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OFFENSIV/081: Ausgabe September-Oktober 2009 5/09


offen-siv 5/2009
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Ausgabe September-Oktober 2009 5/09

Kompendium des marxistisch-leninistischen Fernstudiums unserer Zeitschrift


INHALT

Redaktionsnotiz

Vorwort

Konzeption
I. Allgemeines
II. Methode
III. Die Seminare
IV. Materialien und Kosten
V. Spendenaufruf

Ökonomie
1. Philosophische Grundlagen des Marxismus
2. Einige Bemerkungen zu der von Marx angewandten Methode
3. Die Ware und deren Eigenschaften
4. Wie zeigt die Ware ihren Wert?
5. Von der einfachen Warenzirkulation zum Kapitalkreislauf,
    zur Ware Arbeitskraft und zur Produktion von Mehrwert
6. Das "konstante" und das "variable" Kapital im Verwertungsprozess
7. Strategien der Ausbeutung: absolute und relative Mehrwertproduktion
8. Der "Arbeitskampf" als Teil des Klassenkampfes
9. Die "Jagd nach dem Extraprofit" als eine weitere kapitalistische Quelle des Profits
10. Der "Fetischcharakter" der Ware, des Geldes und des Kapitals
11. Die Mystifizierung der Oberfläche des Kapitals
12. Logik und Empirie, Wesen und Erscheinung
13. Die Differenzierung der Arbeit in produktive und unproduktive Arbeit (für das Kapital)
14. Die Mehrwertrate
15. Die einfache und die erweiterte Reproduktionsebene des Kapitals
16. Die primäre Funktion des Bankkapitals für die Reproduktion des Kapitals
17. Konzentration und Zentralisation des Kapitals
18. Die Grenzen des Kapitalismus: der tendenzielle Fall der Profitrate
19. Die Leninsche Imperialismustheorie als Weiterentwicklung der von Marx entdeckten Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus
20. Ökonomische Bedingungen für die erfolgreiche Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft und den Aufbau des Sozialismus - als erstes Stadium des Kommunismus

Politik

Kapitel I: Staatstheorie
1. Klasse und Klassengesellschaft
2. Klassenkampf
3. Der Staat und seine Funktionen

Kapitel II: Parteitheorie
1. Die Kommunistische Partei - eine Partei neuen Typ
2. Die zwei Phasen des Aufbaus der Kommunistischen Partei vor der Errichtung der Diktatur des Proletariats

Kapitel III: Revolutionstheorie
1. Grundlagen des Imperialismus
2. Revolutionstheorie

Kapitel IV: Revisionismus
1. Revisionismus
2. Trotzkismus

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REDAKTIONSNOTIZ

Unsere Fernstudenten sind fleißige Leute. Da hat sich eine fünfköpfige Redaktionsgruppe gebildet und die wesentlichsten Inhalte unseres Fernstudiums zusammengefasst, versehen mit prägnanten Zitaten und gut ausgewählten weiterführenden Literaturhinweisen.

Das Ganze ist ein Kompendium. Dementsprechend ist nicht jeder logische Übergang bis ins einzelne ausformuliert. Das Kompendium soll nicht das Studium und nicht die Diskussion ersetzen, sondern das Fernstudium inhaltlich vorstellen, für die Absolventen ein Leitfaden zur Wiederholung und Vertiefung sein und für unsere Leserinnen und Leser ein Anreiz, sich wieder mal die Klassiker vorzunehmen.

Wie man der Konzeption des gerade zu Ende gehenden Durchgangs des Fernstudiums entnehmen kann, geht es nicht nur um die Grundlagen von Ökonomie und Politik, sondern ebenfalls um die Geschichte der Gesellschaftsformationen, Fragen der aktuellen Politik - hier um die "neue Weltordnung", Italien, Venezuela, Gaza, Iran - um den so genannten Stalinismus und um Agitation und Propaganda. Diese zusätzlichen und immer auf die aktuelle Lage reagierenden, deshalb also zum Teil auch variablen Themen wurden im Kompendium nicht verarbeitet, denn das Kompendium soll die allgemeingültigen Grundlagen enthalten.

Wir wünschen Euch eine interessante Lektüre und möchten an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der nächste, dann der dritte Durchgang unseres marxistisch-leninistischen Fernstudiums im Frühjahr 2010 beginnen wird, wahrscheinlich im März. Wer teilnehmen möchte, kann sich bereits jetzt anmelden. Weitere Informationen gibt es bei der Redaktion (siehe Impressum).

Wir können nicht schließen ohne den Hinweis, dass Zeitungmachen Geld kostet. Wir bitten um Spenden.

Redaktion offen-siv, Hannover

Spendenkonto Offensiv:
Inland: Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort: Offensiv
Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49, Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort: "Offensiv".

Redaktion Offensiv, Hannover

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VORWORT

Liebe Freunde und Freundinnen, liebe Genossen und Genossinnen,

in den vergangenen zwei Jahren entschloss sich eine kleine Gruppe Studenten des ersten von der Zeitschrift offen-siv organisierten Fernstudiums die inhaltlichen ökonomischen und politischen Schwerpunkte dieses Studiums zu dokumentieren. Das Redaktionskollektiv beabsichtigte ursprünglich, das vorliegende Kompendium den Teilnehmer/innen des zweiten (und sowie möglicherweise denjenigen der folgenden Durchgänge) des Fernstudiums als abschließende Lektüre auszuhändigen. Nach internen Diskussionen resp. einem Vorschlag der offen-siv-Redaktion erscheint das Kompendium nun als Sonderheft, um einen größeren Personenkreis auch außerhalb des Fernstudiums zu erreichen.

Die Struktur des Kompendiums orientiert sich inhaltlich an der Abfolge der Seminare. Nicht zuletzt aufgrund dieser Struktur dient das Kompendium der Nachbereitung des Studiums sowie der Beantwortung individueller Fragen und/oder inhaltlicher Unklarheiten. In den einzelnen thematischen Abschnitten wurden Originalzitate der klassischen Literatur integriert. Die Zitate dienen einerseits als Argumentationshilfe und andrerseits als Zugriffsmöglichkeit auf relevante Textpassagen für das gezielte Nachstudium. Ergänzt wurden die einzelnen Kapitel mit weiterführenden Literaturhinweisen, die Texte sind in der Regel frei zugänglich. Diese dokumentierten Literaturangaben sollen zum weiteren Studium der marxistisch-leninistischen Theorie und Praxis anregen.

Das Kompendium erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Studium des Marxismus-Leninismus stellt einen nicht endenden ideologischen Lern- und Auseinandersetzungsprozess dar. Diesem Prozess sind selbstverständlich auch die Autoren, d.h. ehemalige Studenten des ersten und ein Nochstudent des zweiten Fernstudiums unterworfen: soll heißen, auch wir lernen dazu. Und hier kommen wir zur zweiten Funktion des Kompendiums: Wir weisen darauf hin, dass Anregungen, Kommentare, positive oder negative Kritiken zur Struktur oder den Inhalten des Kompendiums über die Redaktionsanschrift der offen-siv herzlich willkommen sind.

Sozialismus oder Barbarei!

Für das Redaktionskollektiv: Norbert Müller, Göttingen


P.S. Abschließend einige persönliche Worte. Allergrößten Dank gebührt der Genossin Andrea und den Genossen Frank und Michael für die Realisierung der bisherigen beiden Durchgänge des Fernstudiums. Durch unsere Teilnahme an dem Fernstudium haben wir erfahren, wie viel Arbeit die drei Genossen für die Organisation des Fernstudiums auf sich genommen haben. Aber nicht nur der zeitliche Aufwand und die logistische Arbeit sind gigantisch, sondern es gelang den Teamern, die Lehren von Marx, Engels, Lenin und Stalin für die zum Teil unbedarften und eingeschränkt marxistisch denkenden Teilnehmer/innen optimal aufzubereiten und super didaktisch zu vermitteln. Für das Redaktionskollektiv dieses Heftes, vermutlich aber auch für viele andere Teilnehmer/innen hat das Fernstudium maßgeblich dazu beigetragen, eine neue politische Perspektive für ein Leben ohne Ausbeutung zu eröffnen.

Die drei Teamer haben revolutionäre Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes geleistet.

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KONZEPTION

Konzeption des marxistisch-leninistischen Fernstudiums der Zeitschrift offen-siv

Zeitraum: März 2008 - Dezember 2009

I. Allgemeines

Das Fernstudium soll die Grundlagen des Marxismus-Leninismus vermitteln und diese nutzbar machen für die aktuelle Praxis. Da die interessierten Genossinnen und Genossen weit über das Land verstreut sind und wir nicht die Kapazitäten haben, kontinuierliche Schulungsarbeit vor Ort durchzuführen, haben wir uns für die Form des Fernstudiums entschieden.


Spezifische Form des Fernstudiums

Diese Form bedeutet, dass es Einführungsseminare mit den "Teamern", also den für den jeweiligen Studienteil verantwortlichen "Lehrern" geben wird, woran sich eine Phase der Eigenarbeit in den jeweiligen Gruppen bzw. allein anschließt. Eine solche Phase dauert drei Monate. Am Ende dieser Zeit findet eine Lernzielkontrolle statt, deren Auswertung und Nachbereitung bei einem Zwischenseminar durchgeführt wird.

Nun würde die zweite Phase des Studiums beginnen, aufgebaut so wie gerade für die erste Phase dargestellt.

Im Ganzen denken wir an einen Zeitraum von eineinhalb Jahren, jeweils unterteilt in 3-monatige Blöcke - so wie oben skizziert.


Voraussetzungen und Bedingungen

Das Programm ist nicht unkompliziert, setzt kontinuierliche Arbeit und einige Disziplin voraus. Andererseits ist es auch zu schaffen: als Teilnehmer/in muss man ein- bis zweimal wöchentlich zwei bis drei Stunden Studienzeit aufbringen können, man muss alle drei Monate zu einem zweitägigen Wochenendseminar fahren können. Und hilfreich ist es, wenn man Zugang zu einem Computer mit Internet-Anschluss hat.


II. Methode:

1. Das Startseminar: Überblick über den Inhalt und Einsicht in den Zweck des gesamten Fernstudiums sowie notwendige philosophische und wissenschaftstheoretische Grundlagen, dann Einführung in die erste Studienphase mit überblickartigen Vorträgen zu den beiden inhaltlichen Blöcken (Ökonomie und Politik, die wechselweise in zwei Lerngruppen behandelt werden), anschließend Fragen und Diskussionen. Dabei Mitschriften über inhaltliche Eckpunkte und Fragen anlegen.

2. Selbständige konkrete Bildungsarbeit vor Ort in den Gruppen oder individuell - anhand von Literaturangaben, den Mitschriften aus den Einführungsseminaren und Diskussionen.

3. Lernzielkontrolle. Jede/r einzelne Teilnehmer/in schreibt eine Art Klausur, d.h. alle Teilnehmer/innen bekommen einen Fragenkatalog zugesandt. Die Antworten werden von den jeweiligen Teamern intensiv durchgesehen und mit Kommentaren versehen zurückgegeben, so dass Lernfortschritte und eventuelle Lernprobleme sichtbar werden.

4. Die weiteren Seminare, worin im ersten Teil die Probleme, Fragen und evtl. Unklarheiten, die sich in der Lernzielkontrolle gezeigt haben, aufgenommen und geklärt werden können. Im zweiten Teil gibt es dann die Einführung in die zweite Studienphase mit überblickartigen Vorträgen zu den beiden inhaltlichen Blöcken (Ökonomie und Politik), anschließend Fragen und Diskussionen. Dabei Mitschriften über inhaltliche Eckpunkte, Probleme und Fragen anlegen.

In dieser Weise wird es insgesamt sechs Seminare geben: das Einführungsseminar, vier Zwischenseminare und das Abschluss-Seminar.


III. Die Seminare

Startseminar

1. Tag, Sonnabend:

Anfangsplenum, Sonnabend, 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr:

Technisches; Überblick über das gesamte Fernstudium; dann:
Philosophische Grundlagen, Wissenschaftsbegriff, Erkenntnistheorie, Materialismus u. Idealismus, Materialismus in der Gesellschaftswissenschaft, Basis-Überbau-Modell, Bestimmung: was ist die Grundlage einer Gesellschaftsformation?

Kaffeepause - 15.00 bis 15.30 Uhr

Startseminar Lerngruppe A, Ökonomie
Sonnabend, 15.30 bis 18.30 Uhr

Ware - Gebrauchswert und Wert / Ware und Geld / Warenzirkulation / der einfache Begriff des Kapitals.

Startseminar Lerngruppe B, Politik
Sonnabend, 15.30 bis 18.30 Uhr

Klassen im Kapitalismus,
Begriff des Proletariats,
Klassenkampf
a) auf gewerkschaftlicher Ebene,
b) auf revolutionärer Ebene.
Klasse an sich und Klasse für sich,
Notwendigkeit der Partei

Abendessen: - 18.30 bis 19.30 Uhr

Zweites Plenum, Sonnabend, 19.30 - 21.00 Uhr:
Geschichte der Gesellschaftsformationen, Teil 1:
Begriffsklärungen: Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse, Urgesellschaft, Stammesgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft.

danach Kennenlernen, Gespräche, Diskussionen.


*


2. Tag, Sonntag:

Frühstück: - 8.30 bis 9.30 Uhr

Startseminar Lerngruppe A, Politik
Sonntag, 9.30 bis 12.30 Uhr

Siehe: 1. Tag unter "Lerngruppe B"

Startseminar Lerngruppe B, Ökonomie
Sonntag, 9.30 bis 12.30 Uhr

Siehe: 1. Tag unter "Lerngruppe A"

Mittagessen: - 12.30 bis 13.30 Uhr

Schlussplenum, Sonntag, 13.30 - ca. 15.30 Uhr:
1. Teil: Kurt Gossweiler berichtet über lernen und kämpfen
2. Teil: Rückmeldung über das erste Wochenendseminar: Kritik, Lob, Wünsche usw.

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2. Seminar: Erstes Zwischenseminar (nach 3 Monaten)

1. Tag, Sonnabend

Anfangsplenum, Sonnabend, 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr:
Frank Flegel: Verhältnis von Wissenschaft und Politik, Abgrenzung zur bürgerlichen Geschichtsschreibung, zu Theologie, zum Biologismus, Psychologismus, Sozialdarwinismus usw.

Kaffeepause: - 14.30 bis 15.00 Uhr

1. Zwischenseminar Lerngruppe A, Ökonomie
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Klärung offener Fragen der ersten Etappe.
2. Teil: Fetischcharakter der Ware u. des Geldes, Subjektivität und Objektrolle des Menschen, Mystifizierung der Oberfläche des Kapitals, Lohnformen und der Begriff des "notwendig falschen Bewusstseins", Klassen und Vernebelung des Klassenwiderspruchs.

1. Zwischenseminar Lerngruppe B, Politik
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Klärung offener Fragen der ersten Etappe.
2. Teil: Parteitheorie I:
Die Machtfrage / Kaderpartei oder Massenpartei? / Lenins Parteikonzept / Wissenschaft und Partei / demokratischer Zentralismus / Abweichungen.

Abendessen: - 19.00 bis 20.00 Uhr

zweites Plenum Sonnabend, 20.00 bis 21.30 Uhr:
Gerhard Feldbauer: Die kommunistische Bewegung in Italien nach der Wahlniederlage


*


2. Tag, Sonntag:

Frühstück: - 8.00 bis 9.00 Uhr

1. Zwischenseminar Lerngruppe A, Politik
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

Siehe: 1. Tag unter "Lerngruppe B".

1. Zwischenseminar Lerngruppe B, Ökonomie
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

Siehe: 1. Tag unter "Lerngruppe A".

Mittagessen: - 13.00 bis 14.00 Uhr

Schlussplenum, 14.00 bis 16.00 Uhr
1. Teil: Geschichte der Gesellschaftsformationen, Teil 2: Feudalismus, Kapitalismus, Sozialismus, aktuelle Epochenbestimmung.
2. Teil: Reflexion des Fortgangs unseres Fernstudiums, Lob, Kritik, Wünsche, Verbesserungsvorschläge.

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3. Seminar: Zweites Zwischenseminar (nach 6 Monaten)

1. Tag, Sonnabend:

Anfangsplenum, Sonnabend, 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr:
Michael Opperskalski: Der aktuelle Zustand der kommunistischen Bewegung in Deutschland und seine Vorgeschichte.

Kaffeepause: - 14.30 bis 15.00 Uhr

2. Zwischenseminar Lerngruppe A, Ökonomie
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Klärung offener Fragen der zweiten Etappe.
2. Teil: Formen der Mehrwertproduktion / Produktivkraftsteigerung im Kapitalismus / das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation / Konzentration und Zentralisation des Kapitals / Arbeitslosigkeit / der Tendenzielle Fall der Profitrate / die allgemeine Krise des Kapitalismus.

2. Zwischenseminar Lerngruppe B, Politik
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Klärung offener Fragen der zweiten Etappe.
2. Teil: Parteitheorie II: Partei und proletarischer Internationalismus / Massenorganisation / antiimperialistische Solidarität / imperialistischer Krieg / Bündnispolitik.
Das Problem der Vermischung.
3. Teil: Staatstheorie: Der Staat im Kapitalismus / Der Staat im Sozialismus / Diktatur des Proletariats.

Abendessen: - 19.00 - 20.00 Uhr

zweites Plenum Sonnabend, 20.00 bis 21.30 Uhr:
Michael Opperskalski: Die so genannte "neue Weltordnung"


*


2. Tag, Sonntag:

Frühstück: - 8.00 bis 9.00 Uhr

2. Zwischenseminar Lerngruppe A, Politik
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

Siehe 1. Tag unter "Lerngruppe B".

2. Zwischenseminar Lerngruppe B, Ökonomie
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

siehe 1. Tag unter "Lerngruppe A".

Mittagessen: - 13.00 bis 14.00 Uhr

Schlussplenum, 14.00 bis 16.00 Uhr:
1. Teil: Frank Flegel: Die aktuelle Weltwirtschaftskrise
2. Teil: Reflexion des Fortgangs unseres Fernstudiums, Lob, Kritik, Wünsche, Verbesserungsvorschläge.

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4. Seminar: Drittes Zwischenseminar (nach 9 Monaten)

1. Tag, Sonnabend:

Anfangsplenum, Sonnabend, 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr:
Michael Opperskalski: Der palästinensische Widerstand in Gaza

Kaffeepause - 14.30 bis 15.00 Uhr

3. Zwischenseminar Lerngruppe A, Ökonomie
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Klärung offener Fragen der dritten Etappe.
2. Teil: Marxsche Methode:
Forschungs- und Darstellungsweise / Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten / Dialektik / Logik und Empirie / Logik und Geschichte.
3. Teil: Lenins Imperialismustheorie: Grundsätzliches.

3. Zwischenseminar Lerngruppe B, Politik
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Fragen der dritten Etappe.
2. Teil: Revolutionstheorie / imperialistische Zentren und "schwächstes Glied" / die Große Sozialistische Oktoberrevolution / die Lage nach 1945.
3. Teil: Strategie und Taktik der kommunistischen Partei, darin u.a. Lenins Imperialismustheorie: aktuelle Bezüge, Abweichungen (z.B. Globalisierungsbegriff, Neoliberalismustheorie).

Abendessen: 19.00 - 20.00 Uhr

zweites Plenum Sonnabend, 20.00 bis 21.30 Uhr:
Ingo Niebel: Der revolutionäre Prozess in Venezuela


*


2. Tag, Sonntag:

Frühstück: - 8.00 bis 9.00 Uhr

3. Zwischenseminar Lerngruppe A, Politik
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

Siehe 1. Tag unter "Lerngruppe B".

3. Zwischenseminar Lerngruppe B, Ökonomie
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

Siehe 1. Tag unter "Lerngruppe A".

Mittagessen: - 13.00 bis 14.00 Uhr

Schlussplenum: 14.00 bis 16.00 Uhr
1. Teil: Der deutsche Imperialismus, Teil 1
2. Teil: Reflexion des Fortgangs unseres Fernstudiums, Lob, Kritik, Wünsche, Verbesserungsvorschläge.

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5. Seminar: Viertes Zwischenseminar (nach 12 Monaten)

1. Tag:

Anfangsplenum, Sonnabend, 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr: Michael Opperskalski: Iran

Kaffeepause: - 14.30 bis 15.00 Uhr

4. Zwischenseminar Lerngruppe A, Ökonomie
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Klärung offener Fragen der vierten Etappe.
2. Teil: Politische Ökonomie des Sozialismus (Theoretische Ebene)
Grundsätzliches / Fragen des Übergangs / Warenproduktion / Wertgesetz und Planwirtschaft

4. Zwischenseminar Lerngruppe B, Politik
Sonnabend, 15.00 bis 19.00 Uhr

1. Teil: Wiederholung und Klärung offener Fragen der vierten Etappe.
2. Teil: Klassischer Revisionismus
Die SPD 1914/1918 / Was ist "demokratischer Sozialismus"? / Was war Eurokommunismus? / Der moderne Revisionismus und die Niederlage des Sozialismus in Europa.

Abendessen: 19.00 - 20.00 Uhr

zweites Plenum Sonnabend, 20.00 bis 22.00 Uhr:
Michael Opperskalski und Frank Flegel: Der so genannte Stalinismus.
Klassenkampf, Ökonomie und Politik in der Sowjetunion von den 20er Jahren bis in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Heutige Bedeutung.


*


2. Tag:

Frühstück: - 8.00 bis 9.00 Uhr

4. Zwischenseminar Lerngruppe A, Politik
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

Siehe 1. Tag unter "Lerngruppe B".

4. Zwischenseminar Lerngruppe B, Ökonomie
Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr

Siehe 1. Tag unter "Lerngruppe A".

Mittagessen: - 13.00 bis 14.00 Uhr

Schlussplenum, 14.00 bis 16.00 Uhr
1. Teil: Andrea Schön: Der deutsche Imperialismus, Teil 2
2. Teil: Planung des nächsten Seminars: Agitation und Propaganda, Fragen der Entfaltung von Organisationskraft, Vernetzung, Zusammenarbeit, Multiplikation.

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6. Seminar: Schluss-Seminar (nach 15 Monaten)

1. Tag:

Anfangsplenum, Sonnabend, 12.30 Uhr bis 14.30 Uhr:
Frank Flegel: Kriterien für kommunistische Agitation und Propaganda, abgeleitet aus den Mystifizierungen der Oberfläche des Kapitals und deren Fetischbildungen.

Kaffeepause: - 14.30 bis 15.00 Uhr

Kleingruppenarbeit
Sonnabend 15.00 - 17.30 Uhr:

Exemplarische Analysen vorhandener historischer und aktueller Beispiele für kommunistische Agitation und Propaganda. Reflexion, Kritik und Verbesserung.

zweites Plenum Sonnabend, 17.30 - 19.00 Uhr:
Vorstellung der Kleingruppenarbeiten, Diskussion

Abendessen: - 19.00 - 20.00 Uhr

drittes Plenum Sonnabend, 20.00 bis 22.00 Uhr:
Michael Opperskalski und Frank Flegel: Organisationsseminar. Handreichungen zu den Fragen von Motivieren, Organisieren und Reflektieren.


*


2. Tag:

Frühstück: - 8.00 bis 9.00 Uhr

Viertes Plenum, Sonntag, 9.00 bis 13.00 Uhr:
Zukunft.

Mittagessen: - 13.00 bis 14.00 Uhr

Fünftes Plenum, Sonntag, 14.00 - 15.30 Uhr:
Schluss-Reflexion des Fernstudiums.

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IV. Materialien und Kosten

Wir werden für das eineinhalbjährige Fernstudium eine geringe Gebühr nehmen müssen: 10,00 €. Alle Teilnehmer/innen werden dafür zu Beginn ein Paket ausgehändigt bekommen mit sieben Schulungsheften und wahrscheinlich auch einer CD mit Texten. Das "Kapital", Band 1 von Marx (Dietz-Ausgabe MEW 23 - wir brauchen gleiche Seitenzahlen!) und Lenin: "Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" müssen von den Teilnehmern/innen angeschafft werden.

Für die Tagungsräume und die Verpflegung bei den Seminaren müssen wir ebenfalls jeweils 10,- € berechnen.

Außerdem müssen die Fahrtkosten zum Seminarort (z.Zt. Göttingen und Hannover) von den Teilnehmern/innen selbst aufgebracht werden.

Für diejenigen, die dazu nicht in der Lage sind, gibt es eine Kampagne für einen Spendenfonds, damit fehlendes Geld kein Hindernis fürs Lernen ist.


V. Spendenaufruf:

Fahrt- und Unterkunftskostenhilfe:

Wir brauchen einen Hilfsfonds für die Unterstützung junger Genossinnen und Genossen, die sich die Fahrten zum Seminarort nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten leisten können.

Spendenkonto: Konto Frank Flegel,
Kt.Nr.: 21827 249 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80,
Kennwort: Fernstudium (Kennwort nicht vergessen!)

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ÖKONOMIE

1. Philosophische Grundlagen des Marxismus

Der Mensch muss sich die Frage stellen, was wahr ist und was nicht. Bei den Naturwissenschaften ist die Antwort häufig recht einfach, denn z.B. Wasser verlässt seinen flüssigen Aggregatszustand bei 100°C und wird gasförmig. Daran kann man nicht rütteln und die Menschheit wird daran auch nichts ändern können. Wenden wir uns aber der menschlichen Gesellschaft zu, so sind der Mensch und die Gesellschaft Gegenstand von widersprüchlichen und klassengeprägten Verhältnissen - und man benötigt für den Erkenntnisprozess wissenschaftstheoretische und philosophische Überlegungen.

Eigentlich dürfte Wahrheit im Bereich der Gesellschaft - im Gegensatz zu den Naturwissenschaften - recht simpel zu erkennen sein, denn es geht um uns Menschen und um Dinge und Verhältnisse, die wir gemacht haben. Da jedoch die Geschichte der Menschheit (bis hin zur Gegenwart) zeigt, dass es häufig zu Auseinandersetzungen, Widersprüchen und Unkenntnis kam und kommt, verhält es sich mit der Erkenntnis ziemlich kompliziert.

Die Philosophie (griech.: Liebe zur Weisheit) als

"theoretische begründetes System von Anschauungen über die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten, über die Stellung des Menschen in der Welt und seine Möglichkeiten, die Welt zu erkennen und zu verändern." (1)

hat sich traditionell in zwei verschiedene, entgegengesetzte Grundlagen gespalten, nämlich den Idealismus und Materialismus.

Der Idealismus umfasst alle philosophischen Anschauungen, die das Bewusstsein für das Primäre des Seins und als Grundlage der menschlichen Realität ansieht. Auf dieser Grundlage sind die Ideen das eigentlich Wirkliche und die menschlichen Handlungen und Taten lediglich als ein Abbild dieser Ideen selbst zu betrachten.

Der Idealismus differenziert sich in einen objektiven und in einen subjektiven Idealismus. Beim objektiven Idealismus ist das Bewusstsein (im Sinne von Denken oder Geist) losgelöst von seiner materiellen Grundlage und den konkreten historischen Verhältnissen. Eine Konsequenz dieser Strömung ist die Verselbständigung des Bewusstseins zu einer objektiv existierenden Instanz. Ausdruck dessen ist die Existenz eines Gottes als "Schöpfer der materiellen Welt" oder das Vorhandensein eines "Reiches der Ideen". Im subjektiven Idealismus werden dagegen Elemente der individuellen Sinneserkenntnis verabsolutiert. In den Vordergrund der menschlichen Erkenntnistheorie rücken z.B. die persönliche Wahrnehmung und/oder die Aufmerksamkeit für das "Hier und Jetzt" (z.B. eines der Prinzipien des Buddhismus). Die mit der Klassenspaltung verbundene Trennung in körperliche und geistige Arbeit, die Monopolisierung der geistigen Arbeit durch die Bourgeoisie sowie das Interesse der Bourgeoisie an der Verschleierung der sozialen Verhältnisse werden von materialistischen Philosophen als wesentliche sozialen Ursachen für die (Noch-)Existenz des Idealismus gesehen.

Im Gegensatz zum Idealismus führt der Materialismus die gesamte Realität auf ein einziges Grundprinzip, nämlich die Materie, zurück. Er erklärt die den Menschen umgebende Welt und die in ihr ablaufenden Prozesse ohne eigenständige geistige bzw. immaterielle Elemente, d.h. Gedanken und Ideen sind abgeleitete Erscheinungsformen der Materie.

Während des Überganges vom Feudalismus zum Kapitalismus war der bürgerliche Materialismus das geistige Rüstzeug der aufkommenden Bourgeoisie im ideologischen Kampf gegen die Feudalgesellschaft. In Frankreich und England entwickelte sich mit Hilfe naturwissenschaftlicher Experimente und Beobachtungen in der Physik, Astronomie und Chemie ein umfassendes Verständnis für die Natur und den Materialismus. Unabhängig von diesen Fortschritten war der bürgerlicher Materialismus mit Defiziten verbunden:

- der unhistorische Charakter des Materialismus war noch nicht überwunden worden,
- die Entwicklung der Gesellschaft wurde nicht materialistisch erklärt,
- die Materie und das Bewusstsein standen sich undialektisch gegenüber.

Erst Marx und Engels dehnten die Prinzipien des Materialismus auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft aus und begründeten im dialektischen und historischen Materialismus ein materialistisches Verständnis der Gesellschaft. Marx und Engels erkannten, dass für die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins (Denkens) nicht die Natur allein bestimmend ist, sondern vor allem die materielle produktive Tätigkeit. In der Arbeit setzt sich der Mensch und die Gemeinschaft mit der Natur auseinander und verändert sie. Gleichzeitig geht er in dieser Arbeit, die der materiellen Produktion dient, von seinem Bewusstsein und Willen unabhängige Verhältnisse ein, die die Grundlage der gesamten geschichtlichen Entwicklung bilden. Demnach entwickelt sich das Bewusstsein als Ergebnis biologischer Prozesses als eine Funktion des menschlichen Gehirns, welches sich überwiegend im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Arbeit herausbildete.

Marx revolutionierte Hegels Dialektik. Marx postulierte, dass sich die Welt, d.h. die objektive Wirklichkeit, aus ihrer materiellen Existenz und deren Entwicklung erklären lässt (Materialismus) und nicht als Verwirklichung einer göttlichen "absoluten Idee" (Idealismus) oder des menschlichen Denkens.

In diesem Zusammenhang ist Marx' berühmter Satz

"Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein"

(eigentlich: "Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.") (2)

zu nennen, der im Gegensatz zu dem Hegelschen Denken, nach dem das Bewusstsein das Sein bestimmen würde, steht. Das Bekenntnis stellt eine konzentrierte Verdichtung komplexer materialistischer Vorstellungen dar. Mit dem "Sein" meint Marx immer die objektive Realität, die sich außerhalb des menschlichen Bewusstseins befindet und durch die Materie repräsentiert, jedoch durch das menschliche Bewusstsein wahrgenommen, verarbeitet und reflektiert wird. Marx geht nun (in Erweiterung seiner materialistischen Vorgängern) davon aus, dass das "Sein" nicht nur die gegebene Umwelt (Natur, usw.) ist, sondern auch die Produktion, sprich die Arbeit, Kooperation, Besitz, Verteilung, Produktionsmittel, etc., das Bewusstsein bestimmen, welches schließlich nur eine ideelle Widerspiegelung der objektiven Realität ist oder

"nie etwas Andres sein [kann] als das bewusste Sein." (3)

Als konsequente Erweiterung des dialektischen Materialismus und des dialektischen Denkens sowie als Voraussetzung des Aufstiegs zu komplexeren gesellschaftlichen Zusammenhängen gilt das Basis-Überbau-Modell, welches unabhängig von den Produktionsverhältnissen die ökonomisch-gesellschaftliche Struktur bildet.

Eine Gesellschaftsformation wird notwendigerweise (ohne bewussten Willen des Menschen) durch ihre ökonomische Struktur (Produktionsweise, -verhältnisse, -kräfte, Arbeitsteilung und Verteilung) als materielle Basis gebildet. Jene Faktoren entstehen aus dem materiellen Leben selbst und werden ständig reproduziert sowie weiterentwickelt. Marx dazu:

"In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte notwendige von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, .... (4)

In gesamtgesellschaftlichem Kontext erhebt sich über der ökonomische Basis ein Überbau, der die ökonomischen Verhältnisse reflektiert. Kompartimente des Überbau sind die rechtlichen und politischen Institutionen (Staat, Gewerkschaften, Parteien, u.a.) einerseits und die politischen, moralischen, philosophischen und sonstigen Anschauungen andrerseits als "Bewusstseinsformen" einer Gesellschaft. Der gesellschaftliche Überbau befindet sich fast vollständig unter der Kontrolle der jeweilig herrschenden Klasse.

