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KAZ/315: Vorläufige Ergebnisse einer Konterrevolution - Zu den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen


KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 369, Dezember 2019
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker vereinigt euch!

Vorläufige Ergebnisse einer Konterrevolution
Zu den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen


Eigentlich hat es ja schon jeder geahnt, und trotzdem war das Erschrecken groß: 23,5 Prozent für die AfD in Brandenburg, 27,5 Prozent in Sachsen, 23,4 Prozent in Thüringen. In Thüringen scheint eine Zusammenarbeit von CDU und AfD kein Tabu mehr zu sein.

Der Schmerz ist groß, nicht nur, weil das besonders hohe Ergebnisse sind, sondern auch, weil das ausgerechnet dort geschieht, wo einmal der Antifaschismus Staatsdoktrin war.

Wir können nicht in die Hirne der AfD-Wähler hineinsehen, und das wäre sicherlich auch kein schöner Anblick. Aber wir können uns die Bedingungen ansehen, die diese Schmach und Schande begünstigt haben.

Das Gebiet der einverleibten DDR unterscheidet sich bis zum heutigen Tag von Westdeutschland und Westberlin.

- In der DDR hat 1989/90 eine Konterrevolution stattgefunden. Volkseigentum wurde in Privateigentum umgewandelt. Alles wurde zur Ware: die eigene Arbeitskraft, die Wohnung, die Gesundheit, die Bildung usw. usw. Die deutschen Monopole, die schuld an Faschismus und Krieg gewesen waren und im Osten Deutschlands enteignet waren, nahmen die DDR in ihren Würgegriff. In Westdeutschland dagegen hatte seit dem Zweiten Weltkrieg keine grundsätzliche Umwandlung stattgefunden, außer dass die Nazis und Kriegsverbrecher ab Mai 1945 im Handumdrehen zu "Demokraten" geworden waren. Auch wenn die Konterrevolution selbst im Westen ihre spürbaren Auswirkungen vor allem auf die Arbeiterklasse hatte, bedeutete 1989/90 für die westdeutsche Bevölkerung keine Umwälzung, keine Umstellung.

- Eine Konterrevolution hat in den Jahren 1989-1991 auch in anderen sozialistischen Staaten stattgefunden. Aber es gibt eine wesentliche Besonderheit bei der DDR: Die DDR wurde als Staat zerschlagen und annektiert, und gleichzeitig wurde die neu aufkommende ostdeutsche Bourgeoisie niedergemacht und paralysiert. Bei der Verschleuderung des Volkseigentums durch die Treuhand wurden Kapitalisten nicht nur aus Westdeutschland sondern auch aus verschiedenen anderen Ländern gegenüber ostdeutschen Investoren (solchen, die trotz der 1:1-Entwertung 1990 noch einiges an Geld - wie auch immer - gehortet hatten oder ihr Geld zusammenlegten) deutlich vorgezogen. Und lieber wurden ganze Industrien zerstört, als dass man sie ostdeutschen Bürgern verkauft hätte. Es gibt eine russische, eine tschechische, eine polnische ... usw. Kapitalistenklasse, aber keine ostdeutsche. Der deutsche Imperialismus konnte keine Bourgeoisie neben sich dulden. Die Verbitterung der verhinderten Kapitalisten hat sich in alle Poren der annektierten DDR gesetzt und treibt die Gesellschaft nach rechts, soweit nicht antifaschistische Kräfte beherzt genug sind, dem Einhalt zu gebieten.

- Man sollte meinen, 30 Jahre nach dieser konterrevolutionären Umwälzung sollte nun Frieden eingetreten sein, sollten Ost und West in Deutschland sich nicht mehr unterscheiden. Aber das Gegenteil ist der Fall. Das Ostdeutsche Kuratorium von Verbänden stellte auf einer Veranstaltung zum 70. Jahrestag der DDR unter dem Beifall der Anwesenden fest: "Fast 30 Jahre nach dem Beitritt ist Ostdeutschland zur Kolonie in Deutschland verkommen. Die wesentlichen Merkmale eines Kolonialsytems wurden durchgesetzt: das politische, juristische und wirtschaftliche System des 'Mutterlandes' wurde komplett übergestülpt; das Eigentum in Händen westlicher Konzerne und Bürger konzentriert; die Wirtschaft weitgehend zerstört und zur Zulieferung an die westlichen Konzerne degradiert; ausgebildete Arbeitskräfte sind millionenfach abgewandert; wirtschaftliche und soziale Leistung sind weit zurückgeblieben; die Kommandohöhen in der Politik, der Wirtschaft und der Verwaltung wurden durch Bürger aus den alten Bundesländern besetzt; die kulturelle Identität Ostdeutschlands wurde verfälscht und missachtet."

