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MARXISTISCHE BLÄTTER/531: Weder Zaungast noch Notenverteiler


Marxistische Blätter Heft 5-12

Weder Zaungast noch Notenverteiler

DKP-Vorsitzende Bettina Jürgensen im Gespräch mit den Marxistischen Blättern



MB: Der Parteivorstand der DKP hat zur Vorbereitung des 20. Parteitages (2013) einen Antragsentwurf beschlossen, der nun in der Partei zur Diskussion steht. Er ist auf ein Thema konzentriert: "Antworten der DKP auf die Krise". Der Antrag wird ja bereits diskutiert, gibt es schon Reaktionen oder Ergänzungen?

B. J.: Es gibt bereits sehr unterschiedliche Reaktionen auf den Antrag. Aussagen wie "Der gesamte Antrag ist abzulehnen" bis zu dem Wunsch "Er sollte genauso beschlossen werden vom Parteitag, wie er vorliegt" hören wir. Ich möchte zum Verständnis kurz den Weg dieses Antragsentwurfs darstellen. Das Sekretariat hatte den Auftrag erhalten, einen Entwurf zu erarbeiten. Eine Einschätzung der aktuellen Situation, welche Wege jetzt gegangen werden müssen und die verschiedenen Positionen in unserer Partei sollten aufgezeigt werden. Das Sekretariat hat auf einer zweitägigen Klausurtagung beraten, das Diskussionsergebnis dann in einem Papier zusammengeführt. Wir haben beraten, diesen Entwurf als einen möglichen Weg für eine gemeinsame Beschlussgrundlage der PV-Tagung vorzulegen. Auch hier wurde noch einmal das Für und Wider diskutiert. Es spielte u. a. die Frage eine Rolle, ob es sinnvoll, ist ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Positionen in der Partei das Gemeinsame und damit den Willen zur Handlungsfähigkeit der DKP hervorzuheben oder ob auch die in den letzten Jahren geführten inhaltlichen Debatten in diesem Antrag deutlicher hervorgehoben werden sollten. Die überwiegende Mehrheit des Parteivorstands ist der Meinung, dass es in der momentanen politischen Situation unabdingbar ist, dass die DKP, ihre Kraft in die Kämpfe und Auseinandersetzungen unserer Zeit einbringt und dazu beiträgt, den Widerstand in unserem Land zu entwickeln. Dazu muss sich der Parteitag - als oberstes Gremium der DKP - positionieren, sowohl zur Einschätzung der aktuellen Lage in unserem Land, als auch wie die nächsten Schritte zur Lösung jetzt anstehender Probleme aussehen sollten. Die Diskussion über den Hauptantrag zum 20. Parteitag soll das gemeinsame Handeln in den Mittelpunkt rücken. Wenn das Gemeinsame in der Partei in den Vordergrund gestellt wird, können wir unseren Aktionsradius erhöhen, werden wir unsere Aufgabe erfüllen können, die Antwort auf die Krise aus kommunistischer Sicht in der Partei, aber auch in den Gewerkschaften, in Betrieb und Bildungseinrichtungen, in den Bewegungen einzubringen und zu diskutieren. Wohl wissend, dass wir Nahziele beschreiben, wohl wissend, dass wir über die Systemfrage diskutieren müssen, dass letzten Endes die kapitalistische Gesellschaft überwunden werden muss und nur der Sozialismus die grundlegenden Veränderungen im Interesse der Mehrheit der Menschen bringen wird.

Mit dieser Beschlussvorlage wird nicht die Diskussion über unterschiedliche Positionen in der Partei beendet. Aber es soll das aktive gemeinsame Handeln der Partei gestärkt und entwickelt werden. Der Antrag richtet sich also sowohl nach innen, als auch nach außen. Die inhaltliche Debatte über offene Fragen wird weiter gehen, wird sicher auch auf dem Parteitag eine Rolle spielen. Dazu gehören z. B. die Analyse des Kapitalismus/Imperialismus und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen; das Verhältnis vom Kampf um Reformen hin zum Kampf um revolutionäre Veränderungen; die Rolle der Gewerkschaft; die Bündnispolitik und die Rolle der DKP; das Verhältnis von nationalen und internationalen Ebenen und Kämpfen. Dieses sind Fragen, die anhand unseres Programms, das ja nicht infrage gestellt ist als unsere gemeinsame Grundlage, weiter in der Partei und auf den Konferenzen diskutiert werden.