"... dass also die jedesmalige ökonomische Struktur der Gesellschaft die reale Grundlage bildet, aus der der gesamte Überbau der rechtlichen und politischen Einrichtungen sowie der religiösen, philosophischen und sonstigen Vorstellungsweise eines jeden geschichtlichen Zeitabschnittes in letzter Instanz zu erklären sind" (5)

Deutet man das Verhältnis von Basis und Überbau, bedingt und bestimmt die reale ökonomische Basis einer Gesellschaft letztlich ihren Überbau. Zwar kann der Überbau beispielsweise durch die Differenzierung der Gesetze, der Entwicklung von Patenten im Rahmen geförderter Wissenschaft etc. direkt dialektisch auf die Basis zurückwirken, doch setzt sich letztendlich die Basis gegen den Überbau durch und gestaltet und kontrolliert ihn. Bezieht man das Basis-Überbau-Modell auf eine gesellschaftliche Umwälzung, entwickelt sich im "Schoße" der alten Gesellschaft zunächst die Basis der neuen Gesellschaft und auf dieser Grundlage der Überbau der neuen Gesellschaft.

Zitierte Literatur:
(1) Kosing, A. (1985): Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie. 3. Aufl., Dietz., S. 219
(2) Marx, K., Zur Kritik der politischen Ökonomie. In: Werke, Bd. 13, S. 9
(3) Marx, K., Engels, F.: Die deutsche Ideologie. In: Werke, Bd. 3, S. 26
(4) Marx, K., Zur Kritik der politischen Ökonomie. In: Werke, Bd. 13, S. 8
(5) Engels, F., Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. In Werke, Bd. 19, S. 208

Ergänzende Literatur: Lenin, W.I.: Materialismus und Empiriokritizismus. In: Werke, Bd. 14, 537 S.

Stoljarov, Vitali (1967): Zum Gegensatz von Materialismus und Idealismus. In: Die Grundfrage und die Grundrichtungen der Philosophie. In: Autorenkollektiv: Marxistische Philosophie, 1. Aufl., Dietz. 113-149.

Autorenkollektiv (1938): Über dialektischen und historischen Materialismus. In: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki), Bücherei des Marxismus-Leninimus, Bd. 12, Berlin 1952, 131-166.

http://www.dkp-friedrichshain-kreuzberg.de/set.html


2. Einige Bemerkungen zu der von Marx angewandten Methode

Bevor wir uns mit der Marxschen Analyse des Kapitalismus beschäftigen, müssen wir uns mit der Methodik des Kapitals kurz auseinander setzen. Das "Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten" ist die von Marx zur Darstellung der Analyse des Kapitalismus angewandten Methode, es ist faktisch der "Rote Faden" im Kapital. In seinen Untersuchungen beginnt Marx mit dem einfachsten, dem grundlegenden Element im Kapitalismus: es ist die Ware und der daraus resultierende Warentausch, der uns tagtäglich im Kapitalismus begegnet und beschäftigt. Auf dieser Grundlage entwickelte Marx theoretische Abstraktionen wie z.B. den Doppelcharakter der Ware oder den Doppelcharakter der Arbeit. Aus diesen Widersprüchen leitete Marx wiederum die gesellschaftliche Realität mit ihren Oberflächenphänomenen, ihrem Schein und dem notwendig falschen Bewusstsein in der Bevölkerung als konkrete Wesensmerkmale des Kapitalismus (z.B. Überproduktionskrisen oder Kriege um Rohstoffe als Rahmenbedingungen der kapitalistischen Weltpolitik) ab. Marx betont in seinem Manuskript "Grundrisse der politischen Ökonomie" einen Eckpfeiler seiner Methode:

"Das Konkrete ist deshalb konkret, weil es die Zusammenfassungen vieler Bestimmungen ist ..." (1)

Diese Methode ist geeignet, alle an der Oberfläche des Kapitalismus auftretenden konkreten Phänomene zu erklären und letztendlich auf das Abstrakte, die Ware, zurückzuführen.

"... die Methode, vom Abstrakten zum Konkreten aufzusteigen, (ist) nur die Art des Denkens..., sich das Konkrete anzueignen, es als ein geistig Konkretes zu reproduzieren." (2)

Sein methodisches Vorgehen ist zur Analyse des Kapitalismus und des Oberflächenphänomene so lange geeignet, wie es den Kapitalismus selbst gib.


Zitierte Literatur:
(1), (2) http://www.mlwerke.de/me/me13/me13_615.htm#Kap_3

Ergänzende Literatur:
Burgholte, H.-G.: Zum Zusammenhang des ersten Bandes des Kapitals, in: http://www.debatte.info/index.php?id=614

Rosental, M. (1957): Die Dialektik in Marx' "Kapital", Dietz Verlag Berlin.

Vom Abstrakten zum Konkreten, JW vom 31.05.08, Wochenendbeilage S. 3


3. Die Ware und deren Eigenschaften

Die kapitalistische Produktionsweise ging aus der Naturalwirtschaft der feudalen Gesellschaft des Mittelalters hervor. Die Bauern und Handwerker verloren zum Ausgang des Feudalismus ihre Produktionsmittel und mussten sich als lohnabhängige Arbeitskräfte in den ersten Manufakturen und kleineren Produktionsstätten der sich bildenden Städte verdingen. Zwei Kriterien waren für die kapitalistische Produktion obligatorische Voraussetzung:

1. Die Produktionsmittel befinden sich unter der Kontrolle eines geringen Teils der damaligen Bevölkerung (= die Klasse der Kapitalisten),

2. Der Großteil der Bevölkerung besaß nur noch ihre Arbeitskraft und mussten sich als Lohnarbeiter verkaufen.

Um die Logik des Kapitalismus zu verstehen, müssen wir uns mit dem Wesen des Kapitalismus, der Warenproduktion auseinander setzen. Im Kapitalismus nimmt alles, angefangen von unserer Arbeitskraft bis zur Gesundheitsversorgung die Form einer Ware an. Der Kauf und der Verkauf von Waren bestimmen unseren Lebensalltag. Nicht zuletzt aus diesem Grund beginnt Marx seine Kapitalismusanalyse bei der kleinsten ökonomischen Einheit: der Ware.

"Der Reichtum der Gesellschaften, in welchen kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint als eine 'ungeheure Warensammlung', die einzelne Ware als seine Elementarform. Unsere Untersuchung beginnt daher mit der Analyse der Ware." (1)

Die Ware ist zunächst ein Gegenstand, der die Eigenschaft besitzt, ein Bedürfnis der Menschen zu befriedigen, z.B. ein Brot befriedigt das Bedürfnis der Menschen zur Nahrungsaufnahme nach Einsetzen von Hungergefühlen. Das ist der notwendige Nutzen für den Menschen. Der praktische Nutzen einer Ware kann für den "Nutzer" von sehr unterschiedlicher Natur sein. Die Nützlichkeit eines Gegenstandes drückt sich im Sinne der Bedürfnisbefriedigung für den Menschen durch seinen Gebrauchswert (GW) aus, oder um es mit den Worten von Marx auszudrücken:

"Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert". (2)

Der Gebrauchswert einer Ware entsteht durch konkrete Arbeit. Der Gebrauchswert eines Tisches drückt sich durch die konkrete, physische Arbeit des Tischlers mit Hilfe der Säge, des Leimes, etc. aus und sie unterscheidet sich qualitativ von der konkreten Arbeit eines Schreiners. Einen Gebrauchswert für den Menschen haben auch viele Gegenstände, die ohne menschliche Arbeit geschaffen wurden: die Früchte wildwachsender Obstbäume oder die im Wald gefundenen essbaren Pilze.

Allerdings ist nicht jeder nützliche Gegenstand, der gleichzeitig ein Bedürfnis befriedigt, auch eine Ware. Als Beispiele für derartige Gegenstände gibt Marx

"Luft, jungfräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz." (3)

an.

"Ein Ding kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein", (4)

wenn es der eigenen Bedürfnisbefriedigung dient (ein Bäcker, der sein selbst hergestelltes Brot verkonsumiert). Ein Produkt wird nur dann zur Ware, wenn

"das Produkt dem andern ... durch den Austausch übertragen."(5)

wird. Ein Ding wird zur Ware, wenn 1. das Ding einen Nutzen für den Menschen hat, 2. das Ding für den Tausch hergestellt wurde und somit, als selbstverständliche Voraussetzung, 3. das Ergebnis eines Arbeitsprozesses ist.

Zu einer Ware mit Gebrauchswert werden Gegenstände erst in dem Moment, wo sie durch menschliche Arbeit für den Markt zum Verkauf bereitgestellt werden. Jede Ware hat folglich einen Gebrauchswert, aber nicht jeder Gegenstand mit Gebrauchswert ist eine Ware.

Neben dem Gebrauchswert besitzt eine Ware einen (Tausch)-Wert, der sich als eine quantitative Beziehung zwischen den Gebrauchswerten zweier Waren ausdrückt: drei Säcke Weizen tauschen sich gegen einen Sack Reis. In dieser Tauschbeziehung werden zwei Gegenstände miteinander gleichgesetzt - doch: warum können zwei verschiedene Gegenstände miteinander verglichen werden und was ist deren gemeinsame Grundlage?

Verliert eine Ware alle ihre durch menschliche Sinne wahrnehmbaren Eigenschaften, so bleibt von der Ware nur eines: sie ist das Ergebnis abstrakter menschlicher Arbeit (im Sinne von der Summe aller psychischen und physischen Verausgabungen des Menschen). Erst dieser gemeinsame Nenner aller Waren, Ergebnis abstrakter Arbeit zu sein, macht die Waren miteinander vergleichbar.

"Es ist also nur ... die zur Herstellung eines Gebrauchswerts gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgröße bestimmt. ... Waren, worin gleich große Arbeitsmengen enthalten sind oder die in derselben Arbeitszeit hergestellt werden können, haben daher dieselbe Wertgröße." (6)

"Da die Wertgröße einer Ware nur das Quantum der in ihr enthaltenen Arbeit darstellt." (7)

Der Wert einer Ware ist also eine "gesellschaftliche" Eigenschaft oder mit anderen Worten: die Ware ist ein Ergebnis vergegenständlichter nützlicher menschlicher Arbeit. Ist ein Gegenstand nutzlos, so ist auch die darin enthaltende Arbeit nutzlos und bildet keine Wertgröße ab. Ist die Ware nützlich, gilt: Je mehr Zeit für ihre Herstellung benötigt wird, umso größer ist ihr Wert.

Marx geht bei seinen Überlegungen von der gesellschaftlich durchschnittlich notwendigen Arbeitszeit und nicht von der real in einer Ware vergegenständlichen Arbeitszeit aus. Die durchschnittlich notwendige Arbeitszeit gibt die Zeit an, die jeweils unter durchschnittlichen technischem Niveau, Intensität der Arbeit und gesellschaftlichen Produktionsbedingungen zu ihrer Herstellung aufgewendet werden muss.

Erst Marx stellte fest, dass die Eigenschaften der Waren, Gebrauchswert und Wert zu sein, durch den Doppelcharakter der für ihre Produktion aufgewendeten Arbeit (d.h. die konkrete und die abstrakte Arbeit) bestimmt werden: als konkrete Arbeit schafft sie den Gebrauchswert und als abstrakte Arbeit schafft sie den (Tausch-)Wert der Ware. Der Doppelcharakter der in der Ware verkörperten Arbeit gekennzeichnet den Widerspruch zwischen der privaten und gesellschaftlichen Arbeit der Produzenten im Kapitalismus. Die Arbeit der Warenproduzenten wird zu einer "privaten" Angelegenheit, denn jeder Kapitalist produziert seine Waren unabhängig von anderen Produzenten. Eine koordinierte und auf die Bedürfnisse der Gesellschaft abgestimmte Produktion findet in der Warengesellschaft nicht statt.


Zitierte Literatur:
(1), (2), (3), (4), (5) Marx, K., Das Kapital, I. Band, S. 49
(6) Marx, K., Das Kapital, I. Band, S. 54
(7) Marx, K., Das Kapital, I. Band, S. 60

Ergänzende Literatur:
Marx, K., Das Kapital, I. Band , S. 192-213

http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_g/gebrauchswert.html

Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 81-98.


4. Wie zeigt die Ware ihren Wert?

Es ergibt sich nun zwangsläufig die Frage, wie eine Ware gegenüber einer anderen ihren Wert ausdrücken kann? Marx stellte fest:

"das einfachste Wertverhältnis ... (ist) offenbar das Wertverhältnis einer Ware zu einer einzigen verschiedenartigen Ware, gleichgültig welcher. Das Wertverhältnis zweier Waren liefert daher den einfachsten Wertausdruck für eine Ware" (1):

[1]
x Ware A = y Ware B

In Ausdruck [1] wird die Ware A mit der Ware B gleichgesetzt. Ware A drückt ihren Wert in Ware B aus. Ware A stellt sich als relativer Wert dar oder sie befindet sich in der relativen Wertform. Dies ist die Ware, die ihren Wert ausdrücken will, denn an sich selbst ist sie nur ein nützliches Ding mit einem Gebrauchswert. Ware B dagegen fungiert als Äquivalent von Ware A und befindet sich in der Äquivalentform. Sie dient als Wertausdruck. Eine Ware kann sich nicht gleichzeitig in der Wert- und Äquivalentform darstellen; es

"hängt ausschließlich ... von ihrer jedesmaligen Stellung im Wertausdruck, d.h. davon, ob sie die Ware ist, deren Wert, oder aber die Ware, worin Wert ausgedrückt wird (ab)." (2)

Nur der Äquivalenzausdruck in [1]

"bringt den spezifischen Charakter der wertbildenden Arbeit zum Vorschein, indem er die in den verschiedenen Waren steckenden, verschiedenartigen Arbeiten tatsächlich auf ihr Gemeinsames reduziert, auf menschliche Arbeit überhaupt." (3)

Bisher wurde nur die Qualität der Beziehung betrachtet. In der Realität tauschen sich jedoch nicht gleiche Quantitäten von Ware A mit Ware B, sondern der relative Wertausdruck bedingt ein bestimmtes Verhältnis zwischen beiden Wertgrößen:

[2]
1 Esel = 10 Körbe

In Ausdruck [2] tauscht sich nun ein Esel gegen zehn Körbe oder mit anderen Worten: ein Esel findet sein Äquivalent in zehn Körbe. Das Verhältnis zwischen Ware Esel zu Ware Korb wird durch die zu ihrer Herstellung benötigten Arbeitszeit bestimmt und Änderungen in der Arbeitszeit wirken sich in einer Modifizierung der quantitativen Wertbeziehung zwischen beiden Waren aus. Marx fasst es mit folgenden Worten zusammen:

"Der relative Wert einer Ware kann wechseln, obgleich ihr Wert (d.h. der durch die Arbeitszeit in einer Ware steckende Wert, d. Verf.) konstant bleibt. Ihr relativer Wert kann konstant bleiben, obgleich ihr Wert wechselt, und endlich brauchen gleichzeitige Wechsel in ihrer Wertgröße und im relativen Ausdruck dieser Wertgröße sich keineswegs zu decken." (4)

Die Entwicklungsstufe des Austausches zwischen zwei Waren bezeichnete Marx als einfache Wertform. Die Grenzen der einfachen Wertform als Wertausdruck für eine Ware sind offensichtlich, denn der Wert einer Ware kann durch den Wert lediglich einer anderen Ware ausgedrückt werden.

"Der Ausdruck in irgendwelcher Ware B unterscheidet den Wert der Ware A nur von ihrem eignen Gebrauchswert und setzt sie daher auch nur in ein Austauschverhältnis zu irgendeiner einzelnen von ihr selbst verschiednen Warenart, statt ihre qualitative Gleichheit und quantitative Proportionalität mit allen andren Waren darzustellen. Der einfachen relativen Wertform einer Ware entspricht die einzelne Äquivalentform einer andren Ware." (5)

Tritt eine dritte Ware (z.B. Brot) als Austauschware auf dem Markt hervor, müssen neue Wertausdrücke gefunden werden: z.B. ein Esel findet seinen Äquivalent in 25 Broten. Für jedes miteinander in Beziehung gestellte Warenpaar muss also in der einfachen Wertform auf dem Markt je ein Wertausdruck definiert werden. Bei einem Angebot von lediglich 20 Waren, die auf dem Markt frei kombinierbar getauscht werden können, ergäbe sich schon eine fast unübersehbare Anzahl von Werteausdrücken. Der Wert der Ware ist aber eine allgemeine Kategorie und muss in einer allgemeinen, also für alles gültigen Form ausgedrückt werden.

Vor dem Hintergrund eines zunehmenden und immer unübersichtlicher werdenden Warenangebotes entwickelte sich die entfaltete Wertform als neue Form des Austausches:

[3]




­1 Esel = 10 Körbe
­1 Esel = 5 Lederschuhe
­1 Esel = 3 Hosen
­1 Esel = 5 Hühner
­1 Esel = .............

Bei dieser Form des Warenaustausches sind nicht mehr lediglich zwei Waren am Austausch beteiligt, sondern der Wert einer Ware (d.h. der Esel) drückt sich in dem Gebrauchswert vielen Waren (d.h. Körbe, Lederschuhe, etc.) aus. Gegenüber der einfachen Wertform impliziert die entfaltete Wertform mehr "Tauschkonstanz", da die äquivalenten Werte in einem "Netz von äquivalenten Tauschbeziehungen" eingebunden sind. Dennoch ist der unmittelbare Austausch auf zwei Waren eingeschränkt.

"Je nachdem sie also zu dieser oder jener andren Warenart in ein Wertverhältnis tritt, entstehen verschiedene einfache Wertausdrücke einer und derselben Ware. ... Ihr vereinzelter Wertausdruck verwandelt sich daher in die stets verlängerbare Reihe ihrer verschiedenen einfachen Wertausdrücke." (6)

"Erstens ist der relative Wertausdruck der Ware unfertig, weil seine Darstellungsreihe nie abschließt. Die Kette ... bleibt fortwährend verlängerbar durch jede neu auftretende Warenart... Zweitens bildet sie ein buntes Mosaik auseinanderfallender und verschiedenartiger Wertausdrücke..." (7)

Damit die Ware ihren Wert adäquat ausdrücken und der gefundene Wertausdruck den Bedingungen des Warentausches gerecht werden kann, bedarf es einer Ware, die als Äquivalent gegenüber allen anderen Waren fungieren kann. Selbstverständlich musste sich diese eine Ware aus der Vielzahl der dem Markt zur Verfügung stehenden Waren heraus kristallisieren. Diese Entwicklungsstufe entspricht der allgemeinen Wertform oder Geldform:

[4]




­10 Körbe      = 1 Esel
­5 Lederschuhe = 1 Esel
­3 Hosen       = 1 Esel
­5 Hühner      = 1 Esel
­............. = ......

Wesentliches Merkmal der allgemeinen Wertform ist der Bezug der Tauschwerte aller Waren auf dem Markt auf eine einzige Ware. Gegen diese tauschen sich alle anderen Waren aus:

"Die neu gewonnene Form drückt die Werte der Warenwelt in einer und derselben von ihr ausgeschlossenen Warenart aus, z.B. in Leinwand, und stellt so die Werte aller Waren dar durch ihre Gleichheit mit Leinwand. ... Erst diese Form bezieht daher wirklich die Waren aufeinander als Werte oder lässt sie einander als Tauschwerte erscheinen." (8)

In unserem Beispiel ist es die Ware Esel, die eine Rolle als allgemeines Äquivalent einnimmt und sich gegen alle anderen Waren austauschen lässt. Waren als allgemeine Tauschäquivalente finden sich historisch betrachtet seit der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, also der Stammesgesellschaften. Rinder, Ziegen, Salz, Gewürze aber auch Dolche, Schmuck o.ä. wurden als Tauschäquivalent genutzt.

Als sich die Produktivkräfte und die Warenproduktion weiter entwickelten sowie der Austausch auf den Märkten noch intensiver und umfangreicher wurde, ergab sich die Notwendigkeit, ein allgemein anerkanntes Äquivalent in Form von Edelmetallen (Silber, Gold) einzuführen. Mit zunehmender Verknappung und aus Gründen der Praktikabilität wurden die Edelmetalle später vom Geld als allgemeinem Äquivalent ersetzt.

[5]




­10 Körbe      = Geld
­5 Lederschuhe = Geld
­3 Hosen       = Geld
­5 Hühner      = Geld
­............. = ....

"Die allgemeine Äquivalentform ist eine Form des Werts überhaupt. Sie kann also jeder Ware zukommen." (9)

Und weiter

"Die spezifische Warenart nun, mit deren Naturalform die Äquivalentform gesellschaftlich verwächst, wird zur Geldware oder funktioniert als Geld. Es wird ihre spezifisch gesellschaftliche Funktion, und daher ihr gesellschaftliches Monopol, innerhalb der Warenwelt die Rolle des allgemeinen Äquivalents zu spielen. Diesen bevorzugten Platz hat unter den Waren, ... eine bestimmte Ware historisch erobert, das Gold." (10)

Im Gegensatz zu den Veränderungen, die mit dem Übergang von der einfachen [2] auf die entfaltete [3] Wertform sowie von der entfalteten [3] auf die allgemeine [4] Wertform verbunden sind, sind die qualitativen Veränderungen der Austauschformen von [4] auf [5] vernachlässigbar gering, denn der Wert einer Ware wird nun nicht mehr durch den Esel sondern durch das Geld als äquivalente Form verkörpert.

"Der Preis oder die Geldform der Waren ist, wie ihre Wertform überhaupt, eine von ihrer handgreiflich reellen Körperform unterschiedne, also nur idelle und vorgestellte Form." (11)

Es ist die Tatsache, dass alle Waren der Warenwelt ihren Wert in einer anderen Ware ausdrücken, die dem Geld die Funktion, Inkarnation der menschlichen Arbeit zu sein, einräumt.

Die Vorteile des Geldes für die Warenzirkulation liegen auf der Hand:

• Geld ist eine einfache und eine qualitativ einheitliche Ware. Geld lässt sich als Ware mühelos tauschen und ist nominell unendlich,
• Geld ist für den Wert aller Waren von allgemeiner Gültigkeit,
• Geld ist als Zirkulations- und Zahlungsmittel nicht an Grenzen gebunden.

Zusammenfassend ist mit der Einführung des Geldes als allgemeine Äquivalentform der Vorteil verbunden, das die Form des Warenaustausches über die gesellschaftlich anerkannte Ware "Geld" organisiert wird.


Zitierte Literatur:
(1) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 62
(2) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 64
(3) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 65
(4) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 69
(5), (6) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 76
(7) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 78
(8) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 80
(9), (10) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 83f
(11) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 110

Ergänzende Literatur:

Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 109-118
Marx, K./Engels, F. (1975): Werke Band 16, 6. Aufl., Dietz, Berlin/DDR.: S. 243-287
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: S. 81-96
"Das Geld als Maß der Werte" in: http://www.debatte.info/index.php?id=545


5. Von der einfachen Warenzirkulation zum Kapitalkreislauf, zur Ware Arbeitskraft und zur Produktion von Mehrwert

Bei der einfachen Warenzirkulation wird der Gebrauchswert einer Ware (W) gegen den Gebrauchswert einer anderen Ware getauscht. Ein Produzent bietet eine für den Markt hergestellte Ware an, um eine andere, von ihm benötigte Ware im Austausch zu erhalten. Vermittelt wird der Warentausch über das Geld (G):

W - G - W.

Die Ware wird durch den Austauschprozess in die Geldform, um anschließend durch den Kauf einer anderen Ware wieder in die Warenform überführt zu werden.

"Die unmittelbare Form der Warenzirkulation ist W - G - W, Verwandlung von Ware in Geld und Rückverwandlung von Geld in Ware, verkaufen, um zu kaufen." (1)

Die einfache Warenzirkulation dient

"... einen außerhalb der Zirkulation liegenden Endzweck." (2),

nämlich der Aneignung des Gebrauchswertes einer Ware zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Die einfache Warenzirkulation W - G - W beginnt mit der Ware und endet mit der Ware:

"Der Kreislauf W - G - W geht aus von dem Extrem einer Ware und schließt ab mit dem Extrem einer anderen Ware, die aus der Zirkulation und der Konsumtion anheim fällt. Konsumtion, Befriedigung von Bedürfnissen, mit einem Wort Gebrauchswert ist daher sein Endziel." (3)

Bei diesem Austausch tritt das Geld lediglich in seiner Eigenschaft als reines Zirkulationsmittel in Erscheinung. Das Geld stellt in der einfachen Warenzirkulation noch kein Kapital dar.

"Die Warenzirkulation ist der Ausgangspunkt des Kapitals. Warenproduktion und entwickelte Warenzirkulation, Handel, bilden die historischen Voraussetzungen, unter denen es entsteht. Welthandel und Weltmarkt eröffnen im 16. Jahrhundert die moderne Lebensgeschichte des Kapitals." (4)

Weiterhin erzeugt die einfache Warenzirkulation keinen Mehrwert, denn es werden lediglich Äquivalente (d.h. gleiche Werte) miteinander getauscht. Es würde auch kein Mehrwert erzeugt werden, wenn - theoretisch betrachtet - ein Tausch zwischen nichtäquivalenten Waren auf dem Markt erfolgt.

"A verkauft Wein zum Wert von 4000 Euro an B und erwirbt im Austausch Getreide zum Wert von 5000 Euro. A seine 4000 Euro in 5000 Euro verwandelt, mehr Geld aus weniger Geld gemacht und seine Ware in Kapital verwandelt. Sehen wir näher zu. Vor dem Austausch hatten wir für 4000 Euro Wein in der Hand von A und für 5000 Euro Getreide in der Hand von B, Gesamtwert von 9000 Euro. Nach dem Austausch haben wir denselben Gesamtwert von 9000 Euro. Der zirkulierende Wert hat sich um kein Atom vergrößert, seine Verteilung zwischen A und B hat sich verändert. Auf der einen Seite erscheint als Mehrwert, was auf der anderen Seite Minderwert ist, auf der einen Seite als Plus, was auf der anderen als Minus. Derselbe Wechsel hätte sich ereignet, wenn A, ohne die verhüllende Form des Austausches, dem B 1000 Euro direkt gestohlen hätte. Die Summe der zirkulierenden Werte kann offenbar durch keinen Wechsel in ihrer Verteilung vermehrt werden." (5)

und Marx abschließend zusammenfassend

"Die Zirkulation oder der Warentausch schafft keinen Wert." (6)

Nach der Warenzirkulation, bei der die Ware den Ausgangs- und Endpunkt der Bewegung kennzeichnet und der Fokus auf die Bedürfnisbefriedigung gerichtet ist, entwickelte sich die einfache Formel des Kapitals (≈ Zirkulationsform des Kapitals), bei der das Geld zu Beginn und am Ende des Prozesses in Erscheinung tritt, als eine logische Konsequenz:

"Neben dieser Form (d.h. der einfachen Warenzirkulation, d.A.) finden wir aber eine zweite, spezifisch unterschiedne vor, die Form G - W - G, Verwandlung von Geld in Ware und Rückverwandlung von Ware in Geld, kaufen, um zu verkaufen. Geld, das in seiner Bewegung diese letztre Zirkulation beschreibt, verwandelt sich in Kapital, wird Kapital und ist schon in seiner Bestimmung nach Kapital." (7)

Im ersten Schritt der Bewegung G - W - G wird für Geld eine oder mehrere Waren gekauft und/oder endproduziert und im zweiten Schritt wiederum verkauft und in Geld rückverwandelt.

In der Zirkulationsform des Kapitals funktionieren W und G'

"nur als verschiedne Existenzweisen des Werts selbst, das Geld seine allgemeine, die Ware seine besondre, sozusagen nur verkleidete Existenzweise." (8)

Die Bewegung G - W - G ist aber nur dann zweckmäßig, wenn ein Überschuss über den ursprünglichen Wert, d.h. ein "Mehrwert" vorliegt und den Austauschprozess abschließt. Das zweite "G" (nennen wir es zur besseren Kenntlichmachung G') muss nominell größer sein als das erste G. Es gilt demnach: G' > G. Beständig wird gekauft, um teurer zu verkaufen und so wird die Verwertung des Werts zum "automatischen Subjekt". In diesem Prozess ändert sich die Größe des Werts, er verwertet sich selbst.

Doch wie kann ein Kapitalist aus dem Kauf und Verkauf von Waren einen größeren Wert aus der Zirkulation erzielen oder anders formuliert, woher kommt die Zusetzung von Mehrwert in dem Kreislauf?

"Es hat sich gezeigt, dass der Mehrwert nicht aus der Zirkulation entspringen kann." (9)

Aus der Zirkulation der Waren, d.h. im Prozeß W - G - W, kann - entgegen den Behauptungen bürgerlicher Ökonomen - kein Mehrwert entstehen. Kapitalisten treten gleichzeitig als Käufer und Verkäufer der Waren auf. Ein Preisaufschlag von 15 % auf den Verkaufspreis würde weitergereicht werden und sich in einer 15 %igen Erhöhung des Kaufpreises wiederfinden. Das was der Kapitalist in einem Schritt an Profit herausholt, müsste er im nächsten Schritt mehr bezahlen. Die miteinander getauschten Wertverhältnisse bleiben in der Zirkulation gleich und dieser getauschte Wert entspricht den, in der Ware verkörperten Wert (Äquivalententausch).

"Werden Äquivalente ausgetauscht, so entsteht kein Mehrwert, und werden Nicht-Äquivalente ausgetauscht, so entsteht (gesamtgesellschaftlich!) auch kein Mehrwert. Die Zirkulation oder der Warenaustausch schafft keinen Wert." (10)

Ein Kapitalist muss also auf dem Markt eine Ware vorfinden, die er zu ihrem Wert kauft und nach dessen Nutzung resp. dessen Gebrauch er am Ende des Zirkulationsprozesses mehr Wert erhält, als von ihm vorgeschossen wurde. Diese Ware muss die Eigenschaft besitzen, Quelle von Wert zu sein und durch ihren Verbrauch selbst vergegenständlichten Wert zu schaffen. Diese spezifische Ware ist das

"... Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft." (11)

Damit der Kapitalist die wertschöpfende Eigenschaft der Ware nutzen kann, muss der Träger der Ware Arbeitskraft über diese frei

"... verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person sein." (12)

Damit die Kapitalisten auch einen Zugriff auf die Ware Arbeitskraft haben, darf der Besitzer der Ware Arbeitskraft - als zweite Bedingung - nicht selbst Waren produzieren und sie auf dem Markt anbieten können. Er muss also in zweifacher Hinsicht "frei" sein:

"... daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine Ware verfügt, dass er andrerseits andre Waren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen." (13)

Steht nun die Ware Arbeitskraft dem Kapitalisten zur Verfügung, kann aus der einfachen Formel des Kapitals nun die allgemeine Formel des Kapitals, der Kapitalkreislauf abgeleitet werden:

Allgemeine Formel des Kapitals:

G - W (Pm und Ak) ...Produktion... W' - G'

Die allgemeine Formel des Kapitals drückt in konzentrierter Form das Wesen des Kapitalismus aus. Ein Kapitalist mit einem Quantum Geld kauft auf dem Markt Produktionsmitteln (Pm) in Form von Rohstoffen, Betriebsmitteln, Maschinen, etc. ein. Weiterhin benötigt der Kapitalist die Ware Arbeitskraft (Ak), die er vom besitzlosen Proletarier erhält, da dieser seine Arbeitskraft zur Existenzsicherung verkaufen muss. Die erste Phase der Bewegung des Kapitals besteht somit in der Verwandlung von Geldkapital in produktivem Kapital. Im Produktionsprozess (P) werden die eingesetzten Produktionsmittel sowie die Arbeitskraft konsumiert und gehen in eine neue Ware mit einem neuen Wert (W') ein. Dazu Marx:

"In ihrer abstrakten, allgemeinen Eigenschaft also, als Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, setzt die Arbeit des Spinners den Werten von Baumwolle und Spindel Neuwert zu, und in ihrer konkreten, besonderen, nützlichen Eigenschaft als Spinnprozess, überträgt sie den Wert dieser Produktionsmittel auf das Produkt und erhält so ihren Wert im Produkt. ... Daher die Doppelseitigkeit ihres Resultats in demselben Zeitpunkt." (14)

die zweite Phase in der Bewegung des Kapitals lässt sich also durch die Verwandlung von produktivem Kapital in Warenkapital beschreiben, das ist die kapitalistische Produktion. Der Wert der neuen Ware (W') wird durch die für eine spezifische Ware gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit bestimmt.

In einem kurzen Diskurs wollen wir uns nun dem Ursprung des Profits widmen. Die Arbeitskraft wird als Ware gehandelt und der Proletarier erhält die Geldmenge in Form des Lohnes, die dem Wert seiner Arbeitskraft entspricht. Dieser Lohn entspricht den notwendigen finanziellen Mitteln zum Leben. Da ein Proletarier am Tag mehr Güter herstellen kann, als er selbst verbraucht, stellt er also mehr Werte her, als er selbst kostet, oder anders formuliert: der Wert der Ware Arbeitskraft ist kleiner als das Wertresultat ihres Gebrauchs.