Wie soll es unter diesen Bedingungen nicht unterschiedliche politische Ausprägungen geben, die dann bei Wahlen zum Ausdruck kommen? Und das betrifft nicht nur die AfD.

Ein Wort zu den Ländern, von denen hier die Rede ist: Die DDR hatte mit Recht dem Föderalismus ein Ende gemacht, die Länder aufgelöst und das Territorium in Bezirke aufgeteilt, aus denen keine kleinen Fürstentümer entstehen konnten. Das war eine Lehre aus der Weimarer Republik. Der Föderalismus hatte nicht nur der faschistischen Reaktion großen Raum gegeben, sondern 1919 bis 1923 auch zu den Niederlagen der Arbeiterklasse in ihren revolutionären Kämpfen beigetragen.

Die kleinen Fürstentümer sind nun wieder da, drastischer und auffälliger sogar als in Westdeutschland, wo vor allem Bayern als "Ordnungszelle" und reaktionäres Aufmarschgebiet wirkt. Sehen wir uns jetzt die drei an, in denen in diesem Jahr Landtagswahlen waren. Und wenn wir uns jetzt auch die Wahlergebnisse - nicht nur der AfD - ansehen, dann müssen wir beachten, dass die Prozentzahlen nicht immer sehr aussagekräftig sind. Gerade wenn die Wahlbeteiligung sehr ansteigt - wie bei allen drei Wahlen geschehen - kann ein Verlust von Prozentpunkten einhergehen mit einem absoluten Gewinn an Wählern. So ist es geschehen bei der SPD in Brandenburg, der CDU in Sachsen und den Grünen in Thüringen. Auch Aussagen, dass irgendwelche Regierungen abgewählt worden seien, sollte man mit Vorsicht genießen. So hat das Bündnis Linke-SPD-Grüne in Thüringen über 56.000 Stimmen dazu gewonnen. Verloren hat nur die SPD, aber auch nicht so drastisch, dass man gleich die ganze Regierung als wahltechnisch gescheitert ansehen müsste. Dass es für eine "stabile" Regierung nun nicht reicht, liegt daran, dass sich prozentual die Verhältnisse verschoben haben. Die AfD hat sich als Mitesser an den Tisch gesetzt. Deshalb bekommen alle anderen weniger.

Nun zu den einzelnen Ländern.

Brandenburg:

Hier ist die SPD wieder stärkste Partei, und hat gut 16.000 Wähler dazu gewonnen. Diese SPD ist nicht dasselbe wie die SPD in Westdeutschland und Westberlin (die auch im Berliner Regierungsbündnis sehr weitgehend das Sagen hat). Während die eigentliche SPD in Westdeutschland (und früher in der Weimarer Republik) die Politik der Arbeiteraristokratie und opportunistischen Arbeiterführer repräsentiert, ist die SPD in Ostdeutschland ursprünglich in der DDR als SDP im Oktober 1989 von einer Gruppe gegründet worden, die hauptsächlich aus Pfarrern und Theologen bestand und sich später der SPD angeschlossen hat. Zwölf Jahre lang war ein hoher Funktionär der evangelischen Kirche (Manfred Stolpe) brandenburgischer Ministerpräsident. Eine wichtige Rolle in der SPD wie in der evangelischen Kirche spielte auch die im Osten sehr populäre Regine Hildebrandt. Eine politische Repräsentation der Arbeiteraristokratie ist die SPD Ost nach wie vor nicht - allein schon aus dem Grund, dass es im Osten Deutschlands aufgrund der Vergangenheit als sozialistisches Land und aufgrund der mit der Annexion folgenden Deindustrialisierung auch keine bedeutende neue Arbeiteraristokratie heranwachsen konnte. In den wenigen noch vorhandenen oder neu gegründeten Großbetrieben bestimmen westdeutsche Gewerkschaftsfunktionäre das Feld. Durchaus typisch für Brandenburg ("Klein-Preußen") ist die Verwurzelung im Protestantismus, auch preußisch-militaristischer Prägung (siehe der Wiederaufbau der Garnisonkirche in Potsdam) und verbunden mit der protestantischen Opposition gegen die DDR. Das heißt, die SPD im Osten hat zumindest in Brandenburg Wurzeln bei Leuten, die sich mit der sogenannten "friedlichen Revolution" verbunden fühlen, die zum großen Teil sich einen Kapitalismus mit menschlichem Antlitz oder einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus erhofft haben, aber nicht unbedingt die DDR als Staat zerstören wollten. In diesem Widerspruch liegen Gefahren, aber auch demokratische Bündnismöglichkeiten.

