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IMI/727: Maritimes Militäraufgebot


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.

IMI-Standpunkt 2016/018 vom 2. Mai 2016

Maritimes Militäraufgebot
Bundeswehr beim 827. Hafengeburtstag in Hamburg

von Christian Stache


Vom 5. bis zum 8. Mai findet in Hamburg der 827. Hafengeburtstag statt. Jedes Jahr flanieren laut der Hansestadt rund eine Million Menschen Anfang Mai über das mutmaßlich "größte Hafenfest der Welt"[1] entlang des Elbufers auf St. Pauli. Geeignetes Terrain für die lokale Agit-Prop-Abteilung des Hamburger Landeskommandos der Bundeswehr. Neben Fressbuden, Bierständen und kulturindustriellen Darbietungen mit Musik und Tanz betreibt die für Hamburg zuständige militärische Verwaltungseinheit wie in den Vorjahren Waffenschauen, Rekrutierung, Reklame, zivilmilitärische Zusammenarbeit usw. Das Motto lautet dieses Mal "Bundeswehr im Dialog". Antimilitaristische Proteste sind bereits angekündigt.


"Besonderer Höhepunkt": Kampferprobte Fregatte "Brandenburg"

Als "besonderen Höhepunkt" kündigt das Landeskommando "das Einlaufen der Fregatte 'Brandenburg' aus Wilhelmshaven" an. Die Fregatte "Brandenburg" war Teil[2] der seit 2008 laufenden multinationalen EU-Militäroperation "ATALANTA", dem ersten Marineeinsatz der Europäischen Union. Er richtet sich in erster Linie gegen die Piraterie am Horn von Afrika im Golf von Aden. Auf diesem viel befahrenen Seehandelsweg sorgt das Militär für Flankenschutz für die großen Seetransportkonzerne und überwacht zudem die Fischerei vor Ort.[3] Beides sind eigentlich originäre Polizeiaufgaben. Die "Brandenburg" verfügt wie alle Einheiten ihrer "Klasse" "über leistungsfähige Radaranlagen zur See- und Luftraumüberwachung"[4], d.h. man kann mit ihr z.B. auch Flüchtlingsboote orten.


Rekrutierung, Reklame und Reservisten

Die Rekrutierungs- und Presseeinheiten der Bundeswehr in Hamburg, die Jugendoffiziere und die Soldaten des Karrierecenter bzw. Karriereberatungsbüros, unterhalten auf dem Hafengeburtstag "Themenzelte". Damit wollen sie nicht nur neues Personal für den Kriegsdienst gewinnen und die Bundeswehr als "attraktiven Arbeitgeber" präsentieren, sondern auch für das Militär als Institution und für die Kriegseinsätze der Bundesrepublik Akzeptanz und Rückhalt in der Bevölkerung schaffen. Die Regionalen Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSU), die seit Oktober 2013 bestehende Reservisteneinheit Hamburgs[5], und der lokale Ableger des Reservistenverbands stehen den Kameraden dabei zur Seite. Die RSU-Kompanie dient als Brücke zwischen Militär und Zivilgesellschaft. Auf niedrigschwelligem Niveau treibt sie die Militarisierung der Zivilgesellschaft voran und vereinfacht die Rekrutierung und die Kooperation zwischen Zivilbevölkerung und Bundeswehr.


Waffenschau: "Open Ship" der Marine

Neben der deutschen Fregatte "Brandenburg" ist der britische Zerstörer HMS "Duncan" aus Portsmouth das größte Kriegsschiff vor Ort. Das englische Schiff war jüngst gemeinsam mit den US-Verbänden im Einsatz im Nahen Osten[6] und wird darüber hinaus dazu eingesetzt, den "Lebensnerv der britischen Wirtschaft und Industrie"[7] zu schützen: die Seewege englischer Waren. Das Schnellboot "Hermelin" und das Sicherungsboot "Putlos" ergänzen das Kontingent der deutschen Marine beim Hafengeburtstag. Die "Hermelin" ist erst jüngst aus dem Spionage- und Kontrolleinsatz der Bundeswehr im östlichen Mittelmeer vor der libanesischen und syrischen Küste zurückgekehrt.[8] Es war auch Tatort des "Mongo"-Skandals, bei dem laut Spiegel Online ein Unteroffizier mit asiatischer Herkunft mit Gewalt und halbnackt auf einen Tisch gebunden und ihm "Mongo" auf die Haut geschrieben wurde.[9] Darüber hinaus kommen französische und dänische Schiffe nach Hamburg.

Diese Boote können während des Hafengeburtstags besichtigt werden. Gänzlich offen, erst recht nicht für Kritik an den modernen Waffenschauen, sind die Schiffe allerdings nicht. Die Bundeswehr fürchtet offenbar unliebsame Gäste: In ihren Verlautbarungen an die Öffentlichkeit betont sie, dass "aus Sicherheitsgründen keine Taschen, Rucksäcke u.ä. Gegenstände auf den internationalen und deutschen Marineschiffen mitgeführt werden dürfen".[10]


Die Stadt dankt für zivilmilitärische Zusammenarbeit

Das Landeskommando Hamburg unterstütze "traditionell die Hamburger Behörden bei der Organisation" des Mega-Events im Hafen der Hansestadt, hebt es in seiner Broschüre zu seiner Arbeit hervor. Darin wird ebenfalls die Kooperation zwischen dem Militär und der Hamburg Messe und Congress GmbH mit einer Anzeige gelobt. Das städtische Unternehmen ist Veranstaltungsbeauftragter des Hafengeburtstags.