Der Wert der Ware Arbeitskraft wird durch die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeit zur Produktion und Erhaltung der Arbeitskraft selbst definiert. Marx schreibt dazu:

"Der Wert der Arbeitskraft, gleich dem Wert jeder anderen Ware, ist bestimmt durch die zur Produktion, also auch Reproduktion, dieses spezifischen Artikels notwendige Arbeitszeit." (15)

und:

"Die Arbeitskraft existiert nur als Anlage des lebendigen Individuums. Ihre Produktion setzt also die Existenz dieses Individuums voraus. Die Existenz des Individuums gegeben, besteht die Produktion der Arbeitskraft in seiner eigenen Reproduktion und Erhaltung. Zu seiner Erhaltung bedarf das lebendige Individuum einer gewissen Summe von Lebensmitteln. Die zur Produktion der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit löst sich also auf in die zur Produktion dieser Lebensmittel notwendige Arbeitszeit, oder der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung ihres Besitzers notwendigen Lebensmittel." (16)

Der Wert der Ware Arbeitskraft entspricht also den Reproduktionskosten des Arbeiters und dessen Familienmitgliedern. In die Reproduktionskosten fließen auch die Kosten für die Bildung und die Erziehung des Arbeiters und seiner Familie ein. Der Umfang der notwendigen Bedürfnisse der Lohnarbeiter ist gleichzeitig Kampfergebnis der Klassenauseinandersetzungen und letztendlich ein historisches Produkt:

"Die natürlichen Bedürfnisse selbst, wie Nahrung, Kleidung, Heizung, Wohnung usw. sind verschieden je nach den klimatischen und andren natürlichen Eigentümlichkeiten eines Landes. Andrerseits ist der Umfang sog. notwendiger Bedürfnisse, wie die Art ihrer Befriedigung, selbst ein historisches Produkt und hängt daher großenteils von der Kulturstufe eines Landes, unter andrem auch wesentlich davon ab, unter welchen Bedingungen, und daher mit welchen Gewohnheiten und Lebensansprüchen die Klasse der freien Arbeiter sich gebildet hat. Im Gegensatz zu den andren Waren enthält also die Wertbestimmung der Arbeitskraft ein historisches und moralisches Element." (17)

Der Wert der Ware Arbeitskraft ist keine naturgegebene Konstante, sondern unterliegt - da die Lebensgewohnheiten und die Kosten der Lebenshaltung zeitlich schwanken können - gewissen Variabilitäten. Marx gibt zu bedenken

"Der Wert der Arbeitskraft löst sich auf in den Wert einer bestimmten Summe von Lebensmitteln. Er wechselt daher auch mit dem Wert dieser Lebensmittel, d. h. der Größe der zu ihrer Produktion benötigten Arbeitszeit." (18)

Steigende Kosten für Nahrung, Bekleidung, etc. lassen den Wert der Arbeitskraft steigen, während analog der Wert der Arbeitskraft bei sinkenden Lebenshaltungskosten fällt. Zusätzlich wird der Wert der Arbeitskraft durch steigende und fallende Produktivitäten beeinflusst:

"Ein solcher Wechsel im Wert der Arbeitskraft ist jedoch unmöglich ohne einen Wechsel der Produktivkraft der Arbeit." (19)

Steigende Produktivitäten (u.a. in der Lebensmittel- und Textilindustrie) bedingen ein Absinken der Lebenshaltungskosten und daraus resultierend einen geringeren Wert der Arbeitskraft.

Neben ihrem Wert besitz die Ware Arbeitskraft einen Gebrauchswert, denn - und dieses ist die Voraussetzung - diese Ware leistet nützliche Arbeit und stellt neue Waren her. Dieses realisiert sie im Besitz und unter dem Kommando des Kapitals. Der spezifische Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft besteht also in ihrer Eigenschaft, Quelle von Wert zu sein und zwar in größerem Umfang, als die Arbeitskraft selbst besitzt:

"Um aus dem Verbrauch einer Ware Wert herauszuziehn, müßte unser Geldbesitzer so glücklich sein, innerhalb der Zirkulationssphäre, auf dem Markt, eine Ware zu entdecken, deren Gebrauchswert selbst die eigentümliche Beschaffenheit besäße, Quelle von Wert zu sein, deren wirklicher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Arbeit wäre, daher Wertschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf dem Markt eine solche spezifische Ware vor - das Arbeitsvermögen oder die Arbeitskraft." (20)

Nun ergibt sich die Frage, auf welche Weise die Ausbeutung der Ware Arbeitskraft auch unter der Beibehaltung des Äquivalententausches, d.h. des Tausches von Waren mit äquivalenten Wert, im Kapitalismus bewerkstelligt wird.

Weiter oben wurde der Wert und der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft definiert. Wir haben u.a. festgestellt, dass die Äquivalentbeziehung zwischen "Arbeitskraft" und "Lohn" durch die Kampfbedingungen und den Kräfteverhältnissen zwischen Gewerkschaften einerseits und Kapitalistenverbänden andrerseits beeinflusst wird. Unter der Annahme, daß zwischen beiden Interessensgruppen ein zum Wert der Arbeitskraft äquivalenter Lohn ausgehandelt wurde, wird die Lohnarbeit dennoch ausgebeutet. Hintergrund der Ausbeutung ist der Umstand, daß die Lohnarbeit die Eigenschaft hat,

"Quelle von Wert zu sein, und zwar von mehr Wert als sie selbst ist." (21)

Die Differenz zwischen dem Wert der Arbeitskraft und dem Ergebnis ihres Gebrauchs, der lebendigen Arbeit als Quelle von Wert, ist der Mehrwert. Er errechnet sich aus der Differenz des Tageswerts der Arbeitskraft und des Wertes des an einem Arbeitstag geschaffenen Produktes. Der Kapitalist zahlt dem Proletarier den Wert seiner Arbeitskraft (= den Tauschwert) in äquivalenten Löhnen. Jedoch beinhaltet der Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft (d.h. konkrete Arbeit) gegenüber dem Tauschwert der Ware Arbeitskraft einen höheren nominellen Wert, den sich der Kapitalist in Form des Mehrwertes aneignet:

"Diese Wertdifferenz hatte der Kapitalist im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte." (22)

und sie sich als Mehrwert unentgeltlich aneignet, da das Produkt der Arbeit

"... Eigentum des Kapitalisten .." ist und

... nicht des unmittelbaren Produzenten." (23)

Das neu geschaffene Warenkapital (W') hat also einen höheren Wert als ihn die Dinge hatten, die zu seiner Produktion notwendig waren.

Nach diesem kurzen Diskurs über den Ursprung des Profits widmen wir uns nun wieder dem In der dritten Phase der Kapitalbewegung wird das Warenkapital (W') wiederum in Geldkapital (G') rückverwandelt. Im nächsten Produktionszyklus wird der Mehrwert (zumindest partiell) kapitalisiert (d.h. in Kapital überführt) und zum Kauf von neuen Produktionsmitteln eingesetzt. Am Ende der nun erneut einsetzenden Zirkulation entsteht ein neuer Mehrwert, den sich der Kapitalist erneut aneignet.

Die in der allgemeinen Formel des Kapitals (S. 12) zum Ausdruck kommende Bewegung stellt einen dialektischen Prozess dar. Beim Durchlaufen des Kapitalkreislaufes pendelt die Ware beständig zwischen ihrer Naturalform und der Geldform: Durch den Kauf der Produktionsmittel wechselt die Ware von der Geldform in die Naturalform. In der Produktion verändert sich die Warenform in der Weise, dass sie am Ende der Produktion eine Neuware mit einem höheren Wert verkörpert. Durch den Verkauf wird das neu geschaffene Warenkapital von seiner Naturalform erneut in die Geldform überführt.

Im Gegensatz zur einfachen Warenzirkulation entwickelte sich in der allgemeinen Formel des Kapitals erstmalig eine Zirkulationsform, die ihre eigene Dynamik entwickelt und immer wieder ihre eigene Bewegung generiert. Erst der Kapitalkreislauf gewährleistet die von Marx als obligatorisch formulierte Bedingung für die Warenproduktion:

"Welches immer die gesellschaftliche Form des Produktionsprozesses, er muss kontinuierlich sein oder periodisch stets von neuem dieselben Stadien durchlaufen." (24)

In der Zirkulation des im Besitz der Kapitalisten befindlichen und als Kapital zum Zwecke der Ausbeutung fremder Arbeit eingesetzten Geldes (= Kapital) liegt zum einen das permanente Anwachsen von G zu G' sowie zum anderen die von Marx als "absoluter Bereicherungstrieb" bezeichnete Gier der Kapitalisten begründet.

In der kapitalistischen Warenwirtschaft ist der Widerspruch zwischen dem Äquivalententausch und Ausbeutung der Arbeitskraft untrennbar miteinander verbunden. Äquivalententausch bedeutet der Tausch von Ware A mit dem Wert X gegen Ware B mit dem Wert X. Unter Berücksichtigung des Äquivalententausches bekommt der lohnabhängige Arbeiter den Wert seiner Arbeitskraft bezahlt. Er gibt dem Kapitalisten den Gebrauchswert seiner Arbeitskraft, also die lebendige Arbeit. Und dass der Gebrauch mehr Wert schafft, als die Arbeitskraft als Ware kostet, ist das Glück des Käufers (Kapitalisten) und das Pech des Verkäufers (Proletariers). Die Ausbeutung der Arbeitskraft und das "Märchen vom Äquivalententausch" stehen daher in einem unlösbaren Widerspruch zueinander.

Zitierte Literatur:
(1) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 162
(2) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 163
(3) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 164
(4) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 161
(5) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 177
(6) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 178
(7) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 162
(8) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 168
(9) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 180
(10) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 177f
(11) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 181
(12) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 182
(13) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 183
(14) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 215
(15) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 184
(16), (17) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 185
(18) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 186
(19) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 333
(20) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 181
(21) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 202
(22), (23) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 208
(24) Karl Marx, Das Kapital, I. Band, S. 202

Ergänzende Literatur:
K. Marx: Das Kapital, Zweiter Band, S. 31-64, S. 69-90, S. 296-320
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: S. 81-96, S. 123-129
http://www.debatte.info/index.php?id=567


6. Das "konstante" und das "variable" Kapital im Verwertungsprozess

Ein Teil des Kapitals dient dem Erwerb von Gebäuden, dem Kauf von Rohstoffen, Betriebsmittel und Maschinen. Marx bezeichnete diesen Teil des Kapitals als konstantes Kapital (mit dem Kürzel c), da - und dies ist entscheidend - dessen nominelle Wert während des Reproduktionsprozesses nicht verändert wird.

"Der Teil des Kapitals also, der sich in Produktionsmittel ... umsetzt, verändert seine Wertgröße nicht im Produktionsprozess. Ich nenne ihn daher konstanten Kapitalteil, oder kürzer: konstantes Kapital." (1)

Der Wert des konstanten Kapitals wird durch den Arbeiter im Produktionsprozess auf die neu herzustellende Ware übertragen. In der bürgerlichen Ökonomie findet dieser Prozess seinen Ausdruck in den "Abschreibungen des Anlage- und Umlaufvermögens". Konstantes Kapital sind also die Arbeitsmittel und das -material, die sich als Produktionsmittel unter der Kontrolle des Kapitalisten befinden.

Der andere Teil des Kapitals dient dem Kauf der Ware "Arbeitskraft". Die Kosten dieses Teil des Kapitals gehen in der bürgerlichen Ökonomie als Lohnkosten in die Gewinn- und Verlustrechnung ein. Im Gegensatz zum konstanten Kapital verändert der als Lohn aufgewendete Kapitalteil durch die Schaffung von Mehrwert seine Wertgröße und wurde daher von Marx als variables Kapital (mit dem Kürzel V) bezeichnet:

"Der in Arbeitskraft umgesetzte Teil des Kapitals verändert dagegen seinen Wert im Reproduktionsprozeß. Er reproduziert sein eignes Äquivalent und einen Überschuß darüber, Mehrwert, ... Aus einer konstanten Größe verwandelt sich dieser Teil des Kapital fortwährend in eine variable. Ich nenne ihn daher variablen Kapitalteil oder kürzer: variables Kapital." (2)

Nach Beendigung des Produktionsprozesses eignet sich der Kapitalist einen, durch den Arbeiter geschaffenen Neuwert an (d.h. Wert einer Ware nach der Produktion > ∑ anteiliges konstantes + variables Kapital). Das variable Kapital ist der Wert der Arbeitskraft, deren Nutzungsrecht der Kapitalist für den Produktionsprozess gekauft hat.

Im Produktionsprozess gehen, wie wir gesehen haben, zwei "Formen" von Kapital ein: konstantes Kapital, welches an der Wertsteigerung im Produktionsprozess nicht beteiligt ist und variables Kapital, welches mehr Wert schafft, als es selber darstellt. Werden nun beide Kapital-"formen" aufeinander bezogen, erhält man die organische Zusammensetzung des Kapitals:

"Zwischen beiden besteht eine enge Wechselbeziehung. Um diese auszudrücken, nenne ich die Wertzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und deren Änderungen widerspiegelt: die organische Zusammensetzung des Kapitals. Wo von der Zusammensetzung des Kapitals kurzweg die Rede ist, ist stets seine organische Zusammensetzung zu verstehen." (3)


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, II. Band, S. 223
(2) K. Marx: Das Kapital, II. Band, S. 224
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 640

Ergänzende Literatur:
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 123-129.
http://www.debatte.info/index.php?id=576


7. Strategien der Ausbeutung: absolute und relative Mehrwertproduktion

Den antagonistischen Charakter zwischen Kapitalisten und Lohnabhängigen sowie die Unversöhnlichkeit der Klasseninteressen deckte Marx als das Wesen des Kapitalismus auf. Mit der Mehrwerttheorie erklärte Marx den Ausbeutungsprozess des Arbeiters durch den Kapitalisten auf einer wissenschaftlichen Basis. Die Produktion von Mehrwert in der Warenwirtschaft und dessen Aneignung durch die Kapitalisten ist das Ergebnis des Ausbeutungsprozesses und dessen bedingungsloses Ziel. Aus diesem Grund ist der Kapitalist immer bestrebt, resp. muss er bestrebt sein, den Mehrwert zu maximieren.

Bei der absoluten Mehrwertproduktion wird die tägliche Arbeitszeit durch den Kapitalisten verlängert. Die notwendige Arbeitszeit, d.h. der zeitliche Aufwand zur Reproduktion des Arbeiters wird in seiner absoluten Größe nicht verändert. Bezogen auf die tägliche Arbeitszeit verlängert sich dagegen die Mehrarbeit sowohl absolut (in unserem Beispiel vo 7,5 auf 8 Stunden) als auch relativ.


vorher   I--------------------I----------------------------------------I ∑ = 7,5 Std.
           2,5 Std. notwendige Arbeitszeit      5 Std. Mehrarbeit


nachher I--------------------I--------------------------------------------I ∑ = 8 Std.
            2,5 Std. notwendige Arbeitszeit      5,5 Std. Mehrarbeit


Im Ergebnis wird der dem Kapitalisten zufließende Mehrwert durch die Verlängerung des Arbeitstages um eine ½ Stunde vergrößert.

Die absolute Mehrwertproduktion war in den frühen Entwicklungsstufen des Kapitalismus die dominierende Methode um den Mehrwert zu erhöhen. Die Technik war noch rudimentär entwickelt und ein höherer Mehrwert war überwiegend nur über die Verlängerung des Arbeitstages zu realisieren. Tägliche Arbeitszeiten von 13 bis 14 Stunden waren damals keine Seltenheit.

Vergleichbar mit dem Klassenkampf um die Höhe des Arbeitslohnes ist die Frage der Durchsetzbarkeit einer Verlängerung des Arbeitstages weitgehend von den Machtverhältnissen zwischen den Kampforganisationen der Klassen abhängig (d.h. Gewerkschaften vs. Arbeitplatzgeberverbände). In der aktuellen Kampfphase befinden sich das Kapital und der Staatsapparat in der Offensive. Konsequenterweise wird durch die Kampfverbände des Kapitals u.a. die Verlängerung der Regelarbeitszeit von 38,5 Stunden auf 40 Stunden vermehrt zur Verhandlungsmasse gemacht. In vielen Tarifbereichen ist bereits die Etablierung der 40 Stunden-Woche festgeschrieben.

Die relative Mehrwertproduktion

"Der Verlängerung der Mehrarbeit entspräche die Verkürzung der notwendigen Arbeit, oder ein Teil der Arbeitszeit, die der Arbeiter bisher in der Tat für sich selbst verbraucht, verwandelt sich in Arbeitszeit für den Kapitalisten. Was verändert, wäre nicht die Länge des Arbeitstags, sondern seine Teilung in notwendige Arbeit und Mehrarbeit." (1)

Die gesamte Arbeitszeit von 7 ½ Stunden, bleibt konstant, während sich der absolute (und auch der relative) Anteil der notwendigen Arbeitszeit bezogen auf die tägliche Arbeitszeit reduziert:


vorher   I--------------------I----------------------------------------I ∑ = 7,5 Std.
           2,5 Std. notwendige Arbeitszeit      5 Std. Mehrarbeit


nachher I---------------I---------------------------------------------I ∑ = 7,5 Std.
           2 Std. notwendige Arbeitszeit      5,5 Std. Mehrarbeit


Die Reduzierung der notwendigen Arbeit kann nur über die Senkung der Reproduktionskosten der Arbeitskraft realisiert werden. Dies setzt die ständige Steigerung der Produktivität in der Konsumgüterindustrie (Produkte, die unmittelbar der Bedürfnisbefriedigung der Arbeiter dienen) und in der Leichtindustrie (stellt die Produktionsmittel für die Konsumgüterindustrie her) voraus, denn mit dem Produktivitätszuwachs ist eine Verkürzung der für die Reproduktionskosten der Arbeitskräfte notwendigen Arbeitszeit verbunden. Dadurch sinkt der relative Anteil der notwendigen Arbeit an der Gesamtarbeitszeit. Analog steigt der relative Anteil an der vom Kapitalisten angeeigneten unbezahlten Mehrarbeit. In Abgrenzung zur Produktion des absoluten Mehrwerts fasst Marx die wesentliche Voraussetzung der relativen Mehrwertproduktion mit den Worten

"Um die Mehrarbeit zu verlängern, wird die notwendige Arbeit verkürzt durch Methoden, vermittelst deren das Äquivalent des Arbeitslohns in weniger Zeit produziert wird. Die Produktion des absoluten Mehrwerts dreht sich nur um die Länge des Arbeitstags; die Produktion des relativen Mehrwerts revolutioniert durch und durch die technischen Prozesse der Arbeit und die gesellschaftlichen Gruppierungen." (2)

zusammen.

Das Abschöpfen des Mehrwertes auf Grundlage der relativen Mehrwertproduktion ist vor allem in den kapitalistischen Entwicklungsstufen bedeutsam, in denen der technische Fortschritt zu großen Sprüngen in der Entwicklung der Produktivkräfte führt. Diese Bedingung war während der industriellen Revolution aber auch aktuell in der Mikrochip- und in der Halbleiterindustrie gegeben.

Allgemeine Trends anzugeben ist schwierig. Aber in den zurückliegenden Jahrzehnten lag die Produktivkraftsteigerung in der BRD jährlich etwa im Bereich von 5 %. Allerdings muss die Variabilität der Produktivkraftentwicklung in den einzelnen Produktionsbereichen beachtet und berücksichtigt werden.

Die absolute und die relative Mehrwertproduktion sind unmittelbar miteinander verknüpft. Marx stellte im Kapital fest:

"Sie (die absolute Mehrwertproduktion, d.A.) bildet die allgemeine Grundlage des kapitalistischen Systems und den Ausgangspunkt der Produktion des relativen Mehrwerts." (3)

Die Auswirkungen der relativen Mehrwertproduktion sind von großer gesellschaftlicher Relevanz. Grundsätzlich sind wissenschaftlich-technische Fortschritte, die einer Erhöhung der Produktivität vorausgehen, als positive Entwicklungen zu betrachten. Allerdings nur dann, wenn die lohnabhängige Klasse von den technischen Fortschritten profitiert, indem z.B. die tägliche Arbeitszeit reduziert wird. Im Kapitalismus ist die Triebkraft für wissenschaftlich-technischen Fortschritt und die daraus resultierenden Investitionen ausschließlich die Erhöhung des durch den Kapitalisten angeeigneten Mehrwerts. Der vom Kapitalisten angeeignete Mehrwert wird also eingesetzt, um noch mehr Mehrwert durch die Ausbeutung der Lohnarbeiter zu produzieren. Der Arbeiter eines Kapitalumschlages trägt durch den vom Kapitalisten angeeigneten und kapitalisierten Mehrwert zu der Ausbeutung der Arbeiter der zukünftigen Zirkulationsprozesse bei. Das ursprünglich geschaffene Produkt der Arbeit oder mit anderen Worten die vergegenständlichte Arbeit tritt dem Arbeiter dann als fremde, ihn ausbeutende Macht feindlich gegenüber.


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 332f
(2) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 532f
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 532

Ergänzende Literatur:
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 132-133
http://www.debatte.info/index.php?id=605


8. Der "Arbeitskampf" als Teil des Klassenkampfes

Aufgrund der antagonistischen Beziehung zwischen dem Proletariat als Klasse der Lohnabhängigen und der Bourgeoisie als Klasse der Produktionsmittelbesitzer kristallisieren sich in jedem kapitalistischen Land Kämpfe um die Bedingungen der Lohnarbeit aus. Im Vordergrund dieser Kämpfe stehen vor allem die Lohnhöhe, die Arbeitszeit und die spezifischen Arbeitsbedingungen in einzelnen Produktions- und Dienstleistungsbereichen. Die lohnabhängige Klasse ist bestrebt, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, ihre Arbeitszeit zu reduzieren sowie ihr Lohn- und Gehaltsniveau zu erhöhen. Die Gier nach Maximalprofiten veranlasst dagegen die Kapitalistenklasse, den Arbeitslohn maximal zu drücken, die Arbeitszeit zu verlängern, den Sozialabbau zu forcieren, etc. Marx drückte den Kampf um die Länge des Arbeitstages wie folgt aus:

"Der Kapitalist behauptet sein Recht als Käufer, wenn er den Arbeitstag so lang als möglich und womöglich aus einem Arbeitstag zwei zu machen sucht. Andrerseits schließt die spezifische Natur der verkauften Ware eine Schranke ihres Konsums durch den Käufer ein, und der Arbeiter behauptet sein Recht als Verkäufer, wenn er den Arbeitstag aufeine bestimmte Normalgröße beschränken will." (1)

Und die Konsequenz:

"Zwischen gleichen Rechten entscheidet die Gewalt. Und so stellt sich in der Geschichte der kapitalistischen Produktion die Normierung des Arbeitstags als Kampf um die Schranken des Arbeitstags dar - ein Kampf zwischen dem Gesamtkapitalisten, d.h. der Klasse der Kapitalisten, und dem Gesamtarbeiter, oder der Arbeiterklasse." (2)

In welchem Umfang und Intensität der Bourgeoisie die Durchsetzung ihrer ausbeuterischen Ziele gelingt, hängt vor allem von den Kräfteverhältnisse zwischen dem in Gewerkschaften organisierten Proletariat und den in Kapitalistenverbänden organisierten Kapitalisten ab. Aktuell befindet sich die Arbeiterklasse in einer Phase, die durch die Verteidigung der in Arbeitskämpfen vergangener Zeiten errungenen Verbesserungen der Arbeits- und Lohnbedingungen gekennzeichnet ist.

Über die Gründe der momentan geringen Kampfkraft der Gewerkschaften wird viel diskutiert und spekuliert. An dieser Stelle soll lediglich an zwei Aspekte erinnert werden:

• Viele Gewerkschaftsführer gehen aus einer Haltung der "Sozialpartnerschaft" mit den Angriffen von Kapital und Regierung nicht kämpferisch um und vertreten - so könnte man den Eindruck gewinnen - mehr die Interessen der Kapitalisten als die Interessen ihrer Mitglieder. Viele ehemalige gewerkschaftliche Tabus stehen zur Diskussion und werden nur allzu bereitwillig von den Gewerkschaftsbossen resp. den Arbeiteraristokraten preisgegeben. Die Aushöhlung von Flächentarifverträgen oder der Lohnverzicht sind Ausdruck vom Unvermögen (oder Unwillen) der Gewerkschaftsführungen, geeignete Strategien zur Abwendung der Angriffe von Kapitals und Regierung zu entwickeln. Vertreter von Kapitalinteressen im Deckmantel der Gewerkschaften (stellvertretend sei hier der ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende der Transnet, Hansen, genannt, der im Mai 08 die Seiten wechselte und einen Posten als Personalmanager bei dem Monopolisten Bahn AG erhielt) komplettieren das Bild des korrumpierbaren Gewerkschaftsführers.

• Enttäuschung über die Politik der eigenen Gewerkschaft veranlassen viele Lohnabhängige, die Gewerkschaft zu veranlassen. Zudem treten nur selten jüngere Lohnabhängige in die Gewerkschaft ein. Die Folge dieser Haltung ist ein partiell geringer gewerkschaftlicher Organisationsgrad und eine Schwächung der gewerkschaftlichen Kampfkraft.

Beide Gesichtspunkte verdeutlichen das originäre Interesse der Lohnarbeiter an einer Organisierung, denn nur schlag- und kampfstarke Gewerkschaften mit fortschrittlich-proletarisch denkenden Gewerkschaftsbosse können die Interessen der Lohnabhängigen effektiv und effizient vertreten. Diese Perspektive unterstreicht die Bedeutung der Gewerkschaften als Massenorganisation für das Proletariat. Notwendig ist aber auch die Bereitschaft aller Lohnabhängigen aus den Arbeitskämpfen der Vergangenheit zu lernen, sich ideologisch weiterzubilden und die Arbeitskämpfe um Lohnhöhe, Arbeitsbedingungen, etc. als ersten Schritt für die Erringung der Macht zu definieren. Die Gewerkschaften und die Kämpfe der Lohnabhängigen sind Teil des Klassenkampfes, an dem Kommunisten ohne Zweifel teilnehmen und als ideologisch gefestigte Kader auch Orientierungshilfen geben müssen. Einerseits indem die Kommunisten auf alle Gewerkschaftsmitglieder aufklärend und politisch bildend wirken sowie aktiv an den Arbeitskämpfen teilnehmen. Andrerseits, indem korrumpierbare und den Interessen der Lohnabhängigen entgegengesetzt handelnde Gewerkschaftsführer in ihrer Funktion als opportunistische Kräfte entlarvt werden.

Der Arbeits- oder Verteilungskampf ist Teil des gesellschaftlichen Klassenkampfes. Wird der Klassenkampf allerdings auf den Arbeits- oder Verteilungskampf reduziert, suggeriert ein reformistisch geführter und optimal erfolgreich verlaufender Arbeitskampf die gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Auf Grundlage dieser opportunistischen Haltung vieler Gewerkschaftsführer wäre als maximal zu erreichendes Kampfziel die Forderung nach Mitentscheidung der Produktivkräfte über die Verwendung des gesellschaftlichen Mehrwertes vorstellbar.

Die Frage, wie der gesellschaftliche Reichtum einer Gesellschaft verteilt wird und wer darüber entscheidet, schließt die Antwort auf die Frage, wer die Kontrolle über die Produktionsmittel ausübt und wer über die Herstellung welcher Güter entscheidet aus. Aus diesem Grund ist es aus der Perspektive des Proletariats zwingend notwendig, den Arbeits- und Verteilungskampf innerhalb des Klassenkampfes weiterzuentwickeln und die Frage nach der Verfügungsgewalt und die Kontrolle der Produktionsmittel zu stellen.


Zitierte Literatur:
(1), (2) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 249

Ergänzende Literatur:
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 140-152


9. Die "Jagd nach dem Extraprofit" als eine weitere kapitalistische Quelle des Profits

Die Kapitalisierung des angeeigneten Mehrwertes eröffnen dem Kapitalisten neue Quellen des Profits. Kapitalisten investieren in ihren Betrieb, um mit neuen Technologien und neuen Produktionsverfahren Waren zu produzieren, die gegenüber ihren Mitkonkurrenten geringere Produktionskosten aufweisen. Aufgrund dieser geringeren Produktionskosten erzielt der Kapitalist einen von der Ausbeutung der Lohnabhängigen unabhängigen Profit, den Extraprofit bzw. den Surplusprofit. Die Verminderung der Produktionskosten und der daraus resultierende Extraprofit entspringen also der Art und Weise, wie das investierte Kapital reproduziert wird. Ohne diese Investitionen würde der Kapitalist "lediglich" einen Profit erzielen, der im Durchschnitt des Profits aller konkurrierenden Kapitalisten liegt.

"Liegt der individuelle Kostpreis eines Kapitalisten unter dem Durchschnitt, d.h., produziert er aus irgendeinem Grund billiger als die Konkurrenz, dann kann er seine Waren zum Marktpreis (oder sogar darunter) verkaufen und macht dabei einen Extraprofit". (1)

und

"Der Extraprofit entsteht also durch den Überschuss des individuellen Profits über den Durchschnittsprofit". (2)

In Anlehnung an das in (3) dokumentierte Beispiel soll die innere Logik und der Ursprung des Extraprofits verdeutlicht werden. Der Kostpreis einer Ware beträgt 100 (zusammengesetzt aus c = 70 sowie v = 30). Unter der Annahme eines 15%igen Durchschnittsprofites ergibt sich der individuelle Produktionspreis von 115. Wird weiterhin angenommen, daß die große Masse der Anbieter unter diesen Bedingungen produziert und keine großen Differenzen zwischen Angebot und Nachfrage auftreten, kann der durchschnittliche Produktionspreis von 115 mit dem Marktpreis gleichgesetzt werden. Dieser Wert entspricht dem Äquivalentwert, zu dem die Ware angeboten und verkauft wird.

Produziert der Kapitalist X nun mit neuen Maschinen, die zur ihrer Bedienung weniger Lohnarbeiter benötigen, beträgt der Kostpreis des Kapitalisten vielleicht nur noch c = 70 plus v = 25, in der Summe also 95. Der individuelle Produktionspreis dieser Ware wäre 95 + 15 (Durchschnittsprofit) = 110. Der Kapitalist X mit seinem individuellen Produktionspreis von 110 kann seine Ware jedoch zum üblichen Marktpreis von 115 verkaufen. In diesem Fall erhält er neben dem Durchschnittsprofit von 15 einen Extraprofit von 5. Selbst wenn er die Ware z. B. für 112 verkauft, bleibt ihm immer noch ein gegenüber seinen Mitkonkurrenten realisierter Extraprofit.

Der Extraprofit, den sich der Kapitalist X aneignet, löst sich auf, sobald sich der wie auch immer geartete Produktionsfortschritt in der gesamten Branche etabliert:

"Er tut im einzelnen, was das Kapital bei der Produktion des relativen Mehrwerts im großen und ganzen tut. Andrerseits aber verschwindet jener Extramehrwert, sobald die neue Produktionsweise sich verallgemeinert und damit die Differenz zwischen dem individuellen Wert der wohlfeiler produzierten Waren und ihrem gesellschaftliche Wert verschwindet." (4)

Darauf folgt, daß sich Kapitalisten bei Strafe ihres eigenen Unterganges dem Zwang zur permanenten Erhöhung der Produktivität unterwerfen müssen, um sich zumindest für einen gewissen Zeitraum (d.h. bis die verbesserten Produktionsbedingungen allgemein zur Anwendung gekommen sind) einen Extraprofit zu sichern. In der Jagd nach dem Extraprofit ist der primäre Grund zu suchen, weshalb finanzkräftige Unternehmen große Forschungs- und Entwicklungsabteilungen mit streng gehüteten Forschungsergebnissen unterhalten. Da in Abhängigkeit von der Entwicklung der Produktivkräfte immer mehr finanzieller Input geleistet werden muss, um zunehmend produktiver arbeiten zu können, werden weniger kapitalkräftige Unternehmen bei der Jagd nach dem Extraprofit von den kapitalkräftigeren Unternehmen vom Markt verdrängt:

"Je ein Kapitalist schlägt viele tot." (5)


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S.
(2) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 656
(3) http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_e/extraprofit.html
(4) K. Marx: Das Kapital, Erster Band, S. 337
(5) K. Marx: Das Kapital, Erster Band, S. 790

Ergänzende Literatur: K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 741-791
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 181-186


10. Der "Fetischcharakter" der Ware, des Geldes und des Kapitals

Nach Wikipedia wird unter dem Fetischismus die Überzeugung oder die Erfahrung verstanden, nach der von bestimmten unbelebten Objekten eine Kraft oder Macht ausgeht. Fetischismus kannten bereits die prähistorischen Menschen, die von ihnen selbst geschaffene Gegenstände als Götter verehrten. Bezogen auf die kapitalistische Produktionsweise verkörpert der "Fetischcharakter der Ware" die mystische und allmächtige Bedeutung der Ware, die ja eigentlich nur ein von Menschen hergestellten Gegenstand ist. Marx beschrieb in seinem Hauptwerk, eine Ware sei

"ein sehr vertracktes Ding, voll metaphysischer Spitzfindigkeit und theologischer Mucken." (1),

da es sich

"...in ein sinnlich übersinnliches Ding verwandelt", ... (2)

sobald es als Ware auf dem Markt erscheint. Der besondere Charakter des Gegenstandes entspringt dabei nicht der Arbeit oder der benötigten Arbeitszeit sondern der Warenform selbst.

