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LICHTBLICK/191: Familiäres Beziehungsleben - für Inhaftierte unmöglich?


der lichtblick - Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
Heft Nr. 350 - 1/2012

Familiäres Beziehungsleben - für Inhaftierte unmöglich?
Die Besuchs-Reportage



In der verriegelten und verregelten Welt des Gefängnisses wäre eines ganz sicher vonnöten: soziales Gesellschafts- und Beziehungsleben. Genau davon aber sind die Inhaftierten aus- und weggeschlossen: das Führen einer heterosexuellen Partnerschaft oder die Partizipation am Familienleben ist ihnen nicht möglich; ebenso unmöglich ist es ihnen, am sozialen Leben - in Verantwortung - teilzunehmen.

Eine Krux: sollen und müssen doch die Inhaftierten wiedereingegliedert werden; zudem sind ihre Lebensverhältnisse den allgemeinen draußen so weit wie möglich anzugleichen und der Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren, so der gesetzliche Auftrag.

Diesem in der Gitterwelt Gefängnis trotzdem nachzukommen, bemüht sich das Gesetz und die Justiz, in dem sie den Außenkontakten - besonders dem Besuch - die vermittelnde Rolle zuschanzen: Gefangene dürfen Besuch empfangen. Üblicherweise ein bis vier Stunden - nicht am Tag; im Monat.

Ist dieses Mittel geeignet, die Ziele zu erreichen? Lesen Sie in dieser Reportage mehr über Besuche, "Liebeszellen", Vater-Kind-Gruppen, Masturbation; über Scheidungen und Eheschließungen, Hunger und Appetit, Partnerschaft und Einsamkeit.


Einleitung

"In bundesdeutschen Gefängnissen werden tagtäglich Menschen in Schließfächern isoliert, verwahrt, verwaltet. Der Knast-Alltag ist für die Insassen: isolierend, erniedrigend, dequalifizierend. "Ent-Sozialisierung" ist die Folge." mit diesen Worten fasst Ortner, Sozialpädagoge, 1988 die bundesdeutsche Justizvollzugslandschaft zusammen.

"In der lebensfeindlichen und lebensfremden Welt des halbmilitärisch geordneten Verwahrvollzugs werden lebensuntüchtige Menschen noch weiter beschädigt und verwahrlosen." so bringt es der ehemalige Anstaltsleiter Rehn im Jahr 2004 auf den Punkt.

Und genau in solch einer Kustodialorganisation, einer totalen Institution, sollen die untergebrachten Menschen auf ein Leben in sozialer Verantwortung vorbereitet werden; genau hier sollen sie zwischenmenschliche Beziehungen lernen - mit anderen kriminellen Subjekten, in einer grauen und dunklen Welt voller Vorschriften und Versagungen.

Nicht nur im "alten" Strafvollzugsgesetz, sondern auch in den Entwürfen der neuen Landes-Strafvollzugsgesetze - im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 wurde auch der Strafvollzug zur Ländersache - wird betont, dass die Strafhaft zum Ziel habe, die Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen; hierzu wirkt der Vollzug von Beginn der Haft an auf die Eingliederung der Gefangenen in das Leben in Freiheit hin. Dazu gehört, dass das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen ist, und das schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken ist - so bestimmt es das Gesetz.

Ja, ja - das sei und klinge ja alles schön und gut, werden nun nicht nur Knackis rufen, sondern ein jeder, der mit dem Knast mal zu tun hatte. Leider jedoch sei es oft weit weg von der Realität. Würde dem Resozialisierungsgedanken in der Praxis tatsächlich dieser Stellenwert beigemessen, so müsse sich ernsthaft mit der Abschaffung der Gefängnisse auseinandergesetzt werden. So Recht Tolstoi hat: "Zeige mir Deine Gefängnisse und ich kenne die Kultur Deines Landes.", so wahr ist, dass der Abolitionismus (die Abschaffung der Knäste) im deutschen Volke auch im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wohl wenig Freunde finden wird. Trotzdem - und gerade darum -: im Vollzugsalltag sollte stets versucht werden, wissenschaftliche Erkenntnisse, humane Behandlungen, sozialstaatliche Vorgehensweisen und gesetzliche Vorgaben zu beachten und umzusetzen.

Auch hier wird abgewunken werden: schön und gut, am Ende aber koche jede Anstalt ihr ganz eigenes Süppchen aus Sicherheit & Ordnung, aus Versagungen und Nicht-Wollen, Behandlung und Verwahrung - hier scheint das neue Gesetz ebenso unvollständig, wie das alte; vieles steht im Ermessen. Und dies bedeutet: frei nach Schnauze werden Behandlungsmaßnahmen angeboten und gewährt - oder eben nicht.


Besuch gemäß Gesetz - ein Überblick

Eindeutig geregelt jedoch ist der Besuch: Galt bisher - im Bundes-Strafvollzugsgesetz - ein Minimum von einer Stunde im Monat, dass auch im neuen bayerischen Strafvollzugsgesetz, im niedersächsischen und im hamburgischen nur weiter fortgeschrieben wurde - in Hamburg jedoch wurden Langzeitbesuche mitaufgenommen -, so sieht der Entwurf der Strafvollzugsgesetze der Länder Berlin, Bremen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen immerhin zwei Stunden vor; und bei Besuchen von Kindern unter 14 Jahren erhöht sich die Gesamtdauer um weitere zwei Stunden.

In dem Entwurf wird zudem auch der bereits in vielen Anstalten praktizierte Langzeitbesuch gesetzlich geregelt.

Betont wird, dass die Anstalten verpflichtet sind, Besuche von Angehörigen (dazu zählen neben Ehegatten, Eltern, Geschwistern und Kindern auch Lebenspartner und Verlobte) besonders zu unterstützen.


Exkurs: Angehörige

In der Straffälligenhilfe Tätige fordern, den Begriff "Angehörige" weiter zu fassen: denn nicht ein verwandtschaftliches Verhältnis bestimmt quasi automatisch die Stärke der Bindung, den Grad der Nähe, sondern auch Sportfreunde, Nachbarn oder Arbeitskollegen können ein langjähriges, inniges und vertrauensvolles Verhältnis zueinander haben, so dass von einem "Angehörigen" gesprochen werden kann. In der Strafvollzugspraxis sollten Besuche von diesen Person denen Angehöriger gleichgestellt werden.

Das Gesetz räumt den Gefangenen das Recht ein, mit Personen außerhalb der Anstalt zu verkehren; dieses Recht ergibt sich unter anderem aus den Grundrechten der freien Meinungsäußerung und dem Schutz von Ehe und Familie - dem Gefangenen sollen nicht mehr Einschränkungen auferlegt werden, als mit dem Freiheitsentzug selber und der Erreichung des Vollzugszieles unmittelbar notwendig verbunden sind.

Gerade bei den persönlichen Außen-Kontakten, die im Zuge des Besuchs vollzogen werden, ist das Recht des Gefangenen durch zahlreiche Vorschriften jedoch stark eingeschränkt - hier verweist das Gesetz auf die Hausordnungen der Anstalten, die häufig nur das gesetzliche Minimum an Besuchszeit gewähren und die Durchführung der Besuche erschweren: Durchsuchungen von Besuchern, ungemütliche Räume, gar Trennscheiben und Berührungsverbote - dabei wird die Pflicht der Vollzugsbehörden, die Beziehungen mit Personen außerhalb der Anstalten zu fördern, - wie erwähnt - im neuen und alten Gesetz ausdrücklich benannt. So sollen Besuche über das Minimum hinaus zugelassen werden, wenn sie die Behandlung oder Eingliederung des Gefangenen fördern. Die im Gesetz benannten Zeiten werden als absolut unterste Grenze angesehen.

Auch die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze schreiben Besuche so oft wie möglich fest; die Besuchsregelungen müssen zudem so gestaltet sein, dass Gefangene Familienbeziehungen so normal wie möglich pflegen und entwickeln können.

"Aus Gründen der Sicherheit kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich der Besucher durchsuchen lässt.", so Abs. 3 des § 24 StVollzG, der den Besuch regelt. Voraussetzungen für die Durchsuchungen sind also ausschließlich Sicherheitsgründe; Ordnungsbedenken reichen nicht aus. Die Durchsuchung darf nur mittels Abtastens der Kleidung und / oder mit Metallsonden vorgenommen werden.

In einem eigenen Paragraphen ist die Besuchsüberwachung geregelt, die sich untergliedert in die Sichtkontrolle und die Inhaltskontrolle: die optische Überwachung des Besuchs ist gemäß Gesetz quasi der Normalfall, die akustische Überwachung darf nur im Einzelfall aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt vorgenommen werden. Obschon der "Normalfall" der optischen Überwachung an die Voraussetzung des Vorliegens tatsächlicher Anhaltspunkte von Behandlungs-, Sicherheits- oder Ordnungsgründe geknüpft ist, brauchen diese jedoch nicht in der Person des jeweiligen betroffenen Gefangenen liegen, sondern vielmehr genügen anstaltsbezogene generelle Gründe - oder anders: im geschlossenen Vollzug wird man diese Gründe stets annehmen.

Kritische Strafvollzugswissenschaftler monieren, dass die ständige optische Besuchs-Überwachung rechtswidrig ist - per se würden auch in einer geschlossenen Anstalt unüberwachte Besuche die Sicherheit und Ordnung nicht gefährden.

Zwar ist die akustische Überwachung eine Ausnahme - und bedarf zwingend Gründen im Einzelfall - nicht selten jedoch sind Vollzugsbedienstete so in den Besuchsraum zum Vornehmen der optischen Überwachung integriert, dass wohl nicht jedes gesprochene Wort verfolgt werden kann, häufig aber doch ein Mithören von Gesprächen ohne weiteres möglich ist.


Das Berliner Justizvollzugsdatenschutzgesetz - eine Möglichkeit der Besuchsverhinderung

Darüber hinaus jedoch werden den Besuchern und Besuchten besondere Maßnahmen aufoktroyiert: beispielhaft sei hier das unlängst in Kraft getretene Justizvollzugsdatenschutzgesetz (Bln), über das der lichtblick noch berichten wird, und das mehr ein Auskunfts-, als ein Datenschutzgesetz zu sein scheint, angeführt. So bestimmt das neue Gesetz, dass Daten über Personen, die nicht Gefangene sind, auch ohne Mitwirkung und Kenntnis der Betroffenen bei Gefangenen und bei Personen oder Stellen außerhalb des Justizvollzuges erhoben werden können. Im Klartext: jeder Bürger, der einen Gefangenen besucht - oder auch nur vom Gefangenen einen Besuchsschein erhält, oder nur mit einem Gefangenen kommuniziert - wird von der Orwell'schen Datenkrake erfasst; schlimmer gar: über ihn können beispielsweise ohne sein Wissen Daten bei Behörden und Ämtern und / oder anderen Personen und Institutionen erhoben werden - und wer wann diese Daten wofür nutzt, kann noch niemand sagen. Da überlegt es sich selbst die unbescholtenste Mutti vielleicht zweimal, ob sie ihren Sohn im Knast besuchen kommt, oder?

Die Besuchsabschreckung geht aber noch weiter: erlaubt es doch das neue Daten"schutz"gesetz, dass von den Besuchern erkennungsdienstliche Daten erhoben werden können, nämlich:

• Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken
• Aufnahme von Lichtbildern
• Feststellung und Messung äußerlicher Merkmale
• Aufnahme von äußerlichen Personenbeschreibungen.

Wohlgemerkt: diese Maßnahmen können nicht nur Gefangenen, sondern Besuchern auferlegt werden - verweigern sie sich, dann wird im Zweifel der Besuch versagt werden. Sicher wird sich, sollten diese erkennungsdienstlichen Maßnahmen tatsächlich in Berliner Gefängnissen bei Besuchern angewendet werden, dieses Gesetz harten verfassungsrechtlichen Überprüfungen stellen müssen.

Ebenso arg trifft es die Gefangenen in manchen Bundesländern: unlängst (s. der lichtblick, 04/2011, S. 40) erließ das Land Sachsen in seinen Knästen höchst fragwürdige Durchsuchungsorgien, die zwischenzeitlich zumindest teilweise von Gerichten gerügt beziehungsweise von den Justizbehörden selbst entschärft wurden. Gefangene aus Thüringen trifft es ebenso - lesen Sie dazu mehr im Bericht von Dieter Wurm in [der Originalpublikation] dieser lichtblick-Ausgabe, S. 36.


Besuch in der Praxis

In deutschen Justizvollzugsanstalten kann im Durchschnitt von einer Besuchsdauer von zwei bis vier Stunden im Monat ausgegangen werden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Datenlage und der Forschungsstand zum Thema Besuch als äußerst dürftig zu bezeichnen sind. Strafvollzugsexperten stellen fest, dass das Thema einerseits kaum einer Erforschung bedarf, da ohnehin einem jeden einsichtig ist, dass Besuche das Vollzugsziel befördern - je mehr Außenkontakte bestehen, desto weniger schwierig ist die Wiedereingliederung, desto eher tritt sozialkonformes Verhalten ein, desto wahrscheinlicher ist die Reduzierung von Prisonisierungsschäden und der Angleichungsgrundsatz wird erfüllt - und gewichtiger Aspekt eines humanen Strafvollzuges sind; andererseits ist ein zu genaues Hingucken seitens der Anstalten eher unerwünscht: würde dann ja entdeckt werden, dass ein bis vier Stunden Besuch unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten nicht annähernd der Zielerreichung dienlich sind.


Die "Gegebenheiten"
Frequenz, Dauer und Zulassung

Die Besuchszeit wird meist auf zwei bis vier Besuche im Monat verteilt - die in bundesdeutschen Anstalten übliche Besuchszeit liegt, nach einer Umfrage des lichtblicks in 25 Gefängnissen, bei circa 30 - 60 Minuten; und dies bei wöchentlicher oder 14-tägiger Besuchsmöglichkeit. Darüber hinaus werden in manchen Anstalten unüberwachte Langzeitbesuche angeboten, die meist einmal im Monat in Anspruch genommen werden können; deren Dauer schwankt zwischen drei und acht Stunden.

Zur Frequenz und Dauer von Besuchen in bundesdeutschen Anstalten hat der ehemalige Anstaltsleiter Dr. Harald Preusker zusammenfassend festgestellt, dass es absolut illusorisch sei zu glauben, dass eine Besuchszeit von ein oder zwei Stunden im Monat eine Beziehung lebendig erhalten könne. Hinzu kämen, so Preusker, die besonderen Bedingungen eines Knast-Besuches, die in der Summe dazu führen würden, dass die Erreichung des Vollzugszieles nicht nur nicht befördert, sondern gar eingeschränkt werde.

Um einen Gefangenen zu besuchen, müssen zuvorderst auch administrative Hürden genommen werden - hier kocht jede Anstalt ihr eigenes Süppchen: in manchen Justizvollzugsanstalten gibt es offene Besuchszeiten, zu denen die - zuvor jedoch in eine Besucherliste des jeweiligen Gefangenen eingetragenen - Besucher "einfach" kommen können; in manchen Anstalten müssen sich die Besucher zum Besuch zum Teil Wochen vorher anmelden, in anderen wiederum muss der Gefangene diese Anmeldung vornehmen. Hier sind teilweise dann auch entsprechend ausgestellte Besuchserlaubnisse mitzuführen. Wird ein (vorher angemeldeter) Besuch nicht wahrgenommen, verfällt er zumeist. Verspätungen des Besuchers führen fast überall zur Nicht-Durchführung des Besuchs.

Auch an den Besucher selbst werden Anforderungen gestellt: Das Mitführen eines Personalausweises ist unseres Wissens überall obligatorisch - und nachvollziehbar; alkoholisierte Besucher werden überwiegend nicht eingelassen - und auch sind Fälle bekannt, in denen ungepflegte Kleidung zum Ausschluss geführt hat. Des Weiteren kann ruppiges Verhalten der Besucher - aus welchem Grund auch immer - zum Ausschluss führen; hier entscheidet stets der an der Besuchspforte Diensttuende. Die Beschwerdemöglichkeiten sind - wie so häufig im Vollzug - eingeschränkt beziehungsweise führen für den Einzelnen meist nur zum Gegenteil des Beabsichtigten.

Besonders die Altanstalten sind meist für Rollstuhlfahrer ungeeignet - selbst wenn heutzutage viele Altanstalten zumindest rudimentär auf behinderte Besucher eingestellt sind.

