß selbst Analphabeten sehen konnten, was ihnen drohte, wenn sie es wagen sollten, des Jesus Lehre in gesellschaftliche Realität umzusetzen, wie es z. B. dem Lordkanzler der englischen Krone, Sir Thomas Morus, geschah, der statt gleicher juristischer Rechte eine Gleichheit des Besitzes anstrebte. Er bezahlte mit seinem Kopf.

Uns mehrheitlichen Atheisten in Bautzen hält man als Mahnung den Marsyos vor, symbolisch dafür, wie man den Besiegten das Fell über die Ohren zieht.

O, ihr stets noch Betrogenen, Geschundenen und Verhöhnten, ihr Geringverdiener, Leiharbeiter, Kurzarbeiter und Mini-Jobber, ihr 1-Euro- und Hartz-IV-Armen, Alleinerziehende und Kinderreiche, Jugend ohne Ausbildung oder im Dauerpraktikum, Rentner oder vom Abstieg überschattete Mittelständler und von Abschiebung bedrohte Migranten, o Volk - hört die Signale: "Mann der Arbeit aufgewacht und erkenne deine Kraft, alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will." Ihr habt nichts zu verlieren, aber eine Welt zu gewinnen.

Folgen wir dem August Bebel, dessen Partei offensichtlich von ihm nichts als seine Taschenuhr für den jeweils amtierenden Vorsitzenden geerbt hat, fordern wir mit Bebel: Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!

Horst Gröger, Bautzen

Ende RF-Extra

Raute

Die neue deutsche Hitlerjugend

Zur Polizeistrategie der "Deeskalation" Dr. Manfred Bewersdorf und dem "Rot-Fuchs" ist zu danken, daß erneut der unbewältigte und wiedererstarkende (Neo-)Faschismus und Antisemitismus in der BRD am konkreten Beispiel entlarvt wurde. Einige Ergänzungen mögen die Gefährlichkeit der "Heimattreuen Deutschen Jugend" unterstreichen:

1. Im Jahre 1990 trennte sich eine radikalere Gruppe vom "Bund Heimattreuer Jugend - Der Freibund e.V." Sie gründete "Die Heimattreue Jugend e.V." (DHJ). Man beachte das gewollte HJ wie Hitlerjugend. Um 2000 entstand aus der DHJ die heutige "Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) - Bund zum Schutz für Umwelt, Mitwelt und Heimat e.V.", mit dem etwas verschleiernden Kürzel HDJ. Mit dieser Gründung sollte die 1954 verbotene Wiking-Jugend ersetzt werden.

2. Die HDJ ist trotz geschätzter "nur" 400 ständiger Mitglieder heute die vermutlich größte Nachwuchsschmiede der deutschen Neonazi-Szene, die Kaderorganisation für die Entwicklung von Führern mit stramm neofaschistischer Ausrichtung. Gemäß dieser Funktion ist sie mit der gesamtdeutschen Neonazi-Szene, vor allem der verbotenen WJ und der NPD, von Beginn an total verflochten. Viele Neonazi-Führer gingen durch ihre "Schule".

3. "Heimat- und volkstreu" werden Kinder ab sieben Jahren auf Kameradschaft, Treue, Ehre, Disziplin gedrillt. In Lagern "erleben" sie die "Volksgemeinschaft". Zum Vokabular gehören "Reichshauptstadt Berlin" und "Pommern". Letzteres aus revanchistischen Gründen. Hinweisschilder und Aufschriften in den Lagern wie "Wolfsschanze", "Deutsches Reich", "Leibstandarte", "Hitlerjugend", "Führerbunker", "Germania", Parolen wie "Räder müssen rollen für den Sieg" und in einem Falle sogar die Kreideaufschrift auf einem Faß "Entlausungsmittel", offenbar als Anspielung und Verharmlosung der industriellen Vernichtung der Juden, sprechen für sich. Passend dazu Urkunden für das Zielschießen auf eine antisemitisch gestaltete und mit einem Fadenkreuz "geschmückte" Fratze sowie für "Rassenschulung". Die Anlage militärischer Deckungen, die Durchführung einer Scheinhinrichtung, der Umgang mit Waffen und bombentauglichem Material und die "Verteidigung" eines Lagers gegen Angriffe von "Linken" lassen ebenfalls Harmlosigkeit vermissen. Dabei trägt man nicht selten HDJ-Uniform, womit das geltende Uniformverbot für Neonazis ignoriert wird. Ihre Aktivitäten tarnt die HDJ mit gemeinnützigen Vereinen, kommunalen Einrichtungen, privaten Anwesen.

4. Die "praktischen" Auswüchse der "Vereinstätigkeit" erfuhr beispielhaft die Fernsehreporterin Andrea Röpke am 4. November 2006, als die HDJ im brandenburgischen Blankenfelde ein als "Märkischer Kulturtag" deklariertes Nazi-Treffen abhielt. Sie und ihr Team wurden in einen Supermarkt gejagt und verprügelt. Von dieser "Veranstaltung" erfuhr die Polizei angeblich erst, als Andrea Röpke Anzeige erstatten wollte. Einige Auffälligkeiten:

a) Die Maßnahmen der Polizei trafen offenkundig selten auf Unvorbereitete. Sickern etwa Informationen zu Aktivitäten gegen die Neonazis durch? Angeblich prahlen diese damit. Welche "unheiligen" Zusammenhänge bestehen da? Auch ein mögliches Verbot scheint wenig Aufregung zu verursachen. Weiß man um den Stand und ist schon lange vorbereitet?

b) Erkennbare Maßnahmen gegen die HDJ erfolgten bislang sehr zögerlich. An dieser Einschätzung ändert auch der offensichtlich für die Öffentlichkeit inszenierte Großaktionismus der letzten Zeit nichts. Denn erst seit 2007 wird die HDJ durch das Bundesamt für Verfassungsschutz erkennbar beobachtet. In vielen Verfassungsschutzberichten der Länder findet sie bis dahin nicht einmal Erwähnung. Und dies trotz regelmäßiger Treffen, Lager und Wanderungen.

c) Begründungen für die Zurückhaltung beim Verbot der HDJ besitzen angesichts einer ungehemmt aggressiven Praxis gegen linke Kräfte eher Komik. Beispiel: Vielen halbwegs Informierten gilt die HDJ seit langem als "Nachfolgerin" der 1994 verbotenen Wiking-Jugend, die eine Imitation der Hitlerschen HJ war. Das "Argument", die HDJ sei bereits vor dem Verbot der WJ gegründet worden, mithin unmöglich "Nachfolgerin", ist nicht stichhaltig.

Summa summarum bleiben zwei Fragen: Steht der Verfassungsschutz etwa wiederum mit seinen "V-Leuten" dem Schutz der Verfassung wie beim mißglückten NPD-Verbot im Wege? Und kann sich ein Leser dieser Zeilen vorstellen, daß der "verordnete Antifaschismus" der DDR ein solches nazistisches Treiben zugelassen hätte?

Dr. Udo Stegemann

Raute

Zur Polizeistrategie der "Deeskalation"

Wenn Berliner Polizisten - die Beamten des sozialdemokratischen Innenressort-Verwalters Erhard Körting und des "rot-roten Senats" - durch Tausende Uniformierte und Pseudozivilisten große Teile eines Stadtbezirks abriegeln, öffentliche Verkehrsmittel am Fahren hindern und mit ihren quergestellten Einsatzwagen auch den normalen Autoverkehr lahmlegen, um eine genehmigte "Demo" waschechter Faschisten abzusichern, dann nennt die Behörde das "Strategie der Deeskalation". Es gehe lediglich darum, "verfeindete politische Lager" so voneinander zu trennen, daß es nicht zu Gewalttätigkeiten komme, wird behauptet. Daß gegen links scharfgemachte Bereitschaftspolizisten brutal auf junge und ältere Antifas losgehen und willkürlich Massenfestnahmen unter ihnen vornehmen, gehört zu diesem Szenarium.

Genossen, es ist fünf vor zwölf! In welchem Maße die Straßen-Nazis und die Fascho-Beschirmer in den Institutionen der BRD bereits im Vormarsch sind, wurde am 6. Dezember in Berlin-Lichtenberg einmal mehr vorgeführt. Als rund 600 Nazi-Gröler unter massivem Polizeischutz die Treskowallee vom Bahnhof Karlshorst zum Tierpark hinaufzogen, wurde auch die zum Deutsch-Russischen Museum führende Rheinsteinstraße von der Polizei für Busse und Fahrzeuge aller Art gesperrt. Einwohner mußten sich ausweisen, wenn sie mit dem PKW zu ihren Wohnungen gelangen wollten. Gab es da nicht Leute, die sich einst über bestimmte Vorkehrungen beim Güstrow-Besuch Helmut Schmidts beschwerten?

Die neue braune Flut brandet ausgerechnet auch gegen ein Viertel, in dem Hitlers Generalfeldmarschall Keitel im Mai 1945 vor Marschall Shukow und den Vertretern der Westalliierten kapitulierte.

Körtings Hubschrauber kreisten am Himmel, um das makabre Geschehen aus der Luft zu verfolgen. Bei all dem ging es um Absicherung eines empörenderweise offiziell zugelassenen Nazi-Aufmarsches. Die Berechtigung von Sprechchören "Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!" wurde erneut bestätigt.

Man stelle sich ein solches Spektakel in der DDR vor! Im "Unrechtsstaat" des "verordneten Antifaschismus" wurden vereinzelt und bisweilen - zum Beispiel bei Fußballspielen - auch in Gruppen auftretende Nachahmer westdeutscher Neonazis hinter Schloß und Riegel gesetzt. Der faschistische Abschaum, der heute aus dem Sumpf des Kapitalismus quillt, besaß in der DDR weder eine soziale Grundlage noch ein Minimum an Entfaltungsmöglichkeiten. Oberstes Prinzip war: Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit!

Das polizeiliche Schlagwort von der angeblich beabsichtigten Deeskalation ist blanker Hohn. Es soll die Tatsache verschleiern, daß in Merkels BRD den Feinden der Freiheit die Straße gehört, während die Verteidiger der Freiheit den Polizeiknüppel zu spüren bekommen.

K. S.

Raute

Wir arbeiteten als Ärzte im Krankenhaus "Carlos Marx"

Nicaragua im Herzen

Durch die Vermittlung von Freunden bin ich seit einem halben Jahr RF-Leser. Ich danke der Redaktion und den Autoren für diese interessante Zeitschrift.

Die Beiträge in den RF-Ausgaben Nr. 128 und 129 über Nicaragua erregten meine besondere Aufmerksamkeit. Das hat auch sehr persönliche Gründe und Wurzeln in unserer Biographie. Meine Frau ist Dermatologin, und ich bin Allgemeinmediziner. 1985 gehörten wir zum Aufbau-Team des DDR-Solidaritätsprojekts "Krankenhaus Carlos Marx" in Managua. Der Artikel von Dr. Klaus Huhn erinnerte uns noch einmal an die Kompliziertheit und Tragweite der Aufgabe, vor der wir damals standen. Unter anfangs primitiven Bedingungen - wir arbeiteten wie ein Feldlazarett der Nationalen Volksarmee in Zelten und mußten mit den Sprachschwierigkeiten wie den ungewohnten klimatischen Bedingungen zurechtkommen - bauten wir in unserer "Freizeit" das Hospital auf. Vom Professor bis zum Lageristen brachten alle Mitglieder der FDJ-Brigade ein Höchstmaß an Leistung.

Die am Beginn nur ambulante Betreuung fand besonders bei der armen Bevölkerung lebhaften Zuspruch. Schon ab Mitternacht stellten sich die "Nicas" mit ihren Kindern an, um am Morgen einen der 100 begehrten Behandlungsausweise für den jeweiligen Tag zu erhalten. Unvergeßlich bleiben uns die Dankbarkeit und die Herzlichkeit der Patienten.

Wir sind auch wiederholt mit Staatspräsident Daniel Ortega, der Gesundheitsministerin sowie anderen Comandantes der Revolution zusammengetroffen. Diese Begegnungen sind uns für immer im Gedächtnis geblieben. Beim Treffen mit der sandinistischen Jugend, gemeinsamen Sportveranstaltungen bis hin zur Kaffee-Ernte erfuhren wir, mit welchem Mut und welcher Entschlossenheit die Erfolge auf dem neuen Weg verteidigt wurden.

Um so betroffener waren wir, als wir Jahre später erneut - diesmal als Touristen - nach Nicaragua reisten. Wir mußten schnell erkennen, wie die mittellosen Bevölkerungsschichten nach dem Machtwechsel 1990 um die Früchte der Revolution betrogen wurden. Nun gab es weder gebührenfreie Bildung noch unentgeltliche gesundheitliche Betreuung. Hunger, Arbeitslosigkeit und miserable Wohnverhältnisse bestimmten wiederum den Alltag der meisten Nicaraguaner.

Mit großer Freude und Genugtuung erfuhren wir, daß nach dem Wahlsieg der sandinistischen FSLN im Jahre 2006 und der Rückkehr Daniel Ortegas an die Staatsspitze abermals eine positive Entwicklung eingeleitet worden ist, so daß die Fortschrittskräfte des Landes nun wieder an die Umsetzung von Teilen des Revolutionsprogramms gehen können.

Dr. med. Heinz-Peter Thomas, Glashütte

Raute

Afghanistans Widerstandskämpfer sind "heimtückisch und hinterhältig"

Altes von Jung

In Afghanistan sind am 21. Oktober wieder zwei junge Deutsche den "Heldentod" gestorben. Am Abend stellte ihr oberster Feldherr, Bundeswehrminister Jung - er war zuvor Roland Kochs rechte Hand in Hessen und gehört wie dieser dem Scharfmacherflügel der CDU an - im Fernsehen seine Sicht der Dinge dar. Es handele sich keineswegs um einen Krieg, in den man da ziehe ... Nein, die jungen Deutschen seien "hinterhältigen und heimtückischen Anschlägen" erlegen. Bei der pompösen Trauerfeier sprach Jung dann erstmals davon, die braven Männer seien "gefallen". Fällt ein Soldat jetzt auch schon im Nicht-Krieg?

Als 16jähriger gelangte ich 1945 in der "Eliteeinheit Feldherrnhalle" - wie es hieß "an der Ostfront" - gegen die Rote Armee zum Einsatz. Die "Ostfront" war damals bereits der Raum Berlin. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe ich dort mehr echtes Pulver gerochen als unser geschniegelter Kriegsminister. Und deshalb darf ich wohl feststellen, daß die von ihm mehrfach verwendeten Prädikate "heimtückisch" und "hinterhältig" zeigen, daß er einerseits von Tuten und Blasen, also von den Abläufen an einer Front, keine Ahnung hat, sich andererseits aber eines den älteren Deutschen noch gut erinnerlichen Vokabulars bedient.

Als heimtückisch und hinterhältig wurden von den faschistischen PK-Kriegsberichterstattern nämlich sämtliche Aktionen der Partisanen in den von Hitlers Truppen besetzten europäischen Ländern bezeichnet. Seinerzeit war - besonders auf den Osten bezogen - von "Heckenschützen" und "Untermenschen" die Rede. Keineswegs heimtückisch und hinterhältig aber waren die Überfälle der faschistischen Armeen auf Polen und viele andere Staaten des Kontinents. Deren Bürger hatten dazu allerdings eine ganz andere Meinung: Sie wehrten sich gegen einen brutalen Aggressor auch mit den Methoden des Partisanenkampfes.

Die Ursprünge des heutigen Geschehens in Afghanistan liegen schon um Jahrzehnte zurück. Die im Auftrag der USA-Führung handelnde CIA hat ihre "Zauberlehrlinge" - sie nennen sich inzwischen Taliban - selbst hervorgebracht. Diese wurden ersonnen und aufgepäppelt, weil die Sowjetunion dem Hilfsersuchen einer demokratisch gewählten und politisch befreundeten linken Regierung Afghanistans folgte und ihr militärische Hilfe erwies.

Als aber die "Besen" sich verselbständigten, setzte man die Variante in die Welt, einer ihrer Anführer habe von einer Höhle im Hindukusch aus seinen Mannen den Auftrag erteilt, in New York mal ein paar Wolkenkratzer präzise umzureißen. Über Nacht wurden so aus den gehorsamen Helfern des Pentagons und der CIA heimtückische und hinterhältige Verbrecher, die man mit einer von der NATO zusammengestoppelten Interventionsarmee aus vieler Herren Länder jetzt vernichten will.

Doch das ganze Schauspiel in zwei Akten wurde letztlich nur aufgezogen, um die in diesem Raum erkundeten oder vermuteten Bodenschätze in den Griff zu bekommen. Dabbelju Bushs Leute haben beim zweiten Aufzug Regie geführt.