Im Kapitalismus werden die Waren ohne gesellschaftlichen Kontext als voneinander unabhängig betriebene Privatarbeiten produziert. Da in einer für den Markt hergestellten Ware ein Gebrauchswert und ein Tauschwert steckt, tritt der gesellschaftliche Charakter der Ware erst im Warentausch auf dem Markt zum Vorschein. Die Nachfrage auf dem Markt zeigt, ob eine Ware von gesellschaftlichen Nutzen ist oder nicht. Gegenüber dem Gebrauchswert verselbständigt sich auf dem Markt der Tauschwert (nämlich die Preisbildung durch Angebot und Nachfrage, Äquivalententausch) einer Ware, denn die kapitalistische Warenproduktion dient nicht der Herstellung von Gebrauchswerten sondern der Herstellung von Tauschwerten - und demnach der Erzielung von Profit. Die den Wert schaffenden Arbeiter werden zum scheinbaren "Objekt" Arbeitskraft degradiert, die für das "Subjekt" Ware produzieren.

Unter diesen Bedingungen nimmt der gesellschaftliche Prozess für die Warenproduzenten

"die Form einer Bewegung von Sachen (an), unter deren Kontrolle sie stehen, statt sie zu kontrollieren." (3)

und durch Vertauschung der Abhängigkeiten

... werden die Arbeitsprodukte Waren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge." (4)

Marx bezeichnet den Warenfetischismus deshalb auch als scheinbare Vertauschung von Subjekt und Objekt, als "Quid pro quo" - die Macht des Gegenstandes unterwirft sich den Menschen und nicht umgekehrt. Zusammenfassend stellt Marx fest:

"Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen." (5)

In der kapitalistischen Produktionsweise überträgt der Mensch sein gesellschaftliches Verhältnis auf die Waren und bekommt dadurch eine gesellschaftliche Beziehung zu ihnen selbst. Analog entsteht ein verdinglichtes Verhältnis der Menschen, d.h. die Gesellschaft wird nur durch die Existenz der Waren zusammengehalten.

Der Fetischcharakter der Ware verschleiert die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kapitalismus und den unüberbrückbaren Gegensatz zwischen der Bourgeoisie und dem Proletariat. Zudem begründet der Warenfetischismus die in der Öffentlichkeit vorherrschende und durch bürgerliche Ökonomen propagierte Dummheit, nach der ein Warenwert durch das Aufeinandertreffen von Anbietern und Nachfragern auf dem Markt bestimmt wird. Der Umstand, nach dem Preisänderungen aus der Bewegung von Angebot und Nachfrage resultieren, kann einen Verlust des Warenwertes innerhalb kurzer Zeit einschließen. Ohne bewusstes Handeln und gegen den Willen der Produzenten kann eine Ware ihren (Tausch-) Wert verlieren, sobald sie auf dem Markt keine Nachfrager mehr vorfindet. In der Realität des Kapitalismus werden die produzierten Waren ohne oder lediglich mit einem geringen Tauschwert in Billigstländen verramscht oder gar vernichtet.

Die gesellschaftlichen Konsequenzen des Warenfetischismus werden uns - nicht zuletzt durch die Werbung - vor Augen geführt. Tagtäglich wird uns Menschen die Illusion suggeriert, ein Maximum an individuellen Warenkonsum sei das ausschließlich anzustrebende Ziel im menschlichen Leben und erst durch die Warenwelt würden uns Gefühle von Glück, Euphorie und Harmonie zugänglich und erlebbar gemacht. Die Warenwelt und der Markt, der Ort, an dem über Konsum oder Nichtkonsum entschieden wird, werden glorifiziert und zum Maß aller Dinge gemacht.

Eine Überwindung des Warenfetischismus ist nur durch eine bewusste Gestaltung und Lenkung des Produktionsprozesses möglich. Nicht mehr der Tauschwert (d.h. die an Profitinteressen orientierte Produktion) darf im Mittelpunkt der menschlichen Produktionsweise stehen, sondern eine an den Bedürfnissen der Gesellschaft orientierte Produktion (d.h. am Gebrauchswert des Gegenstandes).

Neben den bereits besprochenen Warenfetischismus werden diverse Dinge im Kapitalismus zum Fetisch. Fetische sind z.B. die Nation und der Staatsapparat sowie der für den Kapitalismus besonders wichtige Fetischcharakter des Geldes und des Kapitals.

Weiter oben wurde die besondere Wertform des Geldes gezeigt. Das Geld befindet sich im Gegensatz zu allen anderen Waren in der allgemeinen Äquivalentform, da sich alle anderen Waren auf das Geld beziehen. Der durch die Arbeit geschaffene Wert, der in jeder Ware enthalten ist, ist im Geld vollständig aufgegangen und wird durch das Geld verschleiert. Die Geldform erscheint daher fälschlicherweise als die Substanz der übrigen Waren, anstatt als deren Wertausdruck:

"Eine Ware scheint nicht erst Geld zu werden, weil die andren Waren allseitig ihre Werte in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt allgemein ihre Werte in ihr darzustellen, weil sie Geld ist." (6)

Eben weil die wertschaffende Arbeit in der Gestalt des Geldes unsichtbar ist, erscheint das Geld als eigene Macht und

"Daher die Magie des Geldes." (7)

Gegenüber dem Warenfetischismus (d.h. der Abtrennung von Tauschwert und Gebrauchswert der Ware) hat sich der Geldfetischismus nochmals verschärft, denn so schreibt Marx in den Grundrissen der Kritik der politischen Ökonomie (1857-58), sei Geld der

"Gott unter den Waren" [S. 3].

Der wertschaffende Faktor, d.h. der arbeitende Mensch, wird im Geldfetisch verhüllt und die Ware wird zum Subjekt der gesellschaftlichen Realität.

Im Kapitalismus ist es von sekundärer Bedeutung, woher ein Mensch eine bestimmte Summe Geld besitzt. Gesellschaftlich angesehen und akzeptiert sind reiche und wohlhabende Menschen, unabhängig davon, ob sich ein Kapitalist durch die Ausbeutung der Lohnabhängigen oder ein Politiker durch die Korruption seinen Reichtum ergaunert haben. Menschen, die tatsächlich sehr viel arbeiten und/oder in stark belastenden Arbeitsfeldern tätig sind (Erzieher, Krankenschwestern, etc.) erhalten weder eine gesellschaftliche Anerkennung noch eine entsprechende Bezahlung.

Kapital verkörpert die gesellschaftliche Beziehung zwischen der Kapitalisten- und der Arbeiterklasse: als Eigentümer der Produktionsmittel eignen sich die Kapitalisten den gesellschaftlichen Mehrwert privat an, den die ausgebeuteten Lohnabhängigen durch ihre Arbeitskraft schaffen. Das darin zum Ausdruck kommende Produktionsverhältnis nimmt die Form eines Verhältnisses von Sachen an (d.h. der Produktionsmittel) und es erscheint als eine Eigenschaft eben dieser Sache, in den Produktionsprozess produktiv und wertschöpfend einzugreifen. Dadurch hätte der Kapitalist seinen Anspruch auf den Mehrwert resp. den Gewinn.

"Im zinstragenden Kapital ist daher dieser automatische Fetisch rein herausgearbeitet, der sich selbst verwertende Wert, Geld heckendes Geld, und trägt es in dieser Form keine Narben seiner Entstehung mehr. Das gesellschaftliche Verhältnis ist vollendet als Verhältnis eines Dings, des Geldes, zu sich selbst. Statt der wirklichen Verwandlung von Geld in Kapital zeigt sich hier nur ihre inhaltlose Form. Wie bei der Arbeitskraft wird der Gebrauchswert des Geldes hier der, Wert zu schaffen, größren Wert, als der in ihm selbst enthalten ist. Das Geld als solches ist bereits potentiell sich verwertender Wert und wird als solcher verliehen, was die Form des Verkaufens für diese eigentümliche Ware ist. Es wird ganz so Eigenschaft des Geldes, Wert zu schaffen, Zins abzuwerfen, wie die eines Birnbaums, Birnen zu tragen." (8)

Im Rahmen der Produktionsfaktorentheorie vermittelt die bürgerliche Volkwirtschaftslehre als eine Konsequenz des Kapitalfetisch die Lehrmeinung, nach der ein volkswirtschaftlicher Reichtum durch die Kombination der drei "Produktions"-Faktoren Boden, Kapital und Arbeit erwirtschaftet und begründet werden kann. Nach der bürgerlichen Ökonomie sind die genannten Faktoren substituierbar. In Verkennung der Tatsache, dass ausschließlich die menschliche Arbeit Wert schaffen kann - es ist noch niemals beobachtet worden, dass aus einem, auf den Tisch liegenden 100 Euro-Schein über Nacht (oder auch nach einem Monat) 150 Euro geworden sind - dient die Produktionsfaktorentheorie dazu, dem Menschen das Märchen von der Produktivkraft des Kapitals auf einer pseudowissenschaftliche Basis zu erzählen.


Zitierte Literatur:
(1), (2) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 85
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 89
(4), (5) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 86
(6), (7) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 107
(8) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 404f

Ergänzende Literatur:
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: S. 95-96, S. 129-131
Buchholz, E. (2001): Sozialismus und Kriminalität - Kriminalitätsentwicklung in der DDR im Vergleich mit der in der BRD. Offen-siv 3/01, Lange und Haak, Allensbach.
http://www.kulturkritik.net/Begriffe/wa.html
http://www.debatte.info/index.php?id=518


11. Die Mystifizierung der Oberfläche des Kapitals

Im folgenden Abschnitt geht es um die Entwicklung eines "notwendig falschen Bewusstseins" (Marx) - beispielhaft dargestellt an den Legenden, nach denen 1. mit dem Arbeitslohn die Arbeit bezahlt wird und 2. Maschinen Werte schaffen können. 1. Der Kapitalismus produziert an seiner Oberfläche den Schein des Äquivalententausches und der Gerechtigkeit. Aus diesem (falschen) Schein entsteht bei den beteiligten Menschen ein "notwendig falsches Bewusstsein". Der Schein und das "notwendig falsche Bewusstsein" sind allgegenwärtig und werden bei der Frage der Entlohnung von Arbeitern besonders sichtbar. Jeder nicht fortschrittlich denkende und klassenbewusste Arbeiter behauptet, er werde durch den "Arbeitgeber" nicht ausgebeutet und erhalte für seine Arbeit eine (gerechte) Entlohnung, denn ihm werde ja seine Arbeit bezahlt.

"Auf der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft erscheint der Lohn des Arbeiters als Preis der Arbeit, ein bestimmtes Quantum Geld, das für ein bestimmtes Quantum Arbeit gezahlt wird." (1)

Hinter diesem falschen Schein verbirgt sich aber folgende Tatsache:

"Was dem Geldbesitzer auf dem Warenmarkt direkt gegenüber tritt, ist in der Tat nicht die Arbeit, sondern der Arbeiter. Was letzterer verkauft, ist seine Arbeitskraft. Sobald seine Arbeit wirklich beginnt, hat sie bereits aufgehört, ihm zu gehören, kann also nicht mehr von ihm verkauft werden." (2)

Doch worin liegen nun die Ursachen für dieses "notwendig falsche Bewusstsein"? Unabhängig davon, ob der Arbeitslohn als Stunden-, Wochen- oder Monatslohn resp. als Stücklohn gezahlt wird, entsteht der Eindruck, als werde der Lohnarbeiter für seine ganze Arbeit bezahlt. Tatsächlich wird er nur für die notwendige Arbeit entlohnt, da die Entlohnungsform eine Differenzierung der Arbeit in notwendige Arbeit und Mehrarbeit verschleiert.

"Die Form des Arbeitslohns löscht ... jede Spur der Teilung des Arbeitstags in notwendige Arbeit und Mehrarbeit, in bezahlte und unbezahlte Arbeit aus. Alle Arbeit erscheint als bezahlte Arbeit." (3)

Zum eingehenden Studium dieser Frage wird auf das Rechenbeispiel im "Kapital Band I" auf der Seite 562 verwiesen. Der falsche Eindruck, der Arbeiter würde für seine Arbeit bezahlt, wird weiterhin durch die Entlohnung des Arbeiters am Monatsende, d.h. nachdem er seine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt hat, genährt.

2. In der Bevölkerung ist weithin das Bewusstsein verbreitet, Kapital in Form von Maschinen und Technologie könne wertschöpfend sein und Profite erzeugen. Dieses falsche Bewusstsein resultiert aus der Jagd des Kapitalisten nach einem Extraprofit. Ein Kapitalist investiert in die technologische Ausstattung seines Betriebes, um gegenüber seinen Konkurrenten geringere Produktionskosten zu haben und dadurch einen Extraprofit zu erhalten. Dieser scheinbare kausale Zusammenhang zwischen Investition und Profitsteigerung erweckt den Eindruck, als komme der Extraprofit aus der neuen Technologie. Tatsächlich und das hat Marx mit seiner Arbeitswerttheorie hinreichend erklärt, ist ausschließlich die menschliche Arbeitskraft wertschöpfend.

Es ergibt sich die Frage, welche gesellschaftlichen Funktionen das in allen Lebensbereichen anzutreffende notwendig falsche Bewusstsein für die Existenz des Kapitalismus einnimmt. Falsche Vorstellungen über die realen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse im Kapitalismus sind kein zufälliger Irrtum, sondern sie ergeben sich aus den spezifischen Bedingungen der kapitalistischen Produktion selbst, sie sind die "richtige Widerspiegelung des falschen Scheins" (Marx). Es liegt im originären Interesse der Kapitalisten, mittels u.a. der Monopolmedien das bereits vorhandene notwendig falsche Bewusstsein in der Bevölkerung noch intensiver zu verankern und dadurch die Ausbeutung des Proletariats zu verschleiern und zu maskieren. Bezogen auf die hier eingehender untersuchte Frage der Entlohnung des Proletariats liegt es im Interesse der Kapitalisten, den Eindruck zu erwecken, als sei das Kapitalisten-Proletarier-Verhältnis zueinander durch das Verhältnis zweier Warenbesitzer gekennzeichnet: nämlich dem Kapitalisten als Besitzer der Ware "Geld" und dem Proletarier als Besitzer der Ware "Arbeitskraft". Diese Warenbesitzer tauschen nun auf dem Arbeitsmarkt ihre Waren in äquivalenten Mengen. Das durch Ausbeutung und Unterdrückung gekennzeichnete Verhältnis zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter wird dabei in entstellter Form dargestellt bzw. gar nicht abgebildet.


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, I.Band, S. 557
(2) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 558
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 562


12. Logik und Empirie, Wesen und Erscheinung

Unter Empirie werden die Lehren zusammengefasst, die den Ursprung aller Erkenntnisse auf die Erfahrung und die Wahrnehmung durch die Sinne reduzieren, da diese die unmittelbare Verbindung zwischen Subjekt und Objekt darstellen. Bezogen auf die Ökonomie wäre eine ausschließlich empirische Betrachtung z.B. die Wahrnehmung der Entwicklung der Arbeitslosigkeit oder auch die Feststellung der so genannten "Konjunktureinbrüche" im Kapitalismus. Es werden also nur die Erscheinungen wahrgenommen, ohne sie erklären zu können. Und hier manifestiert sich die Kritik an der bürgerliche Ökonomie:

"Immer nur die unmittelbaren Erscheinungsformen der Verhältnisse werden reflektiert, nicht deren innerer Zusammenhang" (zit. in (1))

Die Logik dagegen erforscht die allgemeinen Strukturen und Gesetze jedes richtigen Denkens. Die Logik abstrahiert von dem jeweiligen konkreten Inhalt des Denkens, um die logischen Formen und Strukturen als solche erfassen zu können.

"Die Sphäre der Erscheinung (d.h. der Empirie) ist nur zu verstehen, sobald die innere Natur des Kapitals begriffen ist, ...". (Marx, zit. in (2))

Die politische Ökonomie muss noch einen Schritt weitergehen: mit Hilfe der Logik müssen die inneren, allgemeinen und notwendigen Zusammenhänge der kapitalistischen Produktionsweise offengelegt werden.

Auf der Grundlage der Logik müssen wir als Marxisten daher die wahrnehmbaren Erscheinungen auf die ihnen zugrunde liegenden logischen Gesetze zurückführen oder mit anderen Worten, wir müssen uns im politischen Alltag nicht durch die vorfindbaren Realitäten, sondern durch die Logik leiten lassen.

Die im Kapital angewandte Darstellungsmethode des Aufsteigens "vom Abstrakten zum Konkreten" offenbart die innere Struktur der kapitalistischen Produktionsweise. Die logische Abfolge der Kategorien, d.h. die Produktions- und die Zirkulationsebene sowie der Gesamtprozess, orientieren sich dabei an dem inneren Zusammenhang des kapitalistischen Systems. Der Aufbau des Kapitals reflektiert daher nicht die historische Entwicklung, denn der Produktionsprozess, die Zirkulation und der gesamte Prozess sind gleichzeitig wahrnehm- und erlebbar. Um die innere Struktur des Kapitals jedoch zu verstehen, muss man sich vergegenwärtigen, dass logisch betrachtet der Gesamtprozess die Ausgestaltung der Zirkulationsebene und diese wiederum die Ausgestaltung der Produktionsebene voraussetzt.


Zitierte Literatur:
(1), (2) Flegel, F. (1997): Zum Wissenschaftsbegriff der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie. In: Arbeitstexte des Marxistisch-Leninistisches Fernstudium der Zeitschrift Offen-siv, Heft 1: 48-68.

Ergänzende Literatur:
Kosing, A. (1985): Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Philosophie; Dietz, Berlin.


13. Die Differenzierung der Arbeit in produktive und unproduktive Arbeit (für das Kapital)

Im Kapitalismus kann zwischen der - im Sinne des Kapitals - produktiven und der unproduktiven Arbeit unterschieden werden. Das differenzierende Merkmal ist die Bildung von Mehrwert. Unter produktiver Arbeit im Kapitalismus werden nach Marx alle diejenigen Tätigkeiten der Proletarier verstanden, die dem Kapitalisten Mehrwert bringen und die zur Verwertung des Kapitals beitragen. Dadurch

"... verengt sich der Begriff der produktiven Arbeit. Die kapitalistische Produktion ist nicht nur Produktion von Ware, sie ist wesentlich Produktion von Mehrwert. Der Arbeiter produziert nicht für sich, sondern für das Kapital. Es genügt daher nicht länger, dass er überhaupt produziert. Er muss Mehrwert produzieren. Nur der Arbeiter ist produktiv, der Mehrwert für den Kapitalisten produziert oder zur Selbstverwertung des Kapitals dient." (1)

Zu den mehrwertproduzierenden Tätigkeiten werden folglich alle Arbeiter in den Bereichen der materiellen Produktion, also in sämtlichen Bereichen der Industrie (Schwer-, Leicht-, Konsumgüterindustrie, etc.), der industriellen Landwirtschaft, des Bauwesens, des Transportwesens, etc. gezählt. Aber auch die produktiven Leistungen der Vielzahl von Handwerkern und Bauern gehen in das gesellschaftliche Gesamtprodukt - als die Summe der in einer Zeiteinheit produzierten materiellen Güter - ein.

Der Begriff der "produktiven Arbeit" ist ein stark komprimierter Ausdruck für die Art und Weise, in der die Arbeit des Proletariers im Verhältnis zu den Kapitalisten steht. Die Differenzierung von anderen Arten der Arbeit ist aber von größter Bedeutung, da gerade die Form der Arbeit ausdrückt, worauf die gesamte kapitalistische Produktionsweise und das Kapital selbst beruht. Produktive Arbeit als Arbeit, die sich unmittelbar mit dem Kapital austauscht, schließt ein:

1. das Verhältnis von Geld und Arbeitsvermögen als Waren gegeneinander, Kauf und Verkauf zwischen dem Geldbesitzer und dem Besitzer des Arbeitsvermögens;

2. die direkte Unterwerfung der Arbeit unter das Kapital;

3. die reelle Verwandlung der Arbeit in Kapital im Produktionsprozess oder, was dasselbe ist, die Schöpfung des Mehrwerts für das Kapital. Es findet zweierlei Austausch von Arbeit und Kapital statt. Der erste drückt bloß den Kauf des Arbeitsvermögens und daher in Wirklichkeit der Arbeit und daher ihres Produkts aus. Der zweite die direkte Verwandlung lebendiger Arbeit in Kapital oder ihre Vergegenständlichung als Verwirklichung des Kapitals." (2)

Im Gegensatz zum produktiven Teil der arbeitsfähigen Bevölkerung gibt es in der kapitalistischen Gesellschaft zahlreiche Menschen, die nicht an der Erzeugung des gesellschaftlichen Produkts beteiligt sind und keine gesellschaftlich nützliche Arbeit verrichten. Hier spricht Marx von unproduktiver Arbeit, da der Kapitalist aus dieser Form von Arbeit keinen Mehrwert herausziehen kann.

Zu diesem Bereich zählen an vorderster Stelle die Arbeiter/Beamten des Staatsapparates sowie des polizeilichen und militärischen Apparates wie auch die Arbeiter und Angestellten der Sozialfürsorge, der Bildung und Erziehung. Letztgenannter Personenkreis übernimmt - auch wenn ihre Arbeitskraft nicht direkt ausgebeutet werden kann - für die Kapitalisten als Teil des kapitalistischen Herrschafts- und Unterdrückungsapparates eine wichtige Funktion. Weiterhin impliziert unproduktive Arbeit die Tätigkeiten der Spekulanten, der Juristen, der Geistlichen, der Werbebranche usw. Der Handel, mit Ausnahme der Arbeitsvorgänge des Transportes oder der endgültigen Fertigstellung der Waren vor Ort, sind ebenfalls der unproduktiven Arbeit zuzuordnen. Alle genannten Berufsgruppen zehren von der produktiven Arbeit, denn

"alle ... unproduktiven Gesellschaftsmitglieder können ihren Anteil am jährlichen Warenprodukt - also ihre Konsumtionsmittel - nur beziehen aus den Händen der Klassen, denen das Produkt in erster Hand zufällt - produktiven Arbeitern, industriellen Kapitalisten und Grundbesitzern. Insofern sind ihre Revenuen (= Mittel zum Lebensunterhalt/Privatkonsum) in der Tat abgeleitet von Arbeitslohn (der produktiven Arbeiter), Profit und Bodenrente, und erscheinen daher jenen Originalrevenuen gegenüber als abgeleitete." (3)

Die Frage, ob eine Tätigkeit als produktive oder unproduktive Arbeit bezeichnet wird, hängt - wie bereits weiter oben erläutert - von deren Mitwirkung am Zirkulationsprozess und damit von der Bildung von Mehrwert ab. Ein Vergleich zwischen der Tätigkeit zweier sich verdingender Dienstleister bringt das Wesen der produktiven Arbeit auf den Punkt.

"Ein Schauspieler z. B., selbst ein Clown, ist hiernach ein produktiver Arbeiter, wenn er im Dienst eines Kapitalisten arbeitet, dem er mehr Arbeit zurückgibt, als er in der Form des Lohns von ihm erhält, während ein Flickschneider, der zu dem Kapitalisten ins Haus kommt und ihm seine Hosen flickt, ... ein unproduktiver Arbeiter ist. Die Arbeit des ersteren tauscht sich gegen Kapital aus, die des zweiten gegen Revenue (= Mittel zum Lebensunterhalt/Privatkonsum). Die erstere schafft Mehrwert; in der zweiten verzehrt sich eine Revenue." (4)

Abschließend sei erwähnt, dass Marx zahlreiche Sonderformen und Mischformen der produktiven und unproduktiven Arbeiten unterscheidet. An dieser Stelle sei auf das Studium der Originalliteratur hingewiesen.


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 532
(2) K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, S. 375
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 372
(4) K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, S. 127

Ergänzende Literatur:
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: S. 224-226


14. Die Mehrwertrate

Die Bedingungen des Kapitalisten für die Bildung von Mehrwert, seine primäre Handlungsrichtlinie, fasste Marx wie folgt zusammen:

"Erstens will er einen Gebrauchswert produzieren, der einen Tauschwert hat, einen zum Verkauf bestimmten Artikel, eine Ware. Und zweitens will er eine Ware produzieren, deren Wert höher als die Wertsumme der zu ihrer Produktion nötigen Waren, der Produktionsmittel und der Arbeitskraft, für die er sein gutes Geld auf dem Warenmarkt vorschoss. Er will nicht nur einen Gebrauchswert produzieren, sondern eine Ware, nicht nur Gebrauchswert, sondern Wert, und nicht nur Wert, sondern auch Mehrwert." (1)

Dieser Mehrwert, den das vorgeschossene Kapital im Produktionsprozess erzeugt hat, wird zunächst als Überschuss des Werts des Produkts gegenüber der Wertsumme seiner Produktionsbestandteile erfasst. Das vorgeschossene Kapital setzt sich wiederum aus einer Geldsumme für Produktionsmittel, etc. (= konstantes Kapital) und einer Geldsumme für die Arbeitskraft (= variables Kapital) zusammen. Der Mehrwert entsteht aber ausschließlich aus der menschlichen Arbeit, denn

"Wir wissen in der Tat bereits, dass der Mehrwert bloß Folge der Wertveränderung ist, die mit v, dem in Arbeitskraft umgesetzten Kapitalteil vorgeht, dass also v + m = v + Dv (v plus Zusatz von v) ist. ..." (2)

Die Beziehung zwischen dem Mehrwert (m) und dem variablen Kapital (v) wird als Mehrwertrate definiert:

Die Mehrwertrate beschreibt quantitativ die Verwertung des eingesetzten variablen Kapitals (d.h. der Lohnkosten) und gibt durch die analoge Beziehung von Mehrarbeit und notwendiger Arbeit exakt den Ausbeutungsgrad der Lohnabhängigen wieder:

"Der Mehrwert verhält sich zum variablen Kapital, wie die Mehrarbeit zur notwendigen, oder die Rate des Mehrwerts m : v = Mehrarbeit : Notwendige Arbeit. Beide Proportionen drücken dasselbe Verhältnis in verschiedener Form aus, das eine Mal in der Form vergegenständlichter, das andere Mal in der Form flüssiger Arbeit." (3)

Die Mehrwertrate, d.h. das Größenverhältnis von m zu v, hängt von mehreren Variablen ab. An erster Stelle ist die Länge des Arbeitstages zu nennen, denn (unter der Bedingung der Konstanz aller anderen Variablen und der notwendigen Arbeit) führt eine Verlängerung der Arbeitszeit zwangsläufig zur Erhöhung der Mehrarbeit. Weiterhin wird der Mehrwert u.a. durch den (Tausch-)Wert der Arbeitskraft, von der Intensität der Arbeit sowie von der Produktivkraft beeinflusst.


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 201
(2) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 228
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 231

Ergänzende Literatur: K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 321-330
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 127-129


15. Die einfache und die erweiterte Reproduktionsebene des Kapitals

Alle gesellschaftlichen Formationen sind bei Strafe ihres Unterganges gezwungen, kontinuierlich zu produzieren und zu konsumieren sowie einen Teil ihrer Produkte für den kommenden Produktionsprozess bereit zu stellen. Im Kapitalismus bedeutet das: Die stofflichen Vorraussetzungen des variablen Kapitals (u.a. ausgebildete Arbeiter, Führungskräften, industrielle Reservearmee) und des konstanten Kapitals (u.a. Produktionsmittel, Betriebsstoffe, Transportsystem) müssen im Rahmen der Reproduktion wiederhergestellt werden:

"So wenig eine Gesellschaft aufhören kann zu konsumieren, so wenig kann sie aufhören zu produzieren. In einem stetigen Zusammenhang und dem beständigen Fluss seiner Erneuerung betrachtet, ist jeder gesellschaftlicher Produktionsprozess daher zugleich Reproduktionsprozess." (1)

und

"Unter sonst gleichbleibenden Umständen kann sie ihren Reichtum nur auf derselben Stufenleiter reproduzieren oder erhalten, indem sie die, während des Jahres z.B. verbrauchten Produktionsmittel, d.h. Arbeitsmittel, Rohmateriale und Hilfsstoffe, in natura durch ein gleiches Quantum neuer Exemplare ersetzt, welches von der jährlichen Produktenmasse abgeschieden und von neuem dem Produktionsprozess einverleibt wird." (2)

Der Begriff der einfache Reproduktion des Kapitals ist eine wissenschaftliche Abstraktion, um die mit dem Umschlag des Kapitals verbundenen Bedingungen Schritt für Schritt analysieren zu können - im Sinne des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten. Die einfache Reproduktion ist nach Marx lediglich Produktion "... auf derselben Stufenleiter"..., da c + v nominell nicht verändert werden und eine Ausdehnung der Produktion oder die Einführung neuer Technik nicht erfolgt. Der in der einfachen Reproduktion geschaffene Neuwert fließt entweder als v in den individuellen Konsum der Arbeiter oder als Revenue in den Konsum der Kapitalisten.

Wesentliche Voraussetzung für die Fortsetzung des Produktions- und Zirkulationsprozesses ist der Verkauf d.h. die Realisierung des Produktes. Die Summe der in einer Gesellschaft hergestellten Produktions- und Konsumtionsmittel pro Zeiteinheit ergibt einen Wert, der - unter der Bedingung einer komplikationslosen Reproduktion - nominell den folgenden drei Komponenten zugeordnet werden muss und zwar proportional in demselben Umfang, wie es dem in der Produktion verbrauchten Wert entspricht:

einem Wert, der als Reproduktion des konstanten Kapitals (c) in Form von Betriebsmittel, Maschinen, etc. in der Produktion verbleibt,
einem Wert, der zur Reproduktion des variablen Kapitals (v) als Arbeitslohn zu Konsumzwecken gezahlt wird
einem Mehrwert (m). Bei der einfachen Reproduktion wird der gesamte Mehrwert am Ende der Zirkulation durch den Kapitalisten verzehrt (Revenue).

Um die mit der Reproduktion im Kapitalismus verbundenen Probleme nachvollziehbar zu machen, ist es weiterhin erforderlich, die in einer Gesellschaft hergestellten Güter ihrem Wesen oder ihrer Naturalform zuzuordnen. Für den Fortbestand einer Gesellschaft ist die Herstellung von Produktionsmitteln (Abteilung I) und von Konsumtionsmitteln (Abteilung II) notwendig. Es stellt sich nun die Frage, wie für jeden Teil des gesellschaftlichen Produktes sowohl dem Wert nach (d.h. c, v und m) als auch der Naturalform nach (d.h. Produktionsmitteln Abt I und Konsumtionsmittel Abt. II) Ersatz geschaffen wird. Es zeigte sich, dass unter den Bedingungen der einfachen Reproduktion das variable Kapital und der Mehrwert der Abt. I sowie die in der Abt. II produzierten Konsumtionsmittel den gleichen Wert ergeben muss:

I (v + m) = II c.

Beim gegenseitigen Austausch dieser Wertgrößen erhalten die Arbeiter (und die Kapitalisten) der Abt. I Konsummittel und im Gegenzug die Kapitalisten der Abt. II Produktionsmittel in Form des konstanten Kapital für die neue Produktion. Daraus resultiert, dass in der ersten Produktionsperiode die materiellen Voraussetzungen für den folgenden Produktionsabschnitt gelegt sein müssen. Diese Bedingungen der gesellschaftlichen Reproduktion beziehen sich sowohl auf die Produktionsmittel als auch auf die Konsumtionsmittel.

Ein Problem ergibt sich nun dadurch, dass ein betriebswirtschaftlich isoliert denkender und handelnder Kapitalist seine betrieblichen Entscheidungen nicht unter der Prämisse der gesellschaftlichen Notwendigkeiten trifft. Es interessiert den Kapitalisten faktisch nur in untergeordnetem Maße, und zwar in dem Umfang, als daß es für seinen Betrieb von Relevanz ist, ob der Reproduktionsgrundsatz auf der gesellschaftlichen Ebene eingehalten wird oder nicht. Sein Handeln - und auch das aller anderen Kapitalisten - ist ausschließlich profitorientiert. Kapitalisten haben daher nur an den Investitionen ein Interesse, die ein Maximum von Profit versprechen und das entspricht nicht zwangsläufig diejenigen, die gesamtgesellschaftlich notwendig erscheinen.

Die bisherigen Überlegungen zu der einfachen Reproduktion, d.h. einer Kapitalverwertung auf gleichbleibender Entwicklungsstufe sind allerdings nur von theoretischer Natur, da a) ein Ausbleiben von Kapitalakkumulation unrealistisch ist und b) die ökonomischen Bedingungen, unter denen produziert wird, über den Zeitraum t nicht konstant bleiben.