MB: Wie siehst Du in diesem Zusammenhang speziell die Entwicklung der Krise in Bezug auf Deutschland, das ja als glänzende Ausnahme in der europäischen Krisenlandschaft, als Konjunkturlokomotive, eingestuft wird.

B. J.: Es wird versucht uns weiszumachen, dass die Krise in Deutschland sich nicht in dem uns bekannten Ausmaß wie in Griechenland, Spanien und anderen Ländern zeigen wird. Noch ist es möglich, dieses Bild zu verkaufen - doch die Menschen nehmen die Argumente der Regierenden zu Recht mit immer mehr Skepsis auf. Schließlich spüren sie schon jetzt im eigenen Leben, wie trotz der uns aufgezeigten Konjunktur, viele soziale und auch demokratische Errungenschaften abgebaut werden. Die jetzt ganz neu herausgegebenen Zahlen zur Entwicklung der Renten zeigen die Perspektive deutlich auf: da bekommen selbst diejenigen nicht mehr genug zum Leben, die 35 oder 45 Jahre buckeln. Einmal abgesehen davon, dass eine lebenslange Berufstätigkeit allein momentan als Illusion erscheint. Wir wissen, dass dies heute schon bei 50-65jährigen fast nicht mehr möglich ist, wie wenig dann bei denen, die jetzt gerade ihre Schule beenden und mit Studium oder Ausbildung beginnen. Ich könnte weitere Beispiele nennen, den gesamten Abbau der Krankenversicherung. Was wir vom Helius-Konzern kennen, ist doch nur die Spitze des Eisbergs: in Damp der Versuch durch Entlassung einen Tarifkampf zu beenden, in Rostock durch die Aufsplitterung in viele kleine Betriebe den KollegInnen einen erneuten Arbeitskampf aufzwingen. Andere Beispiele sind die Verlagerungen von Produktion, womit Druck auf die Belegschaften ausgeübt wird. Und auch dies: je weiter die Krise in den anderen Ländern voran schreitet, desto schwerer wird es für den Exportriesen Deutschland seine Produkte zu verkaufen. Das wird dann seine Wirkungen auf die Wirtschaft und das Finanzkapital haben. Die von ihnen noch als vorsichtiges Gegensteuern entwickelten Maßnahmen werden dann mit aller Macht gegen die Mehrheit der Bevölkerung umgesetzt werden.

MB: Der Antrag benennt die "dringendsten Forderungen der DKP", soziale, finanz-, energie-, umwelt- und friedenspolitische Forderungen. Sind das tatsächlich schon die entscheidenden Forderungen - werden sie als Alternative zur Krisenpolitik von Kapital und Kabinett bestehen?