Ebenso schwierig stellt sich die Situation für Kleinkinder dar: Kinderwagen und Tragetaschen dürfen überwiegend nicht zum Besuch in die Anstalt eingebracht werden.

Ausgeschlossen werden häufig auch ehemalige Gefangene oder Personen, die in "Gefahrenabwehrdateien" eingetragen sind - über diesbezügliche Details konnte der lichtblick im Zuge dieses Artikel keine Recherchen durchführen, ist jedoch an Hinweisen interessiert!

Zusammenfassend ist bereits die Zulassung zum Besuch an Vorschriften geknüpft, die zumindest erschwerend wirken können - keinesfalls aber den Besuch fördern.

Obwohl die Quantität der Besuchszeit kein Wert an sich ist, sondern auch im Zusammenhang mit der Qualität des Besuches gesehen werden muss: erst Zeiten schaffen Möglichkeiten - und sind folglich ein weiteres Argument für eine Erhöhung der Quantität; oder anders: die Bedingungen der Möglichkeit eines wertvollen Besuches sind ausreichende Besuchszeiten.


Durchsuchungen und Überwachungen

Bereits angerissen wurden die mit dem Besuch einhergehenden Durchsuchungsmaßnahmen. Grundsätzlich müssen die den Besuchsverkehr regelnden und reglementierenden Vorschriften des Gesetzes und der Hausordnungen die verfassungsrechtlichen Vorgaben berücksichtigen - dies sind die Respektierung der Menschenwürde (Art. 1 Abs. GG), des Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1), der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) sowie der Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG). Nicht zuletzt müssen sämtliche Eingriffe im Einklang mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 28 Abs. 1) stehen.

Als besonders prägnanter Fall soll hier im Folgenden der Besuch von Kindern exemplarisch und kritisch begleitet werden.

Bereits der Eintritt in das Gefängnis, dessen meist graue, stacheldrahtbewehrten, hohen Mauern martialisch wirken, dessen schweren Metalltüren bedrohlich zuschlagen, dessen grünlich schimmernde Panzerglasscheiben uniformierte Bedienstete fratzenhaft verzeichnen, ist - gelinde gesagt - ein besonderes Erlebnis; erst recht für ein Kind. Die mit dem Besuch bei der Begleitperson - wohl meist die Mutter - einhergehenden An- und Verspannung werden auch dem Kind nicht verborgen bleiben.

Eine Mär jedoch ist, dass bärbeißige Wärter stets die Besucher verschrecken - vielfach berichten Besucher von, den Umständen entsprechend, freundlichen Justizvollzugsbediensteten. Generell sollten die Justizbehörden dafür Sorge tragen, dass entsprechend im Publikumsverkehr geschulte Bedienstete für die Besuchsdurchführung eingesetzt werden.

Jedenfalls mildern auch freundliche Bedienstete nicht das Absonderliche des Abtastens, dem sich auch die Kinder unterwerfen müssen. Zudem fühlen sich insbesondere Besucher von wegen Betäubungsmitteldelikten einsitzenden Inhaftierten einer Art gesellschaftlicher Sippenhaft ausgesetzt - sie berichten teilweise von besonderer Diskriminierung beim Besuch.


Sonderfall "Umwindeln":

Besonders bedenklich - wohl auch rechtlich - scheint hier das Vorgehen mancher Anstalten zu sein, die verlangen, dass Windel-tragende Kinder im Beisein von Bediensteten vor dem Besuch neu gewickelt werden müssen. Juristen kommen zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass zwar als Durchsuchungsmaßnahmen das Abtasten der Kleidung und "Absonden" mittels Detektoren zulässig seien, jede weitergehende Form der Durch- oder Untersuchung jedoch ausscheide. Da Durchsuchungen nicht nur Eingriffe in die Grundrechte der Besucher sind, sondern die JVA bei ihren Eingriffen an die Grundsätze der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit gebunden ist, hat sie - beispielsweise bei der Verhinderung des Einschmuggelns von Drogen - das jeweils mildeste, am wenigsten belastenden Mittel einzusetzen. Ein Eingriff wie der des Umwindelns - das Kind muss unter Aufsicht eines völlig Fremden mit anstaltseigenen Windeln neu gewickelt werden - geht deutlich über das Zulässige hinaus und verbietet sich eigentlich gänzlich, wäre allenfalls als Einzelfallmaßnahme zulässig. Für das Kleinkind ist dieses Umwickeln eine höchst unangenehme Situation - nicht nur, weil die Umgebung nicht die häusliche ist und Anspannungen der Mutter dem Kind nicht verborgen bleiben werden, sondern weil ein Fremder dabei ist und die Materialien andere sind - statt Pflegeprodukten und Feuchttüchern gibt's die Knastservietten. Jedenfalls geht im Erleben des Kindes mit dem Besuch beim Vater Unangenehmes einher - zu bedenken sind hier also nicht nur aktuelle Verstimmungen, sondern auch langfristigen Folgen.


Exkurs: Umkleidungen

Auch die Gefangenen müssen sich in vielen Anstalten Durchsuchungs- oder gar Umkleideprozeduren unterziehen. Besondere Erwähnung soll hier der Aspekt finden, dass in manchen Anstalten Anstaltskleidung getragen werden muss - auch oder gerade beim Besuch. Dies stellt eine besondere Erniedrigung dar; erst recht im Hinblick auf den Besuch von Kindern, denen die absonderliche Bekleidung des Vaters kaum verstehbar gemacht werden kann.

Ohnehin steht das zwangsweise Tragen von Anstaltskleidung seit Jahrzehnten ganz besonders und fast ausnahmslos in der Kritik. Dass das Tragen von Anstaltskleidung auch im Musterentwurf der Landesstrafvollzugsgesetze fortgeschrieben wird, ist schlichtweg ein Unding und geht deutlich an den Gestaltungsgrundsätzen des Vollzuges, gar an den Zielen des Vollzuges, vorbei. Glücklicherweise steht es im Ermessen des Anstaltsleiters, abweichende Regelungen zu treffen - so darf beispielsweise in der JVA Tegel eigene Kleidung werden.

Grundsätzlich besitzt die umfängliche Durchsuchung der Gefangenen den unbestreitbaren Vorteil gegenüber einer Intensivkontrolle der Besucher, da sie weder diese noch den Ablauf des Besuchs selbst belastet.

Sind die Besucher im Besuchsraum eingetroffen, erwartet sie der Gefangene entweder bereits, oder er wird anschließend zugeführt.

Üblicherweise finden die Besuche in größeren Räumen mit mehreren Tischen statt. An jeweils einem eigenen können die Inhaftierten mit ihren Besuchern Platz nehmen. Gewöhnlich befinden sich im gleichen Raum Justizvollzugsbedienstete, die die visuelle Besuchsüberwachung durchführen. Wird diese optische Überwachung so ausgestaltet, dass ein Mithören der Gespräche nicht ohne weiteres möglich ist - beispielsweise in dem die Beamten in einem Glaskasten sitzen, oder etwas abseits auf einem Podest - ist wenigstens das einzelne gesprochene Wort vertraulich. Von der Gewährleistung einer vertraulichen Kommunikation jedoch ist dieses Setting weit entfernt: nur ein Teil der zwischenmenschlichen Verständigung wird verbal geführt - mit anderen Worten: grimmige Blicke, gestenreiche Unterhaltungen, fließende Tränen - all dies ist Kommunikation und der optischen Besuchsüberwachung zugänglich! Dem müsste der Gesetzgeber Rechnung tragen, in dem auch eine optische Überwachung nur im Einzelfall abgeordnet werden darf.

Obwohl die Überwachung selbst Kinder wohl weniger beeinträchtigt, als Erwachsene, fragt zu Recht Prof. Dr. Busch, welchen Sinn eine Überwachung des Besuchs durch einen uniformierten Beamten haben soll?; auch wenn Erwachsene Besucher dieses Erscheinungsbild vielleicht verarbeiten, ist es für das Erleben des Kindes bedeutsam, so Busch weiter. Denn Kinder verstehen nicht den Sinn des Strafvollzuges - die äußeren Bedingungen jedoch nehmen sie wahr.

Von ganz besonderer Bedeutung ist bei einem Besuch, insbesondere der Familie / des Ehegatten, der Körperkontakt: Es gehört zu den normalen gesellschaftlichen Gepflogenheiten, dass sich miteinander enger bekannte Menschen - und zumeist zählen nur solche zu den Besuchern - zumindest zur Begrüßung und Verabschiedung umarmen, drücken, herzen. Küsse und Zärtlichkeit mit dem eigenen Partner austauschen zu können, ist das Mindeste, was bei einem Besuch ermöglicht werden sollte - leider stellt hier jede Anstalt ganz eigene Regelungen auf: teilweise ist ein inniges Miteinander gestattet, teilweise sind Küsse und Berührungen erlaubt, aber gewisse Sitzordnungen müssen eingehalten werden, und teilweise sind nur zur Begrüßung und Verabschiedung Körperkontakte gestattet. Überwiegend - so eine erste Recherche unserer Zeitung - wird es jedoch geduldet, dass Väter mit ihren Kindern recht ungezwungen in Kontakt und Berührung sein können - so beispielsweise auch in der JVA Berlin-Tegel.

Gilt schon für Erwachsene, dass die Wartehallenatmosphäre den Besuch handicapiert - wie viel mehr müssen die besonderen Bedingungen erst Kinder's Seele trüben und verstören?! Können nämlich Erwachsene die besondere Situation berücksichtigen und verarbeiten, ob der Gegebenheiten beispielsweise auf's Schmusen verzichten und sich "angemessen" verhalten, ist Kindern dies nicht möglich: sie verstehen nicht, wieso sie brav am Tisch sitzen müssen, wieso sie mit Papa nicht herumtoben und spielen können. Papa wird ihnen kein Spielzeug mitbringen können, sich mit Ihnen nicht angemessen beschäftigen können und noch immer mangelt es in manchen Anstalten an kindgerechten Spielecken.

Zusammenfassend sind die Durchsuchungen und Überwachungen ganz besondere, dem alltäglichen Leben gänzlich fremde und anstrengende Prozeduren, denen sich unbescholtene Bürger unterwerfen müssen, wollen sie Inhaftierte Freunde, Eltern und Partner besuchen.


Weitere Besuchs-Er- und Be-Schwernisse

Nicht nur der lichtblick schrieb bereits über den Schwindel mit den sozialen Kontakten (Juli 1986, S. 4 - 6), sondern immer wieder war und ist dies Thema - in Gefangenenzeitungen landauf, landab, aber auch in manch wissenschaftlichen Abhandlungen und richterlichen Beschlüssen wird die geringe Besuchszeit als ungenügend verurteilt. Der lichtblick hat damals die Knast-Realität treffend beschrieben - leider ist die Reportage nach wie vor aktuell, so heißt es, dass "die §§ 23 und 24 Strafvollzugsgesetz behandeln die sozialen Kontakte, die zu fördern sind. Wie so vieles im Strafvollzugsgesetz, sind auch diese Paragraphen nichts als Augenwischerei." Im Detail benennt der lichtblick-Redakteur die oft belastende Eintrittssituation: "Besucher haben mir erzählt, dass sie den Eindruck hätten, sie sollten vom Besuch abgehalten werden."; und zur Besuchsdurchführung schreibt er: "Wer noch nicht inhaftiert war kann sich nicht vorstellen, was es heißt, über Jahre ohne Zärtlichkeit auskommen zu müssen, bei flüchtigen Berührungen schon Angst zu haben, dass die Sprechstunde abgebrochen wird, bzw. der Sprechstundenbeamte mit Ermahnungen den Raum betritt. (...) Die nüchterne Wartehausatmosphäre trägt nicht viel zum Wohlfühlen bei." Tatsächlich sind immer noch viele Besuchsräume in bundesdeutschen Justizvollzugsanstalten - nett formuliert - "ungemütlich", obwohl das StVollzG eine "wohnliche" Ausgestaltung der Besuchsräume festschreibt (§ 144); dass die Eintrittsbedingungen notwendiger Weise von schweren Türen und hohen Mauern begleitet werden, steht außer Frage und Kritik - ein leichtes jedoch wäre es für die Justizbehörden, die Besuchsräume selbst zumindest freundlich zu gestalten.


Trennscheibe

Als besonderes Hemmnis des Besuchs können die sogenannten Trennscheiben angesehen werden: armhohe Scheiben krönen die Mitte des Besuchertisches, an dessen einer Seite der Besuch Platz nimmt, und an der anderen der Gefangene. Ob dieses Setting noch den Namen "Besuch" verdient, darf bezweifelt werden - denn wohl niemand wird ein Skype-Videotelefonat als Besuch bezeichnen, und mehr ist dieser Trennscheiben-Besuch auch nicht, ob der Überwachung gar viel weniger. Festzuhalten bleibt, dass damit die äußerste Grenze der psychisch-seelischen Belastung der Betroffenen und der freien, ungezwungenen Kommunikation erreicht ist, so der renommierte Jurist Prof. Dr. Dr. Heinz Müller-Diez.


Gegenstände

In fast allen Anstalten gibt es für die Besucher die Möglichkeit des sogenannten Automatenzuges oder Snack-/Getränke-Einkaufs: Für einen festgelegten Satz, der üblicherweise bei etwa 10-20 EUR liegt, können die Besucher Getränke und Speisen - vorwiegend Snacks und Süßigkeiten, aber auch Rauchwaren - erwerben. Der Ursprung dieses Zusatzeinkaufs liegt darin begründet, dass einerseits auch bei Besuchen in Freiheit Geschenke ausgetauscht werden, und andererseits beim Kaffeekränzchen üblicherweise Kaffee und Kuchen verzehrt werden. Für nicht wenige Gefangene stellt jedoch besonders das Geschenk der Rauchwaren einen zusätzlichen Einkaufs-Nutzen dar. Hier ist nicht zu verkennen, dass die Möglichkeit dieses Rauchwaren-Einkaufs insbesondere für selbst bedürftige Angehörige auch zu einem Zwang mit Folgen führen kann: Nicht nur erwartete Pakete, sondern auch dieser Besuchs-Einkauf kann eine Belastung für Angehörige darstellen, die selbst nur über geringe Mittel, beispielsweise ALG II, verfügen.

Eine Besonderheit scheint die Regelung in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel zu sein, die es den Gefangenen gestattet, selbst zubereitete Speisen und Getränke zum Besuch mitzunehmen. Viele Insassen machen von dieser Möglichkeit Gebrauch - so freuen sie sich, ihre Angehörigen zu bekochen und ihnen so für den Besuch zu danken; und auch für die Angehörigen wird dieses "Bekocht-werden" als Zeichen wertgeschätzt - obwohl die Angehörigen draußen ja vielfältige Möglichkeiten des Essen-Gehens haben.

Die Unsitte jedoch, dass beim Besuch nichts übergeben werden darf, ist Praxis in fast allen Anstalten: auf das Gesetz berufen sich die Justizbehörden, verbietet dieses doch Übergaben. Sicher - jedes Ein- und Ausbringen von Gegenständen in geschlossenen Justizvollzugsanstalten bedarf zumindest einer Kontrolle - wenn nicht einer vorherigen Genehmigung und einer Aufzeichnung; sicher ist aber auch, dass beispielsweise bei der Übergabe selbstgemalter Bilder - vom Vater für's Kind gemalt, oder vom Kind dem Vater geschenkt - eine Kontrolle leicht möglich ist und weder die Sicherheit, noch die Ordnung beeinträchtigt wird.

Obwohl diese Vorschrift für sich genommen vielleicht keine allzu große Beschwernis mit sich bringt, sind es die vielen Be- und Einschränkungen, die den Besuch belasten - und die mit ein wenig gutem Willen zu mildern wären.