Sachsen:

Die CDU ist hier wieder stärkste Partei und hat ca. 50.000 Wähler dazu gewonnen. Der CDU-Verband Sachsen dürfte der reaktionärste Verband der CDU im einverleibten DDR-Gebiet sein, wenn nicht sogar insgesamt der CDU. Ausgerichtet und getrimmt wurde die CDU Sachsen durch hohe westdeutsche Funktionäre der CDU und CSU. In einem Artikel in der ZEIT von 2016 heißt es: "Im Bündnis mit dem sächsischen Bürgertum versuchten konservative westdeutsche Beamte, aus Sachsen ein ostdeutsches Bayern und aus der Sachsen-Union eine dazugehörige CSU zu machen."[1] Die ersten beiden Ministerpräsidenten seit 1990 waren Westdeutsche: Kurt Biedenkopf (1990 bis 2002), der Sachsen in dieser Zeit geprägt hat, und Georg Milbradt (2002 bis 2008). Ab dann durften endlich auch CDU-Parteimitglieder nach oben, die aus der DDR kamen. Wenn man an konterrevolutionäre und faschistische Aktivitäten in Sachsen denkt, sollte man sich nicht nur an die Reichskriegsflaggen bei den letzten Montagsdemonstrationen in Leipzig erinnern, an die Pegida-Aufmärsche in Dresden, an den Pogrom in Chemnitz, an die Nazi-Nester in der Sächsischen Schweiz, an die Überfälle auf Flüchtlinge. Der o.g. Hinweis in der ZEIT hat bis heute seine Berechtigung nicht verloren. Die CSU ist dringend angewiesen auf ein Standbein in der annektierten DDR. Denn sie hat ein großes Problem. Die CDU konnte nach der Annexion der DDR die gesamte CDU der DDR - Menschen und Vermögen - übernehmen. Die CSU ging vollständig leer aus. 1989/90 war sie mit dem Versuch, in der DDR eine Zweigstelle namens DSU zu etablieren, elend gescheitert. Sich das Standbein in der CDU Sachsen zu sichern, war die einzige Möglichkeit, dennoch im Osten Fuß zu fassen. Und das wird ausgebaut: ein gemeinsames Papier zur deutschen "Leitkultur" wurde 2016 von der CSU und der CDU Sachsens gemeinsam unterzeichnet. Mit initiiert wurde es von dem jetzigen Ministerpräsidenten Kretschmer. So sieht der Konkurrenzkampf dieser Reaktionäre gegen die AfD aus.

Thüringen:

Hier hat es im Gegensatz zu Brandenburg und Sachsen einen Austausch der wählerstärksten Partei gegeben: 2014 war es noch die CDU (die dennoch keine Regierung bilden konnte, da das Bündnis Linke-Grüne sich zusammenschloss und eine parlamentarische Mehrheit nutzen konnte). Nun ist es die Linke, die spektakuläre Wahlergebnisse eingefahren hat, während die CDU Wähler verloren hat. Wobei es hier eine Besonderheit gibt: Die CDU hat bei den Erststimmen (Direktkandidaten) mehr Stimmen als die Linke (ca. 58.000), während bei der Linkspartei die Summe der Zweitstimmen (Landesliste) um 60.000 höher ist als die der Erststimmen. Dies könnte für eine starke Verankerung und Verwurzelung der CDU in Thüringen sprechen, die dann aber zehntausende Wähler nicht gehindert hat, die Linkspartei zu wählen - sei es aus Zufriedenheit mit der bisherigen Regierung, sei es aus taktischen, bürgerlich-demokratischen Erwägungen.