In welchem Grade sich das Gewissen eines angeblich christlichen Ministers mit diesem blutigen Geschehen vereinbaren läßt, bleibt unerfindlich. Fest steht aber, daß Herr Jung, der bald alt aussehen könnte, im Fernsehen keine gute Figur machte. Das mag daran liegen, daß sich die Interviewerin in ihn verbissen hatte, kann aber auch damit zusammenhängen, daß er von dem, was er da erzählte, selbst nicht überzeugt war.

Dr. agr. Günther Freudenberg, Bernburg

Raute

In Kongo geht es auch um Stämme, vor allem aber um Ressourcen

Lumumbas Mörder ruhen nicht

In der Demokratischen Republik Kongo (DRK) fließt wieder viel Blut. Was sich da als Kampf zwischen Regierungstruppen Präsident Joseph Kabilas und "Rebellen", zwischen Tutsis und Hutus vollzieht, ist schwer überschaubar. Fast täglich wechselt die Szenerie. Das Elend der Zivilbevölkerung, vor allem der von Hunger und Seuchen dahingerafften Kinder, kann nicht beschrieben werden. Die Medien tun alles, um die wahren Ursachen der Kämpfe hinter Schreckensmeldungen zu verbergen. Der Konflikt habe einen ethnischen Hintergrund, wollen sie weismachen. Das ist bei den unmittelbar Beteiligten sicher der Fall, doch die Regisseure und Nutznießer des Blutvergießens haben nur eines im Visier: Wie überall geht es um Ressourcen und Maximalprofit.

Ein Blick in die Geschichte des zentralafrikanischen Riesenlandes macht das deutlich. Die DRK - sie hieß zwischen 1971 und 1997 Zaire und wurde seit 1965 von der CIA-Marionette Mobutu Sese Seko mit eiserner Faust verwaltet - ist wegen ihrer reichen Bodenschätze und des hydroelektrischen Reservoirs hart umkämpft.

Was war dem heutigen Ringen der imperialistischen Mächte um Kongo vorausgegangen?

Auf einer internationalen Konferenz, die 1876 in Brüssel stattfand, forderte Belgiens König Leopold II. gemeinsame Anstrengungen entwickelter Länder zur "wissenschaftlichen Erschließung" des Territoriums. Ziel war allein die Ausbeutung der bereits erkundeten oder vermuteten Bodenschätze. Obwohl das kleine Belgien selbst dazu nicht imstande war, proklamierte Leopold II. nach dem Scheitern der Brüsseler Konferenz die alleinige Kontrolle über den Reichtum des Landes. Er beauftragte Sir Henry Morton Stanley, entsprechende "Verträge" mit den jeweiligen Stammesführern abzuschließen. Missionare, Entdecker und Kaufleute überfluteten die Region.

Die Interessen Portugals, Frankreichs und Großbritanniens prallten hart aufeinander. 1884/85 fand die Berliner Konferenz statt. Die beteiligten Mächte vereinbarten freien Zugang für alle Staaten zum Inneren Afrikas und beschlossen die Unterbindung des Sklavenhandels, der die kapitalistischen Interessen behinderte. Die Flüsse Kongo und Niger wurden für die Schiffahrt geöffnet.

An die Stelle der Sklaverei trat der klassische Kolonialismus. Bis 1908 galt Kongo als durch Leopold und dessen Umgebung kontrollierter "Freistaat". Schwer bewachte Lager für "freie" Lohnsklaven wurden überall im Lande eingerichtet. Zunächst ging es vor allem um Elfenbein und Kautschuk. Afrikaner, welche die begehrten Rohstoffe nicht ablieferten, wurden grausam mißhandelt, gefoltert, verstümmelt und umgebracht. Zwischen 1876 und 1908 ließen die belgischen Kolonialisten acht bis zehn Millionen Menschen ermorden.

1908 wurde die direkte Kontrolle des Königshauses über Kongo beendet. Man baute von jetzt an eine reguläre Kolonialverwaltung auf.

Der afrikanische Widerstand nahm im Laufe der Zeit immer mehr zu. Ende der 50er Jahre forderte die Befreiungsbewegung ein Ende der belgischen Herrschaft. Als nationale Führergestalt der schwarzen Kongolesen trat nun Patrice Lumumba auf. Er stellte Kontakte auch zu fortschrittlichen Weißen her, die das Kolonialregime ablehnten. Unter seinen Freunden befanden sich Leute mit Kontakten zur sozialistisch-liberalen Regierungskoalition in Belgien, die 1954 als Sieger aus den Parlamentswahlen hervorgegangen war.

1958 besaß Lumumba bereits großes Ansehen in Kongos Hauptstadt Leopoldville. Er schuf eine antiimperialistische Partei, die Kongolesische Nationalbewegung (MNC), die sofort mit einflußreichen Kräften anderer afrikanischer Länder in Verbindung trat. Vor allem Ghanas Führer Dr. Kwame Nkrumah sicherte seine Unterstützung zu. Im Januar 1949 kam es in Belgisch-Kongo überall zu Aufständen. In Brüssel wurde bald darauf das "Grundgesetz über die Strukturen des Kongo" vom Senat verabschiedet und vom König ratifiziert.

Im Mai 1960 fanden im Lande allgemeine Wahlen statt, die von Lumumbas Partei gewonnen wurden. Am 24. Juni bildete er die Regierung. Sechs Tage später wurde Kongos Unabhängigkeit verkündet. Als Antwort inszenierten die alten Kolonialherren Meutereien und Rebellionen gegen das linksnationalistische Regime. Am 11. Juli verkündete der Multimillionär Moise Tschombe die Unabhängigkeit der Bergbauprovinz Katanga. Er bat die rassistischen Regimes in Rhodesien und Südafrika um Hilfe. Lumumba wandte sich an die Vereinten Nationen, die Blauhelme entsandten. Das war ein verhängnisvoller Fehler, stand doch der später ums Leben gekommene UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld auf der Seite der Todfeinde des Premiers. Nachdem sich die Intervention der UN-Truppen als Flop erwiesen hatte, ersuchte Lumumba die Sowjetunion um Unterstützung. Das löste in den USA die Alarmglocke aus. Präsident Eisenhower erteilte der CIA persönlich Order, Lumumba aus dem Weg zu schaffen. Kongos eingekaufter Staatspräsident Kasavubu wurde in das Komplott einbezogen. General Mobutu spielte eine finstere Rolle. Am 17. Januar 1961 wurden Patrice Lumumba, Jugendminister Mpolo und Senatspräsident Okoto in Katangas Hauptstadt Elisabethville bestialisch hingerichtet.

Nach dem Zusammenbruch des Mobutu-Regimes (1996/97) entstand in Kongo die Allianz der Demokratischen Kräfte für die Befreiung (ADFL). Ihr Führer war Laurent Kabila, ein früherer Anhänger Lumumbas. Er hatte nach 1961 die Kongolesische Revolutionäre Volkspartei gegründet, die sich für einen sozialistischen Entwicklungsweg engagierte.

Damals kam auch Che Guevara in das Land. Der Versuch, die proimperialistische Regierung zu stürzen, schlug allerdings fehl. Laurent Kabila spielte später eine maßgebliche Rolle bei der Vertreibung Mobutus.

1998 ermutigten die USA Uganda und Rwanda zu einer militärischen Intervention, um Kabila, jetzt Präsident, zu Fall zu bringen. Zimbabwe, Angola und Namibia durchkreuzten durch die Entsendung von Truppenkontingenten das westliche Komplott. 2003 wurde eine Verhandlungslösung gefunden. In diesem neuen Kolonialkrieg kamen etwa fünf Millionen Kongolesen ums Leben. Nach der Ermordung Laurent Kabilas am 16. Januar 2001 trat sein Sohn Joseph an Kongos Staatsspitze.

Im September 2008 wurde im Norden der DRK ein weiterer schwerer Konflikt vom Zaun gebrochen. Abermals mußten Hunderttausende fliehen. Gegen Kongos legitime Regierung traten "Rebellen" aus den Nachbarländern und einheimische Oppositionelle an. Regie führen wiederum multinationale Konzerne, die sich der Bodenschätze bemächtigt haben. Es geht um Mineralien von strategischer Bedeutung. Nicht zuletzt will man der VR China das Wasser abgraben, die wichtige Verträge mit der Regierung von Kabila jr. abgeschlossen hat. Die USA halten die Region am Kochen, um jederzeit in Zentralafrika intervenieren zu können. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF), dessen Direktor bekanntlich Horst Köhler war, spielte in Kongo einen üblen Part.

Übrigens liegt den Imperialisten besonders schwer im Magen, daß es ihnen bei den auch von Bundeswehreinheiten "abgesicherten" Wahlen Ende 2006 nicht gelungen ist, eine dem "Westen" genehmere Regierung ans Ruder zu bringen. Mit Antoine Gizenga steht ein enger Mitstreiter Patrice Lumumbas seitdem an der Spitze des Exekutive. Auch wenn sich die Zeiten geändert haben und sich Kinshasa den neuen Realitäten in Afrika stellen muß, ist das ein interessantes Detail.

R. F., gestützt auf Pan African News Wire und "Solidaire", Brüssel

Raute

Grenada: Unvergessener Maurice Bishop

Im März 1979 fand auf der Karibikinsel Grenada eine Volksrevolution unter Führung der antiimperialistischen und prokubanischen New-Jewel-Bewegung statt. Maurice Bishop, ihr charismatischer Führer, wurde Ministerpräsident. Doch die Volksmacht hatte nur viereinhalb Jahre Zeit, Veränderungen zu bewirken.

Am 19. Oktober 1983 wurden Bishop und fünf weitere Spitzenpolitiker des freien Grenada von abtrünnigen Regierungsmitgliedern, die zumindest objektiv in Koordination mit CIA und Pentagon handelten, brutal ermordet. Nur sechs Tage später befahl USA-Präsident Ronald Reagan die Landung Tausender Marineinfanteristen und Ranger. Grenadas beachtliche Errungenschaften wurden weitgehend zerschlagen.

Unter Maurice Bishop, der Fidel Castro nahestand, hatten die Kinder unentgeltlich Milch erhalten, waren eine neue Augenklinik, eine moderne Entbindungsstation und mehrere Zahnambulanzen entstanden. Für die Krankenbetreuung und den Oberschulbesuch wurden keine Gebühren mehr erhoben. Ein erfolgreiches Programm zur Bekämpfung des Analphabetentums und für die Ausbildung von Lehrern gehörte ebenso zur Bilanz der Volksmacht wie der Ausbau der Infrastruktur und die Kursnahme auf erweiterten Tourismus. Um ihn zu ermöglichen, hatten kubanische Arbeiter mit der Anlage eines neuen Flughafens für Düsenmaschinen begonnen. Sie wurden von den USA-Aggressoren als erste angegriffen und verteidigten sich tagelang.

Trotz des schweren Rückschlags, der mit dem Sturz der Revolutionären Volksregierung eingetreten ist, steht der Name Maurice Bishops auf der Insel nach wie vor in hohem Ansehen. Ihn trägt auch Grenadas wichtigste Autobahn.

R. F., gestützt auf Radio Havanna

Raute

China bestreitet 7,7 % des Welthandels

Das Handelsvolumen Chinas ist von 0,8 Prozent des Weltumsatzes im Jahre 1978 - dem ersten Jahr der Reform- und Öffnungspolitik - auf einen Anteil von 7,7 Prozent (2007) gestiegen, teilte das Nationale Amt für Statistik Ende Oktober mit. Damit war die Volksrepublik Dritter im Welthandel - nach den USA und der Bundesrepublik Deutschland.

1978 hatte China noch den 29. Rang eingenommen. Der Warenaustausch ist seitdem jährlich um 17,4 % gestiegen. Betrug er 1978 noch 20 Milliarden US-Dollar, so lag er 2007 bereits bei 2,17 Billionen Dollar. Er hatte damit einen Anteil von 66,8 % am Bruttonationalprodukt (Vergleichszahlen 1978: 9,7 %).

Der Prozentsatz von Industrieerzeugnissen am chinesischen Außenhandel erhöhte sich von 49,7 (1980) auf 94,9 (2007), während die Rohstoffausfuhr von 50,3 auf 5,1 % zurückfiel.

Unterdessen erreichte das in China investierte ausländische Kapital die Summe von 760,2 Milliarden Dollar. Die jährliche Wachstumsrate liegt bei 26,2 Milliarden Dollar. Die überseeischen Investitionen Chinas betrugen im Berichtsjahr 18,7 Milliarden US-Dollar.

Die Produktion von Energieträgern wuchs mit einem Jahresdurchschnitt von 4,7 % und überschritt 2,35 Milliarden Tonnen, in übliche Kohle umgerechnet. Das war der zweite Platz hinter den USA. Chinas Energieerzeugung deckte 90 % des inländischen Bedarfs.

Aus einem Bericht der Nachrichtenagentur Xinhua

Raute

Havanna: Brücke der Freundschaft

Im Kongreßpalast Havannas erhielten unlängst 165 chinesische Studenten des dritten Spanischkurses - insgesamt gibt es jetzt bereits 568 Absolventen aus der Volksrepublik - ihre Diplome. Weitere 1224 junge Leute aus dem fernöstlichen sozialistischen Land setzen unterdessen ihr Sprachtraining in einem Jahreskurs fort, der in Playa Tarará an der Peripherie der kubanischen Metropole stattfindet.

Wie "Granma Internacional" berichtete, legen die Studenten, die praktisch bei Null anfangen, Disziplin, Opferbereitschaft und den starken Willen an den Tag, die ihnen fremde Sprache zu erlernen. Die jungen Chinesen kommen von verschiedenen Universitäten und wollen ihre Spanisch-Ausbildung im Heimatland fortsetzen.

Die Absolventin Deng Ying brachte ihre Überzeugung zum Ausdruck, daß solide Sprachkenntnisse eine schrankenlose Kommunikation zwischen Angehörigen beider Völker ermöglichen und deren Freundschaft festigen werden. "Mit Idealen, Überzeugungen und Träumen beladen kehren wir nach Hause zurück", sagte sie, die - nach ihren Worten - beim Verlassen Chinas "zunächst sehr erwartungsvoll, aber auch sehr ängstlich gewesen" sei.

Die ausgezeichneten Beziehungen zwischen China und Kuba "brauchen neue Komponenten und frisches Blut", betonte Ding Shan, Geschäftsträger seines Lan-Havanna: Brücke der Freundschaft des in Havanna. Der Rektor der hauptstädtischen Universität, Rubén Zardoya, teilte mit, weitere tausend chinesische Studenten würden in Kuba erwartet. Der Austausch gehöre zum "Bau einer Brücke der Freundschaft, die von keiner historischen Konjunktur zerstört werden" könne.

R. F., gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

Raute

Er wollte "aller Welt zeigen, wie Geschichte gemacht wird"

Bushs Nahostpolitik war ein Fiasko

Am 27. November 2007 verkündete USA-Präsident George W. Bush, begleitet von großem Mediengetöse, den "Durchbruch" auf dem Weg zu einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten. Das war auf der "Nahost-Friedenskonferenz" in Annapolis. Der Herr des Weißen Hauses kündigte ein "entschlossenes Vorgehen der USA für einen Palästinenser-Staat" an. Dazu wollte er bis zum Ende seiner Amtszeit 2008 "unbedingt ein Abkommen erreichen" und "aller Welt zeigen, wie Geschichte gemacht wird." Das ist ihm insofern gelungen, als lange vor dem Abgang dieser kriegswütigen Administration ihr Projekt eines "neuen, größeren Nahen und Mittleren Ostens" in seinen sämtlichen Komponenten schmählich gescheitert ist. "Alle Welt" kann sich nun selbst überzeugen: Katastrophen in Irak und Afghanistan, den Weltfrieden dramatisch gefährdende Bedrohungsszenarien um Iran und Syrien ... Und im arabisch-israelischen Konflikt sind die Chancen für einen gerechten Frieden auf absehbare Zeit gleich Null.

Das liegt nicht an den Palästinensern, wie israelische Regierungen aller Couleur und ihre amerikanischen und westeuropäischen Partner glauben machen wollten und wollen. Und es liegt keineswegs nur daran, daß Israel gerade mal wieder keine handlungsfähige Regierung hat. Uri Avnery, Pionier der israelischen Friedensbewegung und unbeirrbarer Streiter für israelisch-arabische Verständigung, bringt es auf den Punkt: "Es ist auf beiden Seiten schwierig. Aber natürlich hängt es von Israel ab, weil wir die Eroberer und Besatzer sind. Da wir bei weitem die stärkere Seite sind, hängt es von uns ab, ob Frieden zustande kommt. Die israelische Politik in den letzten zehn Jahren will keinen vereinbarten Frieden, weil dieser dazu führen wird, daß Israel die besetzten Gebiete aufgeben muß."