B. J.: Dies sind ja nun wirklich keine neuen Erkenntnisse, sondern sie wurden bereits auch in der "Politischen Resolution" des 19. Parteitags beschrieben. Es sind die dringendsten Aufgaben, wenn wir sie nicht zu engmaschig anlegen, sondern z. B. in dem Netz der sozialen Forderungen, der betrieblichen und gewerkschaftlichen Anforderungen einbeziehen. Außerdem müssen wir erkennen, dass, wenn wir in diesen Bereichen keine Verbesserungen durchsetzen, wir also nicht die aktuellen Lebens-, ja sogar Überlebensfragen als die aktuelle Aufgabe sehen, dann hätten wir Marx, Engels, Lenin und andere WissenschaftlerInnen nicht richtig verstanden. Und wenn insbesondere die Bedrohung der Umwelt - Stichwort Klimawandel - zunimmt, kommen wir nicht umhin, uns mehr als in der Vergangenheit mit den ökologischen Fragen zu befassen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, die auch jetzt schon greifen. Doch das ist ja auch das Schwierige: wir müssen hier und heute verändern, damit die Menschheit überhaupt die Chance erhält, in der Zukunft den Sozialismus aufzubauen. Das Problem, vor dem wir und alle linken Kräfte stehen, die heute etwas verändern wollen, ist, dass diese Perspektive unter kapitalistischen und imperialistischen Bedingungen entwickelt werden muss. Es müssen also Alternativen sein, die jetzt umgesetzt werden können, die trotz allem erfolgreich für die Mehrheit der Bevölkerung sind, unter Bedingungen, dass möglicherweise die Eigentumsverhältnisse nicht, noch nicht - zumindest grundlegend - verändert werden konnten. Viele andere Fragen, wie die der Rechtsentwicklung und des Demokratieabbaus, werden ja ebenfalls angesprochen. Denn auch sie dienen dem Erhalt und Ausbau der Macht, gehören zum Mechanismus, mit dem die Angriffe auf die Bevölkerung forciert werden. Ob genau diese Fragen bzw. Forderungen als Alternativen bestehen bleiben hängt davon ab, wie gut unsere Argumente sind, um mehr Menschen zu gewinnen, mit uns Widerstand zu entwickeln. Das heißt, wir müssen unter uns zunächst einmal Klarheit darüber bekommen, ob dies die Forderungen sind oder nicht. Dazu soll kann dieser Entwurf genutzt werden, ihn in den Parteigruppen und auf den Konferenzen zu qualifizieren, Erfahrungen beizutragen und durch Änderungsanträge einfließen zu lassen - das Ergebnis werden wir auf dem Parteitag dann vorliegen haben.

MB: Der Antrag begnügt sich nicht mit Forderungen, gleichrangig wird die Entwicklung von Widerstand gegen die Krisenpolitik betont. Wie erklärt sich das Zurückbleiben des aktiven Widerstands in Deutschlands gemessen an den Bewegungen in anderen europäischen Ländern?

B. J.: Es ist richtig, dass es in einigen anderen Ländern mehr Bewegung, mehr Widerstand aus fast allen Schichten der Bevölkerungen gibt. Das aber erstens ja auch nicht in der überwiegenden Anzahl der europäischen Länder. Noch können wir diese "an einer Hand abzählen". In vielen Ländern hingegen ist es noch wie bei uns, es bewegt sich etwas an Protest, aber gemessen an dem, was gesellschaftlich verändern kann, immer noch viel zu wenig. Dies gilt im Übrigen auch für die Länder, in denen ausgezeichnete Aktionen, Generalstreiks und massenhafte Aktivitäten organisiert werden. In diesen Staaten Europas bewegt sich zwar etwas, es sind Erfolge durch z. B. linke Wahlbündnisse sichtbar, doch noch muss auch hier nachgelegt werden. In diesen Ländern wirkt bereits die Arbeiterklasse mit anderen Teilen der Bevölkerung zusammen, es wird gemeinsamer Protest entwickelt. Hier können und müssen wir lernen von anderen Ländern. Außerdem spielen aber auch unterschiedliche Erfahrungen aus Kämpfen der Vergangenheit eine Rolle, hinzu kommt, dass es bei uns doch immer noch einen Teil der Bevölkerung gibt, der sich noch einigermaßen sicher fühlt und auch heute noch meint, die Krise gehe an der BRD vorbei, bzw. wenn sie kommt, sei es besser, sich abwartend zu verhalten. Hier ist es Aufgabe der Gewerkschaften und auch von uns KommunistInnen unsere Antworten auf die Fragen "was passiert, wenn...." zu geben.

MB: Es gibt erkennbar auch in Deutschland Ansätze für Bewegungen gegen Krisenpolitik. Wo liegen die Herausforderungen und Möglichkeiten der DKP, zur Stärkung solcher Bewegungen beizutragen? Reflektiert sich das in den innerparteilichen Debatten über das Selbstverständnis einer kommunistischen Partei?

