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KAZ/320: Warum Verzicht und Bescheidenheit kein Menschheitsproblem löst


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 370, Februar 2020
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Warum Verzicht und Bescheidenheit kein Menschheitsproblem lösen

von Gretl Aden


Ein kurzer Ausflug in die Geschichte der Menschheit, um sich sowohl der ungeheuerlichen Bedeutung des technischen Fortschritts wieder bewusst zu werden, wie auch der Notwendigkeit, ihn der Bourgeoisie aus den Händen zu nehmen.


"Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also in der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muß, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muß es der Zivilisierte, und er muß es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen. Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehn. Aber es bleibt dies immer ein Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung."
[1]

Es ist ein ganz anderer Begriff von Freiheit, den Marx hier beschreibt, als ihn die Bourgeoisie, fortschrittlich in ihrem Kampf gegen die feudalistischen Mächte verwandte, und heute reaktionär als Kampfbegriff benutzt, um unliebsame, ihren Interessen im Wege stehende Regierungen anderer Staaten zu destabilisieren, politisch, diplomatisch, militärisch hinwegzufegen. Es ist eine Freiheit, für die die Menschheit in ihrer Geschichte des Ringens mit der Natur ums Überleben und um ein besseres Leben von Anbeginn kämpfte, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst war. Sie hat dabei Erstaunliches vollbracht. Doch sie hat in dieser Entwicklung auch notwendig die Klassengesellschaft hervorgebracht.

Was die Produktivkraftentwicklung mit Ausbeutung und Unterdrückung zu tun hat

Die Entwicklung der Viehhaltung, die Bearbeitung des Bodens und damit die Sesshaftigkeit, die Entwicklung und Verfeinerung der Werkzeuge, die Entdeckung von Metallen (zunächst Kupfer) und deren Bearbeitung zu produktiveren Werkzeugen brachten es mit sich, dass sich die Bedürfnisse erweiterten und der Arbeitstag sich erst einmal ausdehnte, aber auch etwas mehr hergestellt werden konnte, als der einzelne Mensch zum unmittelbaren Leben brauchte. Kleiner Privatbesitz entstand und brachte das Matriarchat zu Fall und das Patriarchat hervor. Fremde vereinzelt zu Sklaven zu machen, begann sich zu lohnen - lange vor der Durchsetzung der Sklavenhaltergesellschaft, noch in den urgemeinschaftlich organisierten Gentes und Stämmen. Bis sich schließlich im Verlauf von Tausenden von Jahren reichere Familien herausbildeten, was die Verfasstheit der Urgemeinschaften schließlich sprengte. Mit der Sklavenhaltergesellschaft wurde die Geschichte der Menschheit nun auch die Geschichte von Klassen und Klassenkämpfen. Die mit der weiteren Entwicklung der Produktivkräfte einhergehende Verringerung der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit wurde nun ebenso nur den herrschenden, von der Ausbeutung lebenden Klassen zu Nutze, wie Muße und Wissen deren Privileg wurde. Die breite Masse war davon ausgeschlossen. Die grundlegende Arbeitsteilung zwischen Kopf- und Handarbeit war entstanden. Die Kenntnisse von den Naturgesetzen und ihrer Anwendung waren noch nicht so weit entwickelt, dass "das Reich der Notwendigkeit" so verkürzt werden konnte, dass eine umfassende Entwicklung eines Jeden möglich war. "Die Spaltung der Gesellschaft in eine ausbeutende und eine ausgebeutete, eine herrschende und eine unterdrückte Klasse war die notwendige Folge der frühern geringen Entwicklung der Produktion. Solange die gesellschaftliche Gesamtarbeit nur einen Ertrag liefert, der das zur notdürftigen Existenz aller Erforderliche nur um wenig übersteigt, solange also die Arbeit alle oder fast alle Zeit der großen Mehrzahl der Gesellschaftsglieder in Anspruch nimmt, solange teilt sich die Gesellschaft notwendig in Klassen. Neben dieser ausschließlich der Arbeit frönenden großen Mehrheit bildet sich eine von direkt-produktiver Arbeit befreite Klasse, die die gemeinsamen Angelegenheiten der Gesellschaft besorgt: Arbeitsleistung, Staatsgeschäfte, Justiz, Wissenschaft, Künste usw."[2]

Weiterhin war die menschliche Muskelkraft die wesentliche Energiequelle in der Produktion, ergänzt durch die Kraft von Tieren, die Lasten trugen oder zogen und dort, wo es von den natürlichen Gegebenheiten möglich war, der Wasserkraft.