Angesichts dessen klingt es wie Hohn, wenn Ehud Olmert, nachdem er als israelischer Ministerpräsident seinen Rücktritt erklärt hat, eingesteht, er sei 35 Jahre lang "unwillig gewesen ..., die Wirklichkeit in all ihrer Tiefe zu sehen." Für ein Abkommen mit den Palästinensern müsse Israel "aus fast allen Gebieten, wenn nicht aus allen" abziehen. Was Israel von den besetzten Gebieten behalten wolle, müsse den Palästinensern anderswo ersetzt werden, "sonst gibt es keinen Frieden". Das gelte auch für Jerusalem "mit einer besonderen Lösung, die man sich in Bezug auf den Tempelberg und die heiligen und historischen Stätten vorstellen kann". Die Rückgabe von Teilen der Stadt sei Voraussetzung für ein sicheres Jerusalem. Wer die ganze Stadt für sich wolle, habe am Ende 270.000 Araber innerhalb der Zäune des souveränen Jerusalem. Das gehe nicht. Es ist derselbe Olmert, der bisher stets das "auf immer vereinigte Jerusalem" beschworen hatte. Und dieser Mann will auch die Golanhöhen an Syrien zurückgeben ... "als Preis für den Frieden mit diesem Nachbarn". Nun, beim Abschied aus der aktiven Politik, bekennt er, jahrzehntelang eine falsche Politik verfolgt zu haben ...

Wieviel Leid wäre den betroffenen Völkern, Israelis wie Palästinensern und darüber hinaus allen arabischen Nachbarn Israels, erspart geblieben, hätte Tel Aviv diese Erkenntnisse schon früher ernst genommen. Aufrichtige israelische Politiker und Publizisten, denen Frieden und Sicherheit ihrer Heimat am Herzen lagen und liegen, fordern das seit den Eroberungen des Juni-Krieges von 1967. Israels Regierungen, immer mit voller Unterstützung der USA, haben über 40 Jahre ein brutales Besatzungsregime ausgebaut, unter dem letztlich sowohl die Palästinenser als auch die Israelis leiden. Und der "Geschichtsgestalter" Bush hat keinen Zweifel daran gelassen, daß er diese israelische Position nicht nur unterstützt, er hat die Israelis darin bestärkt und dazu ermuntert.

Die USA hätten es anders gekonnt. Die Palästinenser, die PLO und Präsident Mahmoud Abbas haben ein Übermaß an Entgegenkommen aufgebracht, praktisch alle amerikanischen Forderungen erfüllt. Bereits Yassir Arafat hat mit der Unterzeichnung des "Oslo-Abkommens" im September 1993 vor dem Weißen Haus in Washington im Beisein von USA-Präsident Clinton 78 Prozent des Landes Palästina, wie es bis 1948 bestanden hat, aufgegeben. Schließlich hatten der damalige Palästinenserpräsident sowie die israelischen Politiker Rabin und Peres dafür den Friedensnobelpreis 1994 erhalten - nicht unwesentlich auf Betreiben der USA-Administration.

Jedoch auch an Hamas würde ein gerechter Frieden nicht scheitern, wenn von Israel und den Vereinigten Staaten glaubwürdige Schritte dazu ausgingen. Das haben Hamas-Repräsentanten im Gaza-Streifen und im Exil mehrfach unmißverständlich zum Ausdruck gebracht.

Ziehen wir Bilanz für das seit Annapolis verstrichene Jahr: Nicht eines der großmäuligen Versprechen wurde eingelöst. Keine Spur von einem realistischen Abkommen ... Weder wurde die Situation der Palästinenser verbessert noch deren und das Leben der Israelis sicherer. Die Friedensaussichten blieben auf der Strecke ...

Uri Avnery, der einst für den unabhängigen Staat Israel sein Leben einsetzte, dann als Knesseth-Abgeordneter das Gespräch mit Arafat und der PLO suchte, konstatiert: "Was ausschlaggebend ist: Die israelischen Siedlungen im Westjordanland werden erweitert, und dadurch wird der Frieden täglich noch schwieriger, als er schon ist  ... Gewisse Kreise in Israel sind nicht am Frieden interessiert - weil er unbedingt bedeutet, daß die Siedlungen im Westjordanland aufgelöst werden. Die Siedler und ihre Anhänger sind eine kleine, aber sehr gewalttätige und sehr starke Minderheit im Lande. Die Regierung hat Angst vor einer Konfrontation. Darum hat keiner den Mut, zu einem Frieden zu kommen ... Die USA unterstützen völlig einseitig die schlimmsten Elemente in Israel. Europa ergreift aus Feigheit überhaupt keine Initiative im Nahen Osten, weil es die USA-Vorherrschaft dort anerkennt. Das berechtigte schlechte Gewissen von Deutschland und von Europa macht es der europäischen Politik und Presse unmöglich, objektiv in diesem Konflikt zu sein. Europa hat schon vor vielen Jahren abgedankt ... Die einzige Macht im Nahen Osten sind die USA."

Den Palästinensern bleibt nur, den Kampf fortzusetzen, in dessen Ergebnis für sie ein sicheres, menschenwürdiges Leben erreicht werden muß. Möge sich die gewagte Hoffnung erfüllen, daß der neugewählte USA-Präsident Barack Obama dafür sorgt, daß beide Völker in baldiger Zukunft in Sicherheit und Frieden leben können. Auf imperialistische "Geschichtsgestalter" à la Bush aber sollte niemand mehr vertrauen!

Bernd Fischer

Raute

Zur Lage im britischen Steinkohlebergbau

Wird der Abstieg aufgehalten?

Gut zehn Prozent der erkundeten europäischen Vorräte an Steinkohle lagern in Schottland. 1983/84 - ein Jahr vor dem grandiosen Bergarbeiterstreik - beschäftigte der National Coal Board, die Dachorganisation der durch die Labour-Regierung verstaatlichten, da damals defizitären 170 Gruben des Landes, noch 191.700 Kumpel. Sie förderten 90,1 Millionen Tonnen Steinkohle. Die Bergleute waren eine gewaltige Kraft in Großbritannien, zumal sie im kämpferischen Gewerkschaftsverband NUM (National Union of Mineworkers) unter dem vom linken Labourflügel kommenden Arthur Scargill eine entschlossene Führung besaßen.

Seit 1984 ging es mit dem Industriezweig rapide bergab. Es kam zu Massenentlassungen, was die Arbeitslast der in den Schächten Verbleibenden ganz wesentlich erhöhte. Die Antwort auf die rabiate Ausbeutung war der große Bergarbeiterstreik von 1985, der das gesamte Grubenrevier auf Monate lahmlegte. Der staatliche Unterdrückungsapparat ging mit äußerster Härte gegen die Kumpel vor. Streikbrecher und eine gelbe Gewerkschaft, die UDM (Union of Democratic Mineworkers) wurden auf die im Ausstand Befindlichen angesetzt, um den erbitterten Widerstand der Arbeiter zu brechen. 1986 reprivatisierte die nach Wahlen ans Ruder gelangte konservative Regierung den Bergbau.

Sein weiterer Abstieg verlief dramatisch, zumal der umweltverschmutzende Rohstoff zum Betrieb von Kohlekraftwerken immer mehr aus der Mode kam. 1992/93 fuhren nur noch 31.700 Bergleute in 17 Gruben ein. Sie förderten allerdings 61,8 Millionen Tonnen Kohle.

Schon während und nach dem großen Streik hatte der Tory-Staat alle Register gezogen, um die NUM als Klassenorganisation zu zerschlagen. So wurde z. B. in Nottingham das gesamte Gewerkschaftsvermögen durch Gerichtsbeschluß an den Streikbrecher-Verband UDM übergeben. Um die in den Schächten verbliebenen weniger als 4000 Kumpel, die 2006/07 in nunmehr 19 Bergwerken 77.700 t Kohle zutage brachten, wird seitdem erbittert gerungen. Der UDM blieb der entscheidende Durchbruch versagt. Ihr gehören derzeit nur 1293 Mitglieder - davon 836 allein in Nottingham - an, während die NUM, in der auch zahlreiche Bergbauveteranen organisiert sind, 6154 Gewerkschafter vermeldet. Derzeit sind Bestrebungen im Gange, einen weniger engagierten Mann an die Spitze der NUM zu bugsieren. Die von den Minenbossen ausgehaltene UDM setzt die spalterischen Traditionen der sogenannten Spencer Union fort, die zwischen den beiden Weltkriegen eine besonders üble Rolle gespielt und 1926 die kämpferische Bewegung der Grubenarbeiter gespalten hatte. Die linken Kräfte in der NUM treten demgegenüber für das Zusammengehen an der Basis beider Verbände ein.

Die britischen Bergleute hegen die Hoffnung einer Wiederbelebung des Industriezweigs, die neue Arbeitsplätze schaffen könnte. Schottlands Erster Minister Alex Salmond unterstützt Bestrebungen, eine "saubere Kohletechnologie" zu entwickeln, was die Rückkehr zu einer modernisierten Variante traditioneller Heizkraftwerke ermöglichen soll. In der Vergangenheit war die Losung "Kohle ist zu schade fürs Verbrennen" angesichts der offenkundigen Ineffizienz dieses Energieträgers aufgekommen. Jetzt geht es um verstärkte Ausnutzung des Wärmeeffekts und - wie bereits in China und Südafrika praktiziert - um Herstellung von Dieselöl aus Steinkohle.

R. F., gestützt auf "The Socialist Correspondent", London

Raute

Rezession überschattet Obamas Amtseinführung

Dramatische Jobverluste in den USA

Barack Obamas Sieg wurde durch die gesamte amerikanische Linke, einschließlich der KP der USA, vor allem aus zwei Gründen als Triumph der Demokratie gefeiert: Weil der bushistische Gegenkandidat, Bomberpilot McCain, geschlagen und weil zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten ein schwarzer Präsident gewählt worden ist. Das geschah, obwohl eine deutliche Mehrheit der weißen Wähler gegen ihn stimmte, was beweist, daß der Rassismus in den USA alles andere als überwunden ist. Hätte in den Vereinigten Staaten das Verhältniswahlrecht gegolten, nicht aber das Prinzip "Winner takes all" - der Sieger in einem Bundesstaat erhält sämtliche Wahlmänner zugesprochen -, dann wäre das Ergebnis sogar relativ knapp ausgefallen (53:47).

Sieht man von den hier genannten Vorteilen des Obama-Sieges ab, dann ist fast alles beim alten geblieben. An der Staats- und Gesellschaftsordnung der USA hat sich durch die Wählerentscheidung nichts geändert. Obama - Hoffnungsträger der Armen und der Farbigen wie des Kapitals - dürfte an den Zuständen nur wenig ändern können. Der Alltag wird ihn bald einholen. Was kennzeichnet ihn?

Das US-Arbeitsministerium kann das wahre Ausmaß des Job-Rückgangs nicht so gut verschleiern, wie andere das tun. Es bedürfte des Ratschlags der BRD-Experten im Herunterredigieren absoluter Erwerbslosenzahlen und im Erfinden immer neuer prekärer oder Schein-Arbeitsverhältnisse. Vielleicht könnte man auch in den USA ein paar Millionen aus ihren Berufen Geflogene halbjährig "umschulen", wie das in dem von der Ackermann-Merkel-Gang beherrschten und verwalteten Staat der Fall ist.

Doch zur Sache: Seit zwölf Monaten steigt die prozentuale und absolute Zahl registrierter Arbeitsloser in den USA ständig an. Die Rezession hämmert an die Tore. Im August 2008, dem Monat der Erhebung des Ministeriums - lag die offizielle Rate bei 6,1 Prozent. Allein in jenem Monat verloren 84.000 Amerikaner ihren Job. Nur bei Kfz-Zulieferern wurden 38.000 blaue Briefe geschrieben. Seit Jahresbeginn 2008 nahm die Zahl der Erwerbslosen um 2,7 Millionen zu. Am 31. August zählte man 9,4 Millionen. Besonders dramatisch stieg der Anteil Langzeitarbeitsloser.

Die amtlichen Angaben verbergen indes auch in den USA insofern die Wahrheit, als Teilzeit-Arbeitsverhältnisse grundsätzlich als Full-Time-Jobs registriert werden. Nicht erfaßt sind auch Millionen illegaler Einwanderer ohne gültige Papiere. Das gleiche gilt für 1,6 Millionen Menschen, die bereits kapituliert haben. Hinzu kommen rund 2,3 Millionen Strafgefangene, von denen die meisten für ein paar Cents Sklavenarbeit verrichten. Sie tauchen in der Statistik nicht auf.

Die Ziffern des US-Arbeitsministeriums gehen vom nationalen Durchschnitt aus. Bei Latinos und Afroamerikanern tendiert der Anteil Arbeitsloser zum zweistelligen Bereich. Für Schwarze wurden im August 10,6 Prozent angegeben.

Wovon man auch ungern spricht, ist die besonders hohe Zahl arbeitsloser Jugendlicher. In den letzten drei Monaten vor dem Stichtag nahm sie um 555.000 zu. Die USA-Bundeshauptstadt Washington, New York City, Detroit und Chicago melden Jugendarbeitslosigkeitsraten von über 80 Prozent. Dieser knappe Bericht, der ausnahmslos auf amtlichen Zahlen fußt, zeigt die schwere Hypothek, die auf den Schultern des gewählten Präsidenten lastet. Mit einem verbalen Bekenntnis zum Wechsel (Change) und voluntaristischen Kraftakten dürfte der sich verschärfenden Rezession kaum beizukommen sein.

Eben kommen die Dezemberzahlen: Jetzt liegt die Arbeitslosenrate bereits bei 6,7 % - eine halbe Million neue Joblose in vier Wochen!

R.F., gestützt auf "Workers World", New York

Raute

Walter Ruge gegen das inszenierte Vergessen

Mit dem Gedächtnis der Menschen steht es nicht gerade zum besten. Dieser Verdacht drängt sich insbesondere dann auf, wenn von den "Schändlichkeiten des vergangenen Jahrhunderts", die ihre Spuren bis in unsere Tage ziehen, die Rede ist. Faschismus und Krieg waren, so urteilt Walter Ruge, möglich, "weil mit allen Mitteln das 'Vergessen' kultiviert wurde". Mit seinem Buch "Wider das Vergessen", das 2008 im GNN-Verlag erschien, will er festhalten, was nicht für immer im Dunkel der Geschichte versinken darf. Denn heute sieht man wieder "deutsche Verbände", diesmal als Mitglied der NATO, "mit alten Generalstabskarten am westlichen Bug, vor Brest, genau da, wo sie bereits am 22. Juni 1941 in den Startlöchern standen". Doch auch anderswo auf der Welt wird dem großen Kapital der "notwendige Schutz des Zugangs zu den Rohstoffen" garantiert. Deutschlands Ambitionen sind auf dem Vormarsch, eingebettet in "Landser-Hefte, Witwen-Memoiren der Nazi-'Größen', Talkshows und endlose TV-Serien, die von immensen deutschen Opfern und 'unserem Führer' erzählen".

Diese Entwicklung verfolgt Walter Ruge (93) mit tiefer Sorge, zumal sich die Stimmen mehren, die verlangen, endlich einen Schlußstrich unter die braune Vergangenheit zu ziehen. Aber genau das darf nicht geschehen. Wir stehen in der Pflicht, sagt er, gerade den Jungen zu helfen, "Gefühle der Verantwortung, ja der Scham - nicht der Schuld - zu bewahren" und ihnen "weit über allgemeine Appelle und Mahnungen hinaus" Partner auf der Suche nach der Wahrheit zu sein.

1990 entschloß er sich, eine Mappe für seinen Enkel, der damals noch nicht geboren war, anzulegen, um dort alles von ihm im Laufe der Jahre Verfaßte zu verwahren, bis es eines Tages, vielleicht in 20 oder 30 Jahren, so hofft Walter Ruge, Eingang in Herz und Verstand eines anderen Menschen findet. Inzwischen liegt das Aufgeschriebene in Form eines Buches vor und ist damit für viele zugänglich geworden, wofür dem Autor ausdrücklich zu danken ist.

Eigentlich war er der Meinung, mit "Treibeis am Jenissei" über sich und seine Weltsicht bereits so ziemlich alles gesagt zu haben. Dann jedoch stellten sich Ereignisse ein, die - jedes für sich genommen - ein eigenes Buch wert gewesen wären: Mit der Annexion der DDR durch die BRD 1989/90 brach sich erneut Bahn, was Walter Ruge bereits einmal als junger Mensch erlebte. Aber auch ein langgehegter Wunsch - Reisen an den Jenissei (2006) und den Baikal (2007) - ging in Erfüllung. Von nicht geringerer Bedeutung für ihn waren wieder aufgefundene, schon verloren geglaubte alte Briefe - alles einmalige, außergewöhnliche Vorgänge, die festgehalten sein wollten. In dem vorliegenden 300 Seiten umfassenden Werk sind sie zusammengetragen - in Erinnerung an den im Leningrader Piskarjow-Memorial eingemeißelten Gedanken: Niemand ist vergessen, und nichts ist vergessen!