B. J.: Richtig, es gibt diese Ansätze! Seit einigen Jahren gibt es das bundesweite Bündnis "Gerecht geht anders!" - u. a. von den Gewerkschaften mit initiiert und getragen, aktuell wird die Forderung nach Umverteilung in Aktionen und Demonstrationen auf die Straße getragen - auch hier sind Gewerkschaften dabei und mobilisieren unter der Losung "Umfairteilen - Reichtum besteuern". Außerdem fanden in den vergangenen Jahren und Monaten viele Aktionen von verschiedenen Organisationen, Bündnissen statt, die gerade die sozialen Fragen und Probleme aufgreifen und Veränderungen forderten. Diese sind nach wie vor aktiv und bringen ihre Ansätze bei den momentanen Bewegungen ein. Die Mitglieder unserer Partei sind auch - unterschiedlich zwar, aber sie sind es - bei diesen Kämpfen dabei. Als Kommunistische Partei sagen wir in unserem Programm: "Eine große Vielfalt neuer sozialer Akteure entsteht und entwickelt sich. (....) Die Existenz einer breiten Schicht von Ausgebeuteten und Ausgegrenzten eröffnet die Möglichkeit und die Notwendigkeit, alle Betroffenen in einem alternativen und sozialen Projekt zusammenzuführen, sie als Gesamtheit in ihrer Vielfalt und Autonomie zu vereinen." Diese Aussage aus unserem Programm zu verwirklichen, zumindest als KommunistInnen dazu unseren Teil beizutragen, das ist eine der Aufgaben vor denen wir stehen. Dazu ist es von Bedeutung, in diese "neuen sozialen Akteure" auch die gewerkschaftlichen Kämpfe einzubinden, bzw. umgekehrt, die Gewerkschaften zu unterstützen und in ihnen dafür zu wirken, dass sie sich mehr als bisher mit den sozialen Bewegungen verbinden. Dies ist eine Aufgabe der Gewerkschaften, denen ja "für die Organisierung der Arbeiterklasse und für das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen eine Schlüsselrolle zu(kommt)" (Programm der DKP). Der Beitrag von KommunistInnen muss es sein, sowohl in den Gewerkschaften, als auch in den Bewegungen gewissermaßen eine Brückenfunktion einzunehmen. Also, in beiden Bereichen mitarbeiten und nicht nur Zaungast oder gar Notenverteiler sein, sondern eine möglichst kontinuierliche und ständige Mitarbeit anstreben. Dies ist eine Aufgabe, die einfach erscheint, aber, wenn wir uns die Realität ansehen, nicht immer einfach zu machen ist. Wir haben es nach meinem Eindruck noch nicht genug verstanden für uns selbst zu klären, dass es eine Verbindung gibt z. B. zwischen kommunalen Fragen und Problemen, zwischen gewerkschaftlichen und betrieblichen Fragen und den gesamtgesellschaftlichen Aufgaben, die wir lösen müssen. Es ist nicht unsere Krise! Trotzdem liegt es in unserer Verantwortung, Schritte zu finden, die der Mehrheit der Menschen hilft, Licht im Dunkel des Tunnels zu sehen. Ich bin der Überzeugung, dass wir diese Schritte gehen müssen, auch wenn nicht alle mit uns den Weg zum Sozialismus gehen wollen, sondern "nur" für eine Zwischenetappe bereit sind ihre Kraft einzusetzen.

MB: In welchem Verhältnis steht die Bündnispolitik der DKP zum Interesse der Partei, selbst stärker zu werden und größeren Einfluss des Marxismus zu erreichen?