Von 1990 bis 2014 stand Thüringen unter der Vorherrschaft der CDU, die Ministerpräsidenten waren CDU-Mitglieder. Anders als in Sachsen durfte zunächst ein hoher Funktionär der DDR-CDU dieses Amt bekleiden, Josef Duchac. Aber schon Anfang 1992 musste er seinen Hut nehmen wegen - man kann es sich fast schon selber denken - "Stasi"-Vorwürfen. Der nächste Ministerpräsident war - wie Kurt Biedenkopf in Sachsen - ein bekannter CDU-Funktionär aus Westdeutschland, Bernhard Vogel. Er erreichte nie den fürstlichen Glanz wie "König Kurt" und schied 2003 aus Altersgründen aus dem Amt. Ihm folgten Regierungen unter Führung der CDU und Ministerpräsidenten, die aus der CDU der DDR kamen. Bei der Landtagswahl 2014 war die CDU auch wieder stärkste Partei, wurde aber dennoch vom Bündnis Linke-SPD-Grüne abgelöst.

Die Linke hat einen spektakulären Wahlsieg errungen, während ihre Verluste in Brandenburg und Sachsen katastrophal waren. Wir werden hier nicht nach Gründen suchen, warum das so ist. Wahlen sind ein Gradmesser für die Reife der Arbeiterklasse. Sie sind so gut wie kein Gradmesser für die Qualität der Arbeit der jeweiligen Parteien oder dafür, wer im Recht ist. Würden die Parteien, die im Recht sind und die stichhaltigsten Argumente haben, aus diesen Gründen Wahlen gewinnen, dann hätten weltweit Kommunisten in allen Parlamenten die Mehrheit. Wir wollen hier nur - wie in den anderen Beispielen auch - uns einen Ministerpräsenten - in diesem Fall den bisherigen und vielleicht künftigen - ansehen, Bodo Ramelow. Er kommt aus der westdeutschen Arbeiteraristokratie, der damaligen Gewerkschaft Handel-Banken-Versicherungen (HBV). Er war immer anders als die westdeutschen Gewerkschaftsfunktionäre, die in die annektierte DDR kamen, er verurteilte deren selbstzufriedene Haltung, die etwa so lautete: "Wir müssen den Kollegen im Osten mal erklären, wie man Gewerkschaftsarbeit macht und was ein Tarifvertrag ist". Er plädierte dafür, die anderen Bedingungen, die andere Geschichte der Kollegen im Osten wahrzunehmen, statt sie besserwisserisch zu gängeln und letztlich im Stich zu lassen. Er ist Sozialdemokrat, und er ist Antikommunist, aber man muss ihm lassen, dass in dieser Hinsicht sein Vorgehen viel richtiger und nützlicher war als das der Mehrheit der in den Osten geschickten westlichen Gewerkschaftsfunktionäre. Diese seine Haltung hat sicherlich viel dazu beigetragen, dass er in Thüringen diese Beliebtheit und Verankerung erreicht hat.