Unter den Hunderttausenden während der 900 Tage dauernden faschistischen Blockade von 1942 bis 1944 verhungerten Leningradern sind auch vier Verwandte von Irina Andrejewna, der Frau Walter Ruges. Sie selbst befand sich mehr als ein Jahrzehnt in einem Lager am Jenissei - schuldlos. Briefe, die sie zwischen 1949 und 1951 an ihre Mutter schrieb, sind in Walter Ruges Buch als eindrucksvolles Zeugnis menschlicher Größe dokumentiert. Der Öffentlichkeit werden auch Briefe aus den Jahren 1953 und 1954 vorgestellt, die der Autor damals von den Breiten des nördlichen Polarkreises - selbst inhaftiert - an seine Mutter in Potsdam richtete. Doch Walter Ruge ist, trotz des ihm zugefügten Unrechts, Kommunist geblieben. Und er liebt das sowjetische Land, in dem er "ganz persönlich zutiefst verankert" ist, seine Bewohner, deren Musik und Literatur, seine Weiten, Gebirge, Wälder und Flüsse.

Der Autor hat 33 sehr unterschiedliche Themen, die einmalige "Momentaufnahmen dieses Jahrhunderts festhalten", mit seiner unverwechselbaren Handschrift bearbeitet und in sein Buch aufgenommen. Sie bringen uns Menschen nahe, deren Lebensgeschichte reich an Visionen, Illusionen, Träumen und vor allem an Willenskraft und Würde war. Sie erzählen von den vielfarbigen Facetten des Lebens in der Sowjetunion und den gesellschaftlichen Zuständen im heutigen Rußland wie von dem, was die konterrevolutionäre Entwicklung seit 1989 aus der DDR und ihren Bürgern gemacht hat. Die Beiträge ermöglichen vor allem auch einen kleinen Einblick in das Denken und Fühlen Walter Ruges, der mit scharfem Verstand, unbestechlichem Gedächtnis, tiefsinnigem Humor und beneidenswerter Lebensweisheit nicht müde wird, gegen das inszenierte große Vergessen anzutreten.

Bruni Steiniger

Walter Ruge, Wider das Vergessen, GNN-Verlag, Schkeuditz 2008, 256 S., 15 Euro

Raute

Älteste aktive Autorin: Elfriede Brüning

Über Elfriede Brüning kann man eigentlich jederzeit schreiben. Immer gibt es etwas Neues aus ihrem nun 98 Jahre währenden Leben zu berichten. Nicht nur, daß sie zur Zeit die älteste aktive Autorin Deutschlands ist, sondern auch, daß sie ihr Dasein stets kämpferisch und mutig gestaltet hat. Das begann schon, als sie sich 1930 der KPD anschloß. Später wurde sie als am Widerstand teilnehmendes Mitglied des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller von der Gestapo verhaftet. Nach 1945 engagierte sie sich zunächst für die antifaschistisch-demokratische Ordnung und trug später als Journalistin und Schriftstellerin zur sozialistischen Neugestaltung der Gesellschaft in hervorragender Weise bei.

Im Mittelpunkt ihres Schaffens standen stets Frauen und junge Leute. Immer wieder gelang es ihr, deren Schicksal so in der realen Welt anzusiedeln, daß ihre Romane lebensnah und für andere nachvollziehbar wurden. Ihre große Leserschar dankte es ihr mit lebhaftem Interesse für jede Neuerscheinung. Die Bücher wurden - bisweilen auch kontrovers - diskutiert und dienten manchen sogar als unmittelbare Anleitung zum Handeln, zumal die Autorin ihre reichen Lebenserfahrungen einbrachte. So wurden aus Empfängern ihrer Botschaft wirkliche Mitgestalter einer neuen deutschen Literatur.

In den Jahren des Bestehens der DDR wurden dort anderthalb Millionen Exemplare gedruckt und verkauft. Mit Recht kann sich Elfriede Brüning zu den erfolgreichsten Literaten der Republik zählen. Dennoch: Sie hat immer um dieses Erleben hart kämpfen müssen. Ihr mutiger Geist ist ihr auch unter den heutigen Bedingungen nicht abhanden gekommen. Das konnten die vielen Gäste in der Ladengalerie der "jungen Welt" empfinden, die zur Premiere ihres neuen Buches "Ich wollte immer schreiben, unbedingt ... Briefwechsel mit Zeitgenossen 1930 bis 2007" gekommen waren.

Mit feinem Gespür und in Kenntnis der DDR-Wirklichkeit erarbeitete Eleonore Sent diesen umfänglichen Korrespondenzband im Auftrag des Dortmunder Hüser-Instituts. Sie benutzte dazu Elfriede Brünings Sammlung, die sich bereits als Vorlaß (Vorab-Erbe) in der nordrhein-westfälischen Metropole befindet. Die lebhafte Diskussion bestritt die Nestorin mit liebenswürdigem Lächeln, geistiger Frische und Schlagfertigkeit, wobei ihr Sabine Kebir als einfühlsame Moderatorin zur Seite stand. Dabei kam die reiche Lebensweisheit der namhaften Schriftstellerin zum Tragen, wurden die enorme Spannweite ihres Schaffens, die Huldigung ihrer Leser, aber auch die Nonchalance ihrer literarischen Zeitgenossen erkennbar.

Als die Veranstaltung zu Ende ging, zeigte sich die Autorin mit dem Abend zufrieden. Sie fühlte sich bereichert um das Wissen, daß sie wie eh und je mit der Sympathie und Verbundenheit ihrer alten und jüngeren Leser rechnen kann. Dabei spielt sicher auch deren Wunsch eine Rolle, eine weitere Veröffentlichung aus ihrer Feder zu erleben.

Bibliotheksrat Hanna Spiegel, Oranienburg

Raute

Viel Geschwätz und wenig Wolle

Theaterdonner

Nein, die Inquisition war es nicht. Der Herr wurde auch nicht mundtot gemacht. Ein Konflikt sollte öffentlich ausgetragen werden. Möglich, daß mancher dachte, die Aktion würde vielleicht wirklich etwas bringen. Nun, sie ging erwartungsgemäß aus wie das Hornberger Schießen. Widerrufen wurde nicht, allenfalls in der Form, daß man im Anonymen hängen blieb. Ein Revolutionär ist Reich-Ranicki wirklich nicht. Wer so schnell den Schwanz einzieht, dessen Kritik kann nicht ernst genommen werden.

Da stellt sich der Mensch auf die Bühne oder setzt sich ins Studio, und man hat den Eindruck, er wisse nicht, was er eigentlich wolle. Ob es rechtliche Konsequenzen haben würde, wenn er die Dinge beim Namen genannt hätte, weiß ich nicht. Es sah jedenfalls so aus, als ob er spezielle Sendungen, die etwas von dem unterstreichen könnten, was er gemeint hat, nicht nennen wollte oder nicht kennen würde. Seine Vorschläge sind ein Tropfen auf den heißen Stein: Wenn man z. B. einige der Shakespeare-Komödien verfilmen wollte (wurde übrigens schon vielfach getan), spielten diese bei dem Sendeumfang von heute keine Rolle. Allein Literaturverfilmungen, -adaptionen o. ä. sind es nicht, die das Fernsehen verändern könnten.

Ursprünglich hatte R.-R. offenbar die Absicht, die Sender mit ihren Inhalten und Macharten in der Gesamtheit zu kritisieren. Dann hätte er es aber in den Kontext des gesellschaftlichen Umfeldes bzw. der ihnen zugedachten oder zugestandenen Rolle stellen müssen. Das brachte er nicht einmal ansatzweise zum Ausdruck.

Nun spielt ja immer das Argument mit, daß du ja wegschalten kannst, wenn dir etwas nicht gefällt, daß man seinen Sender freiwillig wählen kann. Bei aller Freizügigkeit, die man bei dieser Wahl hat, gäbe es den von dir frei gewählten Sender gar nicht, wenn der nicht eben seine bestimmte Klientel bedienen und im Sinne der für die Beibehaltung der Gesellschaftsverhältnisse wichtigen allgemeinen Meinungsmanipulation beeinflussen würde.

Natürlich brauchst du dir keine Pannenshow anzusehen, falls es nicht dein Ding ist, wenn sich Kinder irgendwo den Kopf stoßen und eine eingespielte Lachsalve dir anzeigt, daß das etwas zum Lachen sei. Du mußt auch kein Dschungelcamp inhalieren, wo honorargierige "Prominente" in ihrer Dummheit nicht wissen, was sie tun. Und der Betrug mit der sogenannten "Volksmusik" ist ebenfalls nicht jedermanns Sache, weil man weiß, daß alle Titel im Playbackverfahren serviert werden und in völlig identischer Art schon hundertmal eingespielt worden sind. Natürlich sind die Vorrunden zu "Deutschland sucht den Superstar" eine Zumutung, und selbst zum Finale hin kannst du nicht immer mit einem Paul Potts rechnen. Oder du fragst: Was sollen die Küchenrezepte der Promis, die ich sowieso nicht nachkoche und die mich permanent an den Hunger in der Welt erinnern. Natürlich mußt du nicht die täglich angebotenen, inszenierten Gerichtsverhandlungen oder die nach einem leicht zu überblickenden Muster ablaufenden Telenovela-Serien verfolgen. Wer verlangt von dir, eine Talkshow anzusehen, wenn da zehn Leute sitzen und darauf warten, bis ins Intimste ausgefragt zu werden. Oder hat bei den Politikerrunden jeglicher Machart irgendein "Gespräch" schon einmal zu einem Ergebnis geführt?

Das alles war nur eine Auswahl aus dem vielfältigen Angebot, was man "freiwillig" wählen kann, falls man es möchte. Wer aber will nicht fernsehen, wenn man die Gebühren dafür sowieso bezahlen muß? Apropos: Von den Gebühren werden ja nur Sendungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten finanziert, auch die Spielfilme, die uns über politische Ereignisse von vor etwa zwanzig Jahren so "richtig", "objektiv" und "überzeugend" informieren. Aber die wurden ja auch mit dem Fernsehpreis geehrt. Und so stelle ich sie ebenfalls in die Reihe der anderen Genannten.

Übrigens: Mit der Freiwilligkeit ist das so eine Sache. In einer Szene von Brechts "Furcht und Elend des Dritten Reichs" wird gefragt, wie man einen Hund dazu bringt, freiwillig Senf zu fressen. Du mußt ihn nur mit seinem Hinterteil in einen Napf mit Senf tunken, da leckt er den Senf von allein ab und zwar freiwillig.

So, liebe Fernseher, geht es uns allen, dem einen mehr, dem anderen weniger.

Die von R.-R. beklagte Verdummung der Menschen durch das Fernsehen findet wirklich statt. Wenn man allerdings die Liebe erklären will und sie nur platonisch kennt, ist das wenig überzeugend. Und so scheint mir, daß R.-R. selbst auf der Strecke geblieben ist, weil er persönlich zu sehr in dieses System eingebunden ist und letztendlich als Nestbeschmutzer dasteht. Mir fallen auf die Schnelle zwei Redewendungen dazu ein: "Theaterdonner ist besser als gar kein Wetter" und "Die Hunde bellen, aber die Karawane zieht weiter."

Horst Birkholz

Raute

Nichts übers Knie brechen

In den RF-Ausgaben vom Juli und September wurden zwei Vorschläge unterbreitet, wie man mit Publikationen zur DDR-Geschichte verfahren sollte. In einer Zuschrift hieß es, die DDR-Geschichte solle völlig neu geschrieben werden, in einer anderen wurde empfohlen, bereits zu DDR-Zeiten erschienene Materialien wieder zur Hand zu nehmen.

Beide Vorschläge scheinen mir nur bedingt richtig zu sein. Warum?

Es liegt auf der Hand, daß historische Prozesse, Akteure, Resultate usw. sowie deren Widerspiegelung in der Geschichtsschreibung stets von Raum und Zeit bestimmt werden. Jede veränderte Situation und die in ihr handelnden Menschen stellen dann neue - andere - Fragen an die Geschichte und deren Bewertung. Das ist erst recht der Fall, wenn es sich um zusammenfassende Themen (wie die Geschichte des Staates DDR) oder um qualitativ sehr bedeutsame, einschneidende Ereignisse wie den Untergang des Sozialismus auf deutschem Boden und im europäischen Maßstab handelt.

Was heißt das?

Eine DDR-Geschichte nur "mal so", möglichst "auf die Schnelle" niederzuschreiben, ist ganz unmöglich. Sie kann nur das Ergebnis systematisch arbeitender Historiker, Spezialisten der DDR-Geschichte sein, und dürfte einen längeren Zeitraum beanspruchen.

Bedenken sollte man auch: Die bedeutenden DDR-Historiker sind 1990/91 aus den Universitäten und Hochschulen systematisch entfernt worden.

Gegenwärtig ist der Zugang zu Archivmaterial zwar erleichtert, zumindest, was die Geschichte der DDR betrifft. Wichtige Archive der Alt-BRD - so die von BND/MAD und Auswärtigem Amt - erschweren ihn aber außerordentlich. Es liegt bereits eine Fülle von Einzelpublikationen zur DDR-Thematik vor. Diese sind natürlich - wie alle Veröffentlichungen - kritisch zu hinterfragen. Sie aber als Quelle ebenso wie Werke bürgerlicher Wissenschaftler gänzlich abzulehnen, halte ich für falsch. Überdies wäre das wenig marxistisch. Bedenken wir des weiteren, daß die DDR-Geschichtsschreibung wie auch andere Chroniken (UdSSR, kommunistische Bewegung, antifaschistischer Widerstand), besonders bei politisch bedeutsamen Themen, einer gewissen Tabuisierung unterlagen. Der Marxist Prof. Dr. Kurt Pätzold berichtet in seiner Autobiographie davon.

Dr. Peter Fisch

Raute

Ein Leuchtturm der proletarischen Literatur: Willi Bredel

Vom Dreher zum Akademiepräsidenten

Zeitgenossen rühmten Willi Bredels Bescheidenheit und Humor. Walther Victor schrieb in seinen Erinnerungen: "Willi Bredel hatte etwas zu lachen, sein lachendes, jungenfrohes Gesicht hört nicht auf, uns unvermittelt in Erinnerung zu kommen. Es war in seinen Augen etwas von einer grenzenlosen Neugier, Lebensneugier möchte ich es nennen, er wollte sofort und alles wissen, gewiß, daß es gute, neue, erfolgreiche, weltverändernde Dinge sein würden. Dieser große Junge - und das blieb er bis zum letzten Tage! - war davon überzeugt, daß es vorwärts ging, daß es etwas zu lachen gab."

Bereits zu Lebzeiten Willi Bredels - der 1901 Geborene starb schon 1964 - kündigte der Aufbau-Verlag 1962 eine achtbändige Werkausgabe an, deren erste Bände anläßlich seines 70. Geburtstages erschienen. Später wurden die "Gesammelten Werke in Einzelausgaben" auf 14 Bände erweitert und die Gesamtausgabe 1976 mit der Publizistik des Schriftstellers abgeschlossen. 1981 betrug die Auflage der bei Aufbau erschienenen Bredel-Bücher mehr als 1,5 Millionen Exemplare. An der Spitze lag der Roman "Die Väter" mit 30 Auflagen und mehr als 400.000 Exemplaren. Aus Bredels Nachlaß erschien 1976 die umfangreiche Erzählung "Peters Lehrjahre", die er 1942/43 während des Krieges geschrieben hatte. Der vierzehnjährige Peter gelangt während eines Landeinsatzes der Hitler-Jugend an den Drehpunkt seines Denkens und erinnert sich der Mahnung der Eltern: "Und laß dir kein Unrecht gefallen!"

Ein weiteres umfangreiches Werk Bredels wurde 1975 wiederentdeckt: die 1937 bis 1939 geschriebene "Geschichte der 11. Internationalen Brigade", die neben anderen Arbeiten 1978 im Aufbau-Verlag unter dem Sammeltitel "Spanienkrieg" erschien. Die zweibändige Ausgabe, die Manfred Hahn herausgab, enthielt auch die Urfassung der "Begegnung am Ebro", Protokolle, Reportagen, Dokumente und Tagesberichte.

1968 veröffentlichte die Bredel-Kennerin Lilli Bock den erweiterten Band der Reihe "Schriftsteller der Gegenwart" über diesen Autor. Walther Victor machte mit seinem "Bredel-Lesebuch" Leben und Schaffen einem breiten Publikum bekannt. Die Leiterin des Willi-Bredel-Archivs Gerda Weißenfels brachte 1976 im Eulenspiegel-Verlag ein Bändchen Anekdoten unter dem Titel "Faust auf der Reeperbahn" heraus, in das größtenteils unveröffentlichte Materialien aufgenommen wurden.