Die unter dem Begriff der erweiterter Reproduktion erfasste Theorie der Kapitalverwertung beschreibt nun die realen Verhältnisse im Kapitalismus, denn hier wird ein Teil des Mehrwertes vom Kapitalisten verzehrt und ein Teil des Mehrwertes fließt als Kapital z.B. zur Erweiterung der Produktionskapazitäten in die Produktionssphäre zurück. Der Mehrwert - und das ist der Normalfall im Kapitalismus - wird "kapitalisiert". Gleich im ersten Absatz des Kapitels "Verwandlung von Mehrwert in Kapital" charakterisiert Marx die Akkumulation des Kapitals:

"Früher hatten wir zu betrachten, wie der Mehrwert aus dem Kapital, jetzt wie das Kapital aus dem Mehrwert entspringt. Anwendung von Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital heißt Akkumulation des Kapitals." (3)

Indem der Mehrwert in Kapital überführt wird, wird nun die Ebene der einfachen Reproduktion verlassen, wir begeben uns auf die Ebene der erweiterten Reproduktion. Der Einsatz des Mehrwertes erfolgt durch den Einkauf entsprechender Waren, der Kapitalist kauft vom Mehrwert also mehr Produktionsmitteln in Form des konstanten Kapitals und Arbeitskraft in Form des variablen Kapitals. Welche Probleme damit verbunden sind, erläutert Marx:

"Um zu akkumulieren, muß man einen Teil des Mehrprodukts in Kapital verwandeln. Aber, ohne Wunder zu tun, kann man nur solche Dinge in Kapital verwandeln, die im Arbeitsprozeß verwendbar sind, d.h. Produktionsmittel, und des ferneren Dinge, von denen der Arbeiter sich erhalten kann, d.h. Lebensmittel. Folglich muß ein Teil der jährlichen Mehrarbeit verwandt worden sein zur Herstellung zusätzlicher Produktions- und Lebensmittel, im Überschuß über das Quantum, das zum Ersatz des vorgeschossenen Kapitals erforderlich war. Mit einem Wort: der Mehrwert ist nur deshalb in Kapital verwandelbar, weil das Mehrprodukt, dessen Wert er ist, bereits die sachlichen Bestandteile eines neuen Kapitals enthält." (4)

Die Waren müssen also, um vom Kapitalisten und Lohnarbeiter gekauft werden zu können, bereits produziert und auf dem Markt bereitgestellt worden sein - und das alles ohne vorausschauende Kenntnis über die benötigten Anteile innerhalb ihrer Naturalform (d.h. Produktionsmitteln Abt. I und Konsumtionsmittel Abt. II bzw.) sowie innerhalb ihres Wertes (konstantes Kapital, variables Kapital). Für die Akkumulation kommt erschwerend hinzu, das sie nicht planmäßig, sondern nur unzureichend über den Markt gesteuert und reguliert werden kann. In Einzelfällen funktioniert die Steuerung über den Mechanismus von "try and error". Die Realität zeigt allerdings immer wieder das Unvermögen des Marktes, die Bedürfnisse der Menschen und die Produktion von Gütern zu regulieren. Ergebnis des anarchischen Chaos auf dem Markt sind die regelmäßig auftretenden Überproduktions- und/oder Überakkumulationskrisen (z.B. im Herbst 2008 mit der sog. Finanzmarktkrise mit Bankenzusammenbrüchen sowie der Verstaatlichung von Banken).

Sowohl die theoretischen Überlegungen für die einfache als auch für die reale erweiterte Reproduktion charakterisieren und erhalten den Antagonismus zwischen Proletariat und Bourgeoisie und reproduzieren die Kapitalverhältnisse. Der Bourgeois besitzt und kontrolliert am Ende des Produktions-/Reproduktionszyklus die Produktionsmittel. Der Proletarier geht in den Zyklus nur mit seiner Arbeitskraft hinein und besitzt auch am Ende des Zyklus nur seine Arbeitskraft, die er dem Kapitalisten verkaufen muss. In der kapitalistischen Produktions- und auch Reproduktionsweise werden die Ausbeutungsverhältnisse, d.h. der unüberbrückbare Gegensatz zwischen Kapitalisten und Proletarier immer wieder generiert. Marx schreibt dazu:

"Der kapitalistische Produktionsprozeß, im Zusammenhang betrachtet oder als Reproduktionsprozeß, produziert also nicht nur Ware, nicht nur Mehrwert, er produziert und reproduziert das Kapitalverhältnis selbst, auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der anderen den Lohnarbeiter". (5)

Über den Akkumulationsprozess konstatiert Marx in abschließenden Bemerkungen

"Die Akkumulation ist Eroberung der Welt des gesellschaftlichen Reichtums. Sie dehnt mit der Masse des exploitierten Menschenmaterials zugleich die direkte und indirekte Herrschaft des Kapitalisten aus." (6)

und gibt als allgemeines Ergebnis zu bedenken

"Indem das Kapital sich die beiden Urbildner des Reichtums, Arbeitskraft und Erde, einverleibt, erwirbt es eine Expansionskraft, die ihm erlaubt, die Elemente seiner Akkumulation auszudehnen jenseits der scheinbar durch seine eigne Größe gesteckten Grenzen." (7)


Zitierte Literatur:
(1), (2) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 591
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 605
(4) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 606f
(5) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 604
(6) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 619
(7) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 630f

Ergänzende Literatur:
K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 640-670
K. Marx: Das Kapital, II. Band, S. 391-426
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 233-241
http://www.debatte.info/index.php?id=667


16. Die primäre Funktion des Bankkapitals für die Reproduktion des Kapitals

Neben der Versorgung der bürgerlichen Ökonomie mit Geld und der Organisierung des Zahlungsverkehrs ist die Vermittlung von Krediten eine der wichtigsten, klassischen Aufgaben des Bankensystems. Mit allen anderen Industriezweigen haben die Banken einen Aspekt gemeinsam: es geht darum, aus einer bestimmten Menge Geld mehr Geld zu machen und dafür das Wertgesetz resp. den Äquivalententausch zu nutzen. Das Bankgewerbe hat aber eine Sonderstellung, denn seine Ware ist keine materielle Ware oder eine nützliche Dienstleistung sondern ein abstrakter Reichtum in Form von "Geld".

Das Geld als allgemeines Zahlungsmittel wird von den Banken nicht wie von allen anderen Unternehmen dazu verwendet, Produktionsmittel oder Industrieanlagen zu kaufen und Arbeitskräfte zu bezahlen, sondern sie verleihen Geld, damit Andere mit dem Geld sich über den Produktionsprozeß Mehrwert aneignen können. Voraussetzung dafür ist, dass finanzielle Mittel in Form von Mehrwert oder ersparten Geldbeträgen sukzessive dem Zirkulationsprozess entzogen und bei den Banken konzentriert werden. Das Interesse des Kreditwesens beschränkt sich einzig und allein auf diesen Zweck. Ohne in einem Produktionsprozess Waren mit einem Tauschwert zu schaffen und im Verkauf zu realisieren, d.h. ohne selbst einen Verwertungsprozess zu durchlaufen, macht das Kreditwesen aus einer Geldsumme eine größere.

"Im Anschluss an diesen Geldhandel entwickelt sich die andere Seite des Kreditwesens, die Verwaltung des zinstragenden Kapitals oder des Geldkapitals, als besondere Funktion der Geldhändler. Das Borgen und Verleihen des Geldes wird ihr besonderes Geschäft. Sie treten als Vermittler zwischen den wirklichen Verleiher und den Borger von Geldkapital. Allgemein ausgedrückt besteht das Bankiergeschäft nach dieser Seite darin, das verleihbare Geldkapital in seiner Hand zu großen Massen zu konzentrieren, so dass statt des einzelnen Geldverleihers die Bankiers als Repräsentanten aller Geldverleiher den industriellen und kommerziellen Kapitalisten gegenübertreten. Sie werden die allgemeinen Verwalter des Geldkapitals....

Eine Bank stellt auf der einen Seite die Zentralisation des Geldkapitals, der Verleiher, auf der anderen die Zentralisation der Borger dar. Ihr Profit besteht im Allgemeinen darin, dass sie zu niedrigeren Zinsen borgt, als sie ausleiht." (1)

Die Funktion der Banken besteht im Kapitalismus also darin, kleinere Summen zu sammeln um größere Summen bereitstellen zu können oder mit anderen Worten: unproduktives, d.h. brachliegendes Kapital in produktives Kapital zu überführen. Durch die Bereitstellung von Krediten erhält jeder einzelne Kapitalist die Verfügungsgewalt über fremdes Kapital, über fremdes Eigentum und erhält damit die Verfügungsgewalt über fremde Arbeit.


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, Dritter Band, S. 415f.

Ergänzende Literatur:
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 189-206
Kommunistische Arbeiterzeitung (KAZ) (2001): Fiktives Kapital, Heft 298, 55 Seiten, Selbstverlag, Nürnberg
Anonymus (2008): Das Finanzkapital, In: Gegenstandpunkt Heft 3:08, S. 85-99, Gegenstandspunktverlag, München


17. Konzentration und Zentralisation des Kapitals

Unter der Konzentration des Kapitals versteht Marx das Anwachsen der individuellen Kapitalien durch die Kapitalisierung und Akkumulation von Mehrwert. Der Konzentrationsprozess bezieht sich also auf die Ebene eines Betriebes oder Konzerns.

"Zwei Punkte charakterisieren diese Art Konzentration, welche unmittelbar auf der Akkumulation beruht oder vielmehr mit ihr identisch ist: Erstens: Die wachsende Konzentration der gesellschaftlichen Produktionsmittel in den Händen individueller Kapitalisten ist, unter sonst gleich bleibenden Umständen, beschränkt durch den Wachstumsgrad des gesellschaftlichen Reichtums. Zweitens: Der in jeder besonderen Produktionssphäre ansässige Teil des gesellschaftlichen Kapitals ist verteilt unter viele Kapitalisten, welche einander als unabhängige und miteinander konkurrierende Warenproduzenten gegenüberstehen. Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration sind also nicht nur auf viele Punkte zersplittert, sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die Bildung neuer und die Spaltung alter Kapitale. Stellt sich die Akkumulation daher einerseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit, so andererseits als Abstoßung vieler individueller Kapitale voneinander." (1)

Der Konzentrationsprozess führt zwangsläufig zur Anhäufung riesiger Kapitalien in den Händen weniger Kapitalisten. Konzentration bedeutet auch, dass sich neue Kapitalisten durch die Spaltung bestehender und Bildung neuer Betriebe auf dem Markt etablieren und als Konkurrenten auftreten. Diese Bewegungen innerhalb des Kapitals ist insbesondere in starken Wachstumsphasen zu beobachten. Die Konzentration von Kapital impliziert die Konzentration von Arbeitskräften und eine zunehmende Vergesellschaftung der Arbeit, da immer mehr Produktivkraft und dessen Entwicklung auf immer weniger Betriebe konzentriert ist.

Marx weist weiter darauf hin, dass die Akkumulation innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise eine zwangsläufige Konsequenz ist, die durch Markt- oder Kontrollmechanismen - wie bürgerliche und reformistische Ökonomen der Bevölkerung darlegen - nicht aufzuhalten ist.

"... welche unter der Herrschaft des Privateigentums Konzentration des Kapitals in wenigen Händen ist, ist überhaupt eine notwendige Konsequenz, wenn die Kapitalien ihrem natürlichen Lauf überlassen werden ..." (2)

und

"Die Zentralisation ergänzt das Werk der Akkumulation, indem sie die industriellen Kapitalisten instand setzt, die Stufenleiter ihrer Operationen auszudehnen." (3)

Unter Zentralisation wird die Vereinigung oder der Zusammenschluss mehrerer bestehender Kapitale verstanden. Kapital wird zentralisiert, wenn z.B. eine Aktiengesellschaft Anteile in Form von Aktien ausschüttet und mit dem Erlös andere Firmen aufkauft. Zentralisationsprozesse sind vor allem zu beobachten, wenn Überproduktionskrisen konkurrenz- und kapitalschwächere Betriebe in den Ruin treiben bzw. diese kurz vor der Insolvenz stehen und kapitalstärkere Betriebe sich die Marktanteile, die betriebliche Infrastruktur, etc. der insolventen Betriebe einverleiben.

"Die kleinen Industrieunternehmen gehn zugrunde und können die Konkurrenz mit den großen nicht aushalten". (4)

und

"Diese Expropriation (Enteignung der Kapitalisten, d.A.) vollzieht sich durch das Spiel der immanenten Gesetze der kapitalistischen Produktion selbst, durch die Zentralisation der Kapitale. Je ein Kapitalist schlägt viele tot." (5)

Im Gegensatz zur Konzentration resultiert aus der Zentralisation eine Neuverteilung der bereits vorhandenen und funktionierenden Kapitale. Dementsprechend ist der Zentralisationsprozess nicht auf das Wachstum einer Ökonomie als notwendige Bedingung angewiesen.

"Es ist dies nicht mehr einfache, mit der Akkumulation identische Konzentration von Produktionsmitteln und Kommando über Arbeit. Es ist Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer individuellen Selbständigkeit, Enteignung von Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kleineren in weniger größere Kapitale." (6)

Die Zentralisationsprozesse in Kombination mit den Konzentrationsprozessen beschleunigt die ökonomische Entwicklung der Produktivkräfte in massivem Umfang, denn die Kapitalvermehrung allein auf Grundlage der meist kreisförmig verlaufenden Reproduktion ist ein zu langsam ablaufender Prozess mit einer zu geringer Kapitalverwertungsdynamik. Marx dazu:

"Die Welt wäre noch ohne Eisenbahnen, hätte sie so lange warten müssen, bis die Akkumulation einige Einzelkapitale dahin gebracht hätte, dem Bau einer Eisenbahn gewachsen zu sein. Die Zentralisation hat dies, vermittelst der Aktiengesellschaften, im Handumdrehen fertig gebracht." (7)

Die Vergrößerung der Kapitale durch die Konzentration und Zentralisation ermöglicht eine maximale Zusammenfassung der Produktion in Großbetriebe und die maximale Ausdehnung der Expansionsbestrebungen der Kapitalisten. Lenin hat in seinem sechzig Jahre nach Marx's Kapital erschienenen Werk "Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" den hohen Konzentrations- und Zentralisationsgrad der kapitalistischen Ökonomien dezidiert untersucht und mit umfangreichen, zum damaligen Zeitpunkt aktuellen Datenmaterial die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Marx nochmals anschaulich bewiesen.

Wir haben gesehen, dass die Konzentration und Zentralisation der Kapitale zu einer ungeheuren Ausdehnung in der Entwicklung der Unternehmen und deren Produktion geführt hat und auch heute noch führt. Die Großbetriebe mit leistungsfähigeren Produktionsverfahren und -techniken rücken - überwiegend als Aktiengesellschaften - in den ökonomischen Vordergrund und ruinieren die Vielzahl von kleinen und mittleren Betrieben. Einige wenige Kapitalisten entscheiden als Besitzer von riesigem Vermögen über die Zukunft von tausenden lohnabhängiger Arbeiter.

Die vom Markt verdrängten Kapitalisten, die handwerklichen Kleinbetriebe und Lebensmittelhändler, etc. werden ihrer Produktionsmittel beraubt und müssen sich als Lohnabhängige verdingen. Die Konzentration und die Zentralisation vergrößert im Ergebnis das Heer der lohnabhängigen, der proletarischen Klasse. Die Grenzen - und dies verdeutlicht Marx - zwischen Bourgeoisie und Proletariat sind fließend: einmal Kapitalist zu sein bedeutet nicht zwangsläufig immer Kapitalist zu sein:

"Ganze Bestandteile der Bourgeoisie werden in die Arbeiterklasse hinabgeworfen. Die Konkurrenz unter den Arbeitern wird also vergrößert durch den Ruin der kleinen Industriellen, der notwendig verbunden ist mit dem Wachstum des produktiven Kapitals." (8)

Die Konzentrations- und Zentralisationsprozesse gehen mit einer Änderung der "Funktionen" der Kapitalisten einher. Die Kapitaleigentümer, die ehemals "ihre" Betriebe leiteten, mutieren zunehmend zu ausschließlichen Eigentümern oder reinen Geldkapitalisten. Die betriebsspezifischen Funktionen (Leitung, etc.) übernehmen Manager oder Geschäftsführer, die stellvertretend für die Kapitalisten deren Interessen gegenüber dem Proletariat vertreten.

"... die Verwandlung der großen Produktions- und Verkehrsanstalten in Aktiengesellschaften, Trusts und Staatseigentum die Entbehrlichkeit der Kapitalisten für jenen Zweck. Alle gesellschaftlichen Funktionen der Kapitalisten werden jetzt von besoldeten Angestellten versehen. Der Kapitalist hat keine gesellschaftliche Tätigkeit mehr, außer Gewinneinstreichen, Dividende kassieren und Spielen an der Börse, wo die verschiedenen Kapitalisten untereinander sich ihr Kapital abnehmen." (9)

Die Arbeitslosigkeit, darauf haben wir bereits hingewiesen, stellt unter kapitalistischen Produktionsbedingungen eine obligatorische Begleiterscheinungen dar, denn sie ist ein Ergebnis der kapitalistischen Akkumulation und für die Existenz des Kapitalismus zwingend notwendig.

Die Summe der arbeitslosen Menschen, die von Marx und Engels als industrielle Reservearmee bezeichnet wurden, entsteht aus dem Zwang der Kapitalisten, ein Maximum von Mehrwert und Profit zu erzielen. Durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität, d. h. vor allem durch die Anwendung verbesserter Technik, versucht der Kapitalist möglichst viel von seiner im Betrieb angewandten Arbeitskraft überflüssig zu machen. Das Verhältnis von variablen zu konstantem Kapital verschiebt sich also in Richtung des Letztgenannten. Die Vermehrung des Kapitals vernichtet also immer dort Arbeitsplätze, wo mit Hilfe von technischem Fortschritt die Produktivität der Arbeitskraft gesteigert werden soll. Langfristig betrachtet werden auch dort Arbeitsplätze vernichtet, wo das Kapital nicht so profitabel arbeitet. Denn über kurz oder lang zwingt der besonders profitable Kapitalist auch die anderen Kapitalisten ihre angewandte Arbeitskraft relativ und absolut zu reduzieren oder alternativ vom Markt verdrängt zu werden. Das Wesen der industriellen Reservearmee wird von Engels in seiner Rezension zum Ersten Bandes vom "Kapital" wie folgt zusammen gefasst:

"Da aber durch den Fortschritt der Maschinerie, durch verbesserten Ackerbau etc. stets weniger Arbeiter benötigt werden, um ein gleiches Quantum Produkte hervorzubringen, da diese Vervollkommnung, d.h. diese Überzähligmachung von Arbeitern rascher wächst als selbst das wachsende Kapital, was wird aus dieser stets zunehmenden Zahl von Arbeitern? Sie bilden eine industrielle Reservearmee, welche während schlechter oder mittelmäßiger Geschäftszeiten unter dem Wert ihrer Arbeit bezahlt und unregelmäßig beschäftigt wird oder der öffentlichen Armenpflege anheimfällt, die aber der Kapitalistenklasse zu Zeiten besonders lebhaften Geschäfts unentbehrlich ist, wie dies in England handgreiflich vorliegt, - die aber unter allen Umständen dazu dient, die Widerstandskraft der regelmäßig beschäftigten Arbeiter zu brechen und ihre Löhne niedrig zu halten." (10)

Das Heer der Arbeitslosen wird von den Kapitalisten gezielt zur Durchsetzung ihrer kapitalistischen Interessen eingesetzt. Allein durch die Existenz einer industriellen Reservearmee werden die Arbeiter in den Betrieben eingeschüchtert und diszipliniert. Die Strategie der Kapitalisten, die industrielle Reservearmee gegen die Lohnabhängigen einzusetzen, wird besonders in Arbeitskämpfen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und/oder zur Erhöhung des Lohnniveaus eingesetzt, rekrutiert das Kapital die Streikbrecher doch überwiegend aus der Masse der Arbeitslosen. Aber auch der Staat profitiert von der industriellen Reservearmee, steht ihm in den Arbeitslosen ein unendlich großer Pool von Kanonenfutter für den kapitalistischen Unterdrückungs- und Disziplierungsapparat zur Disposition. In letzter Konsequenz - und das sollte sich jeder Arbeiter vergegenwärtigen - ist jeder Mensch in der kapitalistischen Gesellschaft von Arbeitslosigkeit und damit auch von Verelendung bedroht.

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um das von Marx beschriebene Elend der verarmten Bevölkerung vor 160 Jahren mit den für unsere Gesellschaft typischen "Begleiterscheinungen" der kapitalistischen Entwicklung wie z.B. Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Ausmaß der psychiatrischen Erkrankungen, Beziehungsunfähigkeit, zunehmendes dissoziales Verhalten und Delinquenz, Kriminalität vieler Menschen, etc. zu ergänzen. Damals schrieb Marx:

"Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee.... Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die chronische Überbevölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Armenschicht in der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer die offizielle Zahl der Armen .... Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen andren Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände modifiziert, deren Analyse nicht hierher gehört." (11)


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 653f
(2) http://www.marxists.org/deutsch/archiv/marx-engels/1844/oek-phil/ 1-2_prof.htm
(3) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 656
(4) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 648
(5) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 790
(6) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 654
(7) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 656
(8) K. Marx: Arbeitslohn, MEW Bd. 6, S. 548
(9) F. Engels: Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, in MEW Bd. 19, S. 221
(10) http://www.mlwerke.de/me/me16/me16_235.htm
(11) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 673f

Ergänzende Literatur:
Lenin, W.I. (1916): Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: Werke, Bd. 22, S. 189-309.
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 160-164


18. Die Grenzen des Kapitalismus: der tendenzielle Fall der Profitrate

Die Profitrate drückt das Verhältnis zwischen dem erzeugtem Mehrwert (m) und dem zu dieser Erzeugung notwendigen Einsatz an Kapital (als Summe des konstanten und variablen Kapitals) eines kapitalistischen Unternehmens aus. Die Profitrate ist daher eine Kennziffer für den Verwertungsgrad des eingesetzten Kapitals. Berechnet wird die Profitrate (in %) nach

wobei p = die Profitrate, m = der Mehrwert, C = das eingesetztes Gesamtkapital ist. Das eingesetzte Gesamtkapital bestehend aus c = konstantem Kapital und v = variablem Kapital. Aus der Gleichung lässt sich die enge Beziehung der Profitrate zum Mehrwert ableiten: die Profitrate ist umso größer je höher der Mehrwert in Bezug auf das eingesetzte Kapital.

Trotzdem ist die Profitrate von der Mehrwertrate zu unterscheiden. Ein Rechen-beispiel veranschaulicht den Unterschied. Ein eingesetztes Gesamtkapital von 20.000 Euro (bestehend aus c in Höhe von 16.000 und v in Höhe von 4.000) bringt dem Kapitalisten 4.000 Euro Jahresprofit.

Aus

ergibt sich eine Profitrate von 20 %.

Die Rate des Mehrwerts berechnet sich nach

und ergibt einen Wert von 100 %.

Quantitativ unterscheidet sich die Profitrate von der Mehrwertrate. Die Profitrate ist immer kleiner als die Mehrwertrate, da in die Berechnung der Mehrwertrate lediglich ein Teil des eingesetzten Kapitals (d.h. das variable Kapital) eingeht.

Die Profitrate bzw. der Profit einerseits und die Mehrwertrate bzw. der Mehrwert andrerseits stehen jedoch in einem unmittelbaren Zusammenhang, denn

"Die Rate des Mehrwerts gemessen am variablen Kapital heißt Rate des Mehrwerts; die Rate des Mehrwerts gemessen am Gesamtkapital heißt Profitrate. Es sind zwei verschiedne Messungen derselben Größe, die infolge der Verschiedenheit der Maßstäbe zugleich verschiedne Verhältnisse oder Beziehungen derselben Größe ausdrücken. ... Mehrwert und Rate des Mehrwerts sind, relativ, das Unsichtbare und das zu erforschende Wesentliche, während Profitrate und daher die Form des Mehrwerts als Profit sich auf der Oberfläche der Erscheinungen zeigen." (1)

Zusammenfassend machte Marx deutlich, dass der Profit und der Mehrwert denselben logischen Ursprung aus dem Produktionsprozess aber dennoch eine unterschiedliche Bezugsgrundlage haben. Marx dazu:

"Der Profit des Kapitalisten kommt daher, daß er etwas zu verkaufen hat, das er nicht bezahlt hat. Der Mehrwert resp. Profit besteht gerade in dem Überschuß des Warenwerts über ihren Kostpreis, d.h. in dem Überschuß der in der Ware enthaltenen Gesamtsumme von Arbeit über die in ihr enthaltne bezahlte Summe Arbeit. Der Mehrwert, woher er immer entspringe, ist sonach ein Überschuß über das vorgeschossne Gesamtkapital." (2)

Da der tatsächliche Ursprung des Profits, die Ausbeutung der wertschöpfenden Arbeitskraft nicht deutlich und sichtbar wird, spricht Marx vom Profit auch von der verschleierten Form des Mehrwerts

"Der Profit, wie wir ihn hier zunächst vor uns haben, ist also dasselbe, was der Mehrwert ist, nur in einer mystifizierten Form, ­...." (3)

Auf die besondere Bedeutung des Zusammenhangs zwischen dem konstanten (c) und dem variablen (v) Kapital wurde bereits an anderer Stelle eingegangen. Marx drückte diese Beziehung als organische Zusammensetzung des Kapitals aus. Es ergibt sich aus dem Quotienten vom konstanten (c) und variablen (v) Kapital:

Organische Zusammensetzung des Kapitals = c / v

Die organische Zusammensetzung des Kapitals erfasst grundsätzlich die Wechselbeziehung zwischen dem technischen und der wertschöpfenden Seite in der Zusammensetzung des Kapitals.

"Die Wertzusammensetzung des Kapitals, insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und diese widerspiegelt, nennen wir die organische Zusammensetzung des Kapitals." (4)

Die organische Zusammensetzung des Kapitals ist keine starre Kennziffer. Jeder Kapitalist investiert einen Teil seines Mehrwerts in effizientere oder fortschrittlichere Technik, um durch deren Anwendung die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und möglichst viel seiner ausbeutbaren Arbeitskraft zu ersetzen. Dabei verändert er nicht nur das Gesamtvolumen des betrieblichen Kapitals sondern auch gleichzeitig die relative Beziehung der Kapital-"formen" zueinander, d.h. die organische Zusammensetzung. In der Regel wird bei technischen Investitionen die organische Zusammensetzung in Richtung des konstanten Kapitals verschoben, d.h. die Kennziffer wird größer. Kapitalakkumulation ohne eine Änderung in der Kapitalzusammensetzung findet ausschließlich nur dort statt, wo die Produktion mit gleicher Technik (d.h. auch mit dem dazugehörigen variablen Kapital) ersetzt oder erweitert wird.

"Diese Veränderung in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, das Wachstum in der Masse der Produktionsmittel, verglichen mit der Masse der sie belebenden Arbeitskraft, spiegelt sich wider in seiner Wertzusammensetzung, in der Zunahme des konstanten Bestandteils des Kapitalwerts auf Kosten seines variablen Bestandteils.

Es werden z. B. von einem Kapital ... ursprünglich je 50 % in Produktionsmittel und je 50 % in Arbeitskraft ausgelegt, später, mit der Entwicklung des Produktivgrads der Arbeit, je 80 % in Produktionsmitteln und je 20 % in Arbeitskraft usw.

Dies Gesetz des steigenden Wachstums des konstanten Kapitalteils im Verhältnis zum variablen wird auf jedem Schritt bestätigt ...." (5)

Die Ursache für die zunehmende Differenz zwischen konstantem und variablem Kapital sieht Marx in dem Umstand,

".... dass mit der wachsenden Produktivität der Arbeit nicht nur der Umfang der von ihr vernutzten Produktionsmittel steigt, sondern deren Wert, verglichen mit dem Umfang sinkt. Ihr Wert steigt also absolut, aber nicht proportional mit ihrem Umfang." (6)

Die gesellschaftspolitischen und ökonomischen Auswirkungen der in Abhängigkeit von der Zeit größer werdenden organischen Zusammensetzung des Kapitals sind von gravierender Bedeutung:

Wird ein möglicher Extraprofit aufgrund der Einführung von technischen Neuerungen gegenüber der Konkurrenz außer Betracht gelassen, ergibt sich in einem Betrieb mit hoher organischen Zusammensetzung eine gegenüber dem Durchschnittsprofit geringere Profitrate.
Die Akkumulation von konstanten Kapital führt zu steigender Produktivkraft.
Durch Übernahmen und Fusionen wird Kapital zentralisiert. Es kommt zur Bildung von Monopolen.
Ein weiteres gravierendes Merkmal des Wachstums von konstantem Kapital ist die relative Abnahme der Nachfrage nach Arbeit.

"Aber auch das alte Kapital erreicht mit der Zeit den Moment ..., worin eine geringere Masse Arbeit genügte, eine größere Masse Maschinerie und Rohstoffe in Bewegung zu setzen. Die hieraus notwendig folgende absolute Abnahme der Nachfrage nach Arbeit wird selbstredend größer, je mehr die diesen Erneuerungsprozess durchmachenden Kapital bereits zu Massen angehäuft sind ..." (7)

Die Vermehrung des Kapitals vernichtet also immer dort Arbeitsplätze, wo mittels technischer Neuerungen die Produktivität der Arbeitskraft gesteigert wird. Die größere Produktivität der Arbeit ist ein Ausdruck des immer geringer werdenden Bedarfes an notwendiger Arbeit, um einen gegebenen Wert und/oder eine größere Menge von Gebrauchswerten zu produzieren.

Marx postulierte im Dritten Band seines "Kapitals" die widersprüchliche Beziehung zwischen dem individuellen Profitstreben jeden einzelnen Kapitalisten und den kapitalismusimmanenten Rahmenbedingungen. Dieser Widerspruch kommt im Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate zum Ausdruck. In diesem Gesetz geht es um den Fall der Profitraten, ein Prozess, der durch die Steigerung der Produktivkraft bei gleichzeitig wachsender Mehrwertmasse hervorgerufen wird.

Eine sehr vereinfachte Beispielrechnung verdeutlicht den genannten Widerspruch. Im Zentrum der Betrachtung stehen drei Szenarien für die Herstellung von Tischen mit jeweils einem unterschiedlichen Grad der Produktivkraftentwicklung. Als Ausgangspunkt dient die manuelle Herstellung mit Hilfe von Handhobeln.

1. Produktion mit Handhobel. Der Arbeitstag besteht aus 2 Stunden notwendiger und 6 Stunden Mehrarbeit; ein Arbeiter produziert pro Tag 4 Tische; 10 Arbeiter sind in der Firma beschäftigt; Wertschöpfung durch die Arbeit beträgt pro Tisch 80 Euro.

2. Durch die Einführung von Elektrohobeln wird die Produktivität um 100 % erhöht. Dadurch können jetzt 8 Tische pro Tag und Arbeiter hergestellt werden. Die Wertschöpfung beträgt nur noch 40 Euro pro Tisch, da nur noch 50 % der Arbeit pro Tisch notwendig ist.

3. Die Produktivität wird nochmals um 100 % erhöht, da die Elektrohobel durch eine Produktionsstrasse ersetzt worden sind. Es werden von den Arbeitern der Firma 160 Tische am Tag hergestellt. Die Wertschöpfung pro Tisch beträgt nur noch 20 Euro.

Weiterhin müssen folgende Annahme getroffen werden:

• Die Materialkosten (c) und die Lohnkosten (v) bleiben konstant.
• Der Kapitalist kann seine Tische zu ihrem Wert verkaufen.

Unter Berücksichtigung der Annahmen ergibt sich folgendes Bild:




(1) Handhobel
(2) Elektrohobel
(3) Produktionsstraße
(a)
Materialkosten f. einen Tisch
80 Euro
80 Euro
80 Euro
(b)

Wertschöpfung d. Arbeit pro
Tisch
80 Euro

40 Euro

20 Euro

(c)
Wert eines Tisches (a + b)
160 Euro
120 Euro
100 Euro
(d)

Wert einer Tagesproduktion
(1=40, 2=80, 3=160 Tische)
6400 Euro

9600 Euro

16000 Euro

(e)
Ausgaben Material
3200 Euro
6400 Euro
12800 Euro
(f)
Lohnkosten (10 Arb. * 80 Euro)
800 Euro
800 Euro
800 Euro
(g)
Summe Kosten (e + f)
4000 Euro
7200 Euro
13600 Euro
(h)
Profit (d - g)
2400 Euro
2400 Euro
2400 Euro

Profitrate (h * 100/g)
60 %
33,3 %
17,6 %

Dies vereinfachte Rechenbeispiel zeigt, dass bei zunehmendem Umsatz (d) die Profitrate des Betriebes, d.h. die Verwertung des eingesetzten Kapitals, von 60 % beim Handhobel über 33,3 % bei dem Elektrohobel auf nur noch 17,6 % bei der Produktionsstrasse abnimmt. Der Fall der Profitrate drückt das fallende Verhältnis des Mehrwertes zum vorgeschossenen Gesamtkapital aus: ein Kapitalist erhält für sein Kapital bezogen auf eine Kapitaleinheit proportional zunehmend weniger Profit.