Durch die Not erzwungene Sparsamkeit wurde zum Alltag der ausgebeuteten Klassen, begleitet von Aufrufen zu Bescheidenheit und Verzicht durch diejenigen, die vom Mehrprodukt dieser Klassen gut und oftmals in Saus und Braus lebten.

Das ist bis heute so. Doch die materiellen Grundlagen haben sich grundlegend geändert.

Die revolutionäre Rolle der Industrialisierung: Ersetzung menschlicher Muskelkraft und ihrer Beschränktheit

Mit dem Aufkommen des Bürgertums noch tief im Schoß der mittelalterlichen Feudalgesellschaft, dem Siegeszug der Dampfmaschine und der großen Maschinerie und damit der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise wurde die private Kleinproduktion zunehmend abgelöst zugunsten einer in großen Fabriken von Hunderten und bald Tausenden von Arbeitern verrichteten Produktion. Nicht mehr die menschliche Muskelkraft ist ab jetzt die vorrangige Energiequelle, was die Produktion notwendig äußerst beschränkte. Sondern die Maschinen verrichteten einen Großteil der Arbeit, bedient von den Arbeitern, die zu Anhängseln der Maschinen wurden. Kohle, später auch Öl und Gas, wurden im großen Stil die Energiequellen, deren sich der Mensch bediente, um die Maschinen anzutreiben. Die Produktionsweise nahm einen gesellschaftlichen Charakter an, doch die Produktionsverhältnisse waren - und sind bis heute - bestimmt vom Privateigentum an den Produktionsmitteln, den Fabriken, Maschinen, Transportmitteln und hergestellten Waren einer, im Verlaufe der kapitalistischen Entwicklung, immer kleiner werdenden Klasse von Kapitalisten. Nicht der vergesellschaftete Mensch regelte und plante den Stoffwechsel mit der Natur. Die kapitalistischen Verhältnisse selbst, der Zwang, Profit zu erzielen bei Strafe des Untergangs, angetrieben durch die Konkurrenz zwischen den Kapitalisten, erschienen nun wie eine außerhalb der Menschen stehende Macht, die die Geschicke der ganzen Gesellschaft bestimmte, Mensch und Natur schonungslos ausbeutete. Die Erkenntnis der Natur, ihrer Bewegungsformen und Gesetzmäßigkeiten nahm einen ungeheuren Aufschwung, aber vorangetrieben von dem Interesse, menschliche Arbeitskraft einzusparen um so Extraprofit zu erzielen und die Konkurrenz zu überflügeln, oder mit neuen Waren auf den Markt zu kommen bevor es der Konkurrent tut. Große Warenmengen konnten in immer kürzerer Zeit produziert und auf den Markt geworfen werden. Doch erst dort entschied sich, ob es genug zahlungskräftige Nachfrage gab. Krisen traten auf, nicht weil zu wenig, sondern weil zu viel produziert worden ist. Betriebe gingen unter oder wurden aufgekauft. Konzentration und Zentralisation des Kapitals waren die Folge und damit die immer weiter fortschreitende Vergesellschaftung der Produktion, die nun in den Händen einer Handvoll Monopolisten war.

Das Privateigentum an den Produktionsmitteln wird zur Fessel

Diese revolutionäre Umwälzung der Produktion bedeutete eine enorme Verminderung der notwendigen gesellschaftlichen Arbeitszeit um die individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse befriedigen zu können. Doch sie führte nicht zur einer Vergrößerung des "Reichs der Freiheit" für die Masse der Bevölkerung, sondern zur unerträglichen Ausbeutung der Arbeiter. Lohn, der kaum zum Überleben reichte, bei gleichzeitiger Ausdehnung des Arbeitstages von Kindern, Frauen und Männern, deren Mehrarbeit sich die Kapitalisten als Profit aneigneten, je mehr, desto besser. Gleichzeitig lebten Tausende in noch größerer Not, weil sie "frei" von Arbeitsmöglichkeiten waren. Nicht Verzicht und Bescheidenheit, keine Maschinenstürmerei und damit der Versuch, die Entwicklung zurück zu zerren konnten irgendetwas daran ändern. Der Kampf der Arbeiterklasse und ihre Organisierung gegen das Kapital waren notwendig geworden, um der Ausbeutung Grenzen zu setzen, um überhaupt das Überleben der Klasse abzusichern. In diesen Kämpfen aber reifte die Erkenntnis, dass es nicht reicht, sich mit ein paar Brosamen von dem gewaltigen Reichtum zu bescheiden, dessen Produktion durch die Arbeiter nun möglich war. Selbst die erkämpften Brosamen waren stets gefährdet, die periodisch auftretenden Überproduktionskrisen warfen zudem immer wieder Tausende auf die Straße, bedrohten ihre nackte Existenz, wodurch der Kampf der Arbeiterklasse erschwert wurde. Das Privateigentum an den Produktionsmitteln war zunehmend zur Fessel für eine weitere Entwicklung der Produktivkräfte geworden. Und nicht nur das. Der Kampf der Monopole und ihrer Staaten um die weltweiten Absatzmärkte und Rohstoffe und deren Neuaufteilung birgt den Krieg in sich und führte zum Krieg, angezettelt vom deutschen Imperialismus. Die erreichten technischen Möglichkeiten in den Händen der Monopolbourgeoisie wurden zu Mitteln ungeheurer Zerstörung. Eine Vergesellschaftung der Produktionsmittel, eine Umwälzung der gesamten Produktionsverhältnisse hin zu einer Gesellschaft, die den "Stoffwechsel mit der Natur regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen (kann), statt von ihm als einer blinden Macht beherrscht zu werden" war möglich und notwendig geworden. Die mit Anfang des 20.Jh., im und gegen den 1. Weltkrieg beginnenden Revolutionen waren Ausdruck dieser Entwicklung.

