iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe Nr. 332 - September/Oktober 2012
Editorial des Dossiers
Hello City - wem gehört die Stadt?
Vom Sturm auf die Bastille 1789 in Paris über den Sturz des Schah-Regimes in Teheran 1979 bis zur Revolution auf dem Tahrir-Platz in Kairo 2011: Es ist die städtische Bevölkerung und oft sind es die Menschen der neuen Vorstädte, die Geschichte machen. Die Stadt ist ein Terrain dynamischer und gelegentlich großer politischer Umbrüche, oft geprägt von Migration, vernetzt mit ländlichen Regionen oder anderen Metropolen. In der Stadt verdichten sich gesellschaftliche Konflikte zwischen den mehr und den weniger Besitzenden von Land, Geld, Macht, Wohlstand. Der städtische Raum selbst »ist der Ort, an dem das globale Kapital sichtbar wird. Und in dieser Sichtbarkeit liegt die Möglichkeit einer politischen Antwort«, sagte jüngst die Stadtsoziologin Saskia Sassen. In den Ankunftsorten der großen Städte spielen sich die Auseinandersetzungen um Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum ab oder um ein »Recht auf Stadt«.
Die derzeitige Migration vom Land in die Stadt ist eine der bedeutendsten Umstrukturierungen der Weltbevölkerung in diesem Jahrhundert. Jede Stadt ist verschieden, doch stellt sich die Ankunft in Städten des Globalen Südens anders dar als etwa jene in Berlin, und die in Jakarta anders als in Rio. In europäischen Städten wie Brüssel, Berlin oder Athen werden Ankömmlinge aus dem Süden und Osten ebenfalls in ihrer Entfaltung behindert, wenn auch eher mit Gesetzen als mit schierem Mangel.
Nach einigen Gedankengängen über das »Recht auf Stadt« und urbane »Territorien des Widerstands«, die Raúl Zibechi für Lateinamerika beschreibt, berichten wir in diesem Dossier vom Alltagsleben in den Slums von Nairobi. Dort wie auch in den Townships Südafrikas drehen sich die Konflikte um Besitzfragen und um Gestaltungsmacht. Die Frage des Wohneigentums ist gerade in Armutsregionen existenziell wichtig, weil Mieten unerschwinglich sind und die eigenen vier Wände oft die einzige erreichbare soziale Absicherung darstellen.
Verstädterung geschieht überall, vor allem aber im Globalen Süden. Dort werden auch Ansiedlungen in der Einöde und sogar Flüchtlingslager zu urbanen Räumen - für viele allerdings auch zu Territorien der Perspektivlosigkeit. In Jakarta wird auf Schlamm gebaut und in Brasilien wird das Aufhübschen der Favelas vom Wegschieben des Unerwünschten begleitet: Die von Basisbewegungen geforderte Verbesserung von Bauten und Infrastruktur in den Armenvierteln geht einher mit der Vertreibung der Ärmsten, wie angesichts der Vorbereitungen auf die Männer-Fußball-WM 2014 deutlich wird.
Gerade im Globalen Süden zeigt sich, dass beides notwendig ist: Einerseits die Aufwertung der Infrastruktur, der städtischen Räume und Wohnungen, andererseits das Recht der StadtbewohnerInnen auf Entfaltungsmöglichkeiten und einen selbst gewählten Wohnort. Im Dossier gehen unsere AutorInnen der Frage nach, wie sich die aktuelle Verstädterung darstellt und welche sozialen Kämpfe sie begleiten.
Da Städte auch Nährboden für allerlei Kuriosa bieten, haben wir unsere Analysen und Reportagen mit Geschichten aus dem urbanen Leben garniert.
die redaktion
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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 332 - September/Oktober 2012
Wem gehört die Stadt?
Hello City
Es ist die städtische Bevölkerung, vor allem die Menschen der neuen Vorstädte, die Geschichte machen. Die Stadt ist ein Terrain dynamischer Umbrüche. Die derzeitige Migration vom Land in die Stadt ist die bedeutendste Umstrukturierung in der Weltbevölkerung in diesem Jahrhundert. Insbesondere im Globalen Süden entstehen Megacity-Agglomerationen mit über zehn Millionen EinwohnerInnen. Selbst Ansiedlungen in der Einöde und sogar Flüchtlingslager werden zu urbanen Räumen - manchmal allerdings auch zu Territorien der Perspektivlosigkeit.