Das Wahlergebnis hat polarisiert, wie wir es bisher nicht kannten, weil die Polarisierung in der CDU stattfindet, weil hier, mitten in der CDU Thüringen und gegenüber der Bundes-CDU ein Kampf stattfindet, bei dem bürgerliche Demokratie gegen Faschismus steht. Zusammenarbeit mit der Linken anstreben, um den parlamentarischen Einfluss der AfD zurückzudrängen - das ist der Standpunkt der bürgerlichen Demokratie in der Thüringer CDU. Sich der Zusammenarbeit mit allen im Parlament vertretenen Parteien (einschließlich der AfD) zu öffnen - das ist der Standpunkt, der dem Faschismus die Tür öffnet. Der dritte Standpunkt ist keiner, da er mathematisch nicht möglich ist - die Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der AfD ablehnen, und ablehnen, sich auf die Stimmen der einen oder der anderen zu stützen (Tolerierungsmodell). Und es geht nicht nur um Mathematik - allein schon die Gleichsetzung von Linkspartei und AfD bereitet dem Faschismus den Weg. Es ist dies der Weg des Thüringer CDU-Vorsitzenden Mohring, nachdem er einige Stunden offiziell mit der Linkspartei geliebäugelt hat und nicht nur von dem Thüringer reaktionärsten Teil der CDU, sondern auch der Bundes-CDU zurückgepfiffen wurde. Diese scharfe Polarisierung der CDU, die auf Seiten der Demokratie sicherlich (hoffentlich) was mit Traditionen der CDU der DDR zu tun hat, sollte beachtet werden - sie könnte womöglich eine Erweiterung der Bündnismöglichkeiten im antifaschistischen Kampf bedeuten.

AfD - Westpartei

So unterschiedlich die Bedingungen in den drei Landtagswahlen Brandenburg, Sachsen und Thüringen waren, in einem unterscheiden sie sich überhaupt nicht: in den spektakulären Wahlsiegen der AfD, die überall der weitaus größte Stimmengewinner war (wobei ihr Stimmenanteil in Sachsen noch mal besonders hoch ist - das CSU-vergiftete Klima dort scheint ihr gut zu bekommen). Die AfD kennt keine regionalen Besonderheiten. Sie verhält sich überall im Osten stromlinienförmig gleich, vertritt mörderischen Rassismus und droht, die "Wende" zu vollenden. Der Eichsfelder CDU-Landrat Werner Henning, prominentester Vertreter der Ansicht, dass die CDU mit der Linken zusammenarbeiten sollte und auf keinen Fall mit der AfD, sieht einen großen Teil der AfD-Wähler in seinem Umfeld als "aufgehetzt von Leuten, die fremd hier in unsere Landschaft hineinkommen, und leider lassen sich so manche aus welchen Gründen auch immer dann in die Irre führen"[2].

Der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, sieht das ähnlich: "Wir sind ja nicht schuld, dass aus Westdeutschland Extremisten wie Herr Höcke und Herr Gauland in die östlichen Bundesländer kamen. Die Erfolge dieser Herren stärken den Nährboden, aus dem am Ende rechter Terror wächst. Juden sind in Gefahr. Juden haben wieder Angst. Frage des Interviewers: Meinen Sie, dass Rechtsextremismus zu Unrecht als ostdeutsches Phänomen gilt? Antwort: Deswegen erwähne ich ja, dass Höcke und Gauland Westdeutsche sind. Die Ostdeutschen werden oft zu Unrecht schlechtgemacht."[3] >

Womit gewinnt denn nun die AfD ostdeutsche Wähler? Was ist ihr Angebot?

Es sind die Überreste der verhinderten ostdeutschen Bourgeoisie, deren reaktionärer Frust weiter existiert und stärker wird, je krisenhafter der Kapitalismus ist und je weiter irgendwelche Hoffnungen auf Besserung schwinden. Dieser Frust setzt sich durch und erfasst alle möglichen Kleinbürger, vergiftet sogar einen beträchtlichen Teil der Arbeiter (der prozentuale Anteil an AfD-Wählern war bei Gewerkschaftern genauso hoch wie bei der gesamten Wählerschaft). Das Angebot der AfD bedient den Wunsch, nicht mehr abseits zu stehen als Ostdeutscher, dazu zu gehören zu dieser kapitalistischen Gesellschaft, als Auch-Deutscher anerkannt zu werden. Stattdessen, so der dazu gehörige Wahn, werden die Deutschen in Ostdeutschland benachteiligt (was stimmt), während den "Ausländern und Asylanten" das Geld nur so reingeschoben wird (wozu es null Fakten gibt - aber das ist dann bei diesem reaktionären Gift und Frust egal). Statt sich gegen die westdeutsche Fremdherrschaft zu wehren, wird fremden westdeutschen Faschisten zugestimmt, die gegen alles "Fremde" hetzen. Statt das deutsche Kapital anzugreifen, das diese Misere verursacht hat, stellt man sich schützend vor die Kapitalherrschaft. So soll die faschistische Volksgemeinschaft geschmiedet werden, damit wir alle, Ost und West gemeinsam, wieder in den Krieg ziehen.