Zum 65. Geburtstag des Schriftstellers benannte man die Buchhandlung am Berliner Rathaus nach Willi Bredel. Der damaligen Stadt- und Bezirksbibliothek Rostock wurde aus gleichem Anlaß sein Name verliehen. Der Komponist Wilhelm Neef schuf nach Bredels Novelle "Das verurteilte Dorf" eine Oper, die ihre Erstaufführung 1971 am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin erlebte. An dem Kolloquium "Arbeiterklasse und Literatur" zu Bredels 70. Geburtstag 1971 nahmen 170 Literaturwissenschaftler und Bibliothekare in Schwerin teil. Zu seinem 75. Geburtstag zeigte die Berliner Stadtbibliothek eine Willi-Bredel-Ausstellung, in der eine umfassende Übersicht über sein Wirken vom ehemaligen Dreher bis zum Präsidenten der Akademie der Künste der DDR gegeben wurde.

Wiederholt wurde versucht, die Persönlichkeit Willi Bredels künstlerisch zu gestalten. Die Bildhauer Johannes Friedrich Rogge, Gerhard Rommel, Hans Eickworth und Klaus Freytag sowie die Maler Bert Heller und Heinz Wodzicka und die Grafikerin Elizabeth Shaw schufen entsprechende Werke. 1968 gestalteten Peter Gugisch und Rolf Gumlich eine funkdramatische Bearbeitung von Bredels Roman "Die Väter", Regie führte bei der achtteiligen, beeindruckenden Hörspielfolge Fritz-Ernst Fechner. Für den dreiteiligen Fernsehfilm "Verwandte und Bekannte" schrieb Hans-Albert Pederzani das Drehbuch, Regisseur war Georg Leopold. Der Fernsehtrilogie über den Erkenntnisweg des Johann Hardekopf - gespielt von Gerhard Bienert - lag Bredels Roman "Die Väter" zugrunde. 1981 diente der Roman "Dein unbekannter Bruder" als Vorlage für den gleichnamigen DEFA-Film von Ulrich Weiß. Nach Motiven von Bredels Erzählung "Peters Lehrjahre" drehte Gunter Friedrich den Fernsehfilm "Und laß dir kein Unrecht gefallen!" 1976 wurde der DFF-Dokumentarfilm "Willi Bredel: Schriftsteller - Kämpfer - Genosse" geschaffen.

In späteren Jahren bemühte sich das Bredel-Archiv in Berlin, die russischsprachigen Veröffentlichungen des Schriftstellers zu ermitteln und aufzuarbeiten. Sowjetischen Angaben zufolge sind in der Zeit von 1932 bis 1941 in der UdSSR 45 Publikationen mit einer Gesamtauflage von 672.000 Exemplaren erschienen. Danach wurden noch 159.000 Exemplare seiner Bücher herausgegeben. Aus den unterschiedlichen und sicher nur unvollständigen Angaben läßt sich erkennen: Willi Bredels "Bücher wurden Volksbesitz und sind nicht mehr wegzudenken ..." (Walther Victor).

Der Schriftsteller war auch ein ausgezeichneter Kenner früher Geschichtsepochen. Während seiner Gefängnishaft nach dem Hamburger Aufstand 1924 konzipierte er die Arbeit "Marat, der Volksfreund". Bredels historische Erzählungen sind besonders in der Französischen Revolution angesiedelt, darunter "Die Feinde des Berges" über Marat, "Der Kommissar am Rhein" über Saint Just oder "Der Tod des Generals Moreau". In der Erzählung "Sieger ohne Sieg" enthüllte Bredel die Größe und die historischen Grenzen Gneisenaus. In seiner Geschichtenfolge "Unter Türmen und Masten" ließ er dem Leser 1000 Jahre Geschichte seiner Heimatstadt Hamburg lebendig werden. Ein Ergebnis umfangreicher Geschichtsstudien bildet wohl die bekannteste und umfangreichste historische Erzählung "Die Vitalienbrüder" (1950). Das Werk über Klaus Störtebeker und die Likedeeler gilt als eine der besten Arbeiten zu diesem Stoff. Bredel wollte keine "Lehrbücher im Schulsinne" schreiben, sondern beabsichtigte vielmehr, "die historische Wahrheit, die sozialen Spannungen und Kämpfe jener Zeit" deutlich zu machen.

Anzumerken ist, daß am 1. November 1988 in Hamburg die "Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V. (WBG)" gegründet wurde. Diese bemüht sich seither in vielfältiger Weise um die Pflege des literarischen Erbes des Schriftstellers. Analysiert werden bestimmte Lebens- und Schaffensphasen Bredels. Es wird viel getan, um dem entgegenzuwirken, daß der Schriftsteller in Vergessenheit gerät. Dazu gehörten eine "Busrundfahrt auf den Spuren Willi Bredels" in Hamburg oder die 9. Fuhlsbütteler Filmtage anläßlich seines 100. Geburtstages im Jahre 2001.

Dieter Fechner

Raute

Kurzweiliges von Rudi Kurz

Ob sie nicht drücken würden beim Gehen, wollte der Arzt wissen, der auf der Röntgenaufnahme 14 Granatsplitter im Bein von Rudi Kurz gezählt hatte - Folgen des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion 1941. "Doch, manchmal, aber nicht beim Gehen. Mehr schon beim Denken. Wenn sie beim Grübeln einen Erinnerungsnerv treffen."

Rudi Kurz, den exponierten Repräsentanten der Theater- und Filmkunst der DDR, läßt die Erinnerung nicht los. Und er hat eine Menge zu sagen. Sicher noch viel mehr, als das Buch fassen kann. Es trägt den Titel "Das grüne und andere Ungeheuer", der bei vielen Assoziationen auslösen wird. Richtig. Es gab diese Filme, die uns in ihren Bann zogen: "Die Spur führt in den 7. Himmel", "Ohne Kampf kein Sieg", "Front ohne Gnade", "Hans Beimler, Kamerad", "Artur Becker" und viele andere. Rudi Kurz kann für sich in Anspruch nehmen, als Drehbuchautor und Regisseur dieser Filme die moralische und ethische Normen vermittelnde DDR-Kunst mit geprägt zu haben.

Doch er war nicht nur Leiter und Lenker von Bühnen- und Filmproduktionen. Er stand auch selbst als Schauspieler vor dem Publikum und überzeugte durch unbestechliches Engagement, aber auch seinen Schalk, der ihm wohl angeboren ist. Wie sonst könnte man so humorvolle, oft mit witziger Pointe gespickte Texte verfassen, wie sie Rudi Kurz zu Papier gebracht hat. Dabei handelt es sich um ernste und ernstzunehmende Schilderungen aus seinem beruflichen und persönlichen Leben, die sicher deshalb eine so packende Wirkung ausüben, weil sich in ihnen der überaus reiche Erfahrungsschatz eines mittlerweile 87jährigen Künstlers, sein reifes Urteilsvermögen, sein unverfälschtes Naturell spiegeln.

Zur Lebensbilanz von Rudi Kurz gehören unzählige Filme, über 40 Theaterinszenierungen von Goethe bis Friedrich Wolf, mehrere Opernaufführungen, die Arbeit als Hochschuldozent ...

Man sollte sein mit vielen Fotos versehenes Buch lesen, um einen Einblick in das reiche, sinnerfüllte Schaffen des Schauspielers, Dramaturgen und Regisseurs zu gewinnen. Es berührt zutiefst.

Bruni Steiniger

Rudi Kurz, Das grüne und andere Ungeheuer, Verlag Wiljo Heinen, 2008, 336 S., zahlreiche Fotos, 12 Euro

Raute

DDR - unauslöschbar

"Die DDR unauslöschbar im Bewußtsein zu behalten, hat nichts mit Nostalgie im Sinne von Heimweh, Sehnsucht nach Vergangenheit oder Verklärung zerstörter gesellschaftlicher Verhältnisse zu tun. ... Es geht darum, heutigen und künftigen Generationen die Wahrheit über die DDR nahezubringen, sie in immer sichtbarerem Kontrast zum Jetzt in Erinnerung zu behalten und weiterzugeben."

So formulierte es der Bergarbeiter und spätere Diplom-Ingenieurökonom Roland Winkler, einer der 70 Berichtenden, die ihre Erlebnisse und Erkenntnisse in dem Buch "DDR - unauslöschbar" aufgeschrieben haben. Er brachte damit das Anliegen der Publikation auf den Punkt. Sie wurde von Horst Jäkel - wie bereits andere Titel der Reihe - im Auftrag der Unabhängigen Autorengemeinschaft "Als Zeitzeugen erlebt" herausgebracht.

In neun Kapiteln wird ein breiter Themenfächer entfaltet. Es geht um das politische System, um Industrie und Landwirtschaft, Bildung, Kultur, Sport, Baugeschehen, Gesundheitswesen, Kinder- und Jugendzeit, Schutz von Frauen und Müttern, internationale Solidarität und Friedenssicherung. Erfolge und Mißerfolge werden benannt. Verfasser aus allen Bevölkerungsschichten der DDR und verschiedenen Alters kommen zu Wort. Auch Gedichte gehören dazu. Zahlreiche Abbildungen illustrieren die Texte. Aphorismen bedeutender Persönlichkeiten fehlen nicht.

Das Buch erscheint zu einer Zeit, in der professionelle Geschichtsfälscher nichts unversucht lassen, die DDR noch mehr in den Schmutz zu ziehen. Die Hauptzielgruppe der Lügner und Verleumder sind junge Menschen. Der Band rüstet sie mit Kenntnissen und Argumenten aus. Die Publikation könnte so zu einem generationenübergreifenden Volksbuch werden. Den Verzagten gibt sie Mut zum Durchhalten im Widerstand gegen die Gebrechen der "großartigen" Gesellschaftsordnung, mit der wir inzwischen konfrontiert sind. Dem Herausgeber und seinen Mitstreitern gebührt Dank für die verdienstvolle Arbeit.

Günther Röska, Leipzig


*


19 Jahre nach der Annexion der DDR ist es den in der BRD Herrschenden nicht gelungen, der Mehrheit der Bürger in den "fünf neuen Ländern" ihre Würde zu nehmen und deren Eingeständnis zu erreichen, falsch gelebt zu haben. Sie widerstanden und widerstehen zum großen Teil selbst der Gehirnwäsche in Knabes Gruselkabinett ebenso wie rührseligen Machwerken auf Leinwand und Bildschirm. Auch viele junge Leute bleiben wie die Alten aufmüpfig. Sie trotzen den "wohlmeinenden Ratschlägen" hochbestallter Herren - von Köhler bis Tiefensee -, die ihnen einreden wollen, nicht Eltern und Großeltern seien glaubwürdig, sondern ihre bayerischen Altersgenossen, die natürlich ganz genau wissen, wie die Menschen in der DDR gelitten haben. Sie sind auch nicht bereit, den Ermahnungen einiger Oberer der Linkspartei zu folgen, daß man Mängel in der BRD nur benennen dürfe, wenn man sich zuvor für 40 Jahre DDR entschuldigt habe.

Gegen diesen "Mainstream" richtet sich der hier besprochene Sammelband. Die Autoren schildern nicht nur in der DDR Erlebtes und Geleistetes, sondern machen dem Leser auch bewußt, daß viele Errungenschaften des sozialistischen deutschen Staates dem in der BRD Erreichten haushoch überlegen waren. Sie unterstreichen die Tatsache, daß dieses Niveau inzwischen auf den Pegel der bundesdeutschen Ausbeuternormen zurückgedrängt worden ist. Volksbildung und Gesundheitswesen sowie die verdienstvolle internationale Solidarität der DDR werden längst auch von an Fairneß Orientierten im Westen anerkannt.

Gerlinde Jäkel polemisiert gegen die vulgäre Formel mancher Leute, in der DDR sei "doch nicht alles schlecht" gewesen. Sie schreibt: "Das Gute in diesem Staat hatte auch solche Seiten wie den stets erreichbaren Abschnittsbevollmächtigten der Volkspolizei. ... Da wirkten Hausgemeinschaften so, daß sich jeder in seinem Kietz wohl fühlen konnte."

Der unlängst verstorbene verdienstvolle Genosse Dr. Jörg-Peter Schulze berichtet über "36 Jahre Unrecht", weil er erst 1954 geboren wurde. Er mußte eine qualifizierte Schulbildung bis zum Abitur erdulden und frohe Wochen in FDJ-Ferienlagern durchmachen. Schließlich wurde er auch noch zum Studium und zur Promotion gezwungen - wie die Pastorentochter Angela.

Dr. sc. Fritz Welsch, Berlin

DDR - unauslöschbar, GNN-Verlag, Schkeuditz 2008, 472 S., 20 Euro

Raute

Es ist nichts so fein gesponnen ...

Zerrissene Lügenschleier

Als Dresdner möchten wir die RF-Leser wissen lassen, wie die im Dezemberheft 2007 durch Prof. Dr. Horst Schneider geschilderte Entlarvung der angeblich "wahren Geschichte der Jutta Gallus" ihren Abschluß fand.

Wer Horst Schneider kennt, weiß, daß er ständig nach neuen Quellen zur Unterstützung seiner Thesen fahndet. Nachdem Ostern 2008 im Fernsehen unter großem Rummel die Wiederholung des rührseligen Schinkens "Die Frau vom Checkpoint Charlie" ausgestrahlt worden war, begab er sich auf Spurensuche, um wenigstens die gröbsten Fälschungen der Inszenierung bloßlegen zu können. Im Verlag Wiljo Heinen veröffentlichte Prof. Schneider das Taschenbuch "Gruselstory Checkpoint Charlie - Leidvolle Wahrheit oder Lügengeschichte?"

Unter Nutzung zugänglicher Dokumente, Briefe und Medienberichte sowie von Insiderwissen und dank der Unterstützung von Christian Gallus, der seine Ehre als Vater verteidigte, wurden stichhaltige Beweise zusammengetragen. Vorsichtshalber hatte Ines Veith (sie verfaßte mit Frau Gallus zwei Bücher, die dem Film zugrunde lagen und in München verlegt wurden) eingestanden, "in wenigen Ausnahmefällen" Schauplätze verändert und die Handlung romanhaft ergänzt zu haben.

Der Film beginnt mit dem Arbeitsplatzwechsel von Frau Gallus, verbunden mit erheblicher Lohneinbuße infolge ihres Übersiedlungsantrags in die BRD. Sie behauptet: "Ich hatte mich gerade scheiden lassen, mein 12. Ausreiseantrag war abgelehnt worden, meinen Job als Informatikerin hatte man mir weggenommen, und ich war es satt, ständig den Schikanen des Staates ausgesetzt zu sein. Ich wollte endlich zu meinem kranken Vater in den Westen."

Was stimmt davon?

Belegt ist, daß Frau Gallus keinen Antrag auf Ausreise gestellt und ihren Arbeitsplatz nach eigenem Ermessen aufgegeben hat. Laut Urteil ließ nicht sie sich scheiden, sondern ihr Mann tat es. Zu ihrem Vater im Westen unterhielt sie seit 15 Jahren keinen Kontakt mehr. Auch war sie nicht irgendwelchen "Schikanen des Staates" ausgesetzt. Es gab zu diesem Zeitpunkt keine Erfassung ihrer Person in den Karteien der Abteilung Inneres, der VP und des MfS.

Aufschlußreich sind in diesem Zusammenhang folgende in der Zeitschrift "Focus" (7.7.2008) veröffentlichten Details: "Die Staatssicherheit rekonstruierte zwar nach ihrer gescheiterten Flucht penibel ihren gesamten Lebenslauf, doch kam in ihm kein einziger Ausreiseantrag vor. Auch keine sonstige politische Unbotmäßigkeit. Aus den Unterlagen geht hervor, daß die heutige Jutta Fleck im September 1982, also nach ihrer Verhaftung, im Stasi-Verhör zu Protokoll gab: 'Ich trug mich mit dem Gedanken, einen Ausreiseantrag zu stellen bzw. bei einer sich bietenden Gelegenheit die Staatsgrenze zur BRD oder einem anderen kapitalistischen Staat ungesetzlich zu überwinden (...) Aufgrund der Ehescheidung und der Pflege meiner Mutter ist es bis zum Zeitpunkt unseres Urlaubs in Rumänien nicht zur Realisierung dieses Vorhabens gekommen.' Hätte sie Ausreiseanträge gestellt, wären ihr wohl niemals Visa für Urlaubsreisen nach Ungarn, Bulgarien oder Rumänien genehmigt worden. Auf Focus-Nachfrage sagte Fleck: 'Das mit den Ausreiseanträgen wundert mich sehr. Ich habe sie gestellt.' Auch bei anderen Details ist die Wahrheitsfindung schwierig."

