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IZ3W/190: Rezension - Tödliche Hilfe reloaded


iz3w - informationszentrum 3. Welt - Ausgabe Nr. 315 - November/Dezember 2009

Tödliche Hilfe reloaded

Von Natalie Plhak


Die sambische Ökonomin und Bankerin Dambisa Moyo verließ für ihr Studium in Harvard und Oxford und wegen fehlender beruflicher Aussichten ihre Heimat. Mit ihrem Buch Dead Aid landete sie nicht nur auf der Bestsellerliste der New York Times, sondern auch auf der Liste des Time Magazins der einhundert einflussreichsten Menschen der Welt. Und das, obwohl sie in ihrem Buch keine Neuigkeiten verkündet. Die Hauptthese in »Dead Aid« ist, dass Entwicklungshilfe der Grund allen Übels in Afrika ist. Ihr Buch soll eine Anleitung sein, wie sich Afrika aus dem Teufelskreis dieser Hilfe befreien kann. Moyo greift dazu die bisher geführten Kontroversen auf und legt sie gut strukturiert und verständlich dar.

Moyo teilt Hilfe in drei Kategorien ein: Humanitäre Hilfe in Katastrophenfällen, karitative Hilfe à la »Wir sammeln für eine Schule in Afrika« und systematische Hilfe, also Zahlungen, die entweder direkt oder über multilaterale Institutionen von Regierungen an Regierungen fließen. Die ersten beiden Typen verurteilt Moyo nicht prinzipiell, kritisiert aber deren schlechtes Management und hohe Verwaltungskosten. Im Zentrum ihrer Analyse steht jedoch die systematische Hilfe. Deren grundlegendes Problem ist die fehlende Rechenschaftspflicht: Korrupte Regierungen werden mit »frei verfügbaren Geldmitteln« versorgt und geraten so in den Teufelskreis der Entwicklungshilfe. Die Entstehung transparenter staatlicher Institutionen, die Einhaltung der Gesetze sowie der Schutz der bürgerlichen Rechte werden verhindert, was wiederum Korruption begünstigt.

Der erste Punkt in der Anleitung der sambischen Ökonomin, wie Afrika sich daraus befreien kann, knüpft genau hier an: Die afrikanischen Regierungen müssen den internationalen Markt für Anleihen für sich erschließen. Dort würden sie nur dann weiterhin mit Krediten versorgt, wenn sie ein wirtschaftsförderndes Klima in ihrem Land erzeugen, das Kreditrückzahlungen und Gewinne der AnlegerInnen ermöglicht. Rechenschaft sollten die Regierungen auch ihren eigenen BürgerInnen abgeben, denn nur so können öffentliche Einrichtungen funktionieren.

Der zweite Pfeiler, wie afrikanische Staaten von der Entwicklungshilfe loskommen, ist die Kooperation mit China: Infrastruktur gegen Rohstoffe sei ein Geschäft mit klaren Linien, das eine win-win Situation für alle Beteiligten darstelle. Drittens müsse Afrika für freien und fairen Handel kämpfen. Die Agrarsubventionen der USA und der EU verhinderten, dass afrikanische Länder aus dem Handel mit ihren Produkten Gewinne machen. Der vierte Rat von Moyo betrifft die temporäre Förderung von Mikrokrediten, die sich bereits in Asien und Lateinamerika bewährt haben, und die Erleichterung der Rücküberweisungen von ArbeitsmigrantInnen.

Würden afrikanische Regierungen diese Vorschläge befolgen, könnten laut Moyo alle Hilfsleistungen in fünf bis zehn Jahren eingestellt werden. Bis dahin muss sie wohl noch weiter das Ende der Entwicklungshilfe fordern und das kritisieren, was auch schon Vielen in der entwicklungspolitischen Szene Bauchweh bereitet hat: Den »selbstlosen« Einsatz von Stars wie Bono für Glamour Aid.

Dambisa Moyo:
Dead Aid.
Why aid is not working and how there is another way for Africa
Penguin Books, London 2009. 189 Seiten, 14,99 Pfund.


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Inhaltsverzeichnis iz3w Nr. 315 - November / Dezember 2009


THEMENSCHWERPUNKT:
Digitale Welten - SoftWares und das Internet

Über 1,2 Milliarden Menschen weltweit und über die Hälfte der EU-BürgerInnen nutzen inzwischen das Internet. Die IT-Kommunikation wird in gelegentlich aber immer noch in überirdischen Metaphern beschrieben: "Nur gut, dass man das Internet nicht hören kann, denn allein das chinesische Netzgeschnatter wäre wohl laut genug, um das gesamte Universum zum Einsturz zu bringen", schreibt Christian Y. Schmidt in seinem neuen China-Buch "Bliefe von dlüben". Die Volksrepublik steht mit über 300 Millionen registrierten InternetnutzerInnen weltweit an erster Stelle derer, die spielen, chatten, posten und bloggen, "was die Tasten hergeben".