Die Produktivkräfte müssen von den Eigentumsverhältnissen befreit werden

Seither gehört der Sozialismus zur Geschichte der Menschheit, trotz der bitteren Niederlagen. Es ist hier nicht der Platz näher darauf einzugehen, welche Ursachen diese Niederlagen hatten und ob der Kapitalismus auch im Zeitalter der Monopole nicht doch noch die Entwicklung vorangetrieben hat. Dazu nur ein kurzer Hinweis darauf, warum seit dem 17. Oktober 1917 der Imperialismus nicht mehr losgelöst vom Sozialismus betrachtet werden kann und umgekehrt, in allen gesellschaftlichen Bereichen. Alles andere wäre höchst undialektisch und unmaterialistisch. Der berühmte Sputnikschock[3] ist ein Beispiel dafür, ein anderes, sehr viel weniger bekanntes, die Informationstechnologie. Hier ein Zitat dazu aus einem Artikel eines bürgerlichen, russisch-amerikanischen Wissenschaftlers: "Von den sowjetischen Diskussionen alarmierte amerikanische Beobachter appellierten an die amerikanische Führung, unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, um mit der Sowjetunion im Informations-trüsten mitzuhalten. Nachdem er von der CIA unterrichtet worden war, schrieb Arthur Schlesinger ... 1962 an Justizminister Robert F. Kennedy, dass ihre 'totale Hingabe an die Kybernetik' den Sowjets 'einen unschätzbaren Vorteil' verschaffen würde."[4] Und dabei ging es nicht um militärische Vorteile, sondern um Fortschritte in der Produktion. Befürchtet wurde "... die UdSSR könnte bis 1970 eine radikal neue Produktionstechnologie entwickelt haben, einschließlich totaler Unternehmen oder Industriekomplexe, gemanagt von Computern, die sich über Regelkreise und Feedback-Kontrolle selbst perfektionieren."[5]

Fakt ist auf jeden Fall, dass der Imperialismus per se eine ungeheure Verschwendung von menschlichen und natürlichen Ressourcen bedeutet. Nicht ausgelastete Produktionskapazitäten aufgrund permanenter tendenzieller Überproduktion, bei gleichzeitiger Erwerbslosigkeit von Millionen - auch in diesem Land, in dem die politisch Verantwortlichen so tun, als gäbe es praktisch keine Arbeitslosigkeit mehr - bedeutet nichts anderes als Verschwendung von Rohstoffen und menschlicher Arbeitskraft, die nicht genutzt werden. Überfluss an Kapital, also in Geldform geronnener Reichtum, das rund um die Welt nach "Anlagemöglichkeiten sucht", ist die notwendige Kehrseite der Medaille. Das aber bedeutet, dass die imperialistischen Staaten eine eigenständige Entwicklung abhängiger Länder, sei es auch nur die Entwicklung relativ stabiler kapitalistischer Verhältnisse, möglichst zu verhindern streben. Rückständigkeit der Produktionsmittel, dauerhafte Erwerbslosigkeit von Massen von Menschen, größte Not und grässliche Arbeitsbedingungen für die Arbeiter in den Fabriken sind in vielen Ländern die Folge.