Untersuchungshaft und Offener Vollzug

Viele der beschriebenen Besuchsgegebenheiten treffen weder für die Untersuchungshaft, noch für den Offenen Vollzug zu - in der U-Haft ist es meist noch restringierter, im Offenen Vollzug jedoch verdient die Bezeichnung Besuch seinen Namen auch: im Offenen Vollzug werden meist großzügige Besuchszeiten gewährt; zudem sind die Durchsuchungen und Überwachungen weniger ausgeprägt. Kein Wunder: handelt es sich bei Anstalten des Offenen Vollzuges doch um Gefängnisse, in denen Inhaftierte untergebracht sind, bei denen Gefahren - des Missbrauchs und der Entweichung - als gering angesehen werden. Da die Gefangenen im Offenen Vollzug Lockerungen erhalten, sind die baulichen, personellen und sachlichen Sicherheitsmaßnahmen weit weniger ausgeprägt, als in geschlossenen Hochsicherheitsgefängnissen. Mit anderen Worten: Auf das Einschmuggeln von Ausbruchswerkzeugen wird im Offenen Vollzug weit weniger geachtet, weil die Gefangenen nicht auszubrechen brauchen, können sie die Anstalt doch regulär zu bestimmten Zeiten verlassen. So verständlich, wie dieses Procedere seitens der Justizbehörden auch sein mag - mehr Besuch da, wo er weniger Aufwand macht -, so wenig Sinn macht das: Inhaftierte, die Lockerungen erhalten, können ihre Angehörigen in Freiheit besuchen und sind weit weniger auf den Besuch von diesen in der Haftanstalt angewiesen. Großzügige und freundliche Besuche sind natürlich auch im Offenen Vollzug begrüßenswert - hier aber nicht mehr so nötig, wie im geschlossenen Vollzug. Oder provokant: nachdem bei langjährig Inhaftierten ob der ungenügenden Besuchspraxis im geschlossenen Vollzug viele sozialen Kontakte zerstört wurden, helfen tolle Besuchsmöglichkeiten im Offenen nix mehr, wenn keiner mehr geblieben ist, der kommen könnte ...


Bestrafung Dritter

Eine Inhaftierung ist nicht nur für den Beschuldigten ein einschneidendes Erlebnis, sondern auch für dessen Angehörige; nicht selten trifft sie die Inhaftierung aus heiterem Himmel - häufig wussten sie nichts von den Straftaten -, ihre Welt bricht zusammen und sie stehen vor einem Scherbenhaufen. Nicht nur "müssen" sie sich um den inhaftierten Angehörigen kümmern, der in der fremden und fernen Welt des Gefängnisses darbt, sondern - sofern der Inhaftierte der Partner ist - sie stehen plötzlich alleine da, müssen beispielsweise die materielle Versorgung der Familie alleine meistern. Hinzu kommen mit der Inhaftierung einhergehende finanzielle Verpflichtungen: der inhaftierte Partner "muss" versorgt werden, und Anwälte bezahlt werden. Als weitere Probleme und Schwierigkeiten werden unter anderem genannt: Einsamkeit - dazu zählt auch das Fehlen körperlicher Nähe -, Zukunftsängste, Überforderung und Depressionen.

In viel stärkerem Maße als früher werden Angehörige zudem durch die Publizierung der Inhaftierung beeinträchtigt: begrenzte - zeitlich und räumlich - Zeitungsberichte über Tat und Täter ließen ein Nicht-Beachten oder Vergessen zu, das Internet jedoch ist Bestrafung Dritter und Resozialisierungshemmnis par excellence: es vergisst nicht nur nie, sondern ist stets verfügbar. Der Nachbar oder Vater des Schulkameraden ist schnell gegoogelt - und bei negativer Präsenz sind die Folgen für die Familie des Inhaftierten gravierend: werden sie doch oft in Sippenhaft genommen. Um dies von vorneherein zu vermeiden, praktizieren viele Familien Inhaftierter den sozialen Rückzug.

Die Inhaftierung eines Elternteils trifft Kinder besonders hart: Plötzlich ist Papa weg! Für Kinder ist die Inhaftierung des Vaters - über 95 % der Inhaftierten sind männlich, deshalb ist meist Papa weg - oft eine unbegreifliche und leidvolle Situation. Emotionale Probleme, Bettnässen, Schlafschwierigkeiten, Alpträume, konstantes Schreien, negative Einstellungen gegenüber Sicherheitsdiensten, Schulprobleme, Gefahr, selbst kriminell zu werden, Trennungsängste, Essstörungen, vermehrte Aggressivität und Streitereien - dies sind nur einige der Nebeneffekte, die aufgrund der Inhaftierung eines Elternteils bei Kindern auftreten können. Häufig geben sich Kinder auch die Schuld für die Inhaftierung. Und nicht zuletzt sind gerade die Zeitdimensionen einer Haftstrafe für (kleine) Kinder unvorstellbar.

Obwohl es sicher Fälle gibt, in denen die straffälligen Väter auf die Sozialisation ihrer Kinder einen negativen Einfluss ausüben, zeigt es sich in Forschung ganz deutlich, dass auch straffällig gewordene Väter einen positiven Beitrag zur Sozialisation ihrer Kinder erbringen - sofern sie denn als Inhaftierte können.

Zudem: Jedes Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil (sofern nicht ohnehin beide Eltern das Sorgerecht inne haben). In der Kinderrechtscharta (Convention on the Rights of the Child) wird betont, dass sichergestellt werden muss, dass ein Kind nicht von seinen Eltern gegen seinen Willen getrennt werden soll (Art. 9); zudem soll - wenn es ums Kind geht - stets sein Wohl bedacht werden. Des Weiteren bestimmt Art. 12, dass ein Kind frei sein soll, seine Sicht / seinen Willen in allen Dingen, die es betreffen, auszudrücken. Dies soll auch gelten, wenn ein Elternteil des Kindes dem juristischen Sanktionssystem zugeführt wird (Art. 18). Leider ist es nicht ganz klar, ob sich diese Kindesrechte auch national vor Gericht durchsetzen lassen. Die deutsche Rechtsprechung zum Recht des Kindes auf Umgang setzt bei kleinen Kindern einen Besuch 1 - 2-mal im Monat über mehrere Stunden an und bei schulpflichtigen Kindern etwa einen Tag am Wochenende alle 14 Tage und bis zu zwei Tage mit Übernachtung alle drei Monate. Juristen stellen fest, dass es sinnvoll sein kann, dass das Kind auf das Umgangsrecht mit dem inhaftierten Vater in entsprechender Länge klagt.

Zusammengefasst muss Nietzsches Aphorismus, dass es kein Kind gibt, das nicht Grund hätte, über seine Eltern zu weinen, für die Kinder Inhaftierter in ganz besonderem Maße gelten.

Auch für Väter und Ehemänner ist es sehr belastend, die Familie nicht mehr ernähren, am Familienleben nicht mehr teilnehmen, ihrer Rolle in der Familie nicht mehr nachkommen zu können. Zudem verlieren inhaftierte Väter / Partner durch die Haftsituation und die Fokussierung der damit verbundenen Probleme oftmals den Blick für die Not und die Bedürfnislagen ihrer Angehörigen.

Ja - inhaftierte Väter müssen sich nicht nur den Vorwurf, sondern auch die Schuld dafür gefallen lassen und geben, dass ihr Kind sie in der Haft besuchen kommen "muss" - das ändert aber nichts daran, dass der Vollzug zumindest die Bestrafung Dritter zu mildern hat und Schäden - auch bei Dritten - zu vermeiden hat.


Besondere Aspekte und Formen des Besuchs

Neben dem Regelbesuch, dem regelmäßigen Besuch gemäß § 24 StVollzG, gewähren einige Justizvollzugsanstalten Sonderbesuche. Diese Sonderbesuche finden zwar meist nur alle paar Monate statt - beispielsweise als Vater-Kind-Gruppen oder sogenannte Meetings -, nichts desto trotz sind sie eine Bereicherung für die Gefangenen und auch für deren Angehörige. Häufig unterscheiden sich diese Sonderbesuche nämlich auch qualitativ von den Regelbesuchen: so finden Vater-Kind-Gruppen oder Meetings (das Zusammenkommen mit nahen Angehörigen) in besonderer Atmosphäre statt; einen Beitrag dazu liefern sicher die ausgedehnten Zeiten - auch über mehrere Stunden finden diese Besuche statt -, die speziellen Räumen, in denen die Besuche abgehalten werden - diese finden überwiegend nicht in den normalen Besuchsräumen statt -, und nicht zuletzt das beaufsichtigende Personal - dies sind häufig Sozialarbeiter.

Der Bericht einer Angehörigen eines in der JVA Berlin-Tegel Inhaftierten: "Wir, meine Kinder und ich, besuchen H., meinen Mann und den Vater unserer Kinder, so oft es geht. Leider sind die Besuche immer viel zu kurz. Es kommt uns oft so vor, als hätten wir uns grad erst hingesetzt, und schon werden wir wieder aufgefordert, den Besuch zu beenden. Unsere Kinder, besonders der Jüngste, sind oft total aufgewühlt nach einem Besuch - deshalb komme ich manchmal ganz bewusst alleine. Leider ist auch das Rein- und Rausgehen belastend und der Besuchsraum wirklich ungemütlich. Ganz anders die Meetings. Schon seit einigen Jahren bekommen wir diese Meetings. (Diese finden circa alle 3 Monate statt, T.F.) Leider wurden sie jetzt verkürzt - wieso? Immerhin aber haben wir zwei Stunden im Pavillon, einem besonderen Raum in der Teilanstalt, in der mein Mann untergebracht ist. Dort können wir ganz normal, wie in einem Café, sitzen und reden. Das ist fast so, als würden wir gemeinsam im Eiscafé sitzen. Manchmal setzt sich dann die Gruppenleiterin auch zu uns. Sonst sind wir aber ungestört und das ist einfach nur herrlich."


Langzeitbesuche

In dem Musterentwurf der Länderstrafvollzugsgesetze (s.o.) wurde erstmals der Langzeitbesuch als Form des Besuchs benannt. Bereits seit Mitte der 1980er Jahre jedoch finden - unüberwachte - Langzeitbesuche in einzelnen bundesdeutschen Anstalten statt - der Anfang wurde in der JVA Bruchsal 1984 gemacht, als zwei Baucontainer zu Besuchsräumen umgebaut und dort Langzeitbesuche offeriert wurden. Fast ausnahmslos positive Erfahrungen wurden in der JVA Bruchsal mit diesen Besuchen gemacht; zusammenfassend wurde bereits damals festgestellt, dass

  • es ohne haltgebende soziale Beziehungen keine erfolgreiche Wiedereingliederung geben kann,
  • Gefangenen mit langen Freiheitsstrafen entweder nur teilweise über solche Beziehungen verfügen, beziehungsweise diese während des Vollzuges in aller Regel in die Brüche gehen,
  • deshalb besonders bei langen Freiheitsstrafen die bestehenden Bindungen gefördert werden müssen und den beziehungslosen Gefangenen geholfen werden muss, neue Beziehungen anzubahnen und zu entwickeln,
  • die bestehenden Regelbesuche dafür regelmäßig nicht ausreichen,
  • auch die erotischen und sexuellen Bedürfnisse der Gefangenen nicht länger tabuisiert werden dürfen,
  • Langzeitbesuche folglich ein geeignetes Mittel darstellen, um die benannten Probleme zumindest zu mindern und die Resozialisierung zu fördern.

Zum gleichen Ergebnis kommt eine deutsche wissenschaftliche Untersuchung aus den 1990er Jahren, die der Behandlungsmaßnahme "Langzeitbesuch" eine hohe Wirkung bescheinigt. Die Bedeutung der Familie für die Wiedereingliederung sei überragend, und das Nutzen dieses Mittels sei in höchstem Maße geboten. Ausgedehnte Langzeitbesuche seien folglich eine behandlerische Notwendigkeit, dessen Nutzen außer Frage stehe.

Auch amerikanische Studien - Langzeitbesuche werden nämlich bereits seit Jahrzehnten in vielen Ländern dieser Welt praktiziert, teilweise dauern diese Besuche mehrere Tage, manchmal gar mehrere Wochen! - bestätigen ausnahmslos positive Wirkungen von Langzeitbesuchen; dabei wird betont, dass diese positiven Wirkungen nicht nur bei den einzelnen Inhaftierten beziehungsweise deren Partner / Kindern auftraten, sondern sich das gesamte Anstaltsklima verbessert habe. Zudem wird auch in den amerikanischen Studien die hohe Relevanz von Langzeitbesuchen bei der Legalbewährung betont: Gefangene, die Langzeitbesuche erhalten haben, würden signifikant seltener rückfällig, als vergleichbare Inhaftierte, die nur Regelbesuche erhielten, so die Studie.

Dies korreliert mit einer neuen Langzeitstudie, die den Zusammenhang zwischen Familienstand und krimineller Entwicklung untersuchte; in dieser stellten die Wissenschaftler fest, dass das Risiko einer kriminellen Entwicklung durch den Familienstand "verheiratet" um 35 % niedriger ist, als für dieselbe Person mit dem Status "nicht verheiratet".

Nicht verschwiegen werden dürfen an dieser Stelle jedoch die mit unüberwachten (Langzeit-)Besuchen einhergehenden Gefahren: Zum einen ist hier das Einschmuggeln verbotener Gegenstände zu nennen, zum anderen bergen diese Begegnungen die Gefahr von ausufernden Auseinandersetzungen. Beide Gefahren dürfen jedoch weder überschätzt werden, noch sind sie für die Justizbehörden unbeherrschbar: So ermöglichen es die Kontrollen von Besuchern und Besuchten, das Risiko des Schmuggeln zu minimieren, und: einem freien Leben immanent ist das Unüberwachte - mit anderen Worten: jedes Ehepaar, jede Familie, verbringt große Teile ihres Privatlebens "unüberwacht", privat; keiner wird fordern, dass in jeder Wohnung ein Schutzpolizist Wache hält, um eventuell auftretende Streitigkeiten zu schlichten beziehungsweise zu verhindern! Unüberwachte Langzeitbesuche sind vielmehr ein Privat-Leben unter kontrollierten Bedingungen: bevor Inhaftierte Langzeitbesuche erhalten, werden sie und ihre Besucher überprüft. Dass es trotzdem zu Streit während eines Besuches kommen kann, spiegelt nur das wahre Leben wider; werden die Auseinandersetzung handgreiflich, ist das tragisch.

Geschehen jedoch solche Vorkommnisse, ist zu hoffen, dass die Justizbehörden mit Augenmaß reagieren und sich nicht von populistischen Berichten der Revolverblätter, die solch ein Vorkommnis meist skandalisierend ausschlachten, verunsichern lassen. Es ist kein Geheimnis, dass die beeinflusste öffentliche Meinung den Umgang mit Straftätern maßgeblich determiniert - genauer: nicht selten werden die Bürger an der Nase herumgeführt - Angst sells, Schauermärchen verkaufen sich -, und Politiker, denen das eigene Wohl näher liegt als das des Volkes, werden auf den Populismus-Zug aufspringen und wider besseren Wissens handeln - und verschlimmbessern dadurch häufig. Auch in der Kriminalund Strafvollzugspolitik ist dies zu beobachten, wie der lichtblick immer wieder aufzeigt.


Exkurs: Knastzölibat; beziehungsweise: das Gefängnis - eine eingeschlechtliche Institution

Vor über 20 Jahren, anlässlich der Einführung der "Liebeszellen", fragten sich Wissenschaftler, warum diese Besuchsform so viel Aufsehen erregt, denn verglichen mit dem, was im Ausland schon jahrzehntelang praktiziert wurde, würden die deutschen Langzeitbesuche enttäuschen. Auch heute noch herrscht häufig Unverständnis wenn nicht gar Empörung darüber, dass Gefangene in der Haft ficken dürfen - nicht ihre Mitgefangenen in der Dusche, sondern mit ihren Partnerinnen ungestört und unüberwacht einige Stunden in "Liebeszellen" verbringen können.

Ist das, diese Entrüstung, wirklich so - oder nur massenmediale Meinungsmache? Der lichtblick glaubt, dass das Thema Strafvollzug, dass zwar mitten unter uns ist, in das der Durchschnitts-Bürger aber nur mittelbar Einblicke erhält (und auch erhalten will), für viele ein unbekanntes Wesen ist. Die Frau und der Mann auf der Straße wissen vom Knast das, was die Presse sie wissen lässt - und oft ist dies nur die Spitze des Eisberges beziehungsweise Einzelnes parteiisch fokussierend.

Wie dem auch sei - auf den ersten Blick mutet es tatsächlich befremdlich an, dass Inhaftierte, die auch scheußliche Verbrechen begangen haben, im Knast sexuellen Gelüsten frönen dürfen - die Bestrafung soll weh tun, sühnen sollen die Täter. Auch in der Gefängniskunde wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass die Strafe so schwer wie möglich sein soll, damit die Gefangenen durch die entstehenden Leiden geläutert werden; hierunter fiel auch der Entzug heterosexueller Sexualkontakte.