Wenn vom Süden und dem Internet die Rede ist, muss man auch über die "digitale Kluft" sprechen. Da schon heute in absoluten Zahlen rund 60 Prozent der InternetnutzerInnen im Süden leben, ist eine weitere entscheidende Frage zur digitalen Welt, wie die digitale Kommunikation im Süden genutzt wird. Und gerade in autoritären Regimes spielt das Internet eine wichtige Rolle für dissidente Sichtweisen: Freiheitsbestrebungen, die im politischen Raum scheitern, lassen sich im Netz kaum unterdrücken.

Themen im Schwerpunkt:
Im Netz von Clans - Global verteilte Gemeinschaften statt globaler Gesellschaft + Internet-Vernetzung für Weltverbesserer + to be bangalored... - Internationale Arbeitsteilung in der Softwareindustrie + Copy light - Freie Software und globale Emanzipation + Agender, Bigender, Genderqueer - Feministische Auseinandersetzungen um das Internet + "Das Internet wird überbewertet" - Interview mit John Bwakali über Indymedia Kenya + "Schluss mit dem Kulturpessimismus" - Interview mit Geert Lovink über die neuen Kommunikationsmittel

Weitere Themen im Heft:

Politik und Ökonomie:
Mexiko: Arbeitskampf Contra Continental + Erfolgreiche Skandalisierung - Das NoBorder-Camp auf der griechischen Insel Lesbos + Migration: Ohne Sprachzertifikat kein Ehegattennachzug + Menschenrechte: Erfahrungen mit Kinderrechten in Guatemala und Indien + Chile: Geschichtspolitik um den 11. September + Drogenpolitik: Die ekuadorianische Regierung zwischen Repression und Liberalisierung

Kultur und Debatte:
Film: Der Regisseur Barry Barclay und das indigene Kino aus Neuseeland + Vergangenheitspolitik: Der Berliner Streit um die Ausstellung "Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg" + Nationalsozialismus: Interview mit Raffael Scheck über sein neues Buch "Hitlers amerikanische Opfer"



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INHALTSÜBERSICHT

Hefteditorial: Schlimmer geht's immer!


Politik und Ökonomie

Arbeitskämpfe: Contra Continental
Ein mexikanischer Arbeitskampf fordert deutsche Gewerkschaften heraus Interview mit Lars Stubbe

NoBorder: Erfolgreiche Skandalisierung
Das NoBorder-Camp auf der griechischen Insel Lesbos
von Miriam Edding

Migration: »Ihr wollt uns nicht«
Ohne Sprachzertifikat kein Ehegattennachzug
von Katja Giersemehl

Menschenrechte: Die Ohnmacht des Rechts
Erfahrungen mit Kinderrechten in Guatemala und Indien
von Manfred Liebel

Chile: Erinnern, um zu vergessen
Geschichtspolitik um den 11. September in Chile
von Sebastian Sternthal

Drogenpolitik: »Legt euch nicht mit Ekuador an!«
Die Drogenpolitik der Regierung Correa zwischen Repression und Liberalisierung
von Linda Helfrich


Schwerpunkt: Digitale Welten

Editorial

Im Netz von Clans
Global verteilte Gemeinschaften statt globaler Gesellschaft
von Karsten Weber

Internet-Vernetzung für Weltverbesserer
von Sascha Klemz

to be bangalored - or not to be
Internationale Arbeitsteilung in der Softwareindustrie
von Vaba Mustkass und Winfried Rust

Copy light
Freie Software und globale Emanzipation
von Stefan Meretz

Agender - Bigender - Genderqueer
Feministische Auseinandersetzungen um das Internet
von Tanja Carstensen

»Das Internet wird überbewertet«
Interview mit John Bwakali über Indymedia Kenya

»Schluss mit dem Kulturpessimismus!«
Interview mit Geert Lovink über die neuen Kommunikationsmittel


Kultur und Debatte

Film: Der Wegbereiter
Barry Barclay und das indigene Kino aus Neuseeland
von Ulrike Mattern

Vergangenheitspolitik: Erinnerung als Politikum Der Berliner Streit um die Ausstellung »Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg«

Nationalsozialismus: »Sie wurden einfach erschossen«
Interview mit Raffael Scheck über sein Buch »Hitlers afrikanische Opfer«

Rezensionen, Tagungen & Kurz belichtet


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Quelle:
iz3w Nr. 315 - November / Dezember 2009, S.
Copyright: bei der Redaktion und den AutorInnen
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für SchülerInnen, StudentInnen, Wehr- und
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Förderabonnement ab 52,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2009