Unser Themenschwerpunkt befasst sich damit, wie sich aktuelle Verstädterung darstellt und welche sozialen Kämpfe sie begleiten. Wie funktioniert die Verstädterung von den Rändern her? Wie spielt sich das Leben in der Stadt zwischen Aneignung und Enteignung, Kontrolle und Widerstand, Ordnung und Eigensinn ab? Wie werden macht- und marktpolitische Interessen einerseits, soziale und utopische Ideen andererseits eingebracht, durchgesetzt oder gekippt?
INHALTSÜBERSICHT
Editorial des Dossiers
Der große Marsch.
Die Welt wird städtisch - doch wem gehört die Stadt?
von Winfried Rust
Occupy all Streets.
Stadtperipherien und das »Recht auf Stadt«
von Carolin Genz
Gefühlvolle feminine Territorien?
An den Rändern der Städte wartet die Revolution
von Simon Brüggemann
Kriminalisierte Mobilität.
Straßenhandel als postkoloniales Recht auf Stadt?
von Noa Ha
Reclaim the City.
Männerzentrierte Städte und feministische Architekturkritik
von Katrin Dietrich
Die Lichter von Korogocho.
Vertreibung und Aufbegehren in den Nairobi Slums
von Martina Backes
Wessen Alexandra?
Kampf um Einfluss im ältesten Township von Südafrika
von Barbara Heer
Die verhinderte Stadt.
Wiederaufbau im nordlibanesischen Flüchtlingslager Nahr el Bared
von Monika Halkort
Im Sumpf der Stadt.
Im indonesischen Jakarta droht ein ökologischer Kollaps
von Günter Spreitzhofer
Ungefragt überplant.
In Brasilien führen die Vorbereitungen zur Männer-Fußball-WM zu Vertreibungen
von Uta Grunert
»Stadt im Ausnahmezustand«.
Interview zu den Auswirkungen der WM 2014 in Brasilien
Hefteditorial
POLITIK UND ÖKONOMIE
Atomindustrie I: »Für die ganze Welt gefährlich«.
Interview zum illegalen Uranabbau im Kongo
Atomindustrie II: »Die Menschen können kein Uran essen«.
Interview zum bevorstehenden Uranabbau in Tansania
DR Kongo: Der Friedenspräsident will alleine herrschen.
Kriegsparteien im Ostkongo in wechselnder Allianz
von Alex Veit
Israel: Die Hand wird nicht mehr gereicht.
Abschottung gegen afrikanische Flüchtlinge
von Marie Meltzer
Libyen: In eine ungewisse Zukunft.
Ein Jahr nach der Revolution steht Libyen vor großen Problemen
von Sören Scholvin
Syrien: Wer gegen wen?
Die Frontstellungen in Syrien sind ethnoreligiös geprägt
von Hannes Bode
Paraguay: Frosch aus einem anderen Teich.
Präsident Lugo stand der Oligarchie im Wege
von Andreas Knobloch
Antirassismus: Ein Leben gegen die Apartheid.
Die afrikanische Revolutionärin Ruth First
von Hanno Plass
KULTUR UND DEBATTE
Film I: Todesangst.
Der Film »Black Block« über die entfesselte Polizeigewalt von Genua
von Gaston Kirsche
Film II: Qual der Wahl.
Zwanzig Jahre Afrika Film Festival »Jenseits von Europa«
von Karl Rössel
Film III: Zanziwood.
Das Internationale Filmfestival in Sansibar
von Isabel Rodde
Kunst: In ihren Welten.
Eine Ausstellung mit Kunst der Maori aus Neuseeland
von Ulrike Mattern
Rezensionen
Szene / Tagungen
Impressum
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Quelle:
iz3w Nr. 332 - September/Oktober 2012, S. 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. August 2012