Noch ein Beispiel: Errungenes Wissen und Fähigkeiten, für Massen Verkehrsmittel produzieren zu können, mit denen man sich schnell und mühelos von A nach B fortbewegen kann, in die Produktion von Millionen und Abermillionen Blechkisten mit vier Rädern zu stecken, statt in den Aufbau eines umfassenden öffentlichen Verkehrssystem, ist nicht nur eine ungeheure Verschwendung von kostbaren Rohstoffen, die in unnötiger Menge in die Luft geblasen werden. Es ist auch eine Verschwendung der menschlichen Arbeitskraft, die sich selbst transportieren muss, statt die gewonnene Zeit anders nutzen zu können - zu lesen, sich zu unterhalten oder auch zu schlafen. Es ist darüber hinaus eine verbrecherische Verschwendung von Menschenleben überhaupt. Alleine in Deutschland sind seit 1950 um die 780.000 Menschen bei Verkehrsunfällen gestorben und über 31 Millionen verletzt worden.[4] Doch Autos haben nun mal eine sehr viel kürzere durchschnittliche Lebenszeit, als Lokomotiven, das Kapital schlägt schneller um, was mehr Profit bedeutet. Was zählen demgegenüber Menschenleben, Luftverschmutzung und Rohstoffverschwendung?

Fakt ist auch, dass Forschung in der Regel nur dann vorangetrieben wird und vor allem die Ergebnisse nur angewandt werden (und ansonsten als privates Eigentum vor der Konkurrenz verschlossen werden), wenn sie ein Geschäft mit maximalen Profit versprechen oder auch die Konzernherren dazu gezwungen werden, sei es durch die, meist ausländische, Konkurrenz, sei es auch durch den Staat, der im Interesse eines Teils des Monopolkapitals oder auch der gesamten Monopolbourgeoisie eingreift, um deren Grundlagen zu sichern.

Es gibt auch dafür viele Beispiele, eines wird in dem Artikel "Rückwärts stolpern ist auch Bewegung" bereits genannt: der schleppende und sträfliche Umgang mit der Kernkraft, mal ganz abgesehen davon, dass die erste Anwendung der Kernkraft der Bau von Atombomben war. Der sprunghafte Fortschritt in der Wissenschaft, den die Atomphysik bedeutet, wurde als ebenso sprunghaft angestiegene Zerstörungskraft benutzt.

Ein weiteres ist, dass plötzlich so einige Monopolisten, ob aus dem Stahl- oder Chemiebereich, verkünden, dass sie mit neuen Verfahren den Ausstoß von CO2 oder anderer sog. Treibhausgase erheblich vermindern können. Es fragt sich doch: wenn diese Verfahren bekannt sind, warum werden sie nicht längst angewendet? Sie erfordern Investitionskosten und benötigen, wie erklärt wird, viel mehr Energie, weshalb nun allenthalben gefordert wird, die Kosten für Strom zu senken, wie überhaupt Maßnahmen, die die "Wettbewerbsfähigkeit" der Monopole nicht gefährden. Sprich: die Kosten sollen auf die Masse der Bevölkerung abgewälzt und die Arbeitskraft bitte noch billiger werden. Die Situation dafür ist günstig, wird doch seit über einem Jahr auf den Straßen, in den Medien, in der Politik, auf allen möglichen Gipfeln über das Klima und seine Folgen diskutiert, wird jeder einzelne zu Verzicht und Sparsamkeit aufgefordert um die Menschheit zu retten.

Die Friday-for-future Demonstrationen sind spontane Antworten auf die sich überall auftürmenden Erscheinungen des Irrsinns kapitalistischer Verschwendung und Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Nicht ganz so spontan dürften die kampagnenartige mediale Begleitung sein, die Umarmung der Bewegung durch Konzernherren und Politik und der Sog, der damit bewirkt wird. Von was soll abgelenkt werden? 2018, unmittelbar bevor die Schülerstreiks begannen, waren Zehntausende von Menschen auf den Straßen um gegen das Erstarken faschistischer Kräfte, gegen Rassismus, rassistische Hetze und die weitere Zersetzung der bürgerlichen Demokratie (Polizeiaufgabengesetze) zu demonstrieren. Zufall? Zumindest wissen wir, dass der Kampf gegen Faschismus und Kriegsgefahr nicht nur notwendig ist, um möglichst eine nächste Katastrophe größten Ausmaßes für die Menschheit zu verhindern, sondern auch, um einer grundsätzlichen Lösung der nicht zu bestreitenden Menschheitsprobleme einen Schritt näher zu kommen. Das aber will die Bourgeoisie um jeden Preis verhindern.