B. J.: Zur wichtigen Arbeit in den Bündnissen habe ich ja schon etwas gesagt. Einen Widerspruch zwischen der Arbeit in Bündnissen, in Gewerkschaften, ebenso in Organisationen bis hin zu Sportvereinen und unserem Interesse, stärker zu werden als Partei, kann ich überhaupt nicht sehen. Nur wenn wir mit den Menschen gemeinsam Politik diskutieren, daraus sich Widerstand entwickelt und wir auch diesen gemeinsam tragen, können wir eine Stärkung der kommunistischen Partei erreichen. In dem Maße, wie wir uns für positive gesellschaftliche, soziale, demokratische Veränderungen einsetzen, in dem Maße können wir unsere Partei als eine Kraft darstellen, die nicht nur mitredet, sondern auch in der Lage ist zu analysieren, die Vorschläge einbringt und gemeinsam mit anderen Forderungen entwickelt und Aktionen organisiert. Wir haben viele EinzelkämpferInnen, die, ausgestattet mit einem enormen Fachwissen in ihren Bereichen politisch wirken. Wir verstehen es noch nicht oder zu wenig, die Gruppen in die Lage zu versetzen, dieses Wissen gerade auch in der Bündnisarbeit zu nutzen. Damit meine ich, unsere Betriebsräte, JugendvertreterInnen, GewerschafterInnen, KommunalpolitikerInnen, SportlerInnen usw. in die Initiativenarbeit einzubeziehen. Andererseits gibt es auch GenossInnen, die sehr aktiv sind, dies aber nicht offen als Mitglieder der DKP tun. Wenn wir die Partei stärken wollen, ist aber die Sichtbarkeit der Partei nicht nur auf Demos mit der Fahne, sondern auch im täglichen Kämpfen ungeheuer wichtig. Selbstverständlich können richtige Initiativen vorgeschlagen, richtige Analysen vorgetragen, richtige Forderungen entwickelt werden, auch die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs und der Aufbau des Sozialismus, die Eigentumsfrage als die Grundfrage der Probleme in dieser kapitalistischen Gesellschaft kann gestellt werden - alles auch ohne sich selbst als Mitglied der DKP zu "outen". Das stelle ich nicht in Frage, ebenso wenig wie ich in Frage stelle, dass dies alles auch von anderen linken und antikapitalistischen Kräften erkannt und diskutiert werden kann. Neue Mitglieder gewinnen wir nur, wenn wir nicht nur über die Rolle der Organisation überzeugen, sondern uns selbst, als KommunistInnen zu erkennen geben. Dazu gehört nicht nur Mut, das es ja u. U. auch berufliche oder andere persönliche Nachteile haben kann, sondern es gehört dazu auch das Wissen um gesellschaftliche Zusammenhänge, Kenntnisse, die sich aus der Wissenschaft unserer Weltanschauung entwickeln. Überzeugen können wir nur, wenn wir selbst überzeugt sind! Überzeugt davon, dass unsere Partei die richtige Kraft für Veränderungen ist, wir unser Parteiprogramm dafür als Grundlage nehmen und die Beschlüsse unseres Parteitags gemeinsam umsetzen. Erst wenn wir dies nicht nur in unserer Parteigruppe leben, sondern überall, dann werden wir dazu beitragen, dass auch andere die Ideen des Marxismus verstehen und unsere Partei stärken.

MB: Der Antrag betont die Notwendigkeit, den Widerstand gegen kapitalistische Krisenpolitik nicht nur national, sondern international zu entfalten. In welchem Verhältnis steht die Zusammenarbeit mit anderen kommunistischen Parteien zu den Erfahrungen der Mitarbeit der DKP in der Europäischen Linken auf dem Beobachterstatus?