Bei genauerem Hinsehen und Nachdenken aber stellt sich die Erkenntnis ein, dass Straftäter die Freiheit entzogen wurde - mit dem Ziel, im Knast aus ihren Fehler zu lernen und es zukünftig besser zu machen; oder anders: fast alle kommen wieder raus; und sollen das keine "Monster", frustrierte und beschädigte Menschen sein, dann muss der Vollzug entsprechende Maßnahmen ergreifen, die auch das Gesetz benennt: Schäden vermeiden, Lebensverhältnisse angleichen, Kompetenzen erhalten und Sozialleben fördern.

Und dazu gehört auch: ausgelebte Liebe, Lust und Leidenschaft. Sexualität ist conditio sine qua non menschlichen Lebens und der Sexualtrieb ist uns immanent: ohne Sex kein Leben - und Spaß macht es auch noch (aufgemerkt: Freude ist unentbehrlich für die körperliche wie seelische Gesundheit). Nicht jeder aber kann immer und überall: ein Grund kann auch der fehlende Sexualpartner sein; dem "Druck" trotzdem nachzukommen, kann man(n) und frau mittels der Masturbation.
Diese Triebbefriedigung steht auch Inhaftierten offen.

Schädlich ist dies nicht - kann es aber sein; nämlich dann, wenn das Sexualleben des Gefangenen im Strafvollzug von demjenigen abweicht, das er in Freiheit gelebt hat. Bei dieser nun von ihm praktizierten Form der "Notsexualität" sind schädliche Folgewirkungen nicht ausgeschlossen. So konstatieren Sexualmediziner, dass jahrelange Selbstbefriedigung ohne zwischenmenschliche Sexualkontakte schädliche Folgen habe; zudem würden viele psychischen Störungen, die bei Gefangenen während der Haft auftreten, ihre Ursache darin finden, dass das Ausleben des Sexualtriebes unterdrückt werden müsse beziehungsweise dass die Gefangenen in einer reinen Männergesellschaft leben müssten. Die sexuelle Deprivation wirke sich laut Medizinern aber nicht nur auf die Psyche, sondern auch auf den Körper des Gefangenen negativ aus: berichtet wird von unterschiedlichsten, unspezifischen Beschwerden und Schmerzen.

Neben diesen intrapersonellen Erkrankungen, krankt auch das Anstaltsklima an mangelnder Heterosexualität: viele Gefangene und Forscher führen die in den Gefängnissen auftretenden Spannungen und Aggressionen zu einem großen Teil darauf zurück; es wird gar die Ansicht geäußert, dass der Mangel an Zärtlichkeit, Befriedigung und gemischtgeschlechtlichem Sozialleben einen sinnvollen Strafvollzug von vorneherein ad absurdum führen könne!

Waren bei der "Geburt" des Gefängnisses - Gefängnisse gibt es erst seit einigen hundert Jahren - noch Männlein und Weiblein, Kinder und Alte, Wahnsinnige und "Normale" zusammen unter üblen Bedingungen eingepfercht, wurden im 18. und 19. Jahrhundert neue Systeme entwickelt: das pennsylvanische System, das die gänzlich isolierte Einzelhaft als sinnvoll ansah, und das auburnsche System, welches die Trennung der Gefangenen während der Nacht und Sprechverbote vorsah. Jedenfalls wurden fast überall eingeschlechtliche Gefängnisse installiert - auch ein Ergebnis puritanischer Sexualmoral: so sei diese getrennte Unterbringung besonders ein Gebot der Sittlichkeit; zudem seien nach Geschlechtern getrennt untergebrachte Gefangene lenksamer.

Auch im 20. Jahrhundert wurde die Geschlechtertrennung aufrechterhalten: galt doch die Geschlechtlichkeit per se als besonders gefährdend und schlecht.

Die meist einzige Möglichkeit der Triebbefriedigung für Gefangene - die Selbstbefriedigung - setzt Anregung voraus: solange die Inhaftierten noch in der Lage sind, reproduzieren sie geile Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit. Diese Erinnerungen aber verblassen; und ob der Eingeschlechtlichkeit können auch keine neuen entstehen: ein netter Blickwechsel, ein sympathisches Gespräch oder ein heißer Flirt mit einer Frau sind im Knast unmöglich. Folglich muss zur Anregung Pornographie benutzt werden. Und je länger die Inhaftierung, umso härter die Pornographie - um noch geil zu machen, muss es mehr - härter - werden. Wurde in vergangenen Jahrzehnten noch überwiegend gedruckte Pornographie, die sogenannten Schwingen, gebraucht, handelt es sich heute um DVD-Videos.

Teilweise verbieten Anstalten Medien mit pornographischem Inhalt, beziehungsweise deren Bezug wird erschwert, denn: Justizbehörden wissen um schädliche Folgen von dauerhaftem Konsum harter Pornographie - zusammengefasst steht sie im Verdacht, Erektions- und Partnerschaftsstörungen hervorzurufen. Jedoch versagen sie andere Möglichkeiten der Triebbefriedigung. Aus diesem Dilemma gibt es nur zwei Lösungen: die Kastration der Inhaftierten oder die vermehrte Gewährung von Langzeitbesuchen und generell die Aufhebung der Eingeschlechtlichkeit des Gefängnisses.


Besuche - Ausdruck von Humanität, Grundrecht und Behandlungsmaßnahme

Zur Wiedereingliederung in die Gemeinschaft gehört die Befähigung zum Leben in der Gemeinschaft. Die kleinste soziale Einheit ist die Familie - und ihr kommt unter behandlerischen Gesichtspunkten eine große Bedeutung zu. So sind die eigenen Kinder für viele Inhaftierte eine große Motivation, ein soziales Leben ohne Straftaten zu führen. Auch Partnerinnen Gefangener sind wichtige Unterstützerinnen während der Haft und nach der Entlassung: Während der Haft spenden sie Kraft und Hoffnung, lindern die Einsamkeit und mindern die Entbehrungen, nach der Entlassung sind sie der sichere Hafen, von dem aus die Entlassenen begleitet wieder ins Leben aufbrechen. Oder anders: Alleinstehende haben es schwer; alleinstehende ehemalige Strafgefangene noch viel schwerer; und ganz profan: allein schon der Einzug in die Wohnung der Partnerin - und nicht das Landen auf der Straße mit dem blauen Müllsack - am Tag der Entlassung ist ein gewichtiger Faktor bei der Legalbewährung. Studien zur Rückfälligkeit ergaben, dass Inhaftierte, die keine Besuche in der Haft erhalten hatten, 6-mal häufiger rückfällig wurden, als Inhaftierte, die regelmäßigen Besuch von Freunden und Verwandten bekamen!

Aber auch andere Außenkontakte sind zu fördern: seien es ehemalige Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte - jeder Kontakt in der Haft nach draußen - nur vielleicht nicht der zu kriminellen Banden oder Mittätern - kann die schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges mindern und bietet gute Voraussetzungen für das Gelingen eines straffreien Lebens - oder anders: sind Inhaftierte Tag für Tag, Jahr für Jahr überwiegend mit anderen kriminellen Subjekten in einer grauen Welt voller Verbote und Einschränkungen eingesperrt, ist jeder Außenkontakt wertvoll und der Zielerreichung dienlich. Zudem dürfen auch die Rechte Dritter durch die Inhaftierung nicht mehr eingeschränkt werden, als zwingend notwendig: Ehefrauen und Kinder haben ein Recht auf ihren Partner und Vater. Da die Scheidungsrate bei Inhaftierten etwa 5-mal so hoch ist, wie in der Gesamtbevölkerung, Untersuchungen in Amerika jedoch ergeben haben, dass Scheidungspläne aufgegeben wurden, nachdem den Ehegatten regelmäßig die Möglichkeit von umfangreichen Besuchen eingeräumt wurde, muss auch daraus ein zwingendes Mehr von Besuchen abgeleitet werden.


Fazit

Niemand sagt über den Besuch etwas negatives. Alle bescheinigen dem Besuch positives. Wieso wird er dann nur so minimalistisch gewährt?

Justizbehörden antworten meist lakonisch mit dem Hinweis auf das Gesetz: es würde eine Stunde vorschreiben und man würde ohnehin bereits mehr, nämlich zwei, drei oder vier Stunden Besuch pro Monat, gewähren - über dieses Geschenk solle man (der larmoyante und lamentierende Knacki) mal glücklich sein. Bei weiterem Nachbohren werden dann von den Anstalten organisatorische, finanzielle oder personelle Gründe ins Feld geführt, weswegen ein Mehr an Besuch nicht angeboten werden könne. Gehört wurden auch schon Argumente von Justizbehörden, dass vielen Menschen draußen eine Stunde mit der Mutter oder Schwiegermutter am Sonntagnachmittag zum Kaffeekränzchen genügen würde ... Zu beachten jedenfalls ist zweierlei: die Familie bietet ein wertvolles Potenzial für eine gelinge Wiedereingliederung und erfolgreiche Legalbewährung (1.). Zudem sollte ein moderner, humaner und sozialstaatlicher Strafvollzug bemüht sein, Schäden bei Dritten zu minimieren (2.).

1. In den letzten Jahrzehnten beschäftigte sich die Forschung im Strafvollzug besonders mit dem, was denn wirkt - welche Behandlungen sind erfolgreich? -; konzentriert wurde sich dabei häufig nur auf die Frage, wieweit eine Verhaltensänderung beim Täter erreicht wurde, ein spezifisches Behandlungsprogramm die Rückfälligkeit gemindert hat. Außer Acht gelassen wurde dabei häufig das soziale Umfeld des Täters, das eine gewichtige Rolle einnimmt; nicht nur bei der Beeinflussung der Behandlungsmaßnahme, sondern grundsätzlich. Mit anderen Worten: Ich lerne dann gut, wenn es mir gut geht, verändere mich, wenn ich einen Anreiz habe. Oder andersherum: Auch raffinierteste Behandlungsprogramme werden verpuffen beziehungsweise weniger erfolgreich sein, wenn sie frustrierten, unbefriedigten und einsamen Knackis aufgepfropft werden. Vor allen Dingen dann, wenn die Jahre zuvor munter Schiffe-versenken gespielt wurde - der lichtblick-Redakteur Andreas Werner hat es pointiert in einer seiner Geisterwelt-Geschichten (Ausgabe 3/2010, S. 46 - 49) literarisch aufgezeichnet: "Zum Ende der Haftzeit, das ist der Zeitpunkt, an dem der eigene Wortschatz auf 500 Worte geschrumpft, die Ehe geschieden und der letzte Freund unbekannt verzogen ist, wenn das Jobcenter einem nur noch zwei Alternativen bieten kann, Parkplatzwächter oder Flaschensortierer, einige es hier nur noch mit Psychopharmaka ertragen und die einzige regelmäßige Korrespondenz nur noch mit Inkassofirmen besteht - genau dann wird die Beurteilung immer besser." - und dann lässt man dem in Kürze zu Entlassenden die ein oder andere Behandlungsmaßnahme zukommen. (Dass auch in der (quantitativen) Evaluationsforschung genau dieser skizzierte idealtypische Werdegang des Untergangs kaum Berücksichtigung findet, soll an dieser Stelle nur angerissen werden.)

Was also wäre zu tun? Zuvorderst einmal, das bestehende "Wiedereingliederungsmittel Familie / Partner / Angehörige" nicht nur nicht zu zerstören, sondern "anzuwenden"; zumal dieses Mittel (für die Justizbehörden) kostenlos ist! Aufwand verursacht es jedoch trotzdem: Beziehungen müssen gepflegt werden - es muss folglich Inhaftierten und Besuchern in viel stärkerem Maße als bisher ermöglicht werden, zusammen zu kommen; unter möglichst angenehmen Bedingungen.

2. Das juristische Sanktionssystem schädigt. Ja - es "schädigt" den Täter, in dem diesem Freiheit entzogen wird - auch wenn dies zur Besserung desselben geschieht. Schädigend wirkt es vor allen Dingen aber deshalb, weil die Folgen - Kosten - des Vollzuges über die Entziehung der Freiheit des Täter deutlich hinaus gehen: denn auch die Familien der Täter werden be- und geschädigt. Auf das gesellschaftliche Problem "Kriminalität" wird durch die verkürzte Sicht auf die Bestrafung / Behandlung des Täters nicht angemessen reagiert - oder anders: Strafe (ob mit oder ohne Behandlung) wird so sehr als "natürliche Reaktion" auf Kriminalität angesehen, dass eine Betrachtung ihrer Nebeneffekte kaum geschieht. So wird unter anderem dem Gesamtproblem "Gewährleistung der Inneren Sicherheit" nicht mit dem Mittel der Bestrafung - und Behandlung - des Täters genüge getan; vielmehr müssen die mit dem Freiheitsentzug eventuell einhergehenden Straftaten in die Gesamtberechnung einfließen - so können durch die Inhaftierung neue Straftaten zumindest begünstigt werden. Wenn wir beispielsweise davon ausgehen, dass etwas wirkt, also durch intramurale Behandlungsprogramme die Rückfälligkeit bei Straftätern im Durchschnitt um 10 % gesenkt wird, wir aber beispielsweise ebenso davon ausgehen, dass die Inhaftierung des Täters dessen Umfeld - Geschwister, Kindern, etc. - so negativ beeinflusst, dass die Zahl der zukünftigen Straffälligen um 10 % steigt, dann wäre gesamtgesellschaftlich nicht nur nichts erreicht worden, sondern unter dem Strich stünde ein großes Minus: finanzieller Art, aber auch moralischer ...

Selbst wenn durch die Inhaftierung keine neuen Straftaten provoziert werden, sind die Kosten erheblich - und gehen deutlich über die des Freiheitsentzuges hinaus: zu nennen sind hier beispielsweise Gesundheitskosten, Kosten für Sozialleistungen, Ausbildungskosten, Wohnraumhilfen, etc., die bei den Angehörigen des Inhaftierten wegen dessen Inhaftierung entstehen.

Zwar darf Rechtsstaatlichkeit keine Frage des Geldes sein - ein Staat, der sich jedoch auch Sozialstaat nennt, darf der Schäden bei (unschuldigen) Einzelnen und dem Volk billigend in Kauf nehmen, gar evozieren?

Was also wäre zu tun? Zuvorderst einmal sich des Problems der "staatlich Geschiedenen" und "Alleinerziehenden auf Zeit" und "zwangsgetrennten Kinder" bewusster werden - denn auch sie sind Opfer. Sodann ist es dringend geboten, die verkürzte, fast ausschließlich auf das Individuum des Täters gerichtete Sichtweise des Strafvollzugsgesetzes zu erweitern und die Angehörigen mit in den Fokus zu nehmen, beispielsweise Ehe- und Familienförderung zu betreiben. Diese dürfte aber nicht nur "Tropfen auf den heißen Stein" sein, alle ¼-Jahr ein Familienseminar / -meeting, auch dürfte die Familie nicht vornehmlich als günstige "Resozialisierungsinstanz" angesehen werden, sondern Ehe und Familie müssten umfassend und intensiv von Inhaftierten und deren Angehörigen gelebt werden (können).

Zu tun also wäre was ... Justizbehörden und Anstalten sind aufgefordert, das geeignete, bewährte und menschenfreundliche Resozialisierungsmittel "Besuch" vermehrt anzubieten - und dadurch auch Schäden bei Dritten abzuwenden.

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"Besuche sind die einzige wirkliche Möglichkeit, den Kontakt "nach draußen" aufrecht zu erhalten. Sie sind deshalb unerlässlich für eine erfolgreiche Resozialisierung. Jeder Versuch, die persönlichen und gerade auch familiären Bindungen nach draußen zu intensivieren, sind zu unterstützen. Erst wenn der Gefangene überhaupt keinen Kontakt mehr nach draußen hat, ist er der totalen Institution Knast total ausgeliefert."

Dirk Behrendt, Rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus

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Justizsenator Thomas Heilmann

"Besuche sind schon im normalen Leben von großer Bedeutung. Noch wichtiger ist die Aufrechterhaltung der familiären und sozialen Kontakte für Gefangene - vor allem für Inhaftierte im geschlossenen Vollzug, wenn sie noch nicht zu Vollzugslockerungen zugelassen sind.