Auf welchen Zusammenhang ist dieser Effekt zurückzuführen? Die kapitalistische Produktionsweise zwingt jeden Kapitalisten auf der Jagd nach dem Extraprofit seine Produktivität beständig zu steigern, denn sonst würde er im Konkurrenzkampf untergehen. Dieser Zwang führt zu einem absolut und relativ immer größer werdenden Aufwand für modernere Maschinen, Logistik, etc. in der Produktion gegenüber den Lohnkosten. Die Erweiterung der Produktionskapazitäten bedingt daher zu einer Ausdehnung des konstanten Kapitals (c) gegenüber dem variablen Kapital (v). Die Wirkung der steigenden organischen Zusammensetzung auf die Profitrate beschreibt Marx mit folgenden Worten

"Aber es fällt mit der wachsenden Masse des konstanten - fixen und zirkulierenden - Kapitals, das diese Arbeit in Bewegung setzt, das Verhältnis dieser Wertgröße zum Wert dieses Kapitals, der mit seiner Masse, wenn auch nicht im selben Verhältnis, wächst. Dies Verhältnis und daher die Profitrate fällt, obgleich nach wie vor dieselbe Masse lebendiger Arbeit kommandiert und dieselbe Masse Mehrarbeit vom Kapital aufgesaugt wird. Das Verhältnis ändert sich, nicht weil die Masse der lebendigen Arbeit fällt, sondern weil die Masse der von ihr in Bewegung gesetzten bereits vergegenständlichten Arbeit steigt. Die Abnahme ist relativ, nicht absolut, und hat in der Tat mit der absoluten Größe der in Bewegung gesetzten Arbeit und Mehrarbeit nichts zu schaffen." (8)

Der Fall der Profitrate entsteht also aus einer relativen Abnahme des variablen Bestandteils am Gesamtkapital. Das Gesetz ist ein Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der Produktivkräfte, da mit konstanter Masse der lebendigen Arbeit, die "von ihr in Bewegung gesetzten bereits vergegenständlichten Arbeit steigt" (s.o.).

Damit die Profitrate durch die Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals nicht sinkt, muss der Kapitalist die Mehrwertrate, d. h. das Verhältnis von Mehrwert (m) zum variablem Kapital (v) entsprechend ausweiten. Auf diese Gegentendenzen zum tendenziellen Fall der Profitrate geht Marx im vierzehnten Kapitel "Entgegenwirkende Ursachen" des dritten Bandes vom Kapital ein. Er nennt im Einzelnen

• Erhöhung des Ausbeutungsgrades der Arbeit;
• Herunterdrücken des Arbeitslohns unter seinen Wert;
• Verbilligung der Elemente des konstanten Kapitals;
• Die relative Arbeiter-Überbevölkerung ( = Massenarbeitslosigkeit);
• Der auswärtige Handel;
• Die Zunahme des Aktienkapitals.

Die Gegentendenzen sind im Grunde genommen zeitlos, da das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate unabhängig von der historischen Epoche oder der Dauer des Beobachtungszeitraumes "nagt". Betrachten wir noch einige Strategien der Kapitalisten - bezogen auf die aktuelle ökonomische Situation - die eine Abschwächung des tendenziellen Falls der Profitrate bewirken:

1. steigende Mehrwertraten durch

a) Lohnsenkungen (der technische Fortschritt führt zu Arbeitslosigkeit und drückt das Lohnniveau), "Herunterdrücken des Arbeitslohns unter seinen Wert" ist nach Marx "eine der bedeutendsten Ursachen, die die Tendenz zum Fall der Profitrate aufhalten". (9)

b) Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und Zeitarbeit.

c) absolute Mehrwertproduktion (Verlängerung der Arbeitszeit).

d) Verlängerung der Maschinenlaufzeiten.

2. Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch massive Verdichtung der Arbeit (z.B. auf den Stationen der Krankenhäuser).

3. Steuerentlastungen für die Kapitalisten (Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer, Vermögenssteuer, etc).

4. Zentralisation führt zu Monopolbildung, die wiederum Monopolpreise, Preisabsprachen etc. ermöglicht.

5. Zunehmende Ausbeutung der Länder des Trikont (billigere Arbeitskräfte, organische Zusammensetzung des Kapitals z.T. geringer).

6. Nichtäquivalenten Warentausch zwischen industrialisierten Ländern und Ländern des Trikonts, da letztgenannte aufgrund der Abhängigkeitsverhältnisse für importierte Produkte erheblich mehr zahlen müssen als sie finanzielle Mittel für die Exporte ihrer Rohstoffe oder Fertigprodukte erhalten.

7. Die Qualität des Gebrauchswertes produzierter Waren wird z.B. durch Sollbruchstellen oder geringwertige Rohstoffe gemindert.

Die Reihe ließe sich fast beliebig lange fortsetzen. Die politisch-ökonomischen Maßnahmen der Kapitalisten heben den Fall der Profitrate nicht auf, sondern schwächen die Wirkung des Gesetzes zu einem gegebenen Zeitpunkt allenfalls ab. Das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate zeigt aber deutlich, dass die Handlungsspielräume der kapitalistischen Produktion (d.h. der Profitmaximierung) zunehmend enger und die sich daraus entwickelnden Gegentendenzen immer deutlicher spürbar werden.

"Die kapitalistische Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr diese Schranken aufs neue und auf gewaltigerem Maßstab entgegenstellen." (10)

Nun steht die Klasse der Kapitalisten vor dem Problem, dass sie sich einerseits gigantische Summen von Mehrwert privat aneigneten und andrerseits nicht "wissen", wie und wo sie ihr Kapital profitabel verwerten können. Viele etablierte und hoch technisierte Produktionsbereichen (z.B. Schwerindustrie, chemische Industrie, KFZ-Industrie) sind für zusätzliche Kapitalverwertung uninteressant geworden, da diese Industrien keine so genannten "Wachstumsmärkte" sind. Damit der angeeignete Mehrwert dennoch kapitalisiert werden kann, fließt er mit zunehmender Tendenz in Verwertungsbereiche, die - im Vergleich zu den bereits genannten Branchen - mit einem deutlich höherem Risikopotential behaftet sind.

"Die Profitrate ist die treibende Macht in der kapitalistischen Produktion, und es wird nur produziert, was und soweit es mit Profit produziert werden kann." (11)

An dieser Stelle ist insbesondere die Spekulationsindustrie mit ihren Aktien- und Devisenmärkten, den Warentermingeschäften, dem Handel mit Derivaten, Kreditpaketen sowie Immobilien zu nennen. Durch den massiven Zufluss an überakkumulierten Kapital entwickeln sich - in der Hoffnung auf gigantische Spekulationsgewinnen - Spekulationsblasen, denen in der Regel eine entsprechende reale Produktion von Mehrwert nicht gegenüber steht. Die jüngste Finanzkrise 2007/2008 ist Ausdruck derartiger Krisenerscheinungen des Kapitalismus.

Der Fall der Profitrate verschärft die Gegensätze zwischen Proletariat und Bourgeoisie, weil alle gegenläufigen Maßnahmen der Kapitalisten gegen die Interessen des werktätigen Volkes gerichtet sind (Arbeitslosigkeit, Intensivierung der Ausbeutung, Verelendung, Sozialabbau etc.). Zunehmend erkennt das Proletariat die zwingende Notwendigkeit sich zu organisieren, die Bourgeoisie zu stürzen und als eine unabdingbare Folge, die Produktionsmittel zu kontrollieren.

Unabhängig aller aus dem Fall der Profitrate resultierenden negativen Aspekte und Konsequenzen für das Proletariat hat das grenzenlose Streben der Kapitalisten nach Profit einen Vorzug. In der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte sieht Marx die einzige historische Existenzberechtigung des Kapitals.

"Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewußt die materiellen Bedingungen einer höhern Produktionsform." (12)


Zitierte Literatur:
(1) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 53
(2) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 52
(3) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 46
(4) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 155
(5), (6) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 651
(7) K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 637
(8) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 227
(9) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 245
(10) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 260
(11), (12) K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 269

Ergänzende Literatur:
K. Marx: Das Kapital, I. Band, S. 636-639
K. Marx: Das Kapital, III. Band, S. 59-79, S. 151-181, S. 242-250
Autorenkollektiv (1955): Politische Ökonomie - Lehrbuch -; Dietz, Berlin: 179-186
http://www.debatte.info/index.php?id=622
http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_p/profitrate.html
Kumpf, F. "Substanzloser Profit" in Junge Welt, Beilage vom 29.10.08 S. 3.


19. Die Leninsche Imperialismustheorie als Weiterentwicklung der von Marx entdeckten Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus

Die ökonomische Situation am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts lässt sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: viele technische Errungenschaften (z.B. Verbrennungsmotoren) und neue Produktionsverfahren führten zu einem sprunghaften Entwicklung der Produktivkräfte. Die damit einhergehenden Konzentrations- und Zentralisationsprozesse ließen die Anzahl der Aktiengesellschaften und der Großbetriebe deutlich ansteigen, die wiederum mit den noch verbleibenden zahlreichen kleineren und mittelgroßen Unternehmen um Marktanteile konkurrierten. Überproduktionskrisen und der Wettbewerb unter Konkurrenten verdrängten viele Klein- und Mittelbetriebe vom Markt. Die Marktanteile wurden von den Aktiengesellschaften und Großbetriebe übernommen und lösten die den frühen Kapitalismus auszeichnende Herrschaft der freien Konkurrenz durch die den Imperialismus charakterisierende Herrschaft der Monopole ab.

"Der Imperialismus erwuchs als Weiterentwicklung und direkte Fortsetzung der Grundeigenschaften des Kapitalismus überhaupt." (1)

Gleichzeitig verschärften sich die Klassengegensätze: die Verarmung der Massen wurde bei gleichzeitigen Anstieg der industriellen Reservearmee durch die Bildung des Monopolkapitals bei zunehmendem Reichtum der Kapitalisten immer massiver. Lenin gebührt der historische Verdienst, in seiner 1916 erschienenen Schrift "Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus" die wissenschaftliche Analyse des Kapitalismus von Marx weiterentwickelt zu haben.

Mit seiner Definition des Imperialismus fasst Lenin die wesentlichen ökonomischen Merkmale des Imperialismus wie folgt zusammen:

1. "Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben die entscheidende Rolle spielen;

2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie auf der Basis dieses "Finanzkapitals";

3. der Kapitalexport, zum Unterschied vom Warenexport, gewinnt besonders wichtige Bedeutung;

4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und

5. die territoriale Aufteilung der Erde unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet." (2)

Zu 1: Das ungeheure Wachstum der Industrie und der auffallend rasch verlaufende Konzentrationsprozess in der Produktion in immer größere Betriebseinheiten ist eines der wesentlichen Besonderheiten des Kapitalismus. Diese These belegt Lenin mit zahlreichen Daten aus den Kategorien "Betriebsgröße", "Anzahl der Lohnarbeiter", "Jahresproduktion", etc. Diese Konzentration führt einerseits zu einem

"gigantische(n) Fortschritt in der Vergesellschaftung der Produktion." (3),

aber auch zur Bildung von Monopolen und deren Herrschaft. Lenin versteht die Monopolstellung einzelner Betriebe im Imperialismus jedoch nicht als einen konkurrenzlosen Raum. Ganz im Gegenteil: Auch in der imperialistischen Phase des Kapitalismus konkurrieren die Monopole einerseits untereinander und andrerseits mit Klein- und Mittelbetriebe um Markanteile.

Zu 2: Die

"Konzentration der Produktion, daraus erwachsende Monopole, Verschmelzung oder Verwachsen der Banken mit der Industrie - das ist die Entstehungsgeschichte des Finanzkapitals und der Inhalt dieses Begriffs." (4)

Die Konzentrations- und Zentralisationsprozesse im Finanzwesen gehen einher mit einem Funktionswechsel der Banken. Von der ehemals ausschließlich vermittelnden Funktion zwischen unproduktiven und produktiven Kapital wachsen die Banken zu gigantischen Finanzmonopolen heran, die u.a. durch die Absicherung von finanziellen Transaktionen, die Gewährung milliardenschwerer Kredite, etc. unmittelbar die Geschäftspolitik der kapitalistischen Betriebe bestimmen. Zudem sind Vertreter des Finanzkapital durch den Besitz und die Verwaltung großer Aktienpakete mit deren Funktionsträgern der Konzerne verflochten und können auf dieser Ebene ganze Industriezweige beeinflussen und steuern.

"Diese Verwandlung zahlreicher bescheidener Vermittler in ein Häuflein Monopolisten bildet einen der Grundprozesse des Hinüberwachsens des Kapitalismus in den kapitalistischen Imperialismus...." (5)

Zu 3: Für den Imperialismus ist weiterhin der beschleunigte Kapitalexport ein Wesensmerkmal.

"Für den neuesten Kapitalismus, mit der Herrschaft der Monopole, ist der Export von Kapital kennzeichnend geworden". (6)

Der massive Kapitalexport ist eine unmittelbare Folge des aus der Mehrwertproduktion resultierenden Kapitalüberschusses. Ziel des Kapitalexportes ist wiederum die Befriedigung der Profitgier der Kapitalisten. Große Kapitalsummen werden in Länder des Trikonts transferiert, da die Löhne dort sehr niedrig und die Rohstoffe sehr billig sind, auf Arbeitsschutzbestimmungen keinen Wert gelegt wird, die Lohnabhängigen nur in geringen Umfang organisiert sind .... und überhaupt der Profit ungewöhnlich hoch ist.

Neuere Angaben über die ausländischen Direktinvestitionen (ADI) finden sich z.B. unter http://www.bpb.de/wissen/VULE3D. Demnach stiegen die ADI im Jahr 1990 gegenüber 1994 von 207,9 Milliarden $ auf über 648,1 Milliarden $. Zu bedenken ist, dass die ADI lediglich eine Rubrik des gesamten Kapitalexportes ausmacht und allein die EU, die USA und Japan über 80 Prozent der ADI tätigen.

Zu 4: Die Aufteilung des Binnenmarktes und der Kapitalexport in andere kapitalistische Länder sowie Länder des Trikonts macht die Organisierung des Kapitals in monopolistische Kapitalistenverbände (Kartelle, Syndikate, Trusts) zwingend notwendig.

"Das ist eine neue Stufe der Weltkonzentration des Kapitals und der Produktion, eine unvergleichlich höhere Stufe als die vorangegangenen." (d.h. im Konkurrenz-Kapitalismus) (7)

Diese Kartelle sind völlig autonom agierende Einheiten, die sich jeglicher national-staatlicher Kontrolle entziehen

Zu 5: Lenin konstatierte als fünftes Merkmal des Imperialismus, dass die Aufteilung der Welt als eine Folge der Monopolisierung des Kapitals und dem weltweiten Kapitalexport in Kolonien abgeschlossen sei und sich nunmehr unter der Kontrolle/Besitz der Nationalstaaten und der Monopole befinden. Die Notwendigkeit der Kapitalisten, ein möglichst großes Stück vom Kuchen "Welt" zu kontrollieren, liegt in der Struktur und dem Profitstreben der Monopole begründet, denn

"Einzig und allein der Kolonialbesitz bietet volle Gewähr für den Erfolg der Monopole gegenüber allen Zufälligkeiten im Kampfe mit dem Konkurrenten....." (8)

und weiterhin

"Die Interessen des Kapitalexportes ebenfalls zur Eroberung von Kolonien, denn auf dem Kolonialmarkt ist es leichter ..., durch monopolistische Mittel den Konkurrenten auszuschalten, sich Lieferungen zu sichern, ....." (9)

Der Imperialismus polarisiert die Welt in zwei Lager. Auf der einen Seite befinden sich die imperialistischen Länder und die Interessen des Monopolkapitals, die die Menschen der Kolonien ausbeuten und unterdrücken, politisch und wirtschaftlich abhängig machen, ihre Rohstoffe ausbeuten und bei Bedarf ihre Bevölkerung massakrieren (siehe z.B. der deutsche Imperialismus 1900 in China). In den abhängigen und unterdrückten Ländern selbst halten sich die Imperialisten eine privilegierte elitäre Kompradorenbourgeoisie, die sich bei der Unterdrückung der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung zum Handlager der imperialistischen Kapitalinteressen machen. Auf der anderen Seite befinden sich die unterdrückten und ausgebeuteten Menschen der Kolonien. Zwangsläufig kommt es zu nationalen Befreiungskämpfen gegen die Kolonialpolitik des Imperialismus, deren Ziel die Freiheit und Unabhängigkeit der unterdrückten Bevölkerung ist. Auf diesen Umstand weist Lenin in seiner Schrift "Das Militärprogramm der proletarischen Revolution" hin. Er schreibt:

"Eine der grundlegendsten Eigenschaften des Imperialismus besteht eben darin, daß er die Entwicklung des Kapitalismus in den rückständigsten Ländern beschleunigt und dadurch den Kampf gegen die nationale Unterdrückung ausbreitet und verschärft. Das ist Tatsache." (10)

Lenin stellte fest, dass mit dem Imperialismus die Aufteilung der Welt abgeschlossen sei. Diese Aussage impliziert allerdings nicht, dass die Grenzen zwischen den imperialistischen Zentren und deren Einflusssphären statischen Charakter haben und sie nicht veränderlich seien. Ganz im Gegenteil, denn jedes imperialistische Land strebt die Vormachtsstellung in der kapitalistischen Welt an. Das Gesetz der ungleichen Entwicklung besagt, dass die ökonomisch-politische und militärpolitische Entwicklung aller Länder in unterschiedlicher Intensität erfolgt. Die Macht eines imperialistischen Landes kann daher im Widerspruch zu der Größe seines Einflussgebietes im Vergleich zu dessen imperialistischen Konkurrenten stehen. Dieser Widerspruch lässt sich nicht friedlich durch Verhandlungen sondern nur durch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den imperialistischen Ländern selbst und/oder durch Stellvertreterkriege lösen. Dazu Lenin:

"Die Ungleichheit dieser Verteilung, die Ungleichmäßigkeit seiner Entwicklung - das sind Ergebnisse des modernen Monopolkapitalismus im Weltmaßstabe. Und diese Ergebnisse zeigen, dass auf einer solchen wirtschaftlichen Grundlage, solange das Privateigentum an Produktionsmitteln besteht, imperialistische Kriege absolut unvermeidlich sind." (11)

und

"Es fragt sich, welches andere Mittel konnte es auf dem Boden des Kapitalismus geben außer dem Krieg, um das Mißverhältnis zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und der Akkumulation des Kapitals einerseits und der Verteilung der Kolonien und der "Einflußphären" des Finanzkapitals andererseits zu beseitigen?" (12)

Der erste und der zweite Weltkrieg sowie die zahlreichen folgenden Kriege in z.B. Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak mit ihren Millionen toter Menschen sind als Ausdruck unterschiedlicher, voneinander abweichender imperialistischer Interessen zu interpretieren. Die mit den Kriegsführungen verfolgten Strategien drücken nichts anderes als die Expansionsbestrebungen der imperialistischen Länder und ihrem Bedürfnis nach Neuaufteilung der Welt aus. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im vergangenen und im gegenwärtigen Jahrhundert belegen mehr als deutlich die untrennbare und unheilvolle Allianz zwischen Imperialismus und Militarismus.

Neben den von Lenin genannten fünf politisch-ökonomischen Merkmalen des Imperialismus zeichnet sich die letzte Entwicklungsstufe des Kapitalismus durch Fäulnis und Parasitismus als weitere Merkmale des Imperialismus aus. Als Fäulnis des Imperialismus bezeichnet Lenin die Hemmung des technischen Fortschritts und der Entwicklung der Produktivkräfte durch die Monopole.

"In dem Maße, wie Monopolpreise, sei es auch nur vorübergehend, eingeführt werden, verschwindet bis zu einem gewissen Grade der Antrieb zum technischen und folglich auch zu jedem anderen Fortschritt, zur Vorwärtsbewegung; und insofern entsteht die ökonomische Möglichkeit, den technischen Fortschritt künstlich aufzuhalten." (13)

Wenngleich ein Kapitalist neue Technologien in dem Betrieb einführt, so liegt seine Motivation für die Kapitalisierung von Mehrwert ausschließlich in der Jagd nach dem Extraprofit. Diese Bereitschaft der Kapitalisten nimmt mit zunehmendem Monopolisierungsprozess ab, denn in der Herrschaft der Monopole gibt es andere Methoden (z.B. Monopolpreise) um Maximalprofite zu erzielen.

Lenin identifizierte die Ausbreitung der Schicht von "Rentiers", die vom "Kuponschneiden" leben (d.h. Personen die Wertpapiere besitzen und u.a. von Dividenden erhalten) ebenfalls als wesentliches Merkmal des Monopolkapitalismus. Diesen Prozess bezeichnete Lenin als Parasitismus:

"Der Imperialismus bedeutet eine ungeheure Anhäufung von Geldkapital in wenigen Ländern.... Daraus ergibt sich das außergewöhnliche Anwachsen der Klasse oder, richtiger, der Schicht der Rentner, d.h. Personen, die vom "Kuponschneiden" leben, Personen, die von der Beteiligung an irgendeinem Unternehmen völlig losgelöst sind, Personen, deren Beruf der Müßgigang ist. .... verstärkt diese völlige Isolierung der Rentnerschicht von der Produktion noch mehr und drückt dem ganzen Land, das von der Ausbeutung der Arbeit einiger überseeischer Länder und Kolonien lebt, den Stempel des Parasitismus auf." (14)

Die große Masse der parasitär lebenden, bourgeoisen "Rentiers" sind nicht mehr am Produktionsprozess beteiligt. Ihre Tätigkeit beschränkt sich weitestgehend auf den Erwerb von Aktienpaketen oder der Beteiligung anderer Finanztransaktionen, mit denen sie ihre Herrschaft absichern und auszudehnen gedenken. Die Funktion der Leitung der kapitalistischen Unternehmen wird auf bezahlte Geschäftsführer oder Direktoren übertragen.

Dies ist eine Konsequenz des zunehmenden Kapitalexportes, der es den imperialistischen Ländern ermöglicht, den Kolonien (d.h. den Ländern des Trikonts) gigantische Summen zu rauben:

"Die Kapitalausfuhr, eine der wesentlichsten ökonomischen Grundlagen des Imperialismus, verstärkt diese völlige Isolierung der Rentnerschicht von der Produktion noch mehr und drückt dem ganzen Land, das von der Ausbeutung der Arbeit einiger überseeischer Länder und Kolonien lebt, den Stempel des Parasitismus auf." (15)

Es sei abschließend noch darauf hingewiesen, daß die Frage, ob Lenin‹s Imperialismustheorie noch aktuell und relevant sei, nach wie vor kontrovers diskutiert wird. Brar (2001) konnte anhand eines sehr umfangreichen Datenpools die Unaufhaltsamkeit der kapitalistischen Monopolbildung und die damit einhergehenden Widersprüche in der kapitalistischen Produktion zwingend nachweisen und eindruckvoll die Gültigkeit von Lenin‹s Imperialismusanalyse unter Beweis stellen. Diese Studie sei dem Leser/in zum Studium wärmstens empfohlen.


Zitierte Literatur
(1) Lenin, W.I. (1916): Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: Werke, Bd. 22, S. 269
(2) ebenda S. 271
(3) ebenda S. 209
(4) ebenda S. 230
(5) ebenda S. 214
(6) ebenda S. 244
(7) ebenda S. 250
(8) ebenda S. 264
(9) ebenda S. 266
(10) Lenin, W.I. (1917): Das Militärprogramm der proletarischen Revolution. In: Werke Bd. 23, S. 73
(11) Lenin, W.I. (1916): Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus. In: Werke, Bd. 22, S. 194
(12) ebenda S. 280
(13), (14), (15) ebenda S. 281

Ergänzende Literatur
Autorenkollektiv (1997): Lehrbuch der politischen Ökonomie. Verlag Olga Benario und Herbert Baum, Offenbach.
Autorenkollektiv (1947): W.I. Lenin - Ein kurzer Abriss seines Lebens und Wirkens, S. 200-205, Verlag Olga Benario und Herbert Baum, Nachdruck 1999.
Brar, H. (2001): Imperialismus im 21. Jahrhundert, Pahl-Rugenstein Verlag.
Brar, H. (2001: Imperialismus ist dekadenter, parasitärer, sterbender Kapitalismus. In: Imperialismus und anti-imperialistische Kämpfe im 21. Jahrhundert. Hrsg. Offen-siv, Eigenverlag, Hannover, S. 183-192.
http://www.trend.infopartisan.net/trd0202/t310202.html
http://www.trend.infopartisan.net/trd0200/t060200.html


20. Ökonomische Bedingungen für die erfolgreiche Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft und den Aufbau des Sozialismus - als erstes Stadium des Kommunismus

Die Widersprüche zwischen den Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen sind in der kapitalistischen Produktionsweise unüberbrückbar und gleichzeitig miteinander verknüpft, sie sind antagonistisch. In seiner deutlichsten Form manifestieren sich diese Widersprüche in der privaten Aneignung des gesellschaftlich produzierten Mehrwertes oder in anderen Worten: in der Ausbeutung der lohnabhängigen Klasse durch die Klasse der Kapitalisten, in der Arbeitslosigkeit, den Wirtschaftskrisen und den imperialistischen Raubkriegen.

Die Realität der kapitalistischen Produktionsweise zeigt uns zu jedem Zeitpunkt ihre Unfähigkeit, gesellschaftliche Probleme zu regulieren und zu lösen. Ganz im Gegenteil: der Kapitalismus ist die Inkarnation aller Widersprüche und Probleme; er erzeugt Arbeitslosigkeit und Überproduktionskrisen, vernichtet Ressourcen und überschattet die Menschheit mit Armut, Unterdrückung und Kriegen.

Nur der Sozialismus ist in der Lage, die gesellschaftlichen Herausforderungen (Gleichheit unter den Menschen, Wohlstand, Bildung und Kultur für alle Menschen, etc.) anzunehmen und die menschlichen Bedürfnisse maximal zu befriedigen. Sozialismus heißt ökonomisch zunächst, Privateigentum an den Produktionsmitteln durch einen Prozess der Vergesellschaftung in gesellschaftliches Eigentum zu überführen. Dieser Umwälzungsprozess setzt die gesellschaftliche Machtübernahme des Proletariats voraus. Zwangsläufig löst sich der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung des Mehrwertes auf.

Dreh- und Angelpunkt der kapitalistischen Ökonomie ist das Wertgesetz. Im Umkehrschluss führt die Existenz des kapitalistischen Grundgesetzes zu der Erkenntnis, in einer sozialistischen Ökonomie die Wirkung des Wertgesetzes Schritt für Schritt außer Kraft zu setzen und es schließlich aufzuheben. In der sozialistischen Ökonomie werden keine Waren mehr für den Austausch auf dem Markt produziert, sondern es werden Güter hergestellt, deren Produktion sich einzig und allein an den Bedürfnissen der menschlichen Gesellschaft orientiert. Der Bedarf eines Gutes wird bereits vor der Produktion feststellt und nicht - wie im Kapitalismus - im Nachhinein auf dem Markt.

Die Aufhebung des Wertgesetzes impliziert, dass die Arbeitsprodukte ihren bisherigen Charakter als Ware mit einem Tauschwert verlieren und zu Gebrauchsgütern mit ihrem spezifischen Gebrauchswert werden. Dadurch verliert auch das Geld seine Funktion als Tauschmittel mit einem spezifischen Wertausdruck und es reduziert sich im Sozialismus auf ein Mittel, den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern einen individuellen Teil der gesellschaftlichen Konsumgüter zuzuweisen.

Allerdings muss man sich den Übergang zur sozialistischen Produktion nicht so vorstellen, dass nach der Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise das Wertgesetz per "Knopfdruck von heute auf morgen" aufgehoben wird. Stalin (1952) wies in seinem Werk "Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR" zu Zeiten des sozialistischen Aufbaus in der UdSSR auf die regulierende Funktion des Wertgesetzes in der kapitalistischen Produktion hin. Im Sozialismus gäbe es zwar noch das Wertgesetz, es sei jedoch in seiner Wirksamkeit stark eingeschränkt und vor allem noch dort gültig, wo ein Produktenaustausch zwischen Produktionssphären mit unterschiedlichen Eigentumsformen notwendig sei, also z.B. im Austausch zwischen volkseigener Industrie und genossenschaftlicher Landwirtschaft.

Die Aufhebung des Wertgesetzes schließt ein, dass der Arbeiter seine Arbeitskraft nicht mehr als Ware verkaufen, d.h. nicht mehr auf dem Markt den Kapitalisten zum Kauf anbieten muss. In der sozialistischen Ökonomie ist der Lohnarbeiter frei von dem individuellen Zwang, seine Arbeitskraft verkaufen zu müssen und sich ausbeuten zu lassen. Indem das Proletariat und jeder einzelne Arbeiter sich vom Kapital emanzipiert hat, ist die Voraussetzung dafür gegeben, dass die sozialistische Gesellschaft über Inhalt und Form der Produktion sowie über die Verwendung des gesellschaftlichen Mehrprodukts selbstbestimmt entscheidet.

Zusammenfassend muss die sozialistische Gesellschaft in der Lage sein, die anstehenden gesellschaftlichen Probleme auf hohem wissenschaftlichen und planvollen Niveau zu lösen. Dazu bedarf es des Aufbaus eines Planungsapparates mit einer dem Sozialismus verpflichteten planerischen Leitung. Diese muss in der Lage sein, die sozialistische Ökonomie zu analysieren und darauf aufbauend die richtigen Proportionen in der Entwicklung der Wirtschaftszweige zu erkennen und umzusetzen. Dazu bedarf es weiterhin der Entwicklung von Technologien und Produktionsverfahren, die in die volkseigenen Betriebe eingesetzt werden, um die Produkte für die Bedürfnisbefriedigung zu erzeugen.

Seit geraumer Zeit findet u.a. in der Zeitschrift "offen-siv" eine lebhafte Diskussion über die Relevanz und die Gültigkeit des Wertgesetzes im Sozialismus statt. Im Rahmen dieser vertiefenden und auf wissenschaftlich hohem Niveau geführten Debatte werden in den Beiträgen Fragen nach der Bedeutung der Warenproduktion, der Bedeutung der Ware "Geld" oder die Rolle des Marktes im Sozialismus lebendig und kontrovers diskutiert. Zur weiteren Vertiefung dieser Frage wird auf die Beiträge von zum Beispiel Jacobs (offen-siv 3/08), Hoss (offen-siv 5/08), Heinke (offen-siv 5/08), Roß (offen-siv 7/08) und Dunkhase (offen-siv 7/08) verwiesen.

In dem bisherigen ökonomischen Abschnitt des Kompendiums unseres Fernstudiums haben wir wesentliche Merkmale der kapitalistischen Ökonomie kennen gelernt und - im letzten Themenblock - die Notwendigkeit einer grundsätzlichen sozialistischen Ökonomie abgeleitet sowie einige ihrer wesentlichen Rahmenbedingungen diskutiert.

Ohne die notwendigen Umwälzungsprozesse auf der politischen Ebene sind Versuche, eine sozialistische Ökonomie aufzubauen, allerdings zum Scheitern verurteilt. Wesentliche Veränderungen auf der politischen Ebene sind z.B. die Notwendigkeit der Machtergreifung durch die Arbeiterklasse und die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates, der Aufbau der Diktatur des Proletariats, aber auch der Aufbau eines sozialistischen Überbaus.

In dem nun folgenden politischen Abschnitt des Curriculums wird auf diese notwendigen Bedingungen, aber auch auf den ideologischen Kampf gegen Revisionismus und Opportunismus detailliert eingegangen.

Norbert Müller, Göttingen

Raute

POLITIK

Kapitel I: Staatstheorie

1. Klasse und Klassengesellschaft

Definition einer Klasse

Die Klasse ist ein Grundbegriff der marxistischen Geschichtsauffassung. Als Klassen werden große Menschengruppen bezeichnet, die sich voneinander nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihrem Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen, unterscheiden. Grundlegend für die Unterscheidung von Klassen ist in jedem Fall das Eigentumsverhältnis zu den gesellschaftlichen Produktionsmitteln und zum von der Gesellschaft erzeugten Mehrprodukt. Alle anderen Merkmale der Klasse sind davon abgeleitet.

Klassen sind eine historische Erscheinung, die im Verlauf der gesellschaftlichen Entwicklung auf der Grundlage des Privateigentums an Produktionsmitteln entstanden ist, und sie werden wieder verschwinden, wenn ein einheitliches Verhältnis aller Mitglieder der Gesellschaft zu den Produktionsmitteln herrschen wird.

In der Urgesellschaft gab es keine Klassen, diese entwickelten sich erst, als die Produktivkräfte einen Stand erreicht hatten, der die Ausbeutung ermöglichte. Die Spaltung der Menschheit in Klassen und die Ausbeutung der Mehrheit der Gesellschaft durch eine Minderheit war eine ökonomische Bedingung des gesellschaftlichen Fortschritts, denn die herrschende Klasse entwickelt natürlich nach ihren Interessen Aufgaben wie die Leitung der Produktion und der Staatsgeschäfte, die Entwicklung der Wissenschaft, Kunst und Justiz usw.

Erst der Kapitalismus erreicht mit seinen gewaltigen Produktivkräften jene hohe Arbeitsproduktivität, die die Existenz der Klassen und der Ausbeutung nicht nur überflüssig, sondern sogar zu einem Hemmnis des weiteren Fortschritts macht.

Die Arbeiterklasse ist die letzte ausgebeutete Klasse; aufgrund ihrer Stellung im gesellschaftlichen Produktionsprozess hat sie die historische Mission, die Ausbeutung zu beseitigen und mit der Errichtung der Diktatur des Proletariats den Aufbau der kommunistischen Gesellschaftsformation vorzubereiten.

Nicht alle Klassen einer Gesellschaftsformation spielen die gleiche Rolle. Zum einen gibt es die Hauptklassen, die unmittelbar aus den herrschenden antagonistischen Eigentumsformen hervorgehen, wie Sklavenhalter und Sklaven in der Sklavenhaltergesellschaft, Feudalherren und Leibeigene im Feudalismus sowie Bourgeoisie und Proletariat im Kapitalismus. Daneben kann eine Gesellschaft noch Nebenklassen aufweisen, die auf Eigentumsformen beruhen, die entweder Überreste vergangener Gesellschaftsformationen oder aber Keime einer künftigen Gesellschaftsformation sind. Außer diesen Haupt- und Nebenklassen können sich noch soziale Schichten entwickeln, die keine selbstständige Rolle spielen, wie etwa die Intelligenz.