Erwähnenswert sind weitere romanhafte Abschweifungen und geänderte Schauplätze, so u.a.: Die Diebstahlsvariante (Pässe gestohlen) bei ihrer Festnahme in Rumänien ist nicht bewiesen. In der Botschaft beging sie Urkundenfälschung. Die Flucht mißlang, und sie wurde mit ihren Kindern über die DDR-Botschaft in einer Sondermaschine vom Typ TU 134 nach Berlin-Schönefeld zurückgebracht. Einen Flug mit einer IL 62 - wie im Film angeführt - hat es nicht gegeben. Die Kinder wurden nicht von "linientreuen SED-Genossen zwangsadoptiert". Die Pflegeeltern gab es nicht. Sie wurden dem leiblichen Vater nach kurzem Heimaufenthalt übergeben, da Frau Gallus im Interesse ihrer Ausreise aus der DDR auf das Erziehungsrecht verzichtet hatte. Während ihrer U-Haft unterhielt sie Schriftverkehr mit ihren Kindern, welche ohne ständige staatliche Aufsicht leben und in DDR-Fernsehfilmen auftreten konnten. Sie bekam die Möglichkeit, Wiederholungssendungen im Zimmer des Vernehmers bei einer Tasse Kaffee zu sehen.

Zu ihrer Aussage, daß man sie zwei Monate in der U-Haft habe "schmoren" lassen, ist zu bemerken, daß nach den rechtlichen Fristen die Untersuchung innerhalb von acht Wochen abgeschlossen sein und der Schlußbericht an die Staatsanwaltschaft übergeben werden mußte. Über den Zeitpunkt der Verhandlung entschied das Gericht. Eine Vorführung zum Prozeß in Handschellen und an den Armen angekettet hat es nicht gegeben. Zu ihrem Auftritt in Helsinki (blamabel für die Filmemacher ist hier die Unkenntnis über den tatsächlichen Zeitpunkt der Konferenz) und der versuchten Entführung mit Körperverletzung gibt es keine Bestätigung. Warum wurde auf eine Anzeige verzichtet? Purer Schwachsinn ist die Behauptung, auf Frau Gallus sei ein "Killerkommando des MfS" angesetzt worden.

Das anhand dieser Erkenntnisse geschriebene Buch Horst Schneiders wurde durch Autor, Verleger und Vater der Kinder am 9. August 2008 in Dresden vorgestellt. Im vollbesetzten Saal fand eine rege Diskussion statt. Die Darlegungen, besonders die Schilderungen des Herrn Gallus, beeindruckten das Publikum stark.

In der "Sächsischen Zeitung" erschien bereits Mitte August die Ankündigung einer am 27.8. in der Bibliothek Laubegast (gemeint war Blasewitz) vorgesehenen Lesung von Ines Veith und Frau Gallus. Zum gleichen Thema pries die SZ ein weiteres "Großereignis" an: "Jutta Gallus liest am 28.8. im Stasi-Knast, der heutigen Gedenkstätte Bautzener Straße. Aus besonderem Anlaß lädt die Dresdner Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde in den Kinosaal des Hauses ein."

Tatsächlich hat Frau Gallus weder im Knast noch im Kinosaal, sondern im Berufsschulzentrum für Gesundheit und Sozialwesen ihre klägliche Show abgezogen.

Die Teilnehmer an den letztgenannten zwei Gesprächsrunden hatten übrigens Gelegenheit, die aktuelle Dialogkultur in Dresden kennenzulernen. Auskünfte zu Fakten, nach denen gefragt wurde, verweigerte man grundsätzlich. Beide Damen wollten nichts von Horst Schneiders Buch wissen und gaben, konkret darauf angesprochen, keine Antwort. Als jemand in Erfahrung zu bringen suchte, welche eigenen Recherchen Frau Veith angestellt habe, erwiderte diese lakonisch: "Keine, ich hatte nur die Geschichte von Frau Fleck-Gallus zur Verfügung." Als sich ein anderer Teilnehmer danach erkundigte, welche politischen Kräfte eigentlich hinter den spektakulären Aktionen gestanden hätten und wer diese finanziert habe, blieb die Antwort ebenfalls aus.

Indem sie schweigen, klagen sie sich an, heißt es zu Recht. Denn wer Zeitzeuge sein will, muß Rede und Antwort stehen.

Hardi Anders/Horst Auerbach, Dresden

Raute

Zitiert

"Bei der Auseinandersetzung mit dem Opportunismus wird der RotFuchs (RF) völlig ausgeklammert. Ich war vier Jahre Vorsitzender des Herausgebervereins der Zeitschrift und mußte mich davon überzeugen, daß mit dessen Gründung in unsere kommunistische Bewegung die bis dahin tiefste Spaltung getragen wurde, und insbesondere RF-Chefredakteur Dr. Klaus Steiniger praktiziert Opportunismus in übelster Weise."

Dr. Gerhard Feldbauer,
Poppenhausen

Aus Informationsbulletin November/Dezember 2008
(Herausgeber: Vorläufiges Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative)

Raute

Archie als Boxer

Archie litt ein wenig unter seiner geringen Sportlichkeit, hatte während seines ersten Studiums der Slawistik, dem ein zweites Studium der Theaterwissenschaft folgte, wenig am Hochschulsport teilgenommen, weil er viel Fleiß aufbringen mußte, um mithalten zu können. Der Zufall wollte es mal wieder, wie so oft in Archies Leben, daß in der Universitätsstraße 3 b, hinter der Uni, wo oben unterm Dach die Studentenbühne untergebracht war und bekannte Theaterleute wie Wolfgang Heinz, Gisela May, Fred Mahr u.a. mit den jungen und älteren Studenten praktische Bewegungs- und Sprechübungen abhielten und Etüden inszenierten, unten im Keller das Boxtrainingszentrum der HSG Humboldt-Uni sein Domizil hatte. Als Archie dort einmal die Nase reinsteckte, sagte ein älterer stämmiger Herr ziemlich laut: "Komm' Se rein, komm' Se ran, hier werden Sie schneller vermöbelt als nebenan."

Von nun an trainierte Archie zweimal in der Woche am Sandsack, an der Birne, an der Sprossenwand, später im Sparring. Der Trainer klopfte dazu immer Sprüche wie: "Alles Kindergarten, was ihr da macht, wir sind hier nicht in der Uni-Klinik, brotlose Kunst euer Gestrampel, da könnt ihr keinen Blumentopp mit gewinnen." Er holte harte, schwer arbeitende Jungs vom KWO (Kabelwerk Oberspree) aus der dortigen BSG und ließ sie gegen die Gentlemen-Boxer antreten. Einige der Studentenboxer kamen bei internationalen Amateur-Wettkämpfen sogar zu Ehren und Medaillen.

Das Credo des Trainers war: "Ihr müßt imstande sein, drei Runden lang im Vorwärtsgang, beidhändig, exakt und sauber treffend, aber auch im Rückwärtsgang mit Serien von Schlägen euer Repertoire voll effektiv auszuschöpfen, Beweglichkeit in den Beinen und im Oberkörper bis hin zum Artistischen, nicht schlagen, sondern boxen, treffen, aber nicht wummern wie eine Dampframme, eher tupfen und punkten, boxen eben. Keine Innenhände, keine Schwinger, kein Rummelboxen! Die richtige Distanz finden. Fight vermeiden, wenn es geht, mit Meidbewegungen, nicht blind mitfighten. Wird der Gegner hilflos, einen Schritt zurücktreten. Auf Zeichen des Ringrichters warten, nicht sinnlos weiterschlagen. Boxen muß auch gut aussehen. Boxen ist eine Philosophie. Der Ringrichter müßte eigentlich überflüssig sein. Die Kontrahenten sollten selber bestimmen, wann der Kampf zu Ende ist."

Kurt Rosentritt hieß der Mann. Die Studenten schätzten und fürchteten ihn, kaum einer konnte seinen Ansprüchen genügen, auch Archie nicht. Er saß gelegentlich mit blauen Veilchen im Seminar herum, wurde gehänselt, manche Kommilitonin lächelte ihm allerdings zu. Manchmal war er müde und zerschlagen.

Kurt Rosentritt führte später die Kubaner mit ihrer Amateurbox-Staffel an die Weltspitze, entdeckte Teofilo Stevenson, den Ausnahme-Athleten, der nicht Profi werden wollte und hohe Dollargewinne ausschlug. Danach arbeitete er noch in afrikanischen Ländern, wie Mali, Uganda, Sambia, war in Mexiko und Venezuela als Trainer tätig, auch in Laos, zuletzt in Tunesien. Er starb 1994 in Königs Wusterhausen. Man nannte ihn den Boxprofessor, den Globetrotter des Boxens, nachzulesen im Internet.

"Aus dir hätte ein guter Boxer werden können, wenn du nicht solch ein Hasenherz hättest", sagte Rosentritt zu Archie beim Abschied. Ja, er hatte eigentlich ein Hasenherz, das ihm verbot, jemanden einfach so ins Gesicht zu schlagen, und sei es Sport. Er wollte nur sportlich sein und sich wehren können. Boxen als Selbstverteidigung sozusagen. Der Trainer reagierte sauer und fragte: "Und ich sollte dir das Prügeln beibringen?" Archie nahm die Rechte des Meisters, drückte sie fest und sagte dankbar: "Sie haben es mir Gott sei Dank nicht beigebracht, das Prügeln." Rosentritt wandte sich ab und rief in den Sparring: "Nicht so lahm, ihr Weihnachtsmänner!"

Wenn Archie heute im TV Boxen sieht, hat das in den meisten Fällen damit wenig zu tun. Oft beherrschen die Muskelpakete nur zwei Schlagarten, die lange gerade Hand und den Haken. Damit wummern sie für Irrsinnsgelder aufeinander ein, bis einer umfällt, oft 10 Runden und mehr. Davor und danach gibt es noch viel geschmackloses Brimborium, Mummenschanz und lautes Spektakel. Prominenz und Schwachverdiener sind zahlende und brüllende Zuschauer, Box-Manager und Boxställe sind die Gewinner. Manchmal werden auch plumpe Riesen in den Ring geholt, die die Arme wie Windmühlenflügel bewegen. Wer gegen wen boxen darf, wird vorher ausgehandelt. Die zu erwartende Börse ist ausschlaggebend. Nichts anderes. In den USA hat das Profiboxen eine lange Tradition. Amateurboxen war dort immer so etwas wie Straßenprügelei in den Slums.

Ernest Hemingway, das geniale Schriftsteller-Idol aus den Vereinigten Staaten, der über Stierkampf, Boxen und andere Männlichkeitsriten schrieb, verfaßte schon früh seine Boxernovelle "Um eine Viertelmillion". Einer der großen alten Männer, von denen es bei Hemingway viele gibt, braucht mal wieder Geld, viel Geld. Er macht seinen letzten Kampf als Profiboxer gegen einen 20 Jahre jüngeren Mann, einen Ausländer. Der Alte setzt auf seine eigene Niederlage eine Viertelmillion, weil er weiß, daß er nicht siegen kann. Im Trainingscamp erfährt der alternde Box-Champ, daß seine Manager auf seinen Sieg auch eine Viertelmillion gesetzt haben, wohlgemerkt auf seinen Sieg! Er wittert einen Betrug. Als der Kampf beginnt, weiß er noch nicht, was dahintersteckt. In der 6. Runde holt der Gegner zu einem gewaltigen Tiefschlag aus, der alte Champ geht in die Knie. Er begreift in Sekundenschnelle. Der Tiefschlag disqualifiziert den Gegner und macht den Alten zum Sieger. Das war die Absprache, die er nicht kannte. Der alte Mann reißt sich hoch und setzt den Kampf fort, nimmt die Disqualifizierung des Gegners nicht an. In der nächsten Runde trifft er ihn an derselben Stelle. Der junge Boxer steht nicht sofort wieder auf, weil er nicht so zäh ist.

Mit dieser Novelle entlarvte Hemingway das Wesen des Profiboxens. Archie ist an Boxen kaum noch interessiert. Nur manchmal, aus alter Gewohnheit, schaltet er ein, Samstagnacht, Boxen, mehr ein Reflex als Absicht, und denkt dabei an Kurt Rosentritt, den Box-Professor aus der DDR. Von ihm hatte er nie solche Sätze gehört, wie jetzt gelegentlich aus der Ringecke: "Hau ihn um, solange du ihn noch siehst!" In der Jetztzeit klingt das eben wie aus dem richtigen Leben.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Sehr gerne lese ich nach wie vor den "RotFuchs"! Heute schicke ich Euch ein Gedicht, das ein Genosse verfaßt hat. Es wurde für unser kleines Blatt geschrieben. Vielleicht haltet Ihr es für würdig, auch in Eurer großen Zeitung veröffentlicht zu werden.

Einen guten Rutsch in das neue, hoffentlich friedliche Jahr 2009 wünscht Euch von Herzen

Madeleine Grotewohl, Börnersdorf


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Ein Weihnachtstraum

Wir hatten Frieden auf Erden! Keine Kriege sollten werden! Den Menschen ging es nicht schlecht, denn die Gesellschaft war gerecht!
Die Menschen packten fleißig an. Viel Arbeit war oft schwer getan! Die Schwerter zu Pflugscharen gemacht - das hatte noch niemand je fertiggebracht!
"Verbündet Euch in allen Erdenzonen! Verbündet Euch Ihr Weltreligionen!" so sprach der Papst. Wir sind bereit, denn Friede soll sein für alle Zeit.
Sogar der Präsident von Amerika war auch als Friedensengel da. Er sprach sehr viel von "Versöhnen", auch er wolle sich daran gewöhnen.
Frau Merkel sagte der Linkspartei: "Die Bankenkrise ist nun vorbei. Damit alles seine Ordnung hat, gehören die Banken jetzt dem Staat!
Die Truppen in Afghanistan habe ich abgezogen. Du sollst nicht töten - heißt es -, das ist doch nicht gelogen. Zu neuen Ufern werden wir wandeln, Friede soll werden, nur durch verhandeln!"
Doch plötzlich war ich vom Traum erwacht. Die Welt veränderte sich nicht diese Nacht. Zu schön gewesen wäre ja sie - diese große, herrliche Utopie!
Friede auf Erden und allen Menschen ein stetiges Wohlgefallen! Danach laßt uns immer streben, denn nicht nur Weihnachten soll leben!

Hans Bretschneider


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Vor 75 Jahren fand in Leipzig und Berlin der Reichstagsbrandprozeß statt. Er endete am 23. Dezember 1933.

Durch das kühne Auftreten von Georgi Dimitroff, der den Prozeßverlauf immer mehr bestimmte, und die weltweite Solidarität mit den angeklagten Kommunisten erlitten die faschistischen Kräfte eine politisch-moralische Niederlage. Ein Höhepunkt des Prozesses sollte das Auftreten der Nazi-Zeugen Göring und Goebbels werden, die von der Anklage präsentiert wurden. Durch Fragen Dimitroffs im Kreuzverhör wurde es für die Anführer des 3. Reiches zum völligen Desaster. Leidenschaftlich verteidigte er seine kommunistische Weltanschauung, die Sowjetunion, das bulgarische Volk und die revolutionäre deutsche Arbeiterbewegung. Der IV. Strafsenat des Reichsgerichts sah sich gezwungen, die kommunistischen Angeklagten freizusprechen.

Ich möchte auf diesem Wege alle Mitarbeiter des 1990 geschlossenen Georgi-Dimitroff-Museums in Leipzig grüßen und an den verstorbenen langjährigen Direktor Prof. Hans-Joachim Bernhard erinnern.

Manfred Meyer, Rudolstadt


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In seinem Bericht über den Kampf gegen die bundesdeutschen Möchtegern-Bombenwerfer (RF 130) zitierte Manfred Holfert eine Ansprache des Templiner evangelischen Pfarrers Horst Kasner, die jener am 4.9.1994 bei einer Protestveranstaltung gegen den Mißbrauch der Kyritz-Ruppiner Heide als Staats-Bombodrom gehalten hatte. Zu ergänzen ist lediglich, daß es sich bei diesem Redner um den Vater von Angela Merkel handelt.

So lohnt es sich wohl, Teile des Zitats noch einmal aufmerksam zu lesen. Pfarrer Kasner rief dazu auf, aus dem ehemaligen militärischen Übungsgelände wieder eine friedliche Landschaft werden zu lassen. Wörtlich sagte er: "Wer das fordert, ist normal. Und wer hier Bomben abwerfen will, ist wahnsinnig. ... Für die heute fälligen politischen Entscheidungen ist ein hohes Maß an Intelligenz erforderlich. Dem sind Politiker in der Regel nicht gewachsen. Ihr geistiger Horizont ... ist begrenzt. Sie sind mehr Macher als Denker. Und vor allem verstehen sie sich auf die Macht."

Die Tochter des Pfarrers war zu jenem Zeitpunkt bereits Bundesministerin in Kohls Kabinett und CDU-Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern.