Dass Sicherheitskontrollen bei Besuchen zuweilen als belastend empfunden werden, ist sicher richtig. Doch nur so lässt sich verhindern, dass nicht erlaubte Dinge in die Haftanstalt verbracht werden. Drogen zum Beispiel.

Eben weil uns der hohe Stellenwert, den Besuche für die Gefangenen haben, bewusst ist, gibt es pragmatische und praktikable Besuchsregelungen. Nur bei Sicherheitsfragen können wir leider keine Abstriche machen."

Wir danken Justizsenator Heilmann für sein Statement zu unserem Besuchsartikel.

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Kommentar

von Rechtsanwalt PD Dr. habil. Helmut Pollähne zu Besuchen in der Untersuchungshaft

Für Gefangene sind sog. "Außenkontakte", also der Verkehr mit "Personen außerhalb der Anstalt" von zentraler Bedeutung. Das gilt für Untersuchungsgefangene um so mehr: Sie werden von der Verhaftung, oder doch jedenfalls von deren Zeitpunkt, in aller Regel völlig überrascht und von einem auf den anderen Tag aus allen bisherigen sozialen Zusammenhängen (Familie, Freunde, Arbeit, Wohnung ...) gerissen. Über den 'bloßen' Umstand der Freiheitsentziehung hinaus wird eine normale und regelmäßige Kommunikation mit Mitmenschen unterbunden bzw. reglementiert - und das nicht selten weit über das Maß hinaus, das durch den jeweiligen Haftzweck (in den allermeisten Fällen Fluchtgefahr, häufig eher konstruiert als real) bestimmt wird. Dabei gerät allzu leicht aus dem Blick, dass für die Untersuchungsgefangenen die Unschuldsvermutung streitet: In der Praxis - und im subjektiven Hafterleben - wird die 'nur' verfahrenssichernde Freiheitsentziehung sehr viel härter empfunden als Strafvollzug, gerade was die Außenkontakte betrifft. Diese kommunikativen Außenkontakte sind in der U-Haft auch deshalb von besonderer Bedeutung, weil unmittelbare Kontakte außerhalb der Anstalt (etwa im Rahmen von Vollzugslockerungen) praktisch und von Rechts wegen ausgeschlossen sind. Solche Außenkontakte sind weder durch Kontakte mit Mitgefangenen und erst recht nicht durch die (Zwangs-)Kontakte zum Anstaltspersonal zu ersetzen.

Im Rahmen dieser allgemeinen Bedeutung von Außenkontakten verdienen bestimmte Kontakte eine Privilegierung, und zwar einerseits in persönlicher Hinsicht zur Aufrechterhaltung der Beziehungen zu Angehörigen, andererseits im Hinblick auf das laufende Strafverfahren und die Haftsituation der Kontakt zur Verteidigung. Daneben treten eine Reihe weiterer Kontakte, die zu privilegieren sind (Rechtsanwälte/ Notare in anderen Rechtssachen, Seelsorge, Anstaltsbeirat, parlamentarische und justizielle Kontrollgremien etc.), was freilich nicht darauf hinauslaufen darf, andere 'normale' Außenkontakte, die der Inhaftierte wünscht, hintanzustellen. Was den Untersuchungsgefangenen als Besuchszeiten zur Verfügung gestellt wird, ist - gerade auch in den ersten Tagen und Wochen - beschämend wenig.

So selbstverständlich es dem inhaftierten (wie dem auf freiem Fuß befindlichen) Beschuldigten untersagt ist, das Strafverfahren zu sabotieren, so selbstverständlich ist es ihm gestattet, auf 'lautere' Weise über 'die Sache' zu reden. Auch insoweit muss gewährleistet sein, dass der Inhaftierte dem auf freiem Fuß Befindlichen gegenüber nicht benachteiligt wird - in der Praxis wird die Verdunkelungsgefahr oft überbewertet bzw. pauschal unterstellt. Die aufgrund solcher Unterstellungen legitimierte Überwachung der Außenkontakte birgt zudem das Risiko, zur Ausforschung zu werden und damit zum Missbrauch der U-Haft als Beugehaft beizutragen.

In der Vollzugspraxis und bei der Anwendung vollzugsrechtlicher Vorschriften sind völkerrechtliche Regelwerke und internationale Standards zu berücksichtigen, die in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben. Soweit diese sich auf Gefängnisse beziehen, wird regelmäßig der U-Haft ebenso wie den Außenkontakten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Exemplarisch sei verwiesen auf die European Prison Rules (EPR, mit "Europäische Strafvollzugsgrundsätze" nur unzureichend übersetzt sind). In Nr. 99 heißt es u.a. wörtlich: "Soweit in einem Einzelfall nicht ein konkretes, für einen festgelegten Zeitraum geltendes Verbot einer Justizbehörde vorliegt, dürfen Untersuchungsgefangene in der gleichen Weise wie Strafgefangene Besuche empfangen und mit ihrer Familie und anderen Personen in Verbindung treten [und] zusätzliche Besuche empfangen und zusätzlichen Zugang zu anderen Kommunikationsformen haben ...". Außerdem verdienen die Standards des CPT (Europäisches Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe) Erwähnung, die in Kapitel II. (Gefängnishaft) in Nr. 51 und 63 die Bedeutung der Außenkontakte besonders hervorheben und einen entsprechenden Förderauftrag der Anstalt konstituieren.

Auf eine den grundrechtlichen Anforderungen nicht genügende Berücksichtigung vorhandener Erkenntnisse oder nicht entsprechende Gewichtung der Belange von Inhaftierten kann es hindeuten, so das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung zum Jugendstrafvollzug betont, wenn "völkerrechtliche Vorgaben oder internationale Standards mit Menschenrechtsbezug, wie sie in den im Rahmen der Vereinten Nationen oder von Organen des Europarates beschlossenen einschlägigen Richtlinien und Empfehlungen enthalten sind", nicht beachtet beziehungsweise unterschritten werden. Nicht nur in puncto Besuche werden die grund- und menschenrechtlichen Belange Untersuchungsgefangener unzulänglich gewichtet.

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Interview

mit Melanie Mohme, Dipl.-Sozialpädagogin, beschäftigt bei der Diakonie für Bielefeld gGmbH, verantwortlich für die Anlaufstelle Freiräume, die für inhaftierte und haftentlassene Eltern, deren Kindern und Familien Angebote in geschlossenen und offenen Vollzugseinrichtungen in Bielefeld, NRW-weit und in der Beratungsstelle bietet.

lichtblick: Frau Mohme - genügen die Ihnen bekannten Besuchsmöglichkeiten im geschlossenen Männervollzug dem Recht des Kindes auf Umgang mit dem Vater sowie dem grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie?

Melanie Mohme: Der Staat hat den gesetzlichen Auftrag, die Partnerschaft und Familie zu schützen und durch geeignete Maßnahmen zu fördern. Gerade im Strafvollzug erhält dieser Auftrag eine besondere Relevanz. Partnerschaften und Familien sind durch die Inhaftierung des Mannes auseinandergerissen, was verschiedenartige Probleme und Schwierigkeiten für alle Beteiligten zur Folge hat. Auch wenn diese Mitbetroffenheit beispielsweise der Kinder vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt ist, gibt es flächendeckend keine ausreichenden Besuchsmöglichkeiten, die nach den Bedürfnissen des Kindes ausgerichtet sind. Insbesondere im geschlossenen Vollzug sind die Bedingungen für einen kindgerechten Kontakt des Kindes mit dem inhaftierten Elternteil unzureichend. Zwar haben viele geschlossene JVAen vielleicht kleine Kinderbesuchszimmer. Aber einen Raum um zum Beispiel gemeinsam zu toben, zu kuscheln, zu kochen, inhaftierte Eltern zu sein ...?

Folglich ist die Aufrechterhaltung familiärer sozialer Kontakte nur sehr eingeschränkt möglich, so dass sich das "Familienleben" zumeist auf die klassischen Besuchszeiten - und ressen Umstände - beschränkt.

lichtblick: Müsste da also - zum Wohle der Kinder - die Empfehlung lauten, die Kinder besser zu Hause zu lassen?

Melanie Mohme: Rund um dieses Thema ist das Kindeswohl höher einzuschätzen, als das Umgangsrecht des inhaftierten Elternteils.

Wenn ein Besuch des Kindes in der JVA aus welchem Grund auch immer für das Kind schädlich ist, sollte es nicht zu einem Besuch innerhalb der JVA kommen.

Das Kindeswohl ist nicht alleine dadurch gefährdet, dass ein Elternteil in der JVA einsitzt. Zu beachten sind die Strukturen besonders im geschlossen Vollzug, da beispielsweise die Eingangskontrollen sowie die Anwesenheit von Uniformträgern einen mindestens verunsichernden und auch verängstigenden Eindruck bei den Kindern hinterlassen könnten. Hinzukommt die "Vorbildfunktion" des inhaftierten Elternteils für das Kind, die als Insasse einer Haftanstalt eher konterkariert wird. Zusammenfassend ist das WIE gefragt. Wie gehen die Eltern im Kontakt mit ihrem Kind mit der Situation um, wie gestaltet sich der Kontakt im Vollzug? Welche Kontaktmöglichkeiten gibt es? Sind sie kindgerecht? Wie werden die Kinder kontrolliert? Dürfen Kinder ein gemaltes Bild mit in den Vollzug nehmen? Wie sind die Kinderbesuchsräume eingerichtet? usw.

lichtblick: Zusammengefasst: Besuche in JVAen sind für Kinder eine gruselige Geisterbahnfahrt ...

Melanie Mohme: Nicht nur Besuche sind dies, sondern plötzlich getrennt von einem Elternteil sind die Kinder konfrontiert mit einer unfassbaren Situation, die nicht selten traumatische Auswirkungen haben kann. Sie müssen sich mit Unsicherheit und Zweifel auseinander setzen. Besonders in Kindergarten und Schule erfahren sie soziale Benachteiligungen, Stigmatisierungen und Diskriminierungen. Sozialer Halt und Sicherheit gehen verloren, Angst, Wut, Enttäuschungen und sozialer Rückzug sind mögliche Folgen. Ein Teil der Kinder und Jugendliche reagieren auf die Situation durch sozial abweichendes, zum Beispiel aggressives Verhalten. In vielen Familien wird der Grund für die Abwesenheit des inhaftierten Elternteils verschwiegen oder geleugnet. Folglich tragen viele Kinder ein "Bauchwehgeheimnis" mit sich, da sie die Veränderungen in ihrem nahen sozialen Umfeld wahrnehmen. Psychische Belastungen der Eltern oder Konflikte zwischen diesen, können von den Kindern nicht eingeordnet werden. Bei ihnen stellt sich eine ambivalente emotional-affektive Veränderung ein, die sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Ihnen fehlt der inhaftierte Elternteil nicht nur im Alttag, sondern auch als Identifikationsfigur. Mit der Straffälligkeit des Elternteils verlieren die betroffenen Kinder ihre Unbeschwertheit.

Diese Faktoren sollten inhaftierten Eltern bewusst sein und sprächen dafür, anknüpfend an Ihre letzte Frage, dass Kinder besser nicht in den Vollzug kommen. Aber ginge es den Kindern wirklich damit besser, nicht in einen Vollzug zu müssen und dafür aber keinen Kontakt zum anderen Elternteil zu haben? Keine Fragen stellen zu können? Nicht selber zu sehen, ob es dem inhaftierten Elternteil gut geht? Verlust- und Verlassenheitsgefühle deswegen auszuhalten?

Nicht wirklich!

Aber aufgrund der oben genannten Gesichtspunkte muss für die Kinder und ihre Familien ein kontinuierliches Hilfsangebot bereitgestellt werden - von Beginn der Strafverfolgung bis zur Reintegration des Elternteils. Kinder können und benötigen für ihre Entwicklung adäquate, verlässliche und stabile Beziehungs- und Erziehungsgestaltung durch möglichst beide Elternteile und einen kindgerechten, offenen und ehrlichen Umgang mit dem Thema Inhaftierung.

lichtblick: Also - Zeiten zu kurz und Umstände hinderlich. Was ist wünschenswert?

Melanie Mohme: Trotz Knast bleiben inhaftierte Väter / Mütter, Väter / Mütter - die Kinder haben. Einerseits ist es dringend geboten, die Rahmenbedingungen in den Vollzugseinrichtungen, insbesondere im geschlossenen Vollzug, für den Kontakt des Kindes mit dem inhaftierten Elternteil nach den Bedürfnissen des Kindes auszurichten.

Andererseits sind gezielte Angebote erforderlich, die sowohl den Kindern, als auch den Sicherheitsbestimmungen eines Vollzuges gerecht werden und somit in Kooperation vorgehalten werden, wie beispielsweise eine Vater-Kind Gruppe, Familientreffen, Elterntraining usw. im Vollzug, unter Anleitung von Pädagogen und Therapeuten aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, sogenannte "Externe", wie beispielsweise von der Anlaufstelle Freiräume in Bielefeld (siehe weiterführend: "Arbeit mit Angehörigen Inhaftierter - Orientierungshilfe für die Praxis", Hrsg: Bundesarbeitsgemeinschaft Straffälligenhilfe). Hier kann eine Begegnung zwischen den beteiligten Kindern und ihren Eltern stattfinden, die diesen Namen auch verdient: Neben gemeinsamen Spielen, Zeit in der Kuschel- oder Mal- und Bastelecke, ist genügend Raum da, (auch unangenehme) Fragen und Antworten, Gespräche in vertrauter Atmosphäre, aber auch für notwendige Aussprachen zwischen den Eltern und Kindern, moderiert von den Sozialpädagogen des Freiräume-Teams. Alle Beteiligten wissen dies auch zu schätzen, wie eine Umfrage unter den inhaftierten Vätern und deren Familien ergab.

lichtblick: Das würde ja nicht nur den Kindern was bringen, sondern auch den inhaftierten Vätern: ist es doch so, dass soziale Verantwortung zuvorderst in kleinen sozialen Gruppen gelernt und angewendet wird - nämlich in der Familie. Zudem wirkt die Familie stabilisierend und motivierend.

Melanie Mohme: Ja - auch vom Bundesverfassungsgericht wird in einem Urteil vom 31.05.2006 (2 BvR 1673/04; 2 BvR 2402/04) die Bedeutung familiärer Beziehungen / Kontakte im Vollzug unterstrichen. An dieser Stelle muss Resozialisierung ihrem Wortsinn nach ansetzen! Zur Wiedereingliederung in die Gemeinschaft gehört vor allem die Befähigung zum Leben in der Gemeinschaft. Der Familie kommt in diesem Zusammenhang eine große Bedeutung zu. Besonders die Zukunft der Kinder und deren positive Entwicklung sind für zahlreich Inhaftierte eine große Motivation, neue Lebensperspektiven zu entwickeln und in der Gesellschaft ohne Straftaten zu leben. Stabile und tragfähige familiäre Bindungen sind eine wesentliche Grundlage für diesen positiven Entwicklungsprozess, von dem das ganze Familiensystem partizipiert. Diese Bindungen können nicht theoretisch erlernt werden, sondern müssen im konkreten Kontakt und in speziellen Angeboten miteinander entwickelt und gefestigt werden.

lichtblick: Wenn also die Aufrechterhaltung von Außenkontakten eine so wirksame Behandlungsmaßnahme ist, wenn diese Außenkontakte die seelische Gesundheit aller Beteiligten erhöhen, wenn diese Außenkontakte Verfassungsrang haben - wieso werden sie dann nicht in viel stärkerem Maße gefördert?

Melanie Mohme: Grundsätzlich ist ein Umdenken auf Justizebene flächendeckend dringend erforderlich. Trotz Knast bleiben Inhaftierte auch Eltern, die Kinder haben und diese Kinder wiederum auch Rechte haben. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, zum Beispiel passende Räume und entsprechende Zeiten im geschlossenen Vollzug. Es braucht dringend eine politische Verantwortungsübernahme bezüglich der Frage: wer ist zuständig und wer finanziert solche Angebote? Schlussendlich auch die Anerkennung von qualifizierten "pädagogischen" Angeboten im Vollzug als originäre Behandlungsmaßnahme und nicht als Bonbon für Einzelne.

lichtblick: Wenn Sie sich bezüglich der Besuche etwas wünschen könnten, was wäre es?