Da muss man auch mal fragen, was eigentlich die Führung der IG Metall reitet, dass sie die Metaller im Osten so im Regen stehen lässt mit ihrer Forderung nach Angleichung der Arbeitszeit, nach Einführung der 35-Stunden-Woche. Man sieht doch (und nicht erst heute) an den amtlichen Statistiken, dass man mit dieser Spalterpolitik weniger bewusste Arbeiter in den Irrweg des Rassismus und in die Arme der AfD treibt. So wird der Aufstieg von Faschisten erleichtert, die ihrerseits genau diese Gewerkschaftsführung gern an Laternen aufgehängt sehen würde. Was für ein schändliches Bild bietet hier die IG Metall!

Was können wir tun?

Die KAZ ist eine Zeitung aus Westdeutschland. Wir beteiligen uns nicht an dem westdeutschen Herrschaftsgebaren gegenüber der annektierten DDR. Unsere Parole heißt: Solidarität! Die Schmähung der Ostdeutschen als Reaktionäre und Faschisten nützt den Faschisten und schadet den Antifaschisten. Sondern angesagt ist Solidarität mit allen, die sich den faschistischen Entwicklungen widersetzen. Das kann sogar heißen, Solidarität mit den Teilen der CDU, die sich noch an humane Gepflogenheiten der DDR-CDU erinnern. Alles ist nach dieser Polarisierung wie in Thüringen zu prüfen. Sich der CDU in die Arme zu werfen, wäre natürlich ausgesprochen dumm. Genau zu schauen, wieweit noch der Antifaschismus der DDR sich in irgendwelchen, wenn auch zaghaften Formen (zum Beispiel christlich begründet) sogar in der CDU zeigt, das kann sehr wohl erfolgversprechend sein.

Solidarität ist auch gefragt im Kampf gegen die Reaktion in Sachsen. Da ist es vor allem unsere Verantwortung, die CSU zu bekämpfen und zu schwächen, deren Gegnerschaft gegen die AfD nichts als ein innerfaschistischer Konkurrenzkampf ist.

Unablässig müssen sich klassenbewusste Gewerkschafter für die Gleichstellung der Arbeiter in Ost und West einsetzen, was einen harten Kampf gegen die Gewerkschaftsführung bedeutet. Die stimmt zwar in Worten zu, wagt aber den Kampf nicht. Hier müssen westdeutsche Gewerkschaftseinheiten und Belegschaften helfen, der IG Metall Beine zu machen!

Und jetzt noch ein Vorschlag, wie auf rein parlamentarischem Weg der Anteil der AfD-Abgeordneten oder sonstiger Faschisten verringert werden kann. Über 7 Millionen erwachsener Menschen haben in der BRD kein Wahlrecht zu Landtagen und zum Bundestag - weil sie als "Ausländer" registriert sind. Ihnen sollte sofort das vollständige Wahlrecht gegeben werden (oder noch besser: die sofortige bedingungslose Einbürgerung angeboten werden). Jede Wette, dass dann bei den nächsten Wahlen die AfD, die CSU usw. in den Parlamenten reduziert wird, selbst wenn sie keine Wähler verlieren. Allerdings wird sich dieser einfache rein parlamentarische Weg auch nur durch Kämpfe in Betrieben und auf der Straße verwirklichen lassen. Packen wir's an!

E. W.-P.


Anmerkungen:
[1] www.zeit.de/feature/sachsen-rechtsextremismus-npd-pegida-spaltung-einheitsfeier
[2] www.deutschlandfunk.de/thueringer-landrat-henning-cdu-nach-lage-der-dinge-koennten.694.de.html?dram:article_id=462265
[3] www.juedische-allgemeine.de/politik/juden-sind-in-gefahr/

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Quelle:
KAZ - Kommunistische Arbeiterzeitung, Nr. 369, Dezember 2019, S. 35-38
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2020

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