Wolfgang Mäder, Neubrandenburg


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Im RF Nr. 129 las ich den Brief von Elisabeth Lauchner aus München und wurde an das erinnert, was ich als Kind selbst durchgemacht habe. Mein Vater war acht Jahre lang arbeitslos, und in unserer dreiköpfigen Familie gab es große Schwierigkeiten.

Als ich 17 war, gingen wir in die Sowjetunion, wo wir alle schnell Arbeit bekamen. Auch später in der SBZ/DDR war das kein Problem. Heute ist mir dank der allseitigen Aufklärung durch die BRD-Medien natürlich klar, daß wir zur Arbeit gezwungen worden sind. Aber, ehrlich gesagt, habe ich mich als Zwangsarbeiterin durchaus wohl gefühlt. Wir haben sogar Theateraufführungen, Opern und Konzerte besucht - alles zwangsweise. Das brauche ich ja heutzutage dank der freien Preisgestaltung nicht mehr - auch gezwungenermaßen als Ost-Rentnerin. Ich bin 86. Eines Tages fand ich in meinem Briefkasten einen "RotFuchs". Dreimal hintereinander, dann nicht mehr. ...

Was nun? Ich war "RotFuchs"-süchtig geworden. Abonnieren! Also bestellte ich. Der "RotFuchs" lebt von Spenden. Nun erhielt ich ihn zwar regelmäßig, aber ich hatte ein schlechtes Gewissen - bis ich mich entschloß, jedes Quartal 30 Euro zu spenden.

Nun kann ich mir vorstellen, daß es Elisabeth Lauchner in München auch so geht wie mir. Ich habe also noch einmal nachgerechnet. Das Ergebnis: Wenn ich von meiner Spende 10 Euro abziehe und zu dem abgezogenen Betrag noch 10 Euro dazulege, kann ich für jede von uns 20 Euro - zusammen 40 - je Quartal spenden. Dann muß auch Elisabeth kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie jeden Monat wie ich mit Ungeduld auf den RF wartet.

Anna Köhler, Petershagen


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Wenn eine Sache so einleuchtend und einfach ist, daß es allgemeinverständlicher gar nicht mehr geht, dann kommen die Schriftgelehrten und erklären dem Normalverbraucher, wo was hingehört.

So ist das auch mit dieser - nur scheinbar - verzwickten Diskussion über Antisemitismus, diversen "Erklärungen" und tiefsinnigen "Recherchen" zum Thema. Wo es doch gerade bei den Deutschen recht einfach ist. Sie haben in ihrer neueren Geschichte völlig analoge "Gedanken" hervorgebracht - unter den Nazis! Man denke an die Vereinnahmung Deutschlands, ja des Begriffs "deutsch" durch die Hakenkreuzler. "Deutsch" war NS-gemäß, alles andere war "undeutsch", ja "deutschfeindlich", "gegen Deutschland gerichtet". Außerhalb der Hitler-Ideologie war kein Platz für "deutsch". Andersdenkende wurden eingesperrt, nicht weil sie gegen den Faschismus waren; nein, sie hatten sich "gegen Deutschland" schuldig gemacht.

Bei der Antisemitismus-Diskussion läuft es ähnlich: Israel ist gleich Judentum - einmal abgesehen davon, daß Judentum viele tausend Jahre alt ist. Ergo: Wer an Israel Kritik übt, ist Antisemit. Man mag zum Zionismus stehen, wie man will, ihn (eine relativ junge geistige Strömung aus dem 19. Jahrhundert) dem Judentum, "den" Juden gleichzusetzen, muß in eine Sackgasse führen. Wer sich gegen den Zionismus äußert, würde - und wird in dieser Lesart - zum Antisemiten erklärt. Dem Staat Israel, den Zionisten kann das Judentum nicht einfach überlassen werden, es käme einer Vereinnahmung aus vergangenen Zeiten nahe. Man würde vielen nichtgläubigen Juden oder solchen, die keine Zionisten bzw. Bürger Israels sind, aber auch jüdischen Genossen aus unseren Reihen Unrecht tun.

Walter Ruge, Potsdam


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In der LVZ berichtet man Woche für Woche über "Helden der friedlichen Revolution". Dabei benannte man den "Bürgerrechtler" Rainer Müller. Über ihn hieß es: Er war christlich geprägt, wollte auf die EOS, wurde nach seinen Angaben aber wegen Aufmüpfigkeit abgelehnt. Er lernte Maurer, erwähnt seine Arbeitslosigkeit und ein Berufsverbot (in der DDR, wo Maurer stets gesucht wurden! - K. P.). Er legte dann auf dem zweiten Bildungsweg doch noch das Abitur ab und studierte am kircheneigenen Seminar, wurde aufgrund politischer Aktivitäten exmatrikuliert. Die Nikolaikirche schloß ihn und andere Gleichgesinnte von der Gestaltung der Friedensgebete aus, so daß er fortan auf dem Nikolaikirchhof protestierte.

Ab 1988 war Müller "hauptamtlich für die politische Opposition in der DDR tätig". Laut LVZ wurde er von ihr bezahlt. Er sei ein "Vollzeitrevolutionär" gewesen, hieß es dort. Interessant, daß die DDR-Opposition Vollzeitmitarbeiter beschäftigte. Donnerwetter! Hat er denn auch seine Beiträge abgeführt, damit er später nicht Schwierigkeiten bei der Rentenberechnung bekommt? Waren es vielleicht Spenden aus geheimnisvoller Quelle? An eine Ausreise aus der DDR dachte Müller trotz Verhaftung, Zuführungen, Verhören, Innenstadtverbot und Hausarrest plus Geldstrafen zu keiner Zeit. Wer gibt schon eine feste Arbeitsstelle auf?

Ich würde ihm ja glauben, wenn er sich heute zu dem bekennen würde, was er angeblich erreichen wollte: zu sozialer Gerechtigkeit, Vollbeschäftigung, Bildung für alle, gegen Hartz IV und die Altersrente erst ab 67. Da könnte er dann nochmals zum Helden einer friedlichen Revolution werden!

Klaus Pinkau, Leipzig


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Ich lese zur Zeit die im Herbst auf deutsch erschienene Biographie Fidel Castros. Mehr als 100 Stunden hat Ignacio Ramonet, der frühere Herausgeber von Le Monde Diplomatique, den Comandante en Chefe persönlich interviewt. Das Buch ist eine journalistische Meisterleistung!

Die Beschreibung von Santiago de Cuba hat alles selbst Erlebte in mir wieder wachgerufen. Ich bin sechs oder sieben Mal in jener Gegend gewesen, in der sich der Sturm auf die Moncada ereignete. 1996 nahm ich an einer Führung durch die ehemalige Kaserne teil, die heute eine Schule und ein Revolutionsmuseum beherbergt.

Insbesondere hat es mir die Sierra Maestra angetan. Mit den Berichten Castros dazu kann ich mir alles, was ich selbst gesehen habe, sehr bildlich und real vorstellen.

Norbert Müller, Höxter


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Eine Bemerkung zu dem vom ND am 5. November auf der Berlin-Seite vermeldeten "Besucherrekord im Stasi-Knast". Es ist aufschlußreich, wer da so täglich diese "Gedenkstätte" besucht. Ohne Unterbrechung bewegen sich Schulklassen nach Hohenschönhausen. Die Kinder und Jugendlichen besuchen diesen Ort, weil er in ihrem Lehrplan steht. Überdies kann man ständig nahe dem Eingang parkende Busse der Bundeswehr und Reisegesellschaften aus nahezu allen Bundesländern wahrnehmen. Bei der Bundeswehr gehört es zur Ausbildung, bei den Berlinbesuchern zum Programm.

Auf diese Weise werden pro Tag etwa 1000 Bürger der
antikommunistischen Gehirnwäsche unterzogen.

Wie gerne hätte ich diesen Gästen der Hauptstadt auch andere Seiten der DDR gezeigt, z. B. den Palast der Republik. Aber der mußte ja abgerissen werden.

Dr. Alfred Kleine, Berlin


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Ein 81jähriger stimmt einem 43jährigen vollinhaltlich zu. Ich meine den Artikel "Heute weiß ich, was Kapitalismus ist" von Ulrich Guhl im November-RF. Obwohl er und ich - was die Lebensjahre betrifft - weit auseinanderliegen, sind unsere Ansichten doch eng beieinander. Ich glaube, ich bringe die gleichen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck wie Ulrich Guhl - nur in anderer Form, z. B. in Gedichten. Ich möchte hinzufügen, wie wohl es in der heutigen Zeit tut, das eigene Denken und Empfinden auch bei anderen Menschen wiederzufinden.

Hans Kluth, Potsdam


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Der Artikel "Heute weiß ich, was Kapitalismus ist" regte mich an, über mein vom deutschen Kapitalismus zweimal zerstörtes Leben nachzudenken. Es begann damit, daß kurz nach meiner Geburt (1937) Hitler in München ermächtigt wurde, das Sudetenland "heim ins Reich" zu führen. Ich war neun, hatte Vater und Mutter im Krieg verloren, als die vom deutschen Faschismus verursachte Zwangsumsiedlung der Sudetendeutschen erfolgte. Dank meiner Pflegeeltern und der späteren Obhut des Staates DDR gelang es mir wie vielen anderen Betroffenen, wieder Fuß zu fassen und ein eigenes, neues Leben aufzubauen. Die DDR wurde mir zum Inbegriff der Heimat, in der ich unbesorgt meine Familie gründen konnte. Dieser Staat schickte keine Soldaten an irgendeine Front der Welt, auch nicht nach Afghanistan, obwohl die verbündete Sowjetarmee dort militärisch operierte und erst recht nicht in die CSSR, wo die UdSSR ebenfalls in die Ereignisse eingriff. In der DDR mußte keine Mutter ihren gefallenen Sohn beweinen. Dennoch ließ sich unser Staatsvolk am Ende von der BRD vereinnahmen.

Die zweite Vertreibung aus meiner Heimat war der Anschluß der DDR an die BRD. Erneut lernte ich den deutschen Kapitalismus - diesmal in der Toga des bürgerlichen Rechtsstaats - zu meinem Leidwesen kennen. Jenen, die das betrieben, ging es nicht um die Menschen, sondern um die Vernichtung des politischen und sozialen Systems der DDR.

Alle Sitten und Gewohnheiten mißachtend, wird mir nun beigebracht, wie ich angeblich gelebt haben soll, wird meine Biographie entstellt und zerstört.

Christl Joachimi, Berlin


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Lieber Dr. Franz Köhler! Ich will Dir Deinen Artikel nicht zerreden und auch die "Sieben Tabubrüche" nicht übelnehmen. Da ich selbst ein dreiundachtzigjähriger alter Mann bin, ist es vielleicht gar nicht so respektlos, wenn ich Dir schreibe, daß ich beim Lesen Deines Artikels gewisse Schwierigkeiten hatte. Mir scheint Deine Darstellung doch etwas sehr vereinfacht, die historischen Umstände nicht genügend beachtend. Albert Einstein hat die Oktoberrevolution begrüßt und war der Meinung, daß sie, falls sie scheitern würde, in einem besser ausgestatteten Labor wiederholt werden müßte. Ich glaube nicht, daß sich die Bolschewiki der Situation in ihrem Lande nicht bewußt waren. Sie haben doch mit Revolutionen in den entwickelten Ländern Westeuropas, vor allem in Deutschland, gerechnet und nahmen im Falle einer siegreichen Revolution in Deutschland an, daß sich das revolutionäre Zentrum von Moskau nach Berlin verlagern würde! Zu Stalins Politik wäre viel zu erwidern, sowohl nach dem Roten Oktober, als auch nach dem Zweiten Weltkrieg und natürlich zur Politik der SED. Da bin ich auch Zeitzeuge, kein Unbeteiligter.

Zur Rolle der SPD nur so viel: Eine war schon genug. Jetzt haben wir drei, eine davon ist grün!

Werner Keppel, Gera


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Dr. Franz Köhler negiert im RF 130 nach mehr als 70 Jahren welthistorischer und -bestimmender Existenz der UdSSR den Charakter und die Bedeutung der Oktoberrevolution. Er meint, die Ursache der späten Niederlage in einer "Fehlgeburt" suchen zu müssen. Der Autor der "Grübeleien" bemängelt, daß die Geschichte sich nicht an die für ihn geltenden theoretischen Regeln gehalten hat. Sie hätte wohl so lange aufgeschoben werden müssen, bis mit dem von Lenin vorausgesagten "höchsten Stadium des Kapitalismus" die gewünschte "Revolutionsreife" eingetreten wäre. Das aber entsprach nicht der gegebenen Situation. Es stand nämlich keineswegs nur die Frage, ob die Arbeiterklasse die bestimmende Kraft der Oktoberrevolution darstellte, sondern es war auch klar, daß das Motiv der Handelnden die Sehnsucht nach Frieden und gesellschaftlichen Veränderungen bildete.

"Der grübelnde Alte" mißt die Niederlage des Sozialismus an der trotzkistischen These von der Notwendigkeit der Weltrevolution. Ihre Nichtbeachtung hat sich, nach seiner Ansicht, durch die geschichtlichen Tatsachen erledigt. Mit seinem Lapidaren "Es hat eben nicht funktioniert" will er offensichtlich - nicht zu Unrecht - auf subjektive Ursachen für den Untergang des europäischen Sozialismus verweisen. Nur erscheint es geradezu suspekt, wenn der "alte Mann" nicht nur die Axt an einzelne Stützen unseres Geschichtsbildes legt, sondern die Geschichte selbst in Frage stellt.

Dr. Hans-Dieter Krüger, Halle


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Ich kann nicht umhin, eine Bemerkung zu den "Grübeleien eines alten Mannes" zu machen: Die Ansichten des Autors liegen knapp neben den Darlegungen bürgerlicher Historiker.

Dr. Rudi Dix, Zeuthen


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Dr. Franz Köhlers "Grübeleien eines alten Mannes" erzeugten bei mir alter Frau grübelnd Fragen. Er mißachtet "Tabus", um zu sehr ernsten Überlegungen zu zwingen. Dennoch: Übersah er nicht eine Kleinigkeit? Die Welt, die ich in 45 meiner bisherigen 84 Lebensjahre als Kommunistin auf zwei Kontinenten zu betrachten gelernt habe! Zu ihr gehört die eingekreiste, um ihr Leben kämpfende Sowjetunion, welche von europäischen Nachbarstaaten mit reaktionären Regierungen umzingelt war, die beim Angriff der faschistischen deutschen Armeen diese durchmarschieren ließen und gestatteten, Millionen Sowjetbürger, Juden, Sinti und Roma sowie aktive Nazigegner zu ermorden. Für mich ist dies ein wichtiger Tatbestand, mit dem auch die "Gebietswegnahmen" zusammenhängen.

Miriam Pandor, Berlin


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Dr. Franz Köhler hat uns im RF 130 mitgeteilt, die Ursache der Zerschlagung des Sozialismus in der DDR, der UdSSR und anderen sozialistischen Staaten Europas sei bereits im Sieg (!) der Oktoberrevolution angesiedelt gewesen. Sie hätte gar nicht stattfinden dürfen, da "die objektiven Voraussetzungen noch nicht reif waren". Da müßten also Millionen Kommunisten, Sozialisten, Arbeiter, Bauern und Intellektuelle, die in diesen Ländern eine friedliche, gerechte, lebensbejahende Gesellschaft errichteten und verteidigten, eine Bildungslücke bei sich feststellen. Die werde ich wohl nicht entdecken, denn auch durch meine jahrelange Untertagearbeit habe ich ein konkretes Stück Sozialismus mit geschaffen: Leben im Frieden, der immer vom Kapital bedroht war, in sozialer Sicherheit, in bescheidenem Wohlstand.

Oder geht es etwa um eine Vernebelung zaghaft beginnender Erkenntnisse über den Verrat an der sozialistischen Revolution, ihre gewollte und vollbrachte Zerstörung?

Franz Köhler nutzt sein Schreibtalent, um wenig informierte Menschen zu übertölpeln: Gleich "dreimal laut Ja gerufen!" zum Roten Oktober. Sogar mit "Begründung". Und direkt davor und danach seine wesentliche und betonte Aussage: "... verloren, weil wir verlieren mußten ...". Was ist da "Grübeln", was Entstellung der historischen Wahrheit?

Dieter Junge, Dresden


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An die Chefredaktion des "RotFuchs"

Hiermit untersage ich die Publizierung meines Beitrags "Sodann - und dann?". Ich wünsche keinen weiteren Kontakt.

Dr. Franz Köhler, z. Zt. Schweiz


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Im November-"RotFuchs" las ich den Holterdiepolter-Beitrag von Dr. Audehm mit großer Genugtuung. Ich stimme ihm vollinhaltlich zu und habe mich als parteiloser Sympathisant bereits an den Landesvorstand der Linkspartei mit folgenden Worten gewandt: "Seit 1992 bin ich nicht mehr Mitglied der PDS - aus verschiedenen Gründen. Doch ich blieb meinen Idealen, für die ich 1950 Kandidat der SED wurde, treu. Das glaube ich zumindest.