Melanie Mohme: Das Familienangebote, besonders im geschlossenen Vollzug, diskriminierungsfrei und kultursensibel gestaltet und ethnisch-kulturelle Besonderheiten der Inhaftierten berücksichtigt werden. Die familienorientierten Angebote sollten in Kooperation mit justizinternen Mitarbeitern und sog. Externen der freien Wohlfahrtspflege angeboten werden. Eine ganzheitlich ausgerichtete Arbeit mit Inhaftierten und deren Angehörigen benötigt zuallererst qualifizierte und am tatsächlichen Bedarf ausgerichtete und ausreichende Möglichkeiten. Auf Länderebene sollten die Justizministerien idealerweise in Zusammenarbeit mit den Familien- und Sozialministerien unter Beteiligung der Externen Träger wie beispielsweise Diakonie, dafür Sorge tragen, dass dem Hilfebedarf durch bedarfsdeckende Angebote begegnet wird. Diese sollen möglichst dauerhaft eingerichtet werden. Zeitlich befristete, auf Projektbasis finanzierte Angebote sind naturgemäß nur geeignet, Angebote zu erproben und Bedarf zu eruieren, nicht aber diesen kontinuierlich abzudecken.

Wünschenswert wäre, wenn in den Haftanstalten die Überzeugung wächst, dass eine soziale und verantwortungsvolle Integration durch Familienangebote in der Vollzugsplanung den gleichen Stellenwert benötigt, wie beispielsweise die schulische und berufliche Bildung.

Überdies sollte in den Ausbildungsmodulen der zukünftigen Justizvollzugsbeamten das Thema Familienfreundlicher Vollzug als fester Unterrichtsbaustein in den Justizvollzugsschulen der Länder etabliert und mit Fachpersonal verschiedener "Externer" durchgeführt werden. Wir stehen da im Angebot!

lichtblick: Vielen Dank für das Interview!

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Bericht

über das EU-Forschungs-Projekt COPING: Children of Prisoners - Interventions and Mitigation to Stregthen mental Health

von PD Dr. sc. hum. Dipl.-Psychologe Matthias Schützwohl, Leiter der Arbeitsgruppe Psychiatrische Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Dresden

Die Inhaftierung von Vater oder Mutter stellt für deren Kinder ein belastendes Lebensereignis dar, das sie häufig mit zerstörten Familienstrukturen, finanziellen Nöten sowie Stigmatisierung und Ausgrenzung konfrontiert. In Deutschland sind ca. 100.000 Kinder betroffen. Es ist inzwischen wissenschaftlich recht gut belegt, dass vor allem die daraus resultierenden Benachteiligungen im sozialen und schulischen Bereich mit gravierender subjektiver Bedrängnis und emotionaler Belastung verbunden sind und die betroffenen Kinder und Jugendlichen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten psychischer Beschwerden und schwerer Verhaltensauffälligkeiten tragen.

Vor diesem Hintergrund untersucht das COPING-Projekt den Hilfebedarf und die Versorgungssituation der Kinder von Strafgefangenen. Es zielt vor allem darauf ab, das Verständnis für die Situation und das Erleben der Kinder und Jugendlichen zu verbessern. Dieses Wissen soll dann zu einer Verbesserung der Unterstützung und Versorgung beitragen. Zudem will das Projekt aber auch die Bevölkerung und die politischen Entscheidungsträger für das Thema sensibilisieren.

Das Projekt wird von der EU finanziert (Grant-Nummer 241988) und gleichzeitig in vier Ländern in Europa durchgeführt, in Deutschland, Großbritannien, Rumänien und Schweden. Dabei sind neben universitären Forschungseinrichtungen in jedem Land auch Nichtregierungsorganisationen beteiligt. In Deutschland zum Beispiel ist dies der "Treffpunkt e.V." aus Nürnberg, der seit vielen Jahren in verschiedenen Feldern der Freien Straffälligenhilfe tätig ist. Darüber hinaus wird das Projekt von zwei paneuropäischen Dachverbänden unterstützt, die ihren Sitz in Paris (EUROCHIPS) und Genf (QUNO) haben.

Im Rahmen der 2010 begonnenen Projektdurchführung wurden in den vier Ländern inzwischen zusammen ca. 600 Kinder von Strafgefangenen im Alter zwischen 7 und 17 Jahren und ihre nichtinhaftierten Eltern befragt, unter anderem zu emotionalem Erleben, zu Strategien, mit der belastenden Situation umzugehen sowie zu speziellen Bedürfnissen der Kinder. Mit ersten Ergebnissen zu diesem Projektteil ist in den nächsten Monaten zu rechnen; sie sollen in Ausschnitten erstmalig im Rahmen einer im Mai in Dresden geplanten öffentlichen Vortragsveranstaltung präsentiert werden.

In einem weiteren Projektabschnitt wurden in allen vier Ländern Institutionen und Einrichtungen identifiziert, die sich das Ziel gesetzt haben, den betroffenen Kindern und Jugendlichen direkt oder indirekt zu helfen. In Deutschland haben wir zum Beispiel nur 32 Einrichtungen identifizieren können, die sich ganz gezielt an diesen Personenkreis wenden. Zudem konnten wir ermitteln, dass es inzwischen auch in mindestens 63 der 143 deutschen Justizvollzugsanstalten ein entsprechendes Angebot gibt, das sich an die Kinder oder Familien der Strafgefangenen richtet. Es ist vorgesehen, Kontaktdaten aller identifizierten Einrichtungen in einem Flyer zusammenzutragen, der dann im Internet heruntergeladen werden kann.

Weitere Informationen unter:
www.psychiatrische-versorgungsforschung-tu-dresden.de sowie unter www.treffpunkt-nbg.de/projekte/html.


der lichblick wünscht dem Projektteam - Matthias Schützwohl, Mirjam Schuster, Justyna Bieganski und Sylvia Starke - alles Gute und wird über die Ergebnisse von COPING berichten.

Bei 100.000 betroffenen - beeinträchtigten - Kindern und nur wenigen Einrichtungen und leider auch nur spärlichen Angeboten in den JVAen (die genannten Zahlen täuschen darüber hinweg, dass es größtenteils keine Hilfen gibt!) bedarf diese Misere dringend mehr Aufmerksamkeit!

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der lichblick berichtet schon seit Jahrzehnten über die mit der Inhaftierung bei Dritten einhergehenden Folgen - die untenstehenden Ausführungen sind fast ungekürzt aus der lichtblick-Ausgabe August/September 1986 entnommen worden!

Wird es nicht langsam wirklich Zeit für den Rechts- und Sozialstaat, sich dieser Thematik angemessen zu widmen?


Mitteilungen von Angehörigen

Eine Frau beschreibt die ersten Wochen nach der Verhaftung ihres Mannes so: "Am schlimmsten war der Schock für die Kinder. Meine kleine Tochter kam mit der Erklärung, der Papa sei auf Montage, überhaupt nicht zurecht. Sie schrie nachts, nässte ein und war unruhig. Zur Sprechstunde habe ich sie trotzdem nicht mitgenommen, denn mein Mann hätte sie nicht einmal auf den Arm nehmen dürfen. Wir haben dann eine Pfarrer-Sprechstunde gemacht, da konnte er mit den Kindern schmusen. Danach hat sie schlagartig wieder geschlafen. Wir können bei den Sprechstunden überhaupt nicht reden, der Beamte, der daneben sitzt, hemmt mich total. So entstehen viele Missverständnisse, die erst in einem Brief wieder ausgeräumt werden können. Briefe sind 10 - 12 Tage unterwegs, bis sie ihn erreichen. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie viele Gedanken man sich in dieser Zeit macht. Ich kann ihm jetzt so gar nicht helfen. Als er mir vor einiger Zeit schrieb, dass er Selbstmordgedanken hat, habe ich voller Verzweiflung seinen Anwalt angerufen, der dann die Anstalt informiert hat. Daraufhin haben sie ihn rund um die Uhr beobachtet, und er hat mir riesige Vorwürfe gemacht. Aber wo soll ich dann hin mit meinen Ängsten und Sorgen?"

Nach der U-Haft sind schon einige der vorher beschriebenen Probleme etwas abgemildert; die unmittelbare Kontrolle fehlt, der körperliche Kontakt kann - wenn auch eingeschränkt - wieder stattfinden. Aber beide Seiten, der Mann und die Familie, haben sich verändert. Die Fähigkeit, aufeinander zuzugehen, sich einander anzuvertrauen, hat durch die totale Kontrolle der U-Haft schwer gelitten. Die Probleme "drinnen" und "draußen" unterscheiden sich immer mehr, und auf beiden Seiten wächst die Angst. Für Frauen heißt das, Angst, nicht durchzuhalten, die Verantwortung für die Kinder nicht bewältigen zu können, Angst vor Schulden, vor Nachbarn, vor Kollegen, vor der ganzen geballten Ablehnung der Umwelt. Sie stehen ständig unter Druck, anderen begreiflich machen zu müssen, warum sie trotz allem weiter zu diesem Mann, ihren Mann, stehen wollen und werden - häufig auch von der eigenen Familie gedrängt -, ihn zu verlassen. Wenn sie in ihrer Naivität noch glauben, sie könnten die Beziehung zu ihren Partner tatsächlich über lange Zeit hinweg so aufrecht erhalten, wie sie vorher war, müssen sie bald merken, dass der Knast sie hierbei behindert, demütigt und entmutigt.

"Ich habe am Anfang überhaupt nicht begriffen, warum sich mein Mann so verändert hat. Er war misstrauisch, aggressiv, dann ängstlich und total zu. Die Sprechstunden entwickelten sich manchmal zu einem totalen Horror. Ich war geladen, weil die Kontrolle an der Pforte zu langsam ging und die Beamten wieder mal irgendeinen saublöden Spruch auf den Lippen hatten und kam ziemlich genervt im Sprechzentrum an. Er war geladen, weil er hatte warten müssen und ihm dabei Gedanken durch den Kopf gegangen sind: "sie kommt nicht, sie hat die Schnauze voll, es ist etwas passiert". Wir brauchten einen nicht unerheblichen Teil der Sprechstunde, um unser Verhalten wieder zu normalisieren, bevor wir ganz offen miteinander reden konnten. Bei jeder Sprechstunde war ein unheimliches Bemühen da, keine schwierigen Themen anzusprechen, aus lauter Angst, wir könnten uns in die Haare bekommen und einen Streit nicht mehr beilegen können, bevor der Beamte kommt und der Besuch zu Ende ist. Ich habe alles, aber auch wirklich alles, zu hören bekommen, was im Knast nicht richtig läuft, wer Scheiße ist, wo es Ärger gab. Ich war manchmal total frustriert, weil ich gedacht habe: "Mann eh, ich habe draußen auch Probleme, kannst du dich nicht mal mit deinem Sozialfreak ausquatschen oder mit einem anderen Knacki?" Wir redeten manchmal zwei verschiedene Sprachen. Er macht schöne Pläne für die Zukunft nach der Entlassung, und ich habe gar nicht den Mut, ihm diese Träume zu nehmen, aber mir kommt das manchmal alles unrealistisch vor. Im Augenblick gibt es nur Knüppel zwischen die Beine und ich mach mir manchmal echt Sorgen, dass einer von uns dieser Belastung nicht standhält."

Wenn eine Frau aber glaubt, es müsse eigentlich selbstverständlich sein, das der Knast dabei hilft, die Schwierigkeiten nicht größer zu machen, dass der Knast sich der Tatsache bewusst ist, dass auch die Familien Hilfe brauche, bekommt sie in der Regel zu hören: "Für sie sind wir nicht zuständig!"

Eine Frau hat die Entlassungszeit so erlebt: "Wir haben uns wie verrückt auf den ersten Ausgang und Urlaub gefreut. Beim ersten Mal ging noch alles gut, die Freude draußen zu sein, wog alles andere auf. Beim zweiten Mal kam es zu ersten Verstimmungen, und seitdem hat es eigentlich in regelmäßigen Abständen Streit gegeben. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mein Freud hat mir über Jahre hinweg den strahlenden Helden vorgespielt, der alles im Griff hat und plötzlich, als er draußen war, klappte überhaupt nichts mehr. Wir konnten nicht darüber reden, er hat mich sofort abgeblockt, es sei nichts. Ich habe sein merkwürdiges Verhalten natürlich sofort auf mich bezogen, habe gedacht, sieh an, die ganzen Jahre bist Du bei der Stange geblieben und jetzt, wo er rauskommt, gefällst du ihm nicht mehr und er will sich was Frisches suchen. Ich war totunglücklich, fühlte mich ausgenutzt und weggeworfen. Ich verfolgte ihn mit unbegründeter Eifersucht und kam einfach damit nicht klar, dass seine und meine Bedürfnisse so weit auseinander gingen. Ich wollte zu Hause schmusen, er wollte unter Menschen. Ich wollte gemütlich Abendbrot essen, er tigerte unruhig in der Gegend herum, weil die Zeit zum Zurückgehen näher rückte. Ich wollte Pläne für die Zukunft machen und er wich allen Entscheidungen aus. Wenn ich nicht ein paar Freunde gehabt hätte, die mich ein bisschen aufgeklärt hätten, ich glaube, ich hätte die Flinte ins Korn geworfen. Er hat sich verändert und seine Umwelt hat sich verändert. Während er, wenn er Glück hat, mit einem Therapeuten oder Sozialarbeiter darüber sprechen kann, haben die Frauen in der Regel keinen Ansprechpartner, insbesonders keinen, der mit der Knastsituation so vertraut ist, dass er einer Frau die Probleme tatsächlich verdeutlichen und ihr bei der Bewältigung helfen kann. Es kann doch noch nicht richtig sein, bei einer so entscheidenden Sache wie der "Resozialisierung", immer nur auf den Gefangenen abzustellen, ohne sein soziales Umfeld miteinzubeziehen. Dieses Soziale Umfeld - Ehefrauen, Freundinnen, Eltern, Geschwister, Kinder - soll nach der Entlassung mit dem Gefangenen leben. Sie sollen durch ihre Anwesenheit, ihren Einfluss, mithelfen, einen Rückfall zu vermeiden. Wann werden die Verantwortlichen endlich wach und merken, dass Resozialisierung und Therapie ohne die Angehörigen nicht geht, ja sich geradezu ausschließt?"

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Für den SexVollzug

"Es wird Zeit für eine viel offenere Diskussion über Erotik und Sexualität hinter Gittern."
Anmerkungen einer engagierten Expertin

Anfangs im Knast trug ich nur Hosen. Aus Angst vor Anmache und aus einem diffusen Gefühl heraus, die Männer nicht zu versuchen, nicht an ihrem Schmerzton zu rühren. Als hingen männliche Phantasien allein von Frauenbeinen ab. Schon gar nicht im Knast, wo nichtgelebte oder verstümmelte Sexualität wie Sumpfnebel in der Luft hängt. Inzwischen kleide ich mich auch im Knast so, wie ich mich auch sonst kleide, nämlich so, wie mir gerade ist.

Es wird Zeit für eine viel offenere Diskussion über Erotik und Sexualität hinter Gittern. Ich verstehe meinen Beitrag als das Angebot einer erotischen, aber nicht nymphomanischen Frau, selbst von einem Triebtäter überfallen, doch nicht männerfeindlich, einer Mutter zu deren FreundInnen eine (ehemalige) Prostituierte und ein Priester zählen.

Ausdrücklich schreibe ich gegen eine Tendenz, die - über eine mediengepuschte voyeuristische Massenerregung gegen Kindesmißbrauch - unterschwellig schon wieder Kriminelle überhaupt und grundsätzlich in die Nähe von Triebtätern rückt. Dabei wird abzulenken versucht von Schweinereien und Verstümmelungen der Porno-Industrie und inner- und außerhalb bürgerlicher Schlafzimmer.

Und ich schreibe, weil selbst engagierte Helfer im Knast oft um das Thema Sex drumrumreden und damit ungewollt das repressive Vollzugsverständnis "Sexentzug als spannende Nebenstrafe" akzeptieren.