Nicht der technische Fortschritt, der Imperialismus ist das Menschheitsproblem

"Wohin man auch blickt, auf Schritt und Tritt findet man Aufgaben, die sofort zu lösen die Menschheit imstande wäre. Der Kapitalismus aber steht hindernd im Wege. Es hat komplizierteste Probleme der Technik gelöst - jedoch die Verwirklichung technischer Verbesserungen infolge des Elends und der Unwissenheit von Millionen, infolge des engstirnigen Geizes einer Handvoll Millionäre gehemmt."[7] Dieses Zitat Lenins aus dem Jahr 1913 ist aktueller denn je, die einzig mögliche Lösung dieses horrenden Widerspruchs keine andere als damals: Die sozialistische Revolution, die Ergreifung der Macht durch die organisierte Arbeiterklasse, die Enteignung der Monopole, die Vergesellschaftung der Produktion und Umwälzung der Produktionsverhältnisse. Das sind die Voraussetzungen, um überhaupt gesellschaftlich planen zu können und die enormen Naturkräfte, die der Mensch heute in Bewegung setzen kann, zum Nutzen der gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnisbefriedigung einzusetzen, statt zur Zerstörung von Mensch und Natur. Die Befreiung der Produktivkräfte von den Eigentumsverhältnissen ist notwendige Bedingung, um die Produktion weiterentwickeln und gleichzeitig kontrollieren zu können, statt zu versuchen, die Geschichte wieder zurück zu zerren, und zu meinen, mit Windrädern und Sonnenenergie, Fahrradfahren und Verzichtsaufrufen sei irgendein Problem zu lösen. Der Sturz der Bourgeoisie ist die Voraussetzung, damit errungenes Wissen und Fähigkeiten wieder Wissen und Fähigkeiten der Menschheit werden, statt Privatbesitz einiger hochentwickelter Staaten und deren herrschender Klasse zu sein. Heute den Völkern mit Hinweis auf die schädliche Wirkung von Treibhausgasen vorschreiben zu wollen, wie und ob überhaupt sie Industrie und Landwirtschaft weiterentwickeln sollen, ist chauvinistisch und schädlich, stützt die Herrschaft der Monopole, statt sie ins Wanken zu bringen. Eine hoch entwickelte Industrie ist überall Voraussetzung, um millionenfaches Elend und Unwissenheit zu beseitigen. Das aber bedeutet, um noch einmal auf die Energiefrage zurückzukommen, dass das vorhandene Wissen über die Kernkraft genutzt und weiterentwickelt werden muss, um für eine solche Entwicklung eine beständige und ausreichende Energieversorgung gewährleisten zu können. Es braucht die Bildung und Fähigkeiten eines jeden, und zwar nicht nur hier oder in anderen hoch entwickelten Ländern, sondern überall. Die enorme Verkürzung der Zeit, die jeder nur mehr aufwenden müsste, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, macht das möglich. Das wiederum sind die Voraussetzungen um ein menschliches Zusammenleben zu erreichen, in dem nicht mehr der Mangel verteilt werden muss, was bisher auch in allen sozialistischen Staaten noch notwendig der Fall war und ist, sondern die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben kann: "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!"[8] - und damit jeglicher Klassenherrschaft die Grundlage entzogen ist.


Anmerkungen

[1] Karl Marx: Das Kapital, Dritter Band, S. 828, MEW Bd. 25

[2] Friedrich Engels: "Herrn Eugen Dürings Umwälzung der Wissenschaft", MEW Bd. 20, S. 262

[3] Am 4. Oktober 1957 gelang es der Sowjetunion den ersten künstlichen Erdsatelliten, Sputnik 1 genannt, in die Umlaufbahn um die Erde zu schießen. Der Schock in den imperialistischen Ländern war groß. Er löste unmittelbar zunächst in den USA, mit Verzögerung auch in Westdeutschland (z.B. 1965 Gründung des Deutschen Bildungsrates) Diskussionen um eine Verbesserung des Bildungssystems aus.

[4] Slava Gerovitch: "Die sowjetische Kybürokratie", zit. nach Michael Seiler: "Digitalisierung" in Streitbarer Materialismus, Sondernummer Mai 2019, S. 77

[5] Ebd.

[6] Spiegel vom 11.12.2017

[7] W.I. Lenin: "Die zivilisierte Barbarei", LW Bd. 19, S. 380

[8] Karl Marx: "Kritik des Gothaer Programms", MEW Bd. 19, S. 21

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 370, Februar 2020, S. 16-19
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2020

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