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IZ3W/376: Hefteditorial von Ausgabe 362 - Kleine Homestory


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe 362 - September/Oktober 2017

Kleine Homestory


Jüngst, auf einer Lesung unter Sternen in einem Freiburger Szeneort, benutzte der Moderator bei der biografischen Kurzvorstellung des Buchautors Jörg Später einen Begriff aus der Biologie: Der vorgestellte Autor einer Biografie über Siegfried Kracauer sei in vergangenen Jahren als kritischer Geist in einem Freiburger Biotop aktiv gewesen. Genauso der Moderator, und so haben sie sich kennengelernt. Dieses Hinterhofbiotop habe einen recht kryptischen Namen, iz3w.

Im Hinterhof freut man sich riesig über das große Interesse, das Jörg Später, nach Jahren des prekären Durchwurstelns im akademischen Betrieb, endlich erfährt. Siegfried Kracauer - das ist kein Mainstreamthema. Und wir veröffentlichen gerade einen Themenschwerpunkt über »Alter im Globalen Süden« - das treibt hierzulande auch nicht jede/n um. Doch Hand aufs Herz: Wir verschanzen uns ja nicht mit Insiderthemen hinter Geheimnamen wie iz3w, um möglichst nicht aufzufallen. Die Biotope sind die kleinsten Einheiten der Biosphäre, und ihnen sei ihr Erhalt gewünscht. Aber für eine »Zeitschrift zwischen Nord und Süd« sind sie kein optimaler Bezug. Kracauer war ein kritischer Intellektueller, den Deutschland ins Exil und die Vergessenheit verdrängt hat. Jörg Später holt ihn auf die große Bühne zurück - und dies in einem Buch, welches das Genre der nacherzählenden Biografie weit hinter sich lässt. Die großen Zeitungen loben etwa die »geistesgeschichtliche Durchdringung eines aufgewühlten Kosmos der Intelligenz«. Jedenfalls macht das Lesen und Zuhören da wieder Spaß.

Auch nicht ganz unspannend ist der Hinterhof selbst. Da ist auch immer etwas los. Unser Archivar Christian Neven-du-Mont wurde jetzt 70. Das war ein Erwachen! So versammelten wir uns kurz zuvor, und sangen für eine Videobotschaft im Hinterhof »Die Internationale« ein. »Die Müßiggänger schiebt beiseite!« und andere Textstellen rufen kritisch-historische Diskussionen hervor, textsicher ist auch kaum jemand, aber wir brachten es über die Bühne. Hat Spaß gemacht.

Warum aber hier diese Innenschau? Ein Grund ist, dass sich eine Mitstreiterin nach 18 Jahren entschieden hat, die Redaktion zu verlassen. Martina Backes wird sich nach dem Aufbau des tourismuskritischen Projektes FernWeh, dem Konzipieren dutzender Heftausgaben und Themenschwerpunkte, dem Verfassen von Reportagen und Analysen, dem Drehen von Filmen, der Gründung der Bildungsarbeit fernsicht und so vielem mehr in neue Sphären aufmachen. Zum Glück für uns wird sie der Magazinsendung »iz3w on air« in unserer Zusammenarbeit mit Radio Dreyeckland erhalten bleiben. Die studierte Biologin bleibt dem Biotop verbunden.

Der Zutritt dorthin steht übrigens allen offen: Die monatlichen Redaktionssitzungen sind öffentlich - alle Interessierten, und damit auch Ihr und Sie, verehrte LeserInnenschaft - sind eingeladen, mit uns zu diskutieren, Themen einzubringen, Ideen mitzuteilen, auf uns entgangene Theorien oder praktische Kämpfe für das »Gute Leben« (= Müßiggang) hinzuweisen. Für die Konzeption und Umsetzung der Themenschwerpunkte im Heft bilden sich - für die Zeit weniger Monate - eigene Arbeitsgrüppchen (= Mikrobiotope), die sich über Zuwachs freuen.

Die Bürostimmung dort oszilliert zwischen angenehm chaotisch und vereint am Mittagstisch auf der einen Seite, und der Überforderung im prekären Projektengagement auf der anderen Seite. Eine auskömmliche 30-Stunden-Stelle hat absoluten Seltenheitswert und auch deren Inhaber ächzen unter ihrer Last, weil in so einem ambitionierten aber randständigen Projekt alles sehr knapp gestrickt ist. Die meisten Mitarbeitenden sind im neoliberalen Selbstständigen-Status und mit Zweit- und Drittjobs unterwegs. Die Terminkoordination ist eine Wissenschaft für sich, weswegen am Ende basisdemokratisch das Sagen hat, wer da ist. Ohne die Freiwilligen, die bei uns oft den Laden am Laufen halten, und die zahlreichen Schreibenden (unsere geliebte AutorInnenschaft), sähe die iz3w ziemlich »alt« aus. Und gelobt seien hier die PraktikantInnen, die ständig frischen Wind in den Laden bringen. Wir möchten unsere LeserInnenschaft nochmals ausdrücklich einladen, sich selbst ein Bild zu machen! Unser Facebook-Auftritt oder die Homepage geben immer die nächsten Veranstaltungen oder Events an, wo man mit uns in Kontakt treten kann. Im informationszentrum dritte welt (iz3w) wiederum sind wir unter der 0761/74003 erreichbar.