In was für Zeiten leben wir? Man könnte meinen, in Zeiten der vorchristlichen Wilden. Unter ihnen durften Stammesangehörige, die mit dem Tod in Berührung gekommen waren, längere Zeit nicht zu Frauen. Das galt für siegreiche Krieger ebenso, wie für Mörder. Erst nach Isolation und ritueller Reinigung durften sie in die Gemeinschaft zurückkehren. Aus dieser Zeit stammt die Idee der strafenden, schützenden und heiligenden Isolation, heute "Knast" genannt. Die Geister der Erschlagenen sollten vertrieben oder versöhnt werden. Die Isolationszeit war lebensgefährlich hart, aber streng beschränkt. Gewalt wurde gesühnt, indem der Täter mit dem Geist seines Opfers allein blieb und sein GEWALTigster natürlicher Trieb, die Sexualität, ruhte.


Sexentzug als Nebenstrafe

Und heute? Isolation in Massen und Sexentzug als Nebenstrafe auf lange Zeit, beamtete Sexerlaubnis als Belohnung und scheinschwule sexuelle Abhängigkeit als Überlebenstechnik. Strichermentalität und schwunghafter Handel mit Pornos vom Gröbsten. Nicht mal mehr die Körperstellung zählt, nur noch Gliedmaß. Manchmal auch erotische Filme im Fernseh-Nachtprogramm. Zotige Witze auch unter den Bediensteten. Bestenfalls noch Onanie unter der Decke mit dem Blick auf die Nackte an der Schmuddelwand. Wenigstens für den Moment hat Mann "ALLES" im Griff. Daneben die Angst vor der Impotenz, denn wer lange genug ins Leere schießt, wird kein wirkliches Ziel mehr treffen. Und anstatt: Sport zum Ausschwitzen; oder Essen - die Erotik des Alters.

Ach nein, es gibt ja noch den "Ehegattensprecher", wenigstens für Heterosexuelle in fester Bindung. Ja, Gatten reden darüber. Im roten Salon, winzige drei Stunden lang, auf Antrag und Termin. Und wenn sie nicht reden, wie fühlen sich die Frauen? Auf Bestellung bereit sein in einem Bett, das nur zu einem Zweck dort steht, hoffentlich unbeobachtet beim Vollzug, danach den Raum verlassend und den Blicken aller Wissenden ausgeliefert. Und mit Gefühlen allein. Was unterscheidet sie in dieser Situation von einer Prostituierten? Sie kosten nichts und bringen ihre Seele mit.


Sieben AllGemeinheiten über Sexentzug

1. Sexualität betrifft immer den ganzen Menschen. Erfüllter Sex macht lebendig. Er stärkt Gesundheit und Selbstwertgefühl, verfeinert Sinnlichkeit und Ausstrahlung. Sex treibt die Phantasie und setzt tiefe Emotionen frei. Sexualität ist noch immer das stoffliche Ferment der Liebe und Liebe noch immer die grundlegende Art sozialer Kommunikation. Sexentzug ist keine Neben-, sondern Grundstrafe.

2. Sexualtät ist NaturGEWALT und zugleich allen Menschen gemeinsamer ursprünglicher Trieb. Unterdrückte Naturgewalten brechen immer an anderer Stelle gewaltsam wieder hervor. Erfüllte Sexualität bringt Sehnsucht, eingesperrte Sexualität fördert Gier und nährt Gewaltbereitschaft.

3. Unerfüllte Sexualität macht krank. Das gilt im Knast doppelt.

4. Unterdrückte Sexualität macht klein. Wer sich erotisch nicht mehr erfährt und sich als Mann auch nicht mehr über die Arbeit definieren kann, verliert den letzten Rest an Selbstachtung.

5. Künstlich deformierte Sexualität ist auch bei Männern antifeminin. Frauen werden zweigeteilt. Die, von denen man träumt oder denen man Briefe schreibt, die man aber nicht berühren oder erobern darf werden zu Heiligen. Greifbar ist nur die pornographische Hure. Ihr gegenüber wird Mann zum Sieger.

6. Wer kein wirkliches Liebesobjekt mehr im ganzen erlebt, wird unfähig, Menschen wirklich nah zu sein. Es wuchern Egoismus und Distanz. Emotionale Bindungsunfähigkeit verhindert Resozialisierung.

7. Ausnahmslos beschneidet das Strafrecht nur bürgerliche Freiheiten eines Straftäters, nicht seine natürlichen Lebensregungen. Sexualität ist keine bürgerliche Freiheit. Schließlich wird ja im Knast auch reichlich gefüttert. Auch Bordelle sind keine bürgerliche Erfindung. Und Telefonsex hätte es im alten Griechenland mit Sicherheit gegeben, wenn es Telefone gegeben hätte. Warum nicht stilvolle Prostituierte im Knast oder Telefonsex für Inhaftierte? Zuhälter sowie sexuelle Trieb- oder Gewalttäter fürs erste vielleicht ausgenommen. Dies wäre nicht nur eine Vollzugserleichterung, sondern Behandlungsmaßnahme par excellence.


Idee für einen Liebessalon

Es geht um mehr als einen ansprechenden Raum und nicht nur um Heterosexuelle. Musik nach eigener Wahl, eine erotisch stilvolle und variable Videothek sollten ebenso dazugehören, wie ausnahmsweise ein alkoholisches Getränk und ein gedeckter Tisch. Und vor allem genügend Zeit. Was spricht dagegen, eine ganze Nacht in dem Raum zu verbringen? Dann bliebe Zeit zum Reden, zum Nachempfinden. Zwei Leute beginnen gemeinsam einen neuen Tag, einen neuen Zeitabschnitt der Reinigung im Sinne der Wilden. Wiederbelebung statt Erstarrung, Erotik statt Pornographie, Stärke statt Härte.

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Bericht

von Thomas Barth, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, der im Rahmen seiner Dissertation zu "Partnerschaft und Sexualität inhaftierter Männer im deutschen Strafvollzug" (Institut für Forensische Psychiatrie der Charité) im Sommer 2010 Insassen der JVA Tegel befragt hat.

Menschliche Sexualität ist ein in jedem Menschen tief verwurzeltes natürliches Bedürfnis - als vitaler Ausdruck sinnlichen Erlebens und zwischenmenschlicher Beziehungsgestaltung erfährt diese unter den Bedingungen des Strafvollzuges in vielfältiger Weise eine Deprivation. Der Alltag in Haft bedeutet zumeist den Verlust bestehender Partnerschaften, oder der potentiellen Möglichkeit zum Eingehen solcher. Inhaftierte verlieren dabei neben ihrer Rolle als aktive Geschlechtspartner auch wesentliche Inhalte partnerschaftlicher Beziehungen wie Vertrauen, Geborgenheit, geistiger Austausch und gegenseitige Unterstützung - nicht wenige haben derlei Beziehungsaspekte bereits vor ihrer Haft nur in unzureichender oder enttäuschender Form erfahren, oft auch keine verlässlichen und dauerhaften Bindungen zu Mitmenschen entwickeln können. Die Inhaftierung verstärkt diese Problematik und wirft weitere auf. Der von Inhaftierten insbesondere zu Beginn der Haft erlebte Verlust einer vertrauten sozialen Rolle, verbunden mit Trennungserfahrungen und Ängsten, verstärken die Orientierungs- und Haltlosigkeit und schaffen so die Vorraussetzung für das Eingehen emotionaler Bindungen mit Inhaftierten, die, erfahrener und psychisch stabiler - nicht immer uneigennützig - Schutz, Geborgenheit und Unterstützung versprechen. Nicht selten leistet die Dynamik solcher Beziehungen zwischen Inhaftierten einer Entwicklung zwischenmenschlicher Abhängigkeit, und unter Umständen auch sexueller Ausbeutung und Gewalt, Vorschub.

Inhaftierte werden aus einer allgegenwärtig sexualisierten Alltagswelt kommend auch in Haft mit den via Printmedien und TV vermittelten sexuellen Stimuli konfrontiert. Zur Befriedigung sexueller Lust verbleibt heterosexuellen Männern die Selbstbefriedigung aufgrund fehlender Alternativen. Allerdings wird die Selbstbefriedigung zumindest von dem Teil der Männer als minderwertig angesehen, die vor ihrer Inhaftierung kaum oder keine Selbstbefriedigung betrieben haben und diese in Haft, wenn überhaupt, dann häufiger nur im Zusammenhang mit Schuldgefühlen praktizieren - oder aber im Laufe der Jahre diese bei Verlust jeglicher erotischer Phantasietätigkeit auf das Niveau einer rein mechanistischen Triebabfuhr reduziert haben.

Bis im Jahre 1989 das Bundesland Nordrhein-Westfalen ein Programm für Langzeitbesuche ins Leben rief, blieb die rechtliche Situation Inhaftierter gänzlich unbefriedigend hinsichtlich deren sexueller, emotionaler und sozialer Bedürfnisse als Ehemänner, Lebens-Partner und Väter. Die Notwendigkeit zur Bereitstellung von separaten Räumlichkeiten innerhalb der dortigen Justizvollzugsanstalten, die den besonderen Bedürfnissen intimer wie familiärer Begegnungen gerecht werden, fand allerdings erst mit dem Jugendstrafvollzugsgesetz vom 20. November 2007 Eingang in die Landesgesetzgebung Nordrhein-Westfalens. (1)

Heute existieren, mit Ausnahme Bayerns, in allen Bundesländern Programme für Langzeit-Besuche, allerdings ohne einen generellen Rechtsanspruch auf Gewährung solcher Kontakte. Mit Verweis auf Paragraph 24 Absatz 2 StVollzG nahm zuletzt das Oberlandesgericht Naumburg im Juni 2008 hierzu Stellung und konstatierte: "Der Gefangene hat keinen Anspruch auf Gewährung von Sonderbesuchen zur Ausübung von Intimkontakten. Diese stehen lediglich im Ermessen der Vollzugsbehörde." (2) Ergänzend hierzu ist der frühere Beschluss des Oberlandesgerichtes Frankfurt/Main vom Januar 2008 zu nennen, der die übliche Praxis der Justizvollzugsanstalten bei der Gewährung von Langzeitbesuchen zwar nicht in Frage stellt, wenn "die Vollzugsbehörde der in Artikel 1 und 6 Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Wertentscheidung zum Schutz der Familie dadurch Rechnung tragen (kann), dass sowohl verheirateten Gefangenen als auch Gefangenen, die unverheiratet mit einer Lebensgefährtin ein Kind haben, besonderer Vorrang bei der Verteilung der Besuchsmöglichkeiten eingeräumt wird", diese zugleich aber kritisiert, da "es ermessensfehlerhaft (ist), bei der Gewährung von unüberwachten Langzeitbesuchen auch in besonders gelagerten Fällen rein schematisch auf den Familienstand als einzig maßgebliches Kriterium abzustellen." (3)

Die Situation in Berlin unterscheidet sich von der in Nordrhein-Westfalen bereits durch den Umstand, dass in Berlin keine vergleichbare Gesetzgebung existiert, die auch nur auf die Möglichkeit zur Einrichtung von Langzeit-Besuchsprogrammen für Inhaftierte verweist. Allerdings besteht in der JVA Tegel eine von der Leitung erlassene anstaltsinterne Regelung, die diese Form der Besuche für Inhaftierte mit "langen Haftstrafen" in einer eigens dafür zur Verfügung stehenden Einrichtung ermöglicht. Nach Auskunft mehrerer, aktuell an einem Langzeit-Besuchsprogramm teilnehmender Inhaftierter gegenüber dem Autor lag der angegebene Zeitraum von Antragstellung bis zu einer ersten Besuchsmöglichkeit mehrheitlich zwischen zwei bis drei Jahren. Die Auswertung der oben zitierten Studie kommt hinsichtlich dieser Thematik zu dem Ergebnis, dass 31 von 33 der teilnehmenden Insassen zum Zeitpunkt der Befragung (noch) nicht die Gelegenheit zur Teilnahme an einem Langzeit-Besuchsprogramm hatten. Diese Zahlen sprechen für sich.


Qellenangaben:

(1) Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen (JStVollzG NRW), § 29; 20. November 2007; Online Justizportal des Landes Nordrhein-Westfalen:
http://lexsoft.de/lexisnexis/justizportal_nrw.cgi?xid=3297662,30

(2) Oberlandesgericht Naumburg - 1 Ws 178/08; 4. Juni 2008; in Forum Strafvollzug, Heft 1, 2009

(3) Oberlandesgericht Frankfurt - 3 Ws 1203/07 StVollZ; 17. Januar 2008; Landesrechtssprechungsdatenbank des Landes Hessen:
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/s15/page/bslaredaprod.psml?&doc.id=KORE213172008%3Ajuris-r01&showdoccase=1&doc.part=L

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Kommentar

des Dipl.-Psychologen Marcus Behrens, der nicht nur als Mitarbeiter der Knast AG des Vereins Mann-o-Meter, sondern auch als Psychologischer Berater im Knast tätig ist

Auch das noch: Insassen von Haftanstalten haben sexuelle Bedürfnisse. Als wenn es nicht schon genug gäbe, um das man sich bei der Unterbringung von Männern in geschlossenen Anstalten kümmern müsste. Sexualität, so scheint es, ist dann eben kein Thema mehr.

Das dem nicht so ist, zeigt ein Gang durch die Teilanstalten in Tegel: Bei offenen Zellentüren sieht man immer mal wieder Pin-Ups, also halbnackte Frauen, die an Türen oder auch Wänden hängen. Ausdruck von Sehnsucht nach Sexualität, die sich im geschlossenen Männervollzug zumeist nur in Phantasien leben lässt, in denen das konkrete weibliche Gegenüber fehlt. Somit verlernt man oftmals, was es heißt, Sexualität mit einer Partnerin oder einem Partner zu leben. Das kann zu Schwierigkeiten im Umgang mit der eigenen Sexualität in Haft und auch danach führen: Was, wenn Frauen oder Männer sich nicht so benehmen, wie es sich ein inhaftierter Mann in seiner sexuellen Phantasie immer vorgestellt hat? Was, wenn ein inhaftierter Mann nicht mehr so genau weiß, wie man sich einer möglichen Partnerin angemessen zu nähern hat, weil er das lange nicht mehr gemacht hat? Und wenn die Hürde des Kennenlernen überwunden ist: Was, wenn man auf einmal nicht mehr einfach so kann, weil man über Jahre hinweg lediglich onaniert hat?

Wir wissen heute: Sexualität als menschenmögliches Bedürfnis ist vielgestaltig und in Grenzen wandelbar. Der einzelne Mensch muss sich seine Sexualität auch erarbeiten, er braucht ein Gefühl dafür und muss eine sexuelle Kultur erlernen. Wenn er seine Sexualität mit einem anderen Menschen leben möchte, braucht er dafür Strategien: Wie geht das mit dem Flirten, was ist angemessen, wie reagiert ein anderer Mensch auf mich, auf was muss man achten?

In Haft sind diese (Erlebnis-)Möglichkeiten stark eingeschränkt bis gar nicht vorhanden. Dafür existieren eben oft Mythen, Phantasien und Übertreibungen, wie Mann so zu sein hat, wie er seine Sexualität zu leben hat, und was es braucht, um eine Partnerin zu beeindrucken, damit es dann auch Sex geben kann. Hinzu kommt, dass das Thema als sachliches Thema kaum angesprochen wird, sondern in der Regel sehr emotionalisiert. Einfach mal so drüber sprechen, wie schwierig es ist, ohne Sexualpartner auskommen zu müssen, ist nicht an der Tagesordnung. Übrigens nicht nur hinter Gittern, sondern auch draußen gilt: Männer reden nicht, Männer handeln. Und irgendwie hat das jeder für sich auf die Reihe zu bekommen. Das das immer schwieriger wird mit dem Sex und den Beziehungen allgemein, zeigen nicht zuletzt die steigenden Scheidungsraten.

Was ist angesichts der Befundlage zu tun? Zunächst ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass auch inhaftierte Männer Menschen sind, die in der Regel sexuelle Bedürfnisse aufweisen. Mitunter hat sie der Umgang damit sogar in den Vollzug gebracht. Wenn wir den Gedanken der Resozialisierung ernst nehmen, dann sollten wir diesen Männern die Möglichkeit geben, Sexualität zu leben, um auch eine gelingende Reintegration in die gesellschaftlichen Verhältnisse außerhalb der Mauern zu befördern.