In der sozialistischen Gesellschaft, in der das Privateigentum an den Produktionsmitteln und folglich die Ausbeutung überwunden wird, gibt es keinen Klassenantagonismus mehr, wohl aber eine Klassenstruktur. Es gibt jedoch im Sozialismus keine antagonistischen Klassen mehr. Die Arbeiterklasse und die Klasse der Genossenschaftsbauern unterscheiden sich zwar noch voneinander, doch sie kennen keine Ausbeutung mehr und stehen auch nicht antagonistisch gegenüber, sondern sind Verbündete im Aufbau der sozialistischen Gesellschaft.

Die Klassenunterschiede im Sozialismus ergeben sich aus den verschiedenen Eigentumsformen und der daraus folgenden Rolle in der gesellschaftlichen Produktion sowie der Art und Weise der Erlangung des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum. Die Arbeiterklasse ist durch das staatliche sozialistische Eigentum gemeinsam mit den anderen Werktätigen Besitzer der entscheidenden Produktionsmittel. Die Mitglieder der Genossenschaftsbauern besitzen die wichtigsten Produktionsmittel als Gruppeneigentum, einzelne Privateigentümer haben noch individuelles Eigentum an Produktionsmitteln.

Die Klassen und Schichten im Sozialismus stimmen in ihren gesellschaftlichen Grundinteressen überein, so dass sich auf dieser Grundlage unter der Führung der Arbeiterklasse und der marxistisch-leninistischen Partei eine enge Zusammenarbeit zwischen den Klassen herausbildet. Die werktätigen Klassen und Schichten nähern sich dabei in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft immer mehr einander an, ein Prozess, der mit seinem Übergang in die kommunistische Gesellschaftsentwicklung allmählich zur Aufhebung der Klassenunterschiede führt.


Literatur
Marx, Engels: Manifest der kommunistischen Partei
Stalin: Über den Entwurf der Verfassung der Union der SSR (gesammelte Werke Band 14)


2. Klassenkampf

Der Klassenkampf ist die entscheidende unmittelbare Triebkraft der gesellschaftlichen Entwicklung in allen Klassengesellschaften. Der Klassenkampf ist die notwendige Folge des Klassenantagonismus und der daraus entspringenden gegensätzlichen Klasseninteressen zwischen den Hauptklassen einer ökonomischen Gesellschaftsformation. Er ist eine objektive Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung in der Klassengesellschaft.

Die Existenz von Klassen und ihr Kampf untereinander wurde bereits vor Marx von bürgerlichen Historikern (A. Thiers, A. Thierry, F.-P. G. Guizot) und von bürgerlichen Ökonomen (A. Smith, D. Ricardo) festgestellt. Was Marx entdeckte war dass die Existenz der Klassen bloß an bestimmte historische Entwicklungsphasen der Produktion gebunden ist, dass der Klassenkampf notwendig zur Diktatur des Proletariats führt und 3. dass diese Diktatur nur den Übergang zur Aufhebung aller Klassen und zu einer klassenlosen Gesellschaft bildet.


Formen des Klassenkampfs

Der Klassenkampf, den das Proletariat in der kapitalistischen Gesellschaft um seine Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung führt, hat drei Grundformen, die einander ergänzen und eine Einheit bilden.

1. der ökonomische Kampf der Arbeiterklasse ist erforderlich, um ihre materielle Lage zu verbessern, ihre sozialen Errungenschaften zu sichern und immer mehr Werktätige zu organisieren, ihr Klassenbewusstsein zu formen und sie an den politischen Kampf heranzuführen. Doch kann der ökonomische Kampf allein die die grundlegenden Interessen der Arbeiterklasse nicht durchsetzen, weil er die Grundlagen der kapitalistischen Gesellschaft nicht antastet. Die Beschränkung des Klassenkampfs aus seine ökonomische Grundform ist für den Reformismus und den Opportunismus charakteristisch.

2. die entscheidende Form des Klassenkampfs ist der politische Kampf, weil nur durch ihn die Macht der Bourgeoisie gestürzt und die Herrschaft der Arbeiterklasse errichtet werden kann. Der politische Kampf muss bis zu diesem Ziel geführt werden, anders kann die Arbeiterklasse ihre Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung nicht erreichen. Der politische Kampf der Arbeiterklasse kennt viele Formen, z. B. Demonstrationen und Streiks sowie den Aufstand und die Revolution, die je nach den konkreten historischen Bedingungen angewandt werden.

3. die Aufgabe des ideologischen Kampfes besteht darin, die bürgerliche Ideologie, die auf die Arbeiterklasse ständigen Druck ausübt, zurückzudrängen und die Arbeiterklasse zum Bewusstsein ihrer historischen Mission zu führen. Der ideologische Kampf muss mit den ökonomischen und politischen Formen des Klassenkampfs eine Einheit bilden. Hier zeigt sich, wie wichtig eine revolutionäre Theorie für den Klassenkampf ist


Klassenbewusstsein

Das Klassenbewusstsein ist eine besondere Seite des gesellschaftlichen Bewusstseins, in der sich eine Klasse ihrer materiellen Existenzbedingungen, ihrer grundlegenden Interessen, ihrer Beziehung zu den anderen Klassen und Schichten der Gesellschaft sowie ihrer Rolle in der historischen Entwicklung bewusst wird. Das Klassenbewusstsein ist keine besondere Form des gesellschaftlichen Bewusstseins, sondern bildet sich aus Elementen verschiedener Bewusstseinsformen, wobei die politischen Anschauungen im Mittelpunkt stehen.

Das Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse durchläuft verschiedene Entwicklungsstufen. Zunächst entsteht nur das Gefühl des Interessengegensatzes gegenüber der Bourgeoisie (Klasseninstinkt), dann entwickelt sich spontan das Bewusstsein von der Notwendigkeit, dass sich die Arbeiterklasse organisiert zusammenschließen muss, um ihre Lage im Kampf gegen die Bourgeoisie zu verbessern. Das ist jedoch nur die Keimform des Klassenbewusstseins der Arbeiterklasse. In seiner wissenschaftlich begründeten Form entsteht es mit der Entwicklung des Marxismus-Leninismus, der durch die revolutionären marxistischen Parteien in die Arbeiterklasse hineingetragen wird. Die wissenschaftliche Weltanschauung der Arbeiterklasse erfasst im Kapitalismus vor allem die organisierte Vorhut, als Klassenbewusstsein der Arbeiterklasse strahlt sie jedoch auf einen großen Teil der Werktätigen aus.


Spontaneität

Die Spontaneität ist die Art und Weise des gesellschaftlichen Handelns, das nicht auf der Kenntnis und daher der aktiven Ausnutzung gesellschaftlicher Gesetze beruht und daher die gesellschaftliche Entwicklung nicht beherrscht, sondern sie mehr oder minder dem Selbstlauf überlässt. Die Arbeiterbewegung entsteht in ihren Anfängen als spontane und zersplitterte Bewegung, nimmt aber seit der Herausbildung und Verbreitung des Marxismus-Leninismus bewussten Charakter an. Das trade-unionistische Bewusstsein kann mehr und mehr durch das sozialistische Bewusstsein ersetzt werden.

Spontaneität in der Arbeiterbewegung bedeutet Verzicht auf sozialistische Bewusstheit und damit Kapitulation vor der bürgerlichen Ideologie. Die Verfechter der Spontaneitätstheorie traten in der Arbeiterbewegung mit der These auf, dass sich die objektiven gesellschaftlichen Gesetze und Tendenzen im Handeln der Menschen automatisch durchsetzen. Diese These wurde von Lenin in seiner Schrift "Was tun?" gründlich widerlegt.


Klassenkampf im Sozialismus

Da es im Sozialismus noch Klassen gibt, gibt es auch einen Klassenkampf. Was aber heißt Klassenkampf im Sozialismus eigentlich? Der Klassenkampf im Sozialismus ist nicht irgendeine Aufgabe bei der Errichtung der Diktatur des Proletariats, sondern ist von der ersten Stunde des Sozialismus an entscheidend. Denn Klassenkampf heißt als erstes einmal, dass die Kräfte der alten Gesellschaft nach der Revolution an der Konterrevolution gehindert werden müssen. Das bedeutet, dass das Proletariat die alte Staatsmacht zerschlagen und selbst die Macht ergreifen muss und nach der Revolution nicht die Waffen niederlegen kann, sondern sich gegen die Konterrevolution verteidigen muss. Das heißt, dass der Sozialismus nicht überstehen kann, wenn er nicht den Klassenkampf nach der Revolution fortführt. Aber Klassenkampf im Sozialismus geht darüber weit hinaus. Er schließt nicht nur den Kampf gegen die Überreste der alten liquidierten Ausbeuterklassen ein, deren Vertreter nie aufhören, von der Wiederherstellung der alten Ordnung, also der Konterrevolution zu träumen, er beinhaltet auch den Kampf gegen die immer wieder neu entstehende bürgerliche Ideologie innerhalb der sozialistischen Gesellschaft. Denn direkt nach der Revolution kann nicht die ganze Wirtschaft, sondern nur ein Teil der Wirtschaft in Gesellschaftseigentum umgewandelt werden. In anderen Teilen der Wirtschaft wird also noch Privateigentum an Produktionsmitteln zugelassen, was eine ständige Quelle bürgerlicher Ideologie im Sozialismus ist. Auch die kapitalistische Umkreisung ist eine ständige und mächtige Quelle der bürgerlichen Ideologie. Denn es ist praktisch unmöglich, dass in allen Ländern gleichzeitig die Revolution gelingt und so die Umkreisung wegfallen würde. Und nicht zuletzt muss ein Kampf geführt werden um die Köpfe der Massen, um das Bewusstsein von Millionen. Denn der Sozialismus ist eine Übergangsform, die noch die Muttermale der alten Gesellschaft trägt. Die Werktätigen, die ArbeiterInnen und auch die KommunistInnen selbst haben nach der Revolution Einflüsse der bürgerlichen Ideologie wie z. B. fehlende Initiative oder Männerchauvinismus nicht einfach abgelegt wie einen alten Hut. Stalin hebt dies in seinem Werk "Über die Grundlagen des Leninismus" anhand eines Zitates Lenins hervor:

"'Unter der Diktatur des Proletariats wird man Millionen Bauern und Kleinproduzenten, Hundertausende Angestellte, Beamte, bürgerliche Intellektuelle umerziehen und sie alle dem proletarischen Staat und der proletarischen Führung unterstellen, in ihnen die bürgerlichen Gewohnheiten und Traditionen besiegen müssen', ebenso wie es notwendig sein wird, 'in langwierigen Kämpfen auf dem Boden der Diktatur des Proletariats, auch die Proletarier selbst umzuerziehen, die sich von ihren eigenen kleinbürgerlichen Vorurteilen nicht auf einmal, nicht durch ein Wunder, nicht auf Geheiß der Mutter Gottes, nicht auf Geheiß einer Losung, einer Resolution, eines Dekrets befreien, sondern nur in langwierigen und schweren Massenkämpfen gegen den Masseneinfluß des Kleinbürgertums.'" (Lenin, zitiert nach Stalin, Bd.6, S. 99-100)


Literatur
Stalin, Grundlagen des Leninismus
Lenin: Was tun


3. Der Staat und seine Funktionen

Definition und geschichtliche Entwicklung des Staates

Der Staat ist das entscheidende politische Machtinstrument der ökonomisch herrschenden Klasse einer Gesellschaftsformation zur Sicherung und Durchsetzung ihrer Interessen. Der Staat fungiert somit als eine Maschine zur Unterdrückung der einen Klasse durch die andere. Der Staat ist ein historisches Produkt, das sich aus der Entstehung des Privateigentums und der Klassen herausbildete und ist Ausdruck der Unversöhnlichkeit der Klassengegensätze in allen auf der Basis des Privateigentums an den Produktionsmitteln beruhenden Gesellschaften.

Im Verlauf der historischen Entwicklung der Gesellschaft änderten sich die Staatstypen entsprechend der Aufeinanderfolge der ökonomischen Gesellschaftsformationen. Der Staatstyp gibt Auskunft über den Charakter der Eigentums- und Klassenbeziehungen auf einer bestimmten Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Staatstypen existieren in verschiedenen Staatsformen, die Staatsform erweist sich als die konkrete Organisationsform der politischen Macht, mit deren Hilfe die herrschende Klasse dem Kräfteverhältnis zwischen den Klassen und innerhalb ihrer selbst Rechnung tragen kann (z.B. Sklavenhalterstaat in den Formen der Pharaonendynastien, der griechischen Tyrannis, der griechischen und römischen Republik oder der römischen Kaiser; Feudalstaat in den Formen des Königreiches, des zentralen Absolutismus oder der fürstlichen Kleinstaaterei; bürgerlicher Staat in den Formen der konstitutionellen Monarchie, der bürgerlich-demokratischen Republik, des Faschismus, der Militärdiktatur). Wichtig ist heute zu beachten, dass die Formen des bürgerlichen Staates mannigfaltig sein können, in ihrem Wesen sind sie jedoch identische Klassenstaaten. Die bürgerliche Ideologie versucht jedoch mit dem Hinweis auf den Wechsel der Formen und Methoden des bürgerlichen Staates dessen Klassencharakter zu verschleiern.


Funktionen des Staates im Kapitalismus

Der Staat hat eine innere und äußere Funktion. Die innere Funktion des Staates besteht im Schutz und in der Mehrung des Eigentums der ökonomisch herrschenden Klasse und in der Niederhaltung der ausgebeuteten Mehrheit. Das jeweilige Kräfteverhältnis im Innern bestimmt die Formen und Methoden, deren sich die herrschende Klasse bei der Ausübung dieser Funktion bedient.

Die äußere Funktion des Staates besteht im Schutz vor Angriffen anderer Staaten und dient zugleich der Eroberung fremder Territorien.

In der Epoche des Imperialismus erfolgt eine Unterordnung des bürgerlichen Staates unter die Herrschaft der Monopole. Der staatsmonopolistische Kapitalismus ist durch eine immer stärkere Verflechtung der Monopole mit der Staatsgewalt gekennzeichnet.

In der imperialistischen Phase ist die kapitalistische Staatsmacht grundsätzlich gekennzeichnet durch Repression nach innen und Aggression nach außen. Und auch dieser Inhalt kann sich in unterschiedlichen Formen ausdrücken, z.B. als bürgerlicher Parlamentarismus, zentralistisches Präsidialsystem oder auch als Faschismus.

Das Wesen der faschistischen Herrschaft ist die Errichtung eines Systems des offenen, brutalsten Terrors gegenüber der Arbeiterklasse und der Masse der anderen Ausgebeuteten und Unterdrückten. Es besteht darin, jegliche Arbeiterbewegung und demokratische Opposition zu unterdrücken und die minimalsten bürgerlich-demokratischen Rechte zu rauben. Der Faschismus ist keine über den Klassen stehende Macht (Otto Bauer) oder die Macht des aufständischen Kleinbürgertums (Brailsford), sondern, wie Dimitroff richtig analysierte, ist der Faschismus die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten und am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.


Der Staat im Sozialismus

Der sozialistische Staat, die Diktatur des Proletariats, unterscheidet sich qualitativ von allen bisherigen Staatstypen. Denn im Gegensatz zum Kapitalismus oder vorhergehenden Klassengesellschaften liegt die Macht in den Händen der Mehrheit der Bevölkerung.

Die Arbeiterklasse kann den bürgerlichen Staat nicht einfach übernehmen, sondern muss die Staatsmaschinerie zerschlagen und unter der Führung der marxistisch-leninistischen Partei im Bündnis mit den werktätigen Bauern und der Intelligenz einen völlig neuen Staat aufbauen. Dieser ist seinem Klasseninhalt eine Arbeiter- und Bauern-Macht und bringt objektiv die grundlegenden Interessen der werktätigen Klassen zum Ausdruck. Der sozialistische Staat ist das Hauptinstrument der Arbeiterklasse zum Aufbau der sozialistischen Gesellschaft. Er organisiert nicht nur die neuen Machtverhältnisse, sondern vor allem auch die Ökonomie vermittels der gesellschaftlichen Planung.

In dem Maße wie die sozialistische Gesellschaft gefestigt ist, verliert ihre innere Funktion der Unterdrückung der Überreste der ehemaligen Ausbeuterklassen an Bedeutung, während sich die Rolle des Staates bei der Leitung und Planung von Wirtschaft und Gesellschaft erhöht. Man könnte auch sagen: der Staat wird Gesellschaft.

Die äußere Funktion des sozialistischen Staates besteht im zuverlässigen Schutz des sozialistischen Aufbaus und der sozialistischen Länder gegenüber dem Imperialismus.

Der sozialistische Staat ist ein höherer Typ der Demokratie, weil er zum Unterschied von der formalen und beschränkten bürgerlichen Demokratie zum ersten mal den Massen des werktätigen Volkes reale Rechte und Freiheiten gibt und sie immer stärker in die Leitung des Staates und der Gesellschaft einbezieht. Das historisch völlig Neue ist der gesellschaftliche Besitz und damit die gesellschaftliche Kontrolle über das Mehrprodukt. Damit wird erstmals in der Menschheitsgeschichte Demokratie im wahren Sinne des Wortes möglich, oder, wie Marx es ausdrückt, endet die Vorgeschichte der Menschheit.


Literatur
Karl Marx: Kritik des Gothaer Programms
Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates
W.I. Lenin: Staat und Revolution
W.I. Lenin: Über Demokratie und Diktatur
J.W. Stalin: Zu den Fragen des Leninismus, Kapitel IV. und V.
J.W. Stalin: Unterredung mit der ersten amerikanischen Arbeiterdelegation
Georgi Dimitroff: Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus.
Georgi Dimitroff: Für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus
Kurt Gossweiler: Aufsätze zum Faschismus


*


Kapitel II: Parteitheorie

1. Die Kommunistische Partei - eine Partei neuen Typs

Die Kommunistische Partei unterscheidet sich in mehreren Punkten von bürgerlichen Parteien und Parteien mit anderen Sozialismusvorstellungen. Nach den Erkenntnissen von Lenin und Stalin hat die Kommunistische Partei sechs Grundmerkmale:

1. Die Partei dient als Vortrupp der Arbeiterklasse

In der kommunistischen Partei sind die fortschrittlichsten und bewußtesten Teile der Arbeiterklasse organisiert. Damit ist sie die höchste Form der Klassenorganisation des Proletariats. Sie muss den wirklichen Vortrupp der Klasse bilden, denn das unmittelbare Bewusstsein der Proletarier über die bürgerliche Gesellschaft unterliegt den Mystifizierungen der Oberfläche des Kapitals, Klassenbewusstsein entsteht spontan in der Regel nur als Trade-Unionismus, also als gewerkschaftliches Bewusstsein ohne politische Dimension. Die Partei muss mit Hilfe der revolutionären Theorie weiter sehen als dies unmittelbare Bewusstsein der Proletarier es ermöglicht, sie muss also das kämpfende Proletariat führen und darf nicht hinterher trotten.

Dabei muss sie gleichzeitig ein Teil der Klasse bleiben und darf sich nicht abkapseln.

2. Die Partei als organisierter Trupp der Arbeiterklasse

Muss die Partei also den Kampf der Klasse leiten, muss sie zugleich auch der organisierte Trupp ihrer Klasse sein, wozu Planmäßigkeit des Kampfes, Disziplin, Organisiertheit und Standhaftigkeit, Solidarität und Initiative gehören. Die Partei muss diese Qualitäten in die Millionenmassen der unorganisierten Arbeiter hineintragen - nicht zuletzt, indem sie sie selbst verkörpert.

3. Die Partei als höchste Form der Klassenorganisation des Proletariats

Auch wenn die Kommunistische Partei die höchste Organisationsform der Arbeiterklasse ist, ist sie nicht die einzige. Das Proletariat hat noch eine ganze Reihe anderer Organisationen, ohne die es keinen erfolgreichen Kampf gegen das Kapital geben kann. Zu solchen Organisationen zählen die Gewerkschaften, Betriebsorganisationen, die Presse usw. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um parteilose Organisationen. Somit muss die Kommunistische Partei auch in diesen parteiunabhängigen Organisationen die ideologische und politische Führung anstreben und das revolutionäre, kommunistische Bewusstsein verbreiten. Will die Kommunistische Partei tatsächlich die Führung haben, so müssen alle Mittel der Überzeugung und nicht des Zwanges oder der Verordnung angewendet werden, damit die parteilosen Organisationen in ihrer Tätigkeit der Partei des Proletariats möglichst nahegebracht werden.

Die Kommunistische Partei stellt ihre Losungen nicht schematisch auf, sondern aufgrund eigener Analysen der konkreten Bedingungen der revolutionären Bewegung im In- und Ausland. Sie muss die Richtigkeit der eigenen Losungen im Feuer des revolutionären Kampfes überprüfen. Dabei darf die Partei ihre Fehler nicht verhüllen, sondern muss offen für Kritik und Selbstkritik sein.

Aber die Partei muss auch "über den eigenen Tellerrand" hinausschauen. Die Solidarität gilt nicht nur den Ausgebeuteten des eigenen Landes, sondern auch denen der anderen Länder. Der proletarische Internationalismus ist unverzichtbarer Bestandteil der Politik der Partei.

4. Die Partei als Instrument der Diktatur des Proletariats

Die Partei ist nicht nur die höchste Form der Klassenvereinigung des Proletariats, sondern auch ihr Instrument zur Eroberung der Macht, so lange sie noch nicht erreicht ist und zur Festigung dieser, nachdem sie erobert ist.

Dieses Instrument bekommt im Sozialismus eine besondere Bedeutung im Kampf zur Vernichtung der Bourgeoisie, im Kampf gegen ausbeuterische Ideologien, kleinbürgerliche und andere, aus der alten Gesellschaft stammenden Einflüsse, sowie im Kampf gegen die kapitalistische Restauration.

5. Die Partei als eine mit der Existenz von Fraktionen unvereinbare Einheit des Willens

Im Kampf gegen den Imperialismus und alle reaktionären Kräfte ist es unmöglich, die Diktatur des Proletariats ohne revolutionäre Partei, deren Stärke ihre Geschlossenheit und Disziplin ist, zu erobern und zu behaupten. Dabei hat diese Disziplin nichts mit der preußischen Disziplin von Befehl und Gehorsam zu tun. Die Parteidisziplin schließt Kritik und Meinungskampf in der Partei nicht aus, sondern setzt ihn voraus. Aber nachdem der Meinungskampf beendet, die Kritik erschöpft und ein Beschluss gefasst ist, bildet die Einheit des Willens und die Einheit des Handelns aller Parteimitglieder jene unerlässliche Bedingung, ohne die kein einheitliches Handeln der Partei denkbar ist. Daraus folgt, dass das Bestehen von Fraktionen unvereinbar ist mit der Einheit und Disziplin der Partei.

6. Stärkung der Partei durch das Säubern von opportunistischen Elementen

Opportunisten sind die Quelle der Fraktionsmacherei in der Partei. Das Proletariat ist keine nach außen abgeschlossene Klasse. Durch die fortschreitende Entwicklung werden Teile der Bauernschaft und der Intelligenz proletarisiert, was für das Proletariat einen ständigen Zustrom von Trägern kleinbürgerlicher und bourgeoiser Vorstellungen bedeutet. Gleichzeitig findet in den Oberschichten des Proletariats (in der so genannten Arbeiteraristokratie) ein Zersetzungsprozess statt.

All diese kleinbürgerlichen Gruppen dringen in die Partei ein und bilden eine Quelle der ideologischen und organisatorischen Diversion. Daraus folgt, dass ein schonungsloser Kampf gegen den daraus folgenden Opportunismus, Revisionismus und Reformismus geführt werden muss. Dabei muss bewusst sein, dass die opportunistischen Elemente in den Reihen der Kommunistischen Partei nicht geduldet werden können.

All diese Grundmerkmale sind Grundbedingungen für eine starke, einheitliche, kommunistische Partei, deren Grundlage der wissenschaftliche Sozialismus ist.


Zitate

"Das Proletariat besitzt keine andere Waffe im Kampf um die Macht als die Organisation. Durch die Herrschaft der anarchistischen Konkurrenz in der bürgerlichen Welt gespalten, durch die unfreie Arbeit für das Kapital niedergedrückt, ständig in den "Abgrund" völliger Verelendung, der Verwilderung und Degeneration hinabgestoßen, kann und wird das Proletariat unbedingt und nur dadurch eine unbesiegbare Kraft werden, dass seine ideologische Vereinigung auf Grund der Prinzipien des Marxismus gefestigt wird durch die materielle Einheit der Organisation, die Millionen Werktätiger zur Armee der Arbeiterklasse zusammenschweißt."

Lenin, "Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück" (1904)


Literatur

Lenin, W.I.: Brief an einen Genossen über organisatorische Aufgaben (LW, Bd. 6, S. 227 ff oder marxistisch-leninistisches Fernstudium der Zeitschrift offen-siv - Arbeitstexte Heft 3, S. 3 ff.)
Lenin, W.I.: Bedingungen für die Aufnahme in die Kommunistische Internationale (LW, Bd. 31, S. 193 ff oder marxistisch-leninistisches Fernstudium der Zeitschrift offen-siv - Arbeitstexte Heft 3, S. 16 ff)
Stalin, J.W.: Über die Grundlagen des Leninismus: Die Partei (SW Bd. 6) http://stalinwerke.de/band06/b06-018.html
Stalin, J.W.: Über die Perspektive der KPD und über die Bolschewisierung (SW Bd. 7) http://stalinwerke.de/band07/b07-011.html
Stalin, J.W.: Unterredung mit ausländischen Arbeiterdelegationen (SW Bd. 10) http://stalinwerke.de/band10/b10-016.html
Stalin, J.W.: Unterredung mit der ersten amerikanischen Arbeiterdelegation (SW Bd. 10) http://stalinwerke.de/band10/b10-009.html
Geschichte der KPdSU (B) - Kurzer Lehrgang: Schlussfolgerungen http://stalinwerke.de/geschichte/geschichte-070.html


2. Die zwei Phasen des Aufbaus der Kommunistischen Partei vor der Errichtung der Diktatur des Proletariats

Lenin verallgemeinert in seinem Werk "Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus" die Notwendigkeit zweier Phasen des Aufbaus der Kommunistischen Partei vor der Errichtung der Diktatur des Proletariats. Der Kernpunkt ist, dass die Schaffung der Kommunistischen Partei eine eigenständige und nicht überspringbare Aufgabe ist. Die erste Phase des Parteiaufbaus ist die Gewinnung der klassenbewussten Vorhut des Proletariats für die Diktatur des Proletariats, für den Kommunismus. Diese erste Phase ist die unabdingbare, grundsätzliche Voraussetzung für die zweite Phase des Parteiaufbaus: die breiten Massen der Werktätigen für die Vorhut zu gewinnen.

Nur unter dieser Voraussetzung, wenn mit der Erfüllung der Aufgaben der ersten Phase des Parteiaufbaus auch entscheidende ideologische und politische Siege über den Opportunismus errungen worden sind, kann die kommunistische Partei voranschreiten zur Führung der Massenkämpfe, zur Vorbereitung und Durchführung der Revolution.

Von Stalin wurde die Leninsche Theorie des Parteiaufbaus weiter vertieft (siehe Literaturangaben).


Zitate

"Die proletarische Avantgarde ist ideologisch gewonnen. Das ist die Hauptsache. Ohne diese Vorbedingung kann man nicht einmal den ersten Schritt zum Sieg tun. Aber von hierher bis zum Sieg ist es noch sehr weit. Mit der Avantgarde allein kann man nicht siegen".

Lenin, "Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus", 1920, LW Bd. 31, S. 79/80

"Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Sorgen der Partei steht in dieser Periode (der ersten Periode des Parteiaufbaus - Verf.) die Partei selbst, ihre Existenz, ihre Erhaltung. Die Partei wird in dieser Zeit als eine gewisse sich selbst genügende Kraft betrachtet. Das ist auch begreiflich: Die wütenden Angriffe des Zarismus auf die Partei sowie die Versuche der Menschewiki, die Partei von innen heraus zu sprengen und die Parteikader durch ein formloses, parteiloses Gebilde zu ersetzen ... bedrohen die ganze Existenz der Partei, so dass die Frage der Erhaltung der Partei in dieser Periode erstrangige Bedeutung gewinnt.

Die grundlegende Aufgabe des Kommunismus in Rußland besteht in dieser Periode darin, die besten, aktivsten und der Sache des Proletariats ergebensten Kräfte der Arbeiterklasse für die Partei zu werben, die Partei des Proletariats zu formieren und auf die Beine zu stellen. Genosse Lenin formuliert diese Aufgabe dahin, 'die Vorhut des Proletariats für den Kommunismus zu gewinnen'"

Stalin, "Die Partei vor und nach der Machtergreifung", 1921, Werke Bd. 5, S. 88

"In dieser Periode (der zweiten Periode des Parteiaufbaus - Verf.) ist die Partei bei weitem nicht mehr so schwach wie In der vorangegangenen; sie verwandelt sich als treibende Kraft in einen sehr ernst zu nehmenden Faktor. Jetzt kann sie nicht mehr bloß eine sich selbst genügende Kraft sein, denn für ihre Existenz und ihre Entwicklung bestehen bereits sichere Garantien, jetzt verwandelt sie sich aus einer sich selbst genügenden Kraft in ein Werkzeug zur Gewinnung der Arbeiter- und Bauernmassen, in ein Werkzeug zur Führung des Kampfes der Massen für den Sturz der Macht des Kapitals.

Die Strategie der Partei erhält in dieser Periode Schwung, sie ist in erster Linie darauf gerichtet, sich eine Reserve wie die Bauernschaft zu sichern und sie auszunutzen, wobei diese Arbeit von bedeutsamen Erfolgen begleitet wird.

Die Taktik der Partei erhält ebenfalls Schwung: die Bewegung der Massen, ihre Organisation, die Tätigkeit der Partei und anderer revolutionärer Organisationen bereichern sich um neue Formen, die früher fehlten.

Die grundlegende Aufgabe der Partei besteht in dieser Periode darin, die Millionenmassen für die proletarische Vorhut, für die Partei zu gewinnen, zum Sturz der Diktatur der Bourgeoisie, zur Eroberung der Macht. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Partei steht nicht mehr die Partei selbst, sondern stehen die Millionenmassen der Bevölkerung. Genosse Lenin formuliert diese Aufgabe dahin, die "Millionenmassen" an der sozialen Front so "zu verteilen", dass der Sieg "in den bevorstehenden entscheidenden Kämpfen" gesichert ist (siehe die erwähnte Broschüre des Genossen Lenin)."

Ebenda, S. 89/90


Literatur
Lenin, W.I.: "Der 'linke Radikalismus', die Kinderkrankheit im Kommunismus", 1920, LW Bd. 31
Stalin, J.W.: "Die Partei vor und nach der Machtergreifung", 1921, Werke Bd. 5 http://stalinwerke.de/band05/b05-016.html
Stalin, J.W.: "Über die politische Strategie und Taktik der russischen Kommunisten", 1921, Werke Bd. 5 http://stalinwerke.de/band05/b05-011.html
Stalin, J.W.: "Vierte Beratung des ZK der KPR(B) mit den verantwortlichen Funktionären der nationalen Republiken und Gebiete", 1923, Werke Bd. 5, http://stalinwerke.de/band05/b05-037.html


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Kapitel III: Revolutionstheorie

1. Grundlagen des Imperialismus

Die Klassenstruktur des Kapitalismus setzt sich aus einer besitzenden Klasse, der Bourgeoisie, und einer nichtbesitzenden, der Arbeiterklasse, zusammen. Da letztere über keine Produktionsmittel verfügt, müssen ihre Mitglieder ihre Arbeitskraft den Kapitalisten verkaufen. Die Arbeiterklasse ist es, die den gesellschaftlichen Reichtum schafft.

Dennoch teilt sich die kapitalistische Welt nicht nur in Bourgeoisie und Proletariat. Das Streben nach Reichtum und Macht ist für das Kapital eine Notwendigkeit, ein Zwang, der zur Sicherung des eigenen Überlebens erfüllt werden muss. Der Kapitalist muss seine Arbeiter nicht nur ausbeuten, er muss auch in der Konkurrenz unter den Kapitalisten bestehen. Er muss ständig neue Absatzmärkte, günstige Rohstoffquellen und profitable Verwertungsmöglichkeiten finden. Gelingt ihm dies nicht, wird er aus dem Markt geworfen und geht unter. Der Konkurrenzkampf der Kapitalisten führt Ende des 19. Jh. dazu, dass sich immer größere und damit stärkere Konzerne herausbilden, die die kleineren Betriebe schlucken oder vernichten. Die Konzerne gewinnen dadurch Marktanteile hinzu, Kapital und Einflusssphären werden konzentriert. Der Imperialismus wird aufgrund dieser Entwicklungstendenzen auch als monopolistischer Kapitalismus bezeichnet. Monopolkapitalismus heißt nicht, dass nur ein oder wenige Monopolbetriebe existieren, sondern dass Kapital und Entscheidungsmacht sich derart konzentrieren, dass wenige Monopole alles in der Hand haben, während eine wesentlich höhere Anzahl kleiner Betriebe diesen machtlos gegenübersteht und den Entscheidungen und Vorgaben der Monopole ausgeliefert sind.