Damit sind wir beim nächsten Grund für diese Innenschau angelangt. Das zehnköpfige irgendwie-bezahlte Team hat nun wieder eine Stelle zu vergeben. Wir bitten also, die Stellenanzeige auf Seite 50 zu beachten und auch sonst zu überlegen, welcher Input in die Richtung der iz3w denn vielleicht möglich ist. So freuen wir uns über zahlreiche Zuschriften


die redaktion

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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 362 - September/Oktober 2017

Altern in der Welt
Hey Alter!

Die Welt altert und der demographische Wandel greift auch im Globalen Süden. Schon heute lebt hier die Mehrheit der inzwischen etwa 800 Millionen Über-60-Jährigen. Die gute Nachricht heißt: Die Menschen werden älter und sie sind längere Zeit gesund. Allerdings liegt die Lebenserwartung in Ländern wie Burundi, Angola, Zimbabwe oder Tschad immer noch bei rund 50 Jahren.

Die Wenigsten verfügen weltweit über eine soziale Absicherung. Und auch die Vorstellung, dass es die Familie ist, die im Globalen Süden die Pflege übernimmt, ist zunehmend ein Mythos, denn der soziostrukturelle Wandel greift überall. Im Themenschwerpunkt fragen wir uns, wie sich die Altersbilder und Altersrealitäten in verschiedenen Ländern darstellen.


INHALTSÜBERSICHT

Kleine Homestory
Hefteditorial
Themenschwerpunkt: Alter(n)

Gepriesen und vernachlässigt
Die Situation älterer Menschen im internationalen Vergleich
von Winfried Rust

Welche Rente?
Die Alterssicherung ist nicht selbstverständlich
von Tobias Böger

Gepflegter Norden
Wie Deutschland seinen Pflegenotstand in den Süden exportiert
von Heino Güllemann

Allzeit bereit
24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche
von Katharina Pelzelmayer

Altersarmut mit System
Das private Rentensystem in Chile
von Kristin Schwierz

»Wie Glasperlen aneinander gereiht«
Die Altersvorsorge im indischen Kerala wird aktiv ausgehandelt
von Willemijn de Jong

Wenn traditionelle Systeme ausfallen
In Pakistan wurden Gesetze zur Unterstützung von älteren Menschen verabschiedet
von John Emeka Akude

Vier-zwei-eins
China verordnet größere Anstrengungen beim Familiensinn
von Angelika C. Messner

Neue Wege
Welche Chancen bietet Japans hohe Altersstruktur?
von Michiko Mae


POLITIK UND ÖKONOMIE

Honduras: »Es herrscht absolute Straflosigkeit«
Interview mit Tirza Lanza Flores über Morde an UmweltaktivistInnen

Kolumbien: Ein schwieriger Weg
Der Friedensvertrag in Kolumbien wird nur schleppend umgesetzt
von Erik Arellana Bautista

Ökonomie: Chinesische Perlenkette
Die Seidenstraßen-Initiative will den Welthandel neu gestalten
von Uwe Hoering

Solidarity City I: Wenn Städte rebellieren
Das Konzept der Sanctuary und Solidarity Cities
von Janika Kuge

Solidarity City II: »Alle Menschen gehören dazu«
Interview mit Harald Bauder über Sanctuary Cities in den USA

Südafrika: Solidarität zwischen Ausgegrenzten
Jüdische SüdafrikanerInnen und die Apartheid
von Hanno Plass


KULTUR UND DEBATTE

Film I: »Lauf Kamerad, die alte Welt ist hinter Dir her«
Das cineastische Werk des Filmschaffenden Med Hondo
von Theresa Weck

Film II: »No Land No Life«
Neue Filme aus Afrika gegen Landgrabbing
von Karl Rössel

Film III: Der Gigant vor dem Sturz
Cineastische Aufarbeitung der jüngeren Geschichte Südafrikas
von Birgit Morgenrath

Der Löwe ist eingeschlafen
Nachruf auf Étienne Tshisekedi
von Kani Kalonji


Rezensionen

Stefan Vogt:
Subalterne Positionierungen.
Der deutsche Zionismus im Feld des Nationalismus in Deutschland, 1890-1933

Claus Leggewie/ Erik Meyer (Hg.):
Global Pop.
Das Buch zur Weltmusik

Günter Giesenfeld:
Brennpunkt Vietnam.
Reportagen, Begegnungen, Reflexionen

Christiane Bürger:

Deutsche Kolonialgeschichte(n).
Der Genozid in Namibia und die Geschichtsschreibung der DDR und BRD

Tuvia Tenenbom:
Allein unter Flüchtlingen

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Quelle:
iz3w Nr. 362 - September/Oktober 2017
Copyright: bei der Redaktion und den AutorInnen
Herausgeberin: Aktion Dritte Welt e.V. - informationszentrum 3. welt
Postfach 5328, Kronenstr. 16a (Hinterhaus)
79020 Freiburg i. Br.
Telefon: 0761/740 03, Fax: 0761/70 98 66
E-Mail: info@iz3w.org
Internet: www.iz3w.org
 
iz3w erscheint sechs Mal im Jahr.
Das Einzelheft kostet 5,30 Euro plus Porto.
Das Jahresabonnement kostet im Inland 31,80 Euro,
für SchülerInnen, StudentInnen, Wehr- und Zivildienstleistende 25,80 Euro
Förderabonnement ab 52,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2017

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