Mich haben die Worte, die Holter dem 'Stern' gesagt haben soll, sehr wütend gemacht. Ich konnte und will es nicht fassen."

Hans-Jürgen Grebin, Rostock


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Seit einiger Zeit gehöre ich zum Leserkreis des RF. Ein gutes Blatt, besetzt mit Themen, die man in der bürgerlichen Presse vergeblich sucht.

Der Beitrag zum Abriß des Palastes der Republik liefert da ein Beispiel. Ich habe das Bauwerk damals von innen gesehen. Als Teilnehmer des Pfingsttreffens der FDJ fuhr ich 21jährig nach Berlin. Nun ist der Palast plattgemacht worden. Der teuflische Asbest war natürlich der Hauptgrund!

In Wahrheit soll alles total ausgemerzt werden, was auch nur an die DDR erinnert. Andererseits schaue man sich die vielen grottenschlechten Veranstaltungshallen aus Glas und Beton im Westen an. Da kommt mir das Schaudern.

Haiko Jacobs, Rostock


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Im Nobelbezirk Nikolassee wohnend freue ich mich immer, wenn der "RotFuchs" in meinem Briefkasten ist. So finde ich stets die Informationen, die zum Verständnis der Geschichte der DDR notwendig sind, deren Bürger ich von 1951 (aus der BRD kommend) bis 1990 war.

Die einzige bittere Erfahrung, die ich dort gemacht habe, schmerzt noch heute. Ich war parteilos, Abteilungsleiter im VEB Secura-Werke in Berlin-Mitte. Mit großem Stolz war ich Angehöriger der Kampfgruppe. Dann kam der Schock. Der Parteisekretär eröffnete mir in den 70er Jahren, das Politbüro der SED habe beschlossen, daß Mitglieder aus den Kampfgruppen ausscheiden müßten, die Angehörige in der BRD haben. Das empfand ich als Sippenhaft.

Von meiner geringen Rente werde ich für die "Gänsekeule" eine Spende überweisen. Ich freue mich schon auf die neue Ausgabe.

Adolf Peter, Berlin


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Im abgeschirmten Bereich des Flughafens Leipzig-Halle werden seit Monaten täglich neun Militärmaschinen mit USA-Soldaten aus Irak im Nachtflugverkehr abgefertigt. Ohne die Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu prüfen, erteilte das Regierungspräsidium die Erlaubnis. Chef ist hier der ehemalige Dorfpfarrer von Rötha und DDR-Hasser W. Ch. Steinbach (CDU). Dagegen wehren sich Friedens- und Umweltgruppen. Sie taten es an geschichtsträchtiger Stätte: auf dem Nikolai-Friedhof. Entgegen den pathetischen Erklärungen solcher Leute wie Tiefensee und Steinmeier wollte eine Gruppe von Protestierern ein Transparent gegen die Ami-Flüge entrollen. Das wurde durch sofort eingreifende Polizei unter Androhung von Festnahme und Anzeige verhindert. Demokratie und Freiheit im System Merkel?! Und was sagten zu diesem beschämenden Vorfall die ehemaligen "Bürgerrechtler" und die freiheitlich-demokratischen Medien der BRD? Nicht ein Wort.

Joachim Spitzner, Leipzig


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Im Namen von Ernst Machacek möchte ich mich ganz herzlich für die Zusendung der Hörversion des RF bedanken. Er kann kaum noch sehen und gar nicht mehr schreiben, weshalb ich die Übermittlung seines Dankes übernommen habe. Ernst Machacek ist begeistert und freut sich sehr. Gudrun Bahls, Berlin


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Die Artikel, die ich mir aus bisher erschienenen RF-Ausgaben kopiere, benötige ich für die Auseinandersetzung mit meinem eigenen Leben in der DDR und seiner vorgesehenen Beschreibung in unserer Familiengeschichte. Außerdem will ich die Vielfalt der Betrachtungen und Bewertungen zur DDR-Geschichte für meine Nachkommen festhalten. In der Schule werden unsere Enkel davon ja so gut wie nichts erfahren.

Es wäre mein großer Wunschtraum, daß jemand irgendwann einmal den Sturz der DDR durch die Konterrevolution in Form eines fiktiven Krimis mit tatsächlichen Fakten und echten historischen Hintergrundgeschehnissen beschreibt. Ein geeignetes schriftstellerisches Talent könnte das Thema als spannende Geschichte und somit als mahnende Erinnerung unter unsere Nachkommen bringen. Da gibt es nämlich Roß und Reiter, Zeitpunkt und Ortsbezeichnung für alles, was hinter den Kulissen gelaufen ist. Es ziehen doch nicht auf einmal 70.000 Menschen durch Leipzig und brüllen wie aus einem Munde die Parole "Keine Gewalt!", mit der sie unsere Macht gebrochen haben. Und natürlich saß man in der alten BRD zusammen und beriet, wie man die Losung "Wir sind das Volk" in die Westparole "Wir sind ein Volk" ummünzen könnte. Alles in allem: Das wäre ein äußerst spannender Politkrimi, der da noch geschrieben werden müßte.

Erwin Otte, Rostock


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Seit fast zehn Jahren lese ich den RF, seit 2007 sogar regelmäßig. Dazu bin ich für RF-Verhältnisse einer der "Jüngeren". Da ich seit meinem 17. Lebensjahr im linken Sinne politisch aktiv bin, habe ich vermehrt auch auf die Sprache geachtet, mit der wir unsere Ansichten verbreiten. Dabei ist mir als Bürger der Alt-BRD aufgefallen, daß die Sprache des RF etwas sehr altbacken daherkommt. Sie erinnert mich an die Buch-Sprache antifaschistischer Romane der 50er Jahre, die in der DDR verlegt wurden, oder auch an das alte ND, das so schwer lesbar war. Es wiederholen sich ständig Stereotype wie "erprobter Kommunist", "standhafter Genosse", "kämpferisch", "treu", "zuverlässig" und "kühn".

Vielleicht fällt auch älteren Genossen das nicht mehr so auf. Oder Ihr benutzt diese Sprache absichtlich, um gegen den bürgerlichen Strom anzuschreiben. Mir macht es das allerdings sehr schwer, das Blatt unter gleichaltrigen oder jüngeren Linken zu verbreiten, da sie darüber - leider - oft nur lachen.

Rüdiger Deissler, Göttingen


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Der "RotFuchs" als Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland trägt Magazincharakter. Das ist meines Erachtens auch gut so, kommen hier doch viele Autoren mit den verschiedensten Problemen und Fragen zu Wort. Das Lesen des "RotFuchs" ist mir zu einem echten Bedürfnis geworden. Ich freue mich immer wieder schon auf die nächste Ausgabe. Zugegeben, nicht alle Beiträge finden meine Zustimmung. Das muß auch nicht sein.

Doch die Vielfalt der Meinungen, meist getragen vom gleichen marxistischen Standpunkt, macht die Lektüre so spannend und interessant. Man findet sich bestätigt, prüft kritisch und selbstkritisch eigene Ansichten, muß sie mitunter auch korrigieren und fühlt sich wohl im Kreis von Gleichgesinnten. Deshalb möchte ich Mitglied des "RotFuchs"-Fördervereins werden.

Horst Liebig, Joachimsthal


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Ohne mich als "Wessi" auf die DDR-Realität zu beziehen, stimme ich doch Walter Ruge (September-RF) im Grundsatz zu, der die geringere Arbeitsproduktivität in der DDR als "zutiefst human" bezeichnete. Die Arbeitsproduktivität West, darauf weist W. Ruge hin, ist Ergebnis von Blut, Schweiß und Tränen im Konkurrenzkapitalismus. Aus diesem Grunde war seinerzeit im Westen auch die Bewegung für die 35-Stunden-Woche so erfolgreich. Leider ist die notwendige Kritik der Arbeitsbedingungen bei vielen Linken vollständig der Kritik der Arbeitslosigkeit gewichen, dabei stimmt für den Kapitalismus auch heute: "Produktiver Arbeiter zu sein, ist daher kein Glück, sondern ein Pech." (Marx, MEW Bd. 23, S. 532)

Dr. Walter Lambrecht, Zingst


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Nach dem Washingtoner Treffen der G20-Staaten tun die Imperialisten so, als hätten sie von jetzt an die Weltwirtschaftskrise fest im Griff. Das, was in Wahrheit eine klassische Krise im globalen Maßstab ist, verniedlichen sie als Rezession. Mit ihren "Bewältigungs-Szenarien" wollen die Herrschenden der westlichen Hauptmächte, zu denen vor allem auch die USA und die BRD gehören, den Beweis liefern, die Probleme ließen sich im Rahmen des Systems lösen. Doch ihre "Rezepte" passen nicht zu jener Realität, die unsere Klassiker einst exakt analysiert und genau beschrieben haben.

Hans-Georg Vogl, Zwickau


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Der Euphemismus, d. h. die beschönigende Ausdrucksweise, die in diesem Land als Methode zur Verschleierung von Absichten gezielt angewendet wird, kennt keinerlei Hemmungen, auch keine Pietät. Minister Franz Joseph Jung (CDU) scheute sich nicht, ausgerechnet in seiner Trauerrede in Zweibrücken anläßlich des sinnlosen Todes zweier deutscher Fallschirmjäger fern der Heimat für die Fortsetzung des von seinem Vorgänger Peter Struck (SPD) als "Verteidigung Deutschlands am Hindukusch" ins Leben gerufenen "Afghanistan-Engagements" zu werben. Jung hievte bei dieser Gelegenheit einen unter Militärs gebräuchlichen Begriff in die Medien: Dies sei "kein Krieg, sondern eine asymmetrische Bedrohungslage".

Das klingt auf alle Fälle besser als Fronteinsatz mit höchstem Risiko für Leib und Leben zwecks Sicherung des deutschen Rohölbedarfs. Die in Afghanistan zweifellos mehr mit Selbstverteidigung als mit "Befriedung" befaßten Glücksbringer und deren Angehörige beruhigt das keineswegs, wie einer der Väter vor Kameras bekannte.

Gert Schlue, Cottbus


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Kriegsminister Jung (CDU) sprach erstmals bei der Beisetzung zweier in Afghanistan zu Tode gekommener Bundeswehrsoldaten von "Gefallenen". Das ist ein Schritt zur Wahrheit, denn in unserem Sprachgebrauch wird dieses Wort nur für "im Kriege Getötete" angewandt. Bisher wurde von der BRD-Regierung stets hartnäckig der Kriegszustand geleugnet, weil ja "unsere Freiheit am Hindukusch verteidigt wird".

Als ich Jungs Rede hörte, empfand ich erneut den unüberbrückbaren Gegensatz der Bundeswehr als Interventionsarmee zu dem Auftrag, den der Minister für Nationale Verteidigung, Armeegeneral Heinz Keßler, uns ehemaligen Angehörigen der DDR-Streitkräfte erteilte: "Der Sinn des Soldatseins im Sozialismus besteht darin, Frieden zu schaffen und zu erhalten ... für alle Menschen in Europa und der Welt."

Heinz Behrendt, Plauen/V.


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Seit vielen Jahren besuche ich jeden Vortrag von Prof. Dr. Dieter B. Herrmann. Ich habe auch zu DDR-Zeiten seine Fernsehsendungen mit Interesse verfolgt. Nachdem ich jetzt die unlängst erschienene Autobiographie "Astronom in zwei Welten" gelesen habe, läßt sie mich nicht mehr los.

Man spürt den in der DDR aufgewachsenen und geformten Wissenschaftler, der nicht vergessen hat, woher er kommt, der offensiv gegen Geschichtsfälschungen auftritt. Er hebt seine damaligen wissenschaftlichen Möglichkeiten hervor, verweist auch auf Unzulänglichkeiten und damit auf Ursachen, die einen Beitrag zum Sieg der Konterrevolution leisteten.

Es wäre zu begrüßen, wenn sich ein sachkundiger Genosse einmal in unserer Zeitschrift zum Buch Prof. Herrmanns äußern würde. Im Hinblick auf den 60. Jahrestag der DDR erschiene es mir angebracht, darüber zu berichten, was aus einem Arbeiterjungen, der spät zur Partei kam, unter sozialistischen Bedingungen werden konnte.

Helge Tietze, Bautzen


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Vor einiger Zeit hörte ich im MDR, daß die Bauern Sachsens, aber auch die anderer Bundesländer Strafen zahlen müssen, weil sie mehr Milch produzierten, als die EU vorgeschrieben hatte. Wie man weiß, sind solche Festlegungen bindend. Das ist dann so etwas wie eine staatliche Plankennziffer zur Senkung der Produktion. Wird sie überboten, erfolgt die Maßregelung.

Nun weiß man aber auch, daß in der kapitalistischen Welt mit besonderer Vorliebe die Norm- und Planwirtschaft der DDR verächtlich gemacht wird. Spätestens jetzt müßte jedem klar sein, was wir falsch gemacht haben: Hätten wir in der DDR auch die Plankennziffern genutzt, um die Agrarproduktion zu drosseln und jene, die sich nicht daran hielten, mit Strafen zu belegen, wäre auch bei uns alles in Ordnung gewesen. In den Augen des Kapitals, versteht sich.

Unter Bedingungen des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln wurde in der DDR versucht, die Plankennziffern maximal zu überbieten, um den Bedarf der Bevölkerung noch besser decken zu können. Wem das gelang, der steckte dann auch noch eine Prämie ein. Es zeigt sich wieder einmal, wie haushoch die Moral der DDR dieser verkommenen bundesdeutschen und EU-Moral überlegen war.

Rainer Albert, Zwickau


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Unlängst sah ich mir die ARD-Talkshow "Menschen bei Maischberger" an. Thema: "Hatte Marx doch recht? Wir wollen den Sozialismus zurück!"

Man benutzte Marx und den Sozialismus im Titel nur deshalb, um dieses Thema nicht unbesetzt zu lassen und zu vermeiden, daß immer mehr Menschen der Linkspartei oder sogar den Kommunisten Gehör schenken. Die Teilnehmer Peter Sodann und Günther Wallraff waren für die Moderatorin mehr oder weniger berechenbar, natürlich auch Heiner Geißler.

Da die Not der Bourgeoisie groß ist, darf auch schon mal positiv auf die DDR-Verfassung Bezug genommen werden. Hauptsache: Die Massen und vor allem die Arbeiter bleiben das, was sie derzeit noch weitgehend sind - passive Zuschauer vor den Bildschirmen. Die Herrschenden wissen ganz genau, daß es zur Zeit ihrer tiefsten Krise keine selbstbewußte und handlungsfähige deutsche Arbeiterklasse gibt, von der dem System reale Gefahr drohen könnte. Da kann man bequem auch über Marx und den Sozialismus fabulieren. Das Schlimmste, was eintreten könnte, wäre, daß noch mehr Leute die Linkspartei wählen. Aber auch dadurch würde das System wohl kaum in Frage gestellt werden.

Ronald Brunkhorst, Kassel


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Angeregt durch Hans Fricke habe ich zu seinem Buch "Davor - Dabei - Danach" gegriffen. Für mich als ehemaligen Grenzsoldaten war klar: So etwas mußt du lesen. Mir war bewußt, daß Genosse Fricke von einer Ebene aus schreibt, die mir fremd ist, die ich einfach nicht kenne. Er war Oberst und ich Unterfeldwebel. Auch in einer sozialistischen Armee lagen dazwischen Welten. Ich habe aber sehr schnell festgestellt, daß unsere Erfahrungen überhaupt nicht so unterschiedlich sind. Hans Fricke schildert sehr anschaulich die Anstrengungen, die junge DDR-Bürger zum Schutz der Staatsgrenze unternahmen, spart aber auch Widersprüchliches und Ärgernisse nicht aus, die es im Alltag der Dienstdurchführung gab. Wer "dabei" war, weiß, daß es davon nicht wenige gab.

Nach meiner Meinung haben es die ehemaligen Angehörigen der Grenztruppen verdient, daß man sich in dieser Form an sie erinnert. Neben den Genossen des MfS waren sie es, auf die sich Haß und Verleumdung der neuen Machthaber nach 1990 konzentrierten. Nicht wenige von ihnen standen vor bundesdeutschen Gerichten, obwohl sie doch nach Recht und Gesetz der DDR gehandelt hatten. Kommandeure wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, nur weil sie korrekte Befehle gegeben hatten. Von der gegnerischen Propaganda wurden Begriffe wie "Mauerschütze" erfunden.

Jeder, der an der Grenze Dienst getan hat, weiß: Wir waren keine schießwütigen Monster. Die Grenzer waren froh, wenn sie ihre Kalaschnikows und die vollen Magazine wieder in der Waffenkammer abgeben konnten.

Helmut Timm, Groß Nemerow

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Januar 2008