B. J.: Wenn wir uns einig sind in der Frage der notwendigen internationalen Zusammenarbeit, dann dürfen wir diese nicht beschränken. Ebenso, wie wir in unserem Land mit vielen unterschiedlichen Kräften zusammenarbeiten, müssen wir dieses auch außerhalb der Grenzen anstreben. Dabei gehen wir davon aus, dass wir von den Kämpfen und den Erfahrungen anderer lernen können, selber aber auch unseren Teil in die Debatten einbringen. Richtig ist doch, dass jede Gewerkschaft, jede soziale und andere Bewegungen, aber auch die Parteien der verschiedenen Länder unterschiedliche Erfahrungen in den sozialen und demokratischen Kämpfen machen. Alle diese Erfahrungen gilt es von uns einzuschätzen und zu prüfen, ob wir sie auch für die Entwicklung von Widerstand in unserem Land nutzen können. Zudem müssen wir dringend eine weitaus bessere Vernetzung international erreichen, wenn wir den international agierenden Konzernen und dem Finanzkapital widerstehen wollen. Eine Möglichkeit des Erfahrungsaustausches und der Planung gemeinsamer Aktivitäten bieten die Treffen der Kommunistischen und Arbeiterparteien, die Konferenzen anderer Parteien, an denen wir teilnehmen. Doch ebenso wie viele andere kommunistische Parteien, schätzen auch wir die Zusammenarbeit mit anderen linken und sozialistischen Parteien als eine notwendige Ebene, um mit den Menschen in den verschiedenen Ländern gemeinsame Kämpfe zu organisieren. Eine dieser Ebenen ist die Europäische Linke. In der DKP gibt es zu dieser Frage unterschiedliche Meinungen. Ich erfahre oft, dass es in Argumentationen gegen die EL so dargestellt wird, als seien die Befürworter einer Mitarbeit in der EL gleichzeitig gegen eine Zusammenarbeit mit den Kommunistischen Parteien. Dem widerspreche ich: in der Europäischen Linken arbeiten viele kommunistische Parteien mit. Der Vorsitzende der EL ist unser Genosse Pierre Laurent, ebenfalls Vorsitzender der Kommunistischen Partei Frankreichs, von den vier StellvertreterInnen ist eine Genossin der PCE (Spanien) und ein Genosse der KP Moldawien. In der EL sind weitere kommunistische Parteien vertreten, um nur einige zu nennen: Finnland, Italien, Österreich, Tschechien, Partei der Arbeit Schweiz u.a. Dies zeigt, hier treffen sich KommunistInnen, beraten gemeinsam - mit anderen - entwickeln Zusammenarbeit von linken, sozialistischen und kommunistischen Parteien. Auf anderen internationalen und europäischen Beratungen sieht es ähnlich aus - kommunistische Parteien arbeiten auf vielen Ebenen mit. Im Vordergrund muss doch die Frage stehen, welchen Zweck Beratungen und Konferenzen verfolgen, wie der Arbeits- und Diskussionsaustausch dort stattfindet und letzten Endes, was dabei nicht nur für die Parteien, sondern vor allen Dingen für die Entwicklung von Widerstand, für die Bevölkerungen, herauskommt. Daran muss sich internationale Arbeit und Zusammenarbeit messen lassen.

MB: Das kapitalistische System ist unfähig, die Menschheitsprobleme zu lösen, Antikommunismus und Repression werden verschärft. Was ist Deiner Ansicht nach die dringendste Aufgabe der kommunistischen Bewegung in dieser Situation?

B. J.: Wie zur Zusammenarbeit gesagt, ist auch hier eine internationale Zusammenarbeit und der Austausch darüber, wie in den verschiedenen Ländern und mit welchen Maßnahmen gegen antikapitalistische Kräfte, gegen Kommunisten vorgegangen wird. Mit Repression in vielen unterschiedlichen Formen und Ausprägungen wird versucht, einzuschüchtern und mundtot zu machen. Zuerst trifft es in der Tat in der Regel die KommunistInnen - damit sollen andere von einem Kampf um ihre berechtigten Forderungen abgehalten werden. In Europa gibt es da bereits viele negative Beispiele: in Ungarn, Polen, Moldawien, Tschechien gibt es ganz klare antikommunistische Umtriebe wie das Verbot des Roten Sterns und anderer Embleme, es wird versucht, kommunistische Parteien und Jugendverbände zu verbieten, es werden teilweise regelrechte Hetzkampagnen durchgeführt. Aber auch in den westeuropäischen Ländern und auch weltweit wird das, was nur in die Richtung "kommunistisch" geht beobachtet und versucht zu unterdrücken. Dagegen hilft nur gemeinsame Gegenwehr und Solidarität. Und dagegen hilft es im eigenen Land gut verankert zu sein in den Gewerkschaften, Betrieben, in der Kommune, in den Bewegungen. Je besser die Vernetzung nicht nur der KommunistInnen, sondern von uns auch mit anderen demokratischen und fortschrittlichen Kräften ist, desto besser können wir auch gegen antikommunistische Maßnahmen - die ja auch Teil des Demokratieabbaus sind - angehen.

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Quelle:
Marxistische Blätter, Heft 5-12, 50. Jahrgang, S. 16-20
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2012