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Interview

mit dem Juristen, Pädagogen und Kriminologen Prof. Dr. Heinz Cornel, einem ausgewiesenen Strafvollzugsexperten

lichtblick: Herr Prof. Cornel - provokant unsere Eingangsfrage zum Thema Besuch: Wieso soll man inhaftierten Straftätern überhaupt die Möglichkeit des Besuchsempfangs gestatten? Sollen wir Verbrecher nicht darben und gehört zu unserer Bestrafung nicht auch der Entzug / die Zerstörung von sozialen Beziehungen?

Prof. Cornel: Natürlich nicht! Wir können die Beurteilung der Besuche nur verstehen, wenn wir vor dem Hintergrund unterschiedlicher Straftheorien entscheiden, ob wir im Strafvollzug vergelten oder vor allem resozialisieren wollen. Wer durch die Vollziehung der Freiheitsstrafe vergelten will, für den kommen hartes Lager, karge Kost, schlechte Unterbringung, sinnlose Arbeit und eben auch wenig Besuche gerade recht. Wer aber resozialisieren will, wer die Grundsätze zur Gestaltung des Vollzugs ernst nimmt, für den sind Besuche ein wichtiges Mittel, soziale Beziehungen zu Angehörigen zu stützen und zu fördern. Die lange Geschichte der Freiheitsstrafe lehrt uns aber zweierlei , nämlich: 1. Die Vergeltung spielt im Strafrecht eine große Rolle, denn dem Maß der Schuld soll das Maß der Strafe entsprechen und 2. hat die Institution Gefängnis eine durchgängige Geschichte - der preußische Vergeltungsvollzug ist beispielsweise in den Tegeler Anstaltsmauern im wahrsten Sinne des Wortes zementiert. Und nicht zuletzt in den Erwartungen der öffentlichen Meinung.

lichtblick: Das heißt?

Prof. Cornel: Das heißt, dass es schwierig ist, überkommene Strukturen, Gegebenheiten, Denkmuster zu wandeln. Konkret zurück zu Ihrer Frage: In der Logik des preußischen Vergeltungsvollzug würde Ihre Behauptung Sinn haben - im heutigen Resozialisierungsvollzug jedoch, hat das Gegenteil Sinn ...

lichtblick: Und das wäre?

Prof. Cornel: Nun - ein Vollzug, dessen gesetzliche Bestimmungen die Wiedereingliederung fordern, muss "Dinge", die dieser Wiedereingliederung dienen können, fördern. Und dazu zählt in besonderem Maße der Besuch. Und den negativen Folgen der Trennung muss entgegengewirkt werden - auch dazu sind Besuche geeignet.

lichtblick: Also mehr Besuch, "besserer" Besuch?

Prof. Cornel: Ich wünsche mir, viel früher anzusetzen - sehen Sie, die in deutschen Justizvollzugsanstalten praktizierten Besuchsregelungen stehen am Ende einer Kette vieler Entscheidungen, die schon vorher falsch gefällt worden sind. Nämlich: wenn man erstes (zu) viele Gefangene im Gefängnis und insbesondere im geschlossenen Vollzug unterbringt und zweitens diese geschlossene Unterbringung - Einpferchung - in großen Anstalten geschieht, sind die Möglichkeit des Besuchsempfangs ganz andere; und eher eingeschränkt und schwierig.

lichtblick: Was wäre also zu tun?

Prof. Cornel: Das geht sicher über unser Thema hinaus - unlängst aber habe ich in einer Arbeitsgruppe Empfehlungen für ein Brandenburgisches Resozialisierungsgesetz erarbeitet, in denen wir unter anderem mehr offenen Vollzug, kleine heimatnahe Einheiten und viele Kontaktmöglichkeiten zu Angehörigen fordern. Gerne verweise ich auch immer auf den skandinavischen Strafvollzug - hier gelten Anstalten, in denen 100 Gefangenen untergebracht sind, als groß; vorstellbar wären auch dezentrale Einrichtungen - kleine Wohngruppen von 10 - 12 Personen -, in denen Straftäter nicht hinter hohen Mauern vom Leben weggeschlossen werden, sondern wo die Wiedereingliederung wirklich gelebt wird, ausgelebt werden kann.

lichtblick: Natürlich - besser, als wenn Kinder ihre Väter oder Ehefrauen ihre Männer im geschlossenen Vollzug besuchen kommen müssen, wäre natürlich, wenn Straftäter im Offenen Vollzug untergebracht würden beziehungsweise im Rahmen von Lockerungen ihre Angehörigen zu Hause besuchen könnten - und nicht umgekehrt.

Prof. Cornel: Ganz genau! Ich plädiere deutlich dafür, den Standard, der 1976 mit dem Strafvollzugsgesetz fast erreicht wurde, nicht nur beizubehalten, sondern auszubauen. Leider ist es so, dass man allenfalls den Standard gerade so verteidigt hat - die Chancen, die Straflängen zu reduzieren, die Gefangenenraten zu senken, ambulante Maßnahmen zu bevorzugen und den Offenen Vollzug auszubauen, wurden vertan; weit zurückgeblieben ist man hinter dem, was notwendig wäre. Aber ich bin ganz optimistisch, dass durch den neuen Musterentwurf eines Landesstrafvollzugsgesetzes auch diesbezüglich endlich ein neuer Wind weht - wenn das auch mit der Umsetzung und praktischen Wirksamkeit noch ein wenig dauern wird.

lichtblick: Und was wäre im Bezug auf Besuche im geschlossenen Vollzug notwendig?

Prof. Cornel: Schon damals, anlässlich der Beratungen und Verabschiedung des Strafvollzugsgesetzes, waren sich alle Experten einig, dass die gesetzlich festgeschriebene Besuchszeit das allerunterste Minimum darstellt - wesentlich mehr wäre wünschenswert.

lichtblick: In bundesdeutschen Knästen des geschlossenen Vollzugs im Jahr 2012 scheinen durchschnittliche Besuchszeiten von 2 - 4 Stunden pro Monat, verteilt auf 2 - 4 Termine, die Realität zu sein - ist das ausreichend?

Prof. Cornel: Nein - aber: es gibt auch andere Lebenssituationen - beispielsweise wenn Väter auf Montage sind, Ehemänner im Ausland stationiert sind -, in denen soziale Kontakte zu Angehörigen einschränkt sind.

lichtblick: Das klingt dann doch -

Prof. Cornel: Ganz deutlich: ich möchte das nicht verstanden wissen als Argument für geringe Besuchszeiten, sondern darauf hinweisen, dass auch außerhalb der Vollzugsanstalten Familien nicht immer unter idealen Bedingungen zusammenleben. Keine Strafvollzugsanstalt der Welt mit keinem denkbaren Strafvollzugskonzept kann ideale Bedingungen für das Zusammenleben von Familien bieten. Aber natürlich geht es hier um besonders schwierige Umstände - denn: der Strafvollzug ist in der Verantwortungsposition, er muss für die ihm überantworteten Strafgefangenen sorgen, beispielsweise für deren gesunde Ernährung. Wenn also Inhaftierten die Freiheit zur Gestaltung ihrer Lebensumstände genommen wird, dann hat der Strafvollzug eine besondere Verantwortung - erst recht bei "Dingen", die der Resozialisierung dienen, beziehungsweise dienen können. Da dürfen dann auch keine fiskalische Gründe entgegenstehen - zumindest darf das nicht im Vordergrund stehen und muss gegenüber den Nachteilen und Einschränkungen für die Gefangenen abgewogen werden. Meine Kritik diesbezüglich richtet sich hier ausdrücklich nicht an die Anstaltsleitungen, sondern gegen die Gesetzgeber und die finanzielle Ausstattung.

lichtblick: Fiskalische Gründe? Der Haushalt der Anstalten beträgt mehrere 10 Millionen Euro pro Jahr - ein zweiter, dritter oder vierter oder zehnter Besuchsraum oder den Besuch beaufsichtigender Beamter reißen ganz sicher keine Löcher ins Budget.

Prof. Cornel: Unabhängig davon, dass ich dazu keine Aussage treffen kann - bereits alle vorherigen Entscheidungen müssten justizpolitisch eine andere Orientierung erfahren. Mit anderen Worten: die Besuchsbedingungen im geschlossenen Vollzug sind Folge des geschlossenen Vollzugs selbst. Wenn die Kriminalpolitik Gefangene bevorzugt in großen Anstalten des geschlossenen Vollzuges unterbringt, dann sind ausgiebige und "angenehme" Besuche kaum anzubieten. Wenn man meint, dass man in hochsicheren Gefängnissen so viele Straftäter unterbringen muss, dann wird man gewisse Einschränkungen bei den Besuchen hinzunehmen haben.

lichtblick: Betroffen sind wir als Betroffene von diesem Handeln wider besseren Wissens, von dieser Kriminalpolitik, die allzuhäufig weder wissensbasiert, noch human, noch sozialstaatlich ist - wir als lichtblick können nur immer wieder darauf hinweisen - und zumindest für Veränderungen im Kleinen kämpfen. Wie ist es beispielsweise um die Langzeitbesuche bestellt - ist das eine gute Sache?

Prof. Cornel: Ganz sicher. Aber nochmal: Als erste Priorität möchte ich die Verkürzung der Strafe, die vermehrte Anwendung der Reststrafenaussetzung verstanden wissen; des Weiteren sollten in viel stärkerem Maße Freiheitsstrafen im Offenen Vollzug vollstreckt werden und drittens plädiere ich für eine Mehrung der Lockerungen aus dem geschlossenen Vollzug - und nur bei Gefangenen, bei denen aus Sicherungsgründen all dies nicht möglich ist oder bei denen eine erste intensive Kontaktaufnahme vor der Lockerung erprobt werden soll, sollte der Langzeitbesuch praktiziert werden. Klar ist, dass für Familien und Paare eine Kontaktsituation außerhalb des Vollzugs, in der eigenen Wohnung beispielsweise, wesentlich attraktiver ist, als in einem Langzeitbesuchsraum in einer JVA. Und auch die Resozialisierung wesentlich mehr befördernd.

lichtblick: Tja - leider sieht die Realität für zehntausende Gefangene anders aus - können 3 Stunden Langzeitbesuch ein paar mal im Jahr ausreichen; ausreichen, um Beziehungen zu pflegen, Ehen zu erhalten, Kinder zu erziehen? Wie viel Langzeitbesuch wäre wünschenswert?

Prof. Cornel: Deutlich länger als 3 Stunden wäre angemessen; 3 Stunden geben der Kommunikation eine eingeschränkte Struktur vor - sie bieten weder Muße noch Alltag, genau der wäre aber Wiedereingliederung und Angleichung. Langzeitbesuch zeichnet sich nicht unbedingt durch eine genau hier jetzt festgelegte Stundenzahl aus, sondern durch den Umstand, dass die beteiligten Personen nicht von Beginn an vor allem an die zeitliche Begrenzung und den Abschied denken müssen. Unbedingt wünschenswert wären für deutsche Haftanstalten auch Appartements, wie beispielsweise in Skandinavischen Ländern, in denen Inhaftierte mit Ihren Angehörigen temporär leben können. Aber dafür bräuchte man eine andere Kultur der Strafvollstreckung.

lichtblick: Herr Prof. Cornel - vielen Dank für das Interview. Stellvertretend für viele Gefangene: Würde der bundesdeutsche Strafvollzug so ausgestaltet werden, wie Sie und andere Experten es vorschlagen, wäre viel gewonnen - für uns Straftäter aber auch für die Bevölkerung.

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Interview


mit Andreas Ochmann, Leiter des Vollzugsmanagements der
Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel

lichtblick: Herr Ochmann - wieso gewährt die JVA Tegel den Gefangenen nur so wenig Besuch?

Andreas Ochmann: "Wieso so viel?" - möchte ich entgegenhalten! Den Mindestanspruch des Gesetzes erfüllen wir zu über 200 %. Nicht miteingerechnet die besonderen, zusätzlichen Besuchsformen, die die JVA Tegel anbietet, nämlich die Langzeitbesuche, die Meetings und die Möglichkeit des Pfarrersprechers.

lichtblick: Sie erwähnen den "Sprecher": In Tegel wird gesprochen, nicht besucht - verdeutlicht diese Wortwahl nicht vortrefflich die Besuchsgegebenheiten?

Andreas Ochmann: Sicher spielen Sie auf die Modalitäten von Besuchsdurchführungen in Gefängnissen an - selbstverständlich, das liegt in der Natur der Sache, können Sie einen Besuch im Gefängnis nicht mit einem Besuch bei Ihrer Verwandtschaft zu Hause vergleichen.

lichtblick: Wohl wahr - sollten aber nicht die Be- und Einschränkungen von Besuchen - seien es Durchsuchungen und Überwachungen, aber auch Räume und Zeiten - so verträglich und so förderlich wie möglich ausgestaltet werden?

Andreas Ochmann: Ja - aber obwohl wir uns bemühen, dies zu tun, sind uns doch bestimmte Zwänge auferlegt: so müssen wir die Sicherheit und Ordnung der Anstalt wahren, und dazu gehört eben auch, das unerlaubte Einschmuggeln von Betäubungsmitteln zu verhindern. Dies geht nur, in dem wir beispielsweise Durchsuchungen und Überwachungen vornehmen.

lichtblick: Teilweise müssen sich Besucher zweimal durchsuchen lassen - wieso? Haben Sie es beim ersten Mal nicht richtig gemacht, oder ist die zweite Durchsuchung reine Schikane?

Andreas Ochmann: Nun - es schadet nicht, wenn wir nochmal kontrollieren; zudem gibt es bestimmte Konstellationen - beispielsweise wenn ein Besucher die Toilette aufsucht -, die eine zweite Durchsuchung erforderlich machen.

lichtblick: Glauben Sie, dass Durchsuchungen, gar wiederholte, Besucher beeinträchtigen?

Andreas Ochmann: Bei all unseren Maßnahmen muss natürlich die Menschenwürde gewahrt bleiben. Die Kollegen, die diese Maßnahmen vollziehen, sind entsprechend geschult. Nichts desto trotz: Besucher müssen diese Maßnahmen als notwendiges Übel akzeptieren.

lichtblick: Das gilt auch für Kinder - gerade das Umwindeln steht jedoch in der Kritik ...

Andreas Ochmann: Die Kinder wird das vermutlich nicht tangieren; die Maßnahme ist geeignet - und, ja, zumutbar. Windeln bieten nunmal auch die Möglichkeit, Drogen zu verstecken.

lichtblick: Nochmal zurück zu den Besuchzeiten - sind die Zeiten ausreichend?

Andreas Ochmann: Die Frage ist, wie übrigens fast überall: "Wie ist es um meine Möglichkeiten bestellt? Wieviel Geld, Personal, Räume habe ich zur Verfügung - was kann ich in dem mir vorgegebenen Rahmen anbieten?" Und unter den gegebenen Voraussetzungen ermöglichen wir viel. Zudem ist es so, dass im Durchschnitt von allen Tegeler Gefangenen nur zwei der vier von uns offerierten Besuche pro Monat angenommen werden; und 25 % der Inhaftierten erhalten gar keinen Besuch.

lichtblick: Schlimm genug ... Nun haben Sie die von der JVA Tegel zusätzlich zum gesetzlichen Mindestanspruch angebotenen Besuchsformen erwähnt - im letzten Jahr wurde die Dauer der Langzeitbesuche von fünf auf drei Stunden reduziert. Obwohl ausnahmslos von Forschung und Wissenschaft möglichst lange Langzeitbesuche gefordert werden - und als gewinnbringende Resozialisierungsmaßnahme gepriesen werden. Wieso diese Reduzierung?

Andreas Ochmann: Die Reduzierung der Dauer der Langzeitsprechstunde war organisatorischen Sachzwängen im Zusammenhang mit der Umstellung der Tagesabläufe Anfang 2011 geschuldet. 3 Stunden genügen jedoch, um den Zweck der Langzeitsprechstunde zu erreichen. Auf Anregung des lichtblicks konnte die Langzeitsprechstunde kürzlich um 15 Minuten verlängert werden. Die Langzeitsprechstunde wird als wichtiges Instrument angesehen, nicht nur zur Pflege der sozialen Kontakte, sondern auch für die Behandlung der Gefangenen.

lichtblick: Vielen Dank für das Gespräch.

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Quelle:
der lichtblick, 45. Jahrgang, Heft Nr. 350, 1/2012, Seite 5-27
Unzensiertes Gefangenenmagazin der JVA Berlin-Tegel
Herausgeber: Insassen der Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2012