Ein weiterer Unterschied zum frühen Stadium des Kapitalismus besteht in der imperialistischen Phase darin, dass nicht mehr viele Kleinbetriebe für einen räumlich stark begrenzten Markt produzieren, sondern dass jetzt die wenigen Monopole auf den globalen Märkten operieren. Dies ermöglicht strategische Planung und Maßnahmen, um neue Marktanteile zu gewinnen oder Konkurrenten auszuschalten.

Eine besonders wichtige Tatsache während der Herausbildung des Imperialismus ist die Entstehung des Finanzkapitals. So ist bei Lenin zu lesen: "In dem Maße, wie sich das Bankwesen und seine Konzentration in wenigen Institutionen entwickelt, wachsen die Banken aus bescheidenen Vermittlern zu allmächtigen Monopolinhabern an, die fast über das gesamte Geld aller Kapitalisten und Kleinunternehmer, sowie über den Großteil der Produktionsmittel und Rohstoffquellen des betreffenden Landes oder einer ganzen Reihe von Ländern verfügen" (Lenin, der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus)

Die Banken werden somit zu allgemeinen Sachverwaltern des Kapitals. Neben der direkten Verschmelzung von mit dem Industriekapital durch Beteiligung der Banken können sie durch die Vergabe oder Verweigerung von Krediten über Leben und Tod einzelner Kapitalisten entscheiden. Die nationale Monopolbildung führt zur Abschwächung der nationalen Konkurrenz und gleichzeitig zu einer stärkeren internationalen Konkurrenz der Monopole. Es erfolgt die Aufteilung der Welt durch die Eroberung von Kolonien, um Zugang zu billigen Rohstoffen und Waren zu erhalten.

Lenin fasst die fünf Merkmale des Imperialismus wie folgt zusammen:

1. Konzentration der Produktion und des Kapitals, die eine so hohe Entwicklungsstufe erreicht hat, dass sie Monopole schafft, die im Wirtschaftsleben eine entscheidende Rolle spielen

2. Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital und Entstehung einer Finanzoligarchie aus Basis dieses Finanzkapitals

3. der Kapitalexport, zum Unterschied von Warenexport gewinnt besonders wichtige Bedeutung

4. es bilden sich internationale monopolistische Kapitalistenverbände, die die Welt unter sich teilen, und

5. die territoriale Aufteilung der Welt unter die kapitalistischen Großmächte ist beendet.

Imperialismus ist faulender und parasitärer Kapitalismus. Diese Fäulnis ist die Folge der Verschärfung des Widerspruchs zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den kapitalistischen Produktionsverhältnissen durch das Monopol. Sowohl Produktivkräfte als auch Produktionsverhältnisse stehen in einer dialektischen Einheit. Sind die Widersprüche zwischen den Produktivkräften (dem vorantreibenden, revolutionären Element) und den Produktionsverhältnissen (der Bewegungsform) zu groß, müssen letztere durch neue, den Produktivkräften entsprechende Produktionsverhältnisse ersetzt werden, damit sich die menschliche Gesellschaft weiter entwickeln kann.

Bleiben die alten Produktionsverhältnisse jedoch bestehen, gehen sie in Fäulnis über, die sich auf die Entwicklung der Produktivkräfte und alle gesellschaftlichen Beziehungen auswirkt.

Die immer schärfer werdenden Widersprüche zeigen sich durch immer stärker werdende Aggression nach Außen und Repression nach Innen. Diese dienen dem Machterhalt des Finanzkapitals um unter anderem die Organisiertheit der Arbeiterklasse zu brechen. Die Fäulnis des Systems hat aber auch Auswirkungen auf den kulturellen und wissenschaftlichen Bereich.

Die immer schärfer werdenden Widersprüche und die zunehmende Repression lassen sich nicht mehr so einfach verschleiern. So suchen die Menschen nach Auswegen aus dem System und nach Widerstand. Der Imperialismus schafft gleichzeitig eine umfassende ideologische Nebelwand, die Oberflächlichkeit und Verdummung fördert.


Literatur
Lenin: der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus
Harpal Brar: Imperialismus im 21. Jahrhundert
Kurt Gossweiler: Zu den praktischen Konsequenzen der Ersetzung der Leninschen Imperialismustheorie durch die Theorie Leo Mayers über den "Transnationalen" Imperialismus
Kurt Gossweiler: Lenin oder Kautsky? Zu Leo Mayers Thesen über Globalisierung und Krieg


2. Revolutionstheorie

Revolution

Eine Revolution ist eine grundlegend qualitative Umgestaltung der Gesellschaft als Ganzes. Unter einer Revolution versteht man einen qualitativen Sprung in der Entwicklung der Gesellschaft, in deren Ergebnis eine ökonomische Gesellschaftsformation durch eine andere abgelöst wird. Solche sozialen Revolutionen sind in einer antagonistischen Klassengesellschaft eine gesetzmäßige Erscheinung. Ihre eigentliche, tiefere Ursache besteht im Konflikt zwischen entwickelten Produktivkräften und den überlebten Produktionsverhältnissen. Dieser Konflikt ist die soziale Grundlage des Klassenkampfes zwischen den aufstrebenden und reaktionären Klassen, welche die überlebten Produktionsverhältnisse und die darauf beruhende soziale und politische Ordnung mit allen Mitteln, insbesondere der Staatsgewalt, verteidigen.

Das Hauptmerkmal einer sozialen Revolution ist der Übergang der Staatsmacht aus den Händen der herrschenden reaktionären Klasse in die Hände der revolutionären Klasse. Deshalb ist eine soziale Revolution immer auch eine politische. In der proletarischen Revolution können die neuen Produktionsverhältnisse überhaupt erst nach der Errichtung der Diktatur des Proletariats geschaffen werden. Wenn die Klassen sich einander ablösen, so ändern sie stets das Verhältnis zum Eigentum. Nach Marx sind Revolutionen die Lokomotiven der Geschichte. In revolutionären Epochen erfolgt eine gewaltige Beschleunigung der gesellschaftlichen Entwicklung.

Sollte es einer entmachteten aber überlebten Klasse gelingen, ihre Herrschaft wieder herzustellen bzw. wenn dieser Versuch unternommen wird, so spricht man von Konterrevolution.

Der Begriff Revolution ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff bewaffneter Aufstand oder Bürgerkrieg. Zwar kommt es in Revolutionen häufig zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen den antagonistischen Klassen, es gab in der Geschichte jedoch Aufstände und Bürgerkriege, die nicht den Charakter einer Revolution hatten, weil sie nicht darauf zielten, eine neue soziale Ordnung zu errichten.

Der Charakter der Revolution wird durch ihre historische Aufgabe und ihre Triebkräfte, durch die Klassen die sie tragen und deren politischen Reifegrad bestimmt. Träger der Revolutionen sind die Volksmassen, jedoch vermag auch eine revolutionäre Minderheit als Motor der Revolution zu wirken.

Die bürgerlichen Revolutionen hatten die Aufgabe, den rückständigen feudalistischen Überbau zu beseitigen, um die kapitalistische Ökonomie, die sich im Schoße des Feudalismus entwickelt hatte und die inzwischen die Basis der Gesellschaft bildete, mit dem Überbau in Übereinstimmung zu bringen. Mit dem Eintritt des Kapitalismus in die Epoche des Imperialismus werden die Fragen des Kampfes auf neue Art gestellt. Die Widersprüche des Kapitalismus spitzen sich zu. Die Notwendigkeit der proletarischen Revolution steht auf der Tagesordnung.

Lenin begründete in seinem Werk "Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution", dass die Hauptfrage der Revolution, die Frage der Macht, auf neue Art gelöst werden muss. Er begründete, dass in der neuen Epoche des Imperialismus selbst in bürgerlich-demokratischen Revolutionen z.B. gegen spätfeudale Verhältnisse nicht mehr wie früher die Bourgeoisie die Hauptkraft der Revolution ist, sondern die Arbeiterklasse und die Bauernmassen. Die demokratische Revolution wächst nach Maßgabe der Kraft des klassenbewussten und organisierten Proletariats in die sozialistische Revolution hinüber. Noch stärker ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen der demokratischen und sozialistischen Etappe der Revolution in antiimperialistischen Revolutionen. Infolge der ungleichmäßigen historischen Entwicklung gibt es neben den Ländern des Imperialismus auch Länder mit einem schwach entwickelten Kapitalismus, die meist von den imperialistischen Staaten ausgebeutet werden. Hier kann die nationale Bourgeoisie trotz schwankender Haltung und Inkonsequenz im Kampf gegen den Imperialismus und gegen feudale Kräfte innerhalb des Landes noch zeitweilig als revolutionäre Kraft auftreten.

Die sozialistische Revolution ist eine Revolution neuen Typs. Ihr Ziel besteht darin, jede Form der Ausbeutung zu überwinden und die Entwicklung zur klassenlosen Gesellschaft einzuleiten. Führer der sozialistischen Revolution ist das Proletariat, das von der marxistisch-leninistischen Partei geleitet, sich auf das feste Bündnis mit allen Werktätigen Klassen und Schichten des Volkes stützt und die Diktatur des Proletariats errichtet. Dazu ist es notwendig, die Bourgeoisie zu stürzen, den alten Staatsapparat zu zerschlagen und ihn durch eine neue politische Organisation der Gesellschaft zu ersetzen.

Objektive Bedingungen für einen revolutionären Sturz sind die Verschärfung der Widersprüche im Imperialismus auf der Grundlage des Konfliktes zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Hierzu zählen nicht nur ökonomische, sondern auch soziale und politische Ursachen.

Zu den Elementen des subjektiven Faktors gehören das revolutionäre Bewusstsein der Massen, ihre Bereitschaft und Entschlossenheit, den Kampf bis zum Ende zu führen, die Hegemonie der Arbeiterklasse und die Organisiertheit der Klassen und ihrer Avantgarde, die es ermöglicht alle Kräfte zu konzentrieren, die in der Lage sind, für den Sieg der Revolution zu kämpfen und die Führung der Massen durch die marxistisch-leninistische Kampfpartei.


Ist ein friedlicher, nicht revolutionärer Übergang zum Sozialismus möglich?

Eine Erscheinungsform der bürgerlichen Ideologie und Politik in der Arbeiterbewegung ist die These des friedlichen Übergangs zum Sozialismus. Es wird die Auffassung vertreten, dass die Arbeiterklasse nicht durch eine Revolution, sondern über Reformen oder bei einer Mehrheit im bürgerlichen Parlament den Weg zum Sozialismus eröffnen könne. Diese These wird von der klassischen Sozialdemokratie (in Form des Reformismus) propagiert, doch seit dem XX. Parteitag der KPdSU wurde sie auch innerhalb der kommunistischen Bewegung "salonfähig".

Die Reformisten verbreiten die Illusion, dass sich die Lage der Arbeiterklasse im Kapitalismus durch Reformen grundlegend verbessern lässt. Der Marxismus-Leninismus ist nicht gegen Reformen und erkennt den Kampf um Reformen an. Im Gegensatz zu den Reformisten orientiert er jedoch die Arbeiterklasse darauf, dass die auf dem Reformwege errungenen Verbesserungen dazu dienen müssen, den Kampf gegen die Lohnsklaverei fortzusetzen und die Reformen zur Entfaltung und zur Erweiterung ihres Klassenkampfes zu nutzen. Im Laufe der Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung ist der Reformismus in unterschiedlicher Gestalt aufgetreten, z. B. als Ökonomismus, Trade-Unionismus, Nur-Gewerkschaftertum, Parlamentarismus etc.

Zwischen Bourgeoisie und Proletariat gibt es aber keinen friedlichen Ausgleich.

Stalin weist auf den unlösbaren Zusammenhang zwischen den Erkenntnissen des dialektischen Materialismus und der Notwendigkeit der Revolution hin. Er betont, daß der

"Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus und die Befreiung der Arbeiterklasse vom kapitalistischen Joch nicht auf dem Wege langsamer Veränderungen, nicht auf dem Wege von Reformen, sondern einzig und allein auf dem Wege qualitativer Veränderung der kapitalistischen Ordnung, auf dem Wege der Revolution verwirklicht werden kann." (Stalin: "Über dialektischen und historischen Materialismus", 1938, in: "Geschichte der KPdSU(B) - Kurzer Lehrgang", S. 138f.)

Die grundlegende Erkenntnis des historischen Materialismus, dass die Geschichte seit Ende der Urgesellschaft eine Geschichte von Klassenkämpfen ist, beruht eben auf der Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit, daß notwendige qualitative Änderungen durch das Hervorbrechen der Widersprüche und den Kampf der Gegensätze erfolgen:

"Wenn die Entwicklung in Form des Hervorbrechens der inneren Widersprüche, in Form von Zusammenstößen gegensätzlicher Kräfte auf der Basis dieser Widersprüche verläuft mit dem Ziel, diese Widersprüche zu überwinden, so ist es klar, daß der Klassenkampf des Proletariats eine völlig natürliche und unvermeidliche Erscheinung ist. (...) Um also in der Politik nicht fehlzugehen, muß man eine unversöhnliche proletarische Klassenpolitik und nicht eine reformistische Politik der Interessenharmonie zwischen Proletariat und Bourgeoisie, nicht eine Paktiererpolitik des 'Hineinwachsens' des Kapitalismus in den Sozialismus durchführen." (Ebenda, S. 139.)

Dabei ist die Machtergreifung des Proletariats, die Errichtung der Diktatur des Proletariats, bekanntlich nicht das Ende, sondern der erste Akt der siegreichen Revolution, die unter der Diktatur des Proletariats fortgesetzt werden muss.

Die Revisionisten, die ihren "friedlichen Weg" als Alternative zur revolutionären Machtergreifung des Proletariats propagieren, müssen notwendigerweise nicht nur während dieses Prozesses, sondern auch danach gegen die Diktatur des Proletariats sein.

Lenin erklärte das Merkmal der Herrschaft der Arbeiterklasse zur unerlässlichen (wenn auch nicht einzigen) Bedingung der siegreichen Revolution:

"Notwendiges Merkmal, unerläßliche Bedingung der Diktatur ist die gewaltsame Niederhaltung der Ausbeuter als Klasse." (Lenin: "Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky". 1918, Werke Band 28, S. 255.)

Für die Kommunistinnen und Kommunisten ist die Eroberung der politischen Macht und ihre Behauptung nicht etwas, das man mechanisch voneinander trennen könnte, sondern zwei Schritte auf demselben Weg, die innerlich miteinander verbunden sind. Die Diktatur des Proletariats ist deshalb notwendig, weil die zwar niedergeschlagene, aber noch nicht vernichtete Bourgeoisie nicht freiwillig auf ihr Ausbeuterparadies verzichtet, auch und gerade wenn sie über keinen bewaffneten Gewaltapparat mehr verfügt. Nur durch die Diktatur des Proletariats, durch den sich immer weiter verschärfenden Klassenkampf kann die Bourgeoisie niedergehalten, kann verhindert werden, daß ihre Versuche zur Wiedereroberung ihres verlorenen "Paradieses" erfolgreich sind, kann schließlich und endgültig die Bourgeoisie als Klasse der Boden entzogen werden. Nur auf diesem revolutionären Weg kann der Sozialismus und Kommunismus errichtet werden.

Die revisionistische Propaganda vom "friedlichen, parlamentarischen Weg" enthält die Ablehnung der Diktatur des Proletariats. Auf diesen Zusammenhang eingehend schrieb Lenin: "Die revolutionäre Diktatur des Proletariats ist eine Macht, die erobert wurde und aufrechterhalten wird durch die Gewalt des Proletariats gegenüber der Bourgeoisie." (Ebenda, S. 234.)

Mit dieser Definition Lenins vor Augen wird klar, daß sämtliche Versuche der modernen Revisionisten verschiedenster Schattierungen, die gesellschaftlichen Antagonismen mit "nicht-antagonistischen Methoden" lösen zu wollen, den Klassenkampf des Proletariats zu beschränken statt zur vollen Entfaltung zu bringen und fundamental dem wissenschaftlichen Sozialismus und seiner Grundidee der Diktatur des Proletariats widersprechen.

Der so genannte friedliche, parlamentarische Weg zum Sozialismus wurde maßgeblich von Kautsky und der II. Internationale vertreten und wurden von Lenin und Stalin scharf kritisiert.

Mit der Machtübernahme Chruschtschows wurde beim XX. Parteitag diese These wieder übernommen.

Dabei handelt es sich beim "friedlichen Weg" um keine Formfrage der Revolution, sondern es geht um den Charakter der Revolution überhaupt. Die revisionistische Formel vom "friedlichen Übergang" ist in Wahrheit nicht die Vorstellung von einer relativ friedlichen Entwicklung der Revolution und schon gar nicht der einen oder anderen ihrer Phasen, sondern ist nur eine Umschreibung des Verzichtes auf die Revolution selbst, ist das Einschwenken auf den Weg Kautskys und der II. Internationale, auf den Weg des Parlamentarismus.

Wie gefährlich die Theorie des friedlichen Übergangs zum Sozialismus ist, beweißen zum Beispiel die Ereignisse in Chile mit dem Sturz Salvador Allendes.


Sozialismus in einem Land und Trotzkis Übergangsprogramm

Im Oktober 1917 ergriff die russische Arbeiterklasse die Macht in einem Land, dessen Bevölkerung zum größten Teil aus Bauern bestand und in welchem der Kapitalismus noch schwach entwickelt war. Hinzu kam, dass die proletarische Revolution in den entwickelten kapitalistischen Ländern nicht siegte, die Sowjetunion also beim Aufbau des Sozialismus auf sich allein gestellt blieb. Über die Frage, welche Konsequenzen hieraus zu ziehen waren, gab es lange und heftige Kämpfe in der KPdSU (B). Die Trotzkisten und andere scheinbar linke Kräfte vertraten, in einem einzigen Lande sei der Aufbau des Sozialismus nicht möglich. Ebenso wandten sie sich gegen das Bündnis der Arbeiterklasse mit den unteren und mittleren Bauern, welches eine unverzichtbare Voraussetzung für die Behauptung der proletarischen Macht und den Aufbau des Sozialismus war. In langen und heftigen Parteikämpfen setzten sich die revolutionären Kräfte um Stalin gegen die Trotzkisten und andere scheinbar linke Oppositionelle durch. Damit nahm die Partei Kurs auf den Aufbau des Sozialismus in einem Land und auf das Bündnis mit den unteren und mittleren Bauern.

Die Trotzkisten behaupten, der Sozialismus in einem Land könne nicht aufgebaut werden, müsse also zwangsläufig scheitern, wenn nicht in allen oder zumindest in den wichtigsten imperialistischen Staaten die Revolution nicht gleichzeitig stattfände und siege. Die sozialistische Revolution kann aber gar nicht in allen Ländern gleichzeitig siegen, weil sich der Kapitalismus nämlich in den verschiedenen Ländern ungleichmäßig entwickelt. Dies hat Lenin nachgewiesen: "Die Entwicklung des Kapitalismus geht höchst ungleichmäßig in den verschiedenen Ländern vor sich. Das kann gar nicht anders sein bei der Warenproduktion. Daraus die unvermeidliche Schlußfolgerung: Der Sozialismus kann nicht gleichzeitig in allen Ländern siegen. Er wird zuerst in einem oder in einigen Ländern siegen, andere werden für eine gewisse Zeit bürgerlich oder vorbürgerlich bleiben". (Lenin, Das Militärprogramm der proletarischen Revolution, LW 23 S.74, Hervorhebung von Lenin).


Strategie und Taktik der revolutionären Arbeiterbewegung

Strategie und Taktik sind die Theorie von der Führung des Kampfes des Proletariats für ihre soziale Befreiung. Sie wurden (und werden hoffentlich bald wieder) von der kommunistischen Weltbewegung und jeder einzelnen marxistisch-leninistischen Partei entsprechend der jeweiligen historischen Situation ausgearbeitet.

Die politische Strategie beinhaltet die grundlegende politische Linie einer Partei für eine historische Etappe. Ausgangspunkt ist die richtige Definition des Charakters der Epoche. Dadurch ist es möglich, das Hauptziel der Arbeiterklasse in der jeweiligen Etappe, die Hauptkraft des Kampfes, den Hauptklassenfeind, die Hauptverbündeten sowie das nationale und internationale Klassenverhältnis auf der Basis einer Analyse der konkreten historischen Situation richtig zu bestimmen.

Die Taktik ist der Strategie untergeordnet und beinhaltet meist die politische Linie für eine relativ kurze Periode. Sie ist auf die laufenden Aufgaben gerichtet und bestimmt die konkreten Wege der Gewinnung und des Zusammenschlusses der Massen, die Formen der Organisation sowie die Art und die Methoden des Kampfes. Die politische Strategie und die politische Taktik sind untrennbar miteinander verbunden. Verzicht des strategischen Handelns ist gleichbedeutend mit der Aufgabe des Endziels der Arbeiterklasse. Verabsolutierung der Strategie ohne Berücksichtigung des konkreten Geschichtsverlaufs und der Stimmung der Massen in der Taktik löst die revolutionäre Vorhut von den Massen und führt zu einer abenteuerlichen Politik des Überspringens objektiv notweniger Etappen.


Neokolonialismus

Der Neokolonialismus ist die Gesamtheit der verschiedenen Methoden und Formen der Ausbeutung und Unterdrückung der ökonomisch schwach entwickelten Länder durch den Imperialismus in der gegenwärtigen Epoche. Er ist die vorherrschende Form imperialistischer Kolonialpolitik nach dem Zusammenbruch des direkten Kolonialsystems des Imperialismus.


Nationale Befreiungbewegungen

Die Gesamtheit der antiimperialistischen-demokratischen Bewegungen der unterdrückten Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas gegen koloniale Ausbeutung und politische Rechtlosigkeit, für staatliche Selbstständigkeit, Beseitigung der ökonomischen Abhängigkeit vom Imperialismus, Sicherung der nationalen und sozialen Grundinteressen der werktätigen Klassen und Schichten wird als nationale Befreiungsbewegung zusammengefasst.

Die nationale Befreiungsbewegung ist fest verbunden mit dem weltweiten Kampf gegen den Imperialismus, für die Erhaltung des Friedens und für den Übergang zum Sozialismus im Weltmaßstab.

Die nationale Befreiungsbewegung entstand und entwickelte sich als direkte Folge der imperialistischen Kolonialpolitik. Die Monopole der imperialistischen Staaten verhinderten eine allseitige Entwicklung der Produktivkräfte in den Kolonien, deformierten deren Wirtschaft im Interesse der Profite, beuteten die Mehrheit der Bevölkerung aus und unterwarfen diese Völker ihrem politischen Diktat.

Der Kampf gegen die imperialistische Kolonialherrschaft entsprechen sowohl den Klasseninteressen der Arbeiterklasse, der Bauernschaft, der einheimischen Bourgeoisie, der kleinbürgerlichen Schichten sowie der nationalen Intelligenz. Sie bilden die tragenden Kräfte der nationalen Befreiungsbewegung, die zunächst vorwiegend unter der Führung von bürgerlichen Kräften steht.

Der Grad des Erfolges hängt davon ab, welche Klasse oder Schicht die führende Kraft der Bewegung ist und inwieweit die Kräfte gegen den Imperialismus auftreten.


Literatur

Zur nationalen Frage
Lenin: Thesen über die nationale Frage (Band XVI)
Lenin: Über das Selbstbestimmungsrecht der Nationen (Band XVII)
Lenin: Rede auf dem II. Kongress der Komintern über die nationale und koloniale Frage
Stalin: Marxismus und nationale Frage
Resolution des X. Parteitags der KPR (B) über die nationale Frage
Resolution des XII. Parteitags der KPR (B) über die nationale Frage
Thesen des VI. Kongresses der Komintern "Über die revolutionäre Bewegung in den kolonialen und halbkolonialen Ländern"

Über Strategie und Taktik, Revolution
Lenin: Was tun?
Lenin: Ein Schritt vorwärts zwei Schritte zurück
Lenin: Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Bewegung
Lenin: Der Zusammenbruch der Zweiten Internationale
Lenin: Der Radikalismus , die Kinderkrankheit des Kommunismus
Lenin: Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky
Lenin, Das Militärprogramm der proletarischen Revolution
Stalin: Die Oktoberrevolution und die Taktik der russischen Kommunisten
Stalin: Die Grundlagen des Leninismus
Stalin: Über die rechte Abweichung in der KPdSU
Kommunistische Partei Chinas: Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung


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Kapitel IV: Revisionismus

1. Revisionismus

Opportunismus

Der Opportunismus ist eine bürgerliche ideologische Strömung in der Arbeiterbewegung und politische Grundhaltung, die der imperialistischen Bourgeoisie bei ihren Versuchen dient, die Arbeiterklasse in das staatsmonopolistische Herrschaftssystem zu integrieren. Der Opportunismus leugnet die Notwendigkeit des Klassenkampfes, der revolutionären Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Kampfpartei sowie die Notwendigkeit der Errichtung der Diktatur des Proletariats. Er bedeutet eine mehr oder weniger offene Abkehr vom Marxismus.

Mit dem Übergang des Kapitalismus in sein imperialistisches Stadium entstand in allen entwickelten kapitalistischen Staaten eine Arbeiteraristokratie, die zur wichtigsten sozialen Grundlage des Opportunismus wurde. Seine materielle Grundlage ist der Monopolprofit. Das Wachstum der Arbeiterorganisationen am Ende des 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhundert verstärkte den Zustrom kleinbürgerlicher Elemente in die Arbeiterbewegung. Es entstand eine relativ breite Arbeiterbürokratie, die neben der Arbeiteraristokratie gleichfalls zum sozialen Nährboden des Opportunismus wurde.


Revisionismus

Der Revisionismus ist die Strömung des Opportunismus in der Arbeiterbewegung, deren Besonderheit darin besteht, dass sie ein ganzes System der Revision des Marxismus als theoretisches Fundament der opportunistischen Politik entwickelt. Der Revisionismus fordert eine Korrektur der theoretischen und politischen Grundlagen des Marxismus-Leninismus mit dem Ziel, den revolutionären Inhalt der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse zu beseitigen und durch bürgerliche Theorien zu ersetzen. Wichtigste Felder, die der Revision unterzogen werden, sind der dialektische Materialismus, sind die Begriffe von Erkenntnis und Wahrheit, sind die Staatstheorie, die Klassentheorie und natürlich die Revolutionstheorie. Seinem Klassencharakter nach ist er das Produkt des Einflusses der imperialistischen Ideologie auf die Arbeiterklasse und die Arbeiterbewegung.


Anarchismus

Anarchisten sehen den Staat als das primäre Problem an. Wenn dieser beseitigt würde, würden auch alle anderen Probleme verschwinden. Anarchisten haben den dialektischen Materialismus nicht verstanden und damit auch nicht das Prinzip von Basis und Überbau und sind deshalb nicht in der Lage, das wirtschaftlichen Moment als das bestimmende Moment einer Gesellschaft zu begreifen.

Anarchisten sind niemals parteipolitisch organisiert, sondern lediglich in Syndikaten / Gewerkschaften. Sie führen den Kampf nach moralischen Prinzipen statt nach wissenschaftlichen Einsichten und kommen so zu absurden Haltungen (Ablehnung des Staates, deshalb keine Parteipolitik; Individualismus, "herrschaftsfreie Räume" schon heute, totale Freiheit des Menschen, deshalb keine Diktatur über die Kapitalisten usw.).

Seinen Ursprung hat der Anarchismus in der zweiten Hälfte des 19. Jh. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. in Italien, Spanien, Frankreich, der Schweiz und in Lateinamerika. Der durch den Kapitalismus verursachte Zerfall des kleinbürgerlichen Privateigentums brachte die davon Betroffenen gegen den kapitalistischen Staat auf. Gleichzeitig konnte der Sozialismus aus ihrer Sicht keine Alternative bilden, da dort ihr Privateigentum nicht gesichert wurde. Aus diesem Grunde bezeichnet Lenin den Anarchismus auch als "ein Produkt der Verzweiflung" und als die "Mentalität des aus dem Geleise geworfenen Intellektuellen oder des Lumpenproletariers, aber nicht des Proletariers."


Literatur
Kurt Gossweiler: Wider den Revisionismus
Kurt Gossweiler: Die Taubenfußchronik
Harpal Brar: Perestrojka
Ludo Martens: Die UdSSR und die samtene Konterrevolution


2. Trotzkismus

Im Gegensatz zum Revisionismus, welcher den revolutionären Charakter abzuschwächen versucht, um ihn in letzter Instanz ganz zu vernichten, gibt sich der Trotzkismus extrem revolutionär. Dabei findet er oft Anklang bei jungen Leuten, welche voller Tatendrang sind. Mit seiner überschäumenden pseudorevolutionären Art verleitet er die Revolutionäre zu unüberlegten und zeitlich unpassenden Handlungen, welche dann wegen ihrer unpassenden Taktik in die Katastrophe führen.

Zurück geht diese Strömung auf Leo Trotzki, welcher mit Stalin stets unterschiedlicher Meinung war, was nun der richtige Weg im Sinne des Leninismus sei.

Da Stalins Politik die wirkliche Weiterführung des Leninismus darstellte und weil Stalin zuletzt Trotzki wegen terroristischer Aktionen hinrichtete, ist Stalin und der sog. "Stalinismus" der Hauptangriffsprunkt der Trotzkisten.

Die antileninistischen und unwissenschaftlichen Grundsätze der trotzkistischen Konzeption lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

1. Leugnung objektiver Gesetzmäßigkeiten des Heranreifens und der Vorbereitung der Revolution sowie ihrer Entwicklungsetappen; subjektivistische Appelle, den sozialistischen Umsturz unverzüglich und unabhängig von den Bedingungen herbeizuführen, das heißt, historisch gesetzmäßige Etappen des Kampfes abenteuerlich zu überspringen. Voluntaristischer Revolutionarismus, der die Bedeutung der Massen im revolutionären Kampf ignoriert und keine Notwendigkeit sieht, die Triebkräfte der Revolution auf die entscheidenden Klassenkämpfe vorzubereiten; subjektivistische Überbewertung der Rolle der einzelnen revolutionären Abteilungen, Gruppen und Persönlichkeiten bei der Durchführung des revolutionären Umsturzes

2. Negation der revolutionären Potenzen der werktätigen Bauernschaft und Ablehnung des Bündnisses der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft.

3. Leugnung der Möglichkeit, den Sozialismus in einem Land aufzubauen; die Revolution im nationalen Rahmen wird als historisch perspektivlos betrachtet, da sie dem Druck der internationalen Reaktion oder aber der inneren konservativen Kräfte nicht standhalten könne.

4. Abenteuerlicher Kurs auf den Export der Revolution; die historische Mission des in einem Lande siegreichen Proletariats sei einzig und allein, revolutionäre Kriege zu führen und die Weltrevolution zu entfachen.

5. Konzeption von der unweigerlichen Deformation und "Bürokratisierung" der revolutionären Macht des in einem Lande siegreichen Proletariats, wenn die staatliche Hilfe der Arbeiterklasse anderer Länder und die Weltrevolution sich verzögern.

6. Negation des Reichtums und der Vielfalt der Formen und Methoden des revolutionären Kampfes; Verabsolutierung einer einzigen Form - des bewaffneten Kampfes, der nach Auffassung der Trotzkisten von kleinen einzelnen Abteilungen von Kämpfern begonnen werden kann, um die Arbeitermassen in Bewegung zu bringen und sie künstlich zu revolutionären Aktionen zu stimulieren.

7. Anbetung der Spontaneität in der Arbeiterbewegung; Unterschätzung und sogar Ignorierung der organisatorischen Rolle des revolutionären Vortrupps; Mißachtung der Tätigkeit der kommunistischen Partei.

Die in Worten so radikale Theorie der permanenten Revolution zeugt in Wirklichkeit vom Zweifel an den revolutionären Potenzen der Arbeiterklasse und am Sieg des Sozialismus. In dieser Theorie verbinden sich lautstarkes Revoluzzertum mit tiefen Pessimismus, Aufrufe zur Weltrevolution mit menschewistischen Kapitulantentum, linke Phrasen mit rechter Taktik. Diese Theorie entwaffnet die Massen theoretisch und praktisch und verurteilt die Arbeiterklasse zur sicheren Niederlage.


Literatur
Ludo Martens: Stalin anders betrachtet
Max Seydewitz: Stalin oder Trotzki
Harparl Brar: Trotzkismus oder Leninismus
Bill Bland: Revisionismus in Russland: Trotzki und die Bolschewiki
Tibor Zenker: "Leo Trotzki und der Trotzkismus" (2004)
Nikolai Wassezki: "Wem dient der moderne Trotzkismus?" (1984)
Ulrich Huar: "Stalin als Theoretiker des Marxismus-Leninismus - Der Kampf gegen die parteifeindliche Opposition" (offen-siv 4/2003)
Josef Stalin: "Trotzkismus oder Leninismus?" (1924)

Michael Kubi, Frankfurt/M

Raute

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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2009