Frau Franziska Hamann, Bereichsleiterin Volksfeste/Sonderveranstaltungen bei der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation, dem offiziellen Veranstalter des Hafengeburtstags, bedankt sich nun auf der Homepage der Stadt nicht nur bei diversen Unternehmen für die Zusammenarbeit beim Volksfest, sondern auch ausdrücklich beim Landeskommando Hamburg für dessen "Engagement".[11] Zweifel, Bedenken oder gar Widerspruch an der zivilmilitärischen Kooperation im Inland gibt es bei der rot-grün geführten Hansestadt offensichtlich nicht.


Christliche Kirchen geben ihren Segen

Ähnlich bedenkenlos geben die christlichen Kirchen dem Militärspektakel ihren Segen. Auf der Fregatte "Brandenburg" wird zum Abschluss des Hafengeburtstags zwischen Waffen und anderem Kriegsgerät ein ökumenischer Gottesdienst gefeiert, zu dem auch "die Hamburgerinnen und Hamburger herzlich eingeladen"[12] werden. Nach der Andacht wird ab mittags zum "Kirchencocktail" geladen.[13] Die christlich-militärische Glaubensgemeinschaft hat Tradition beim militärischen Part des norddeutschen Hafenspektakels. Im vergangenen Jahr predigten katholische und evangelische Kirchenvertreter beispielsweise auf dem Segelschulschiff der Bundeswehr Gorch Fock Liebe und die Notwendigkeit von Auslandseinsätzen des Militärs.[14]


Erfolgreiche Proteste - auch in diesem Jahr?

In den vergangenen Jahren hat es wiederholt Proteste gegen die Militärpräsenz beim Hafenfest gegeben. Im Jahr 2014 kam z.B. die Big Band der Bundeswehr, das Vorzeigemilitärorchester nach Hamburg. Fregattenkapitän Frank Martin, Leiter der Informationsarbeit des Landeskommandos Hamburg, versprach ein "einmaliges Konzerterlebnis", für das sogar für viel Geld eine Bühne auf einem schwimmenden Ponton aufgebaut wurde. Rund fünfzig Antimilitaristen gelang es dennoch vom Ufer aus, mit Trillerpfeifen, Dauersprechchören und Rasseln, den als "Höhepunkt" des Hafengeburtstags beworbenen Auftritt der Bundeswehr Big Band zu einem Reinfall zu machen. Der Militärkapelle ging mehr als eine halbe Stunde vor dem geplanten Ende ihrer Darbietung die Luft aus.[15] Auch der "Truppenbesuch" der Hip-Hop-Kombo Fettes Brot auf der Bundeswehrbühne im selben Jahr[16] blieb nicht ohne Kritik.[17]

Vergleichbare militärischen "Sonderattraktionen" sind für dieses Jahr zwar nicht angekündigt. Dennoch mobilisiert das Hamburger Bündnis "Bildung ohne Bundeswehr (BoB)" zu einer Kundgebung in unmittelbarer Nähe zum Militärstandort an der Überseebrücke. Man wolle die Werbung um "Aufmerksamkeit, öffentliche Akzeptanz für Militarismus und deutsche Kriegseinsätze und um potentielle neue RekrutInnen für den Dienst an der Waffe"[18] nicht hinnehmen, heißt es im Aufruf der Veranstalter.


Anmerkungen

[1] http://www.hamburg.de/hafengeburtstag/4264552/ueberblick-hafengeburtstag/

[2] http://www.presseportal.de/pm/67428/3002451

[3] http://eunavfor.eu/mission/

[4] http://www.marine.de/portal/a/marine/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK93MQivfLEtLTUvNI8vbSiVKCKktQ8vaSixLyU1Lyk0qJ0_YJsR0UArgQ6NQ!!/

[5] http://www.kommando.streitkraeftebasis.de/portal/a/kdoskb/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK94uyk-OyUfL2S1KKixNK0dL0cIC8jQ6-ouDQ-I0O_INtREQB6Do4_/

[6] http://www.royalnavy.mod.uk/news-and-latest-activity/news/2015/november/27/151127-hms-duncan-home

[7] http://www.royalnavy.mod.uk/what-we-do/protecting-our-economy

[8] http://www.einsatz.bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYvBCsIwEET_KNuIqPWW0ovQkwhaL7JtlrKYJiVuLRQ_3gQ6AwMzj4EnJHv88oDCwaODB7Q9n7tFdYulF7H_oKyp4ltmcm6bSFaCez5bUn3wJDmFvHDKIaKEqKYQxWUyx5iIYgttoetKH_fFJv0zp6Y0t_Kwqy_VFaZxNH994ibV/

[9] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/brutaler-vorfall-auf-marine-schnellboot-rache-unter-deck-a-885936.html

[10] http://www.hamburg.de/hafengeburtstag-highlights/2056640/open-ship/

[11] http://www.hamburg.de/hafengeburtstag/4276784/partner-und-sponsoren/

[12] https://www.facebook.com/events/267123840290779/

[13] http://www.hamburg.de/hafengeburtstag-programm-sonntag/

[14] https://www.kirche-hamburg.de/nachrichten/details/oekumenischer-gottesdienst-auf-dem-826-hafengeburtstag.html

[15] http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Bundeswehr1/konzert.html

[16] https://www.youtube.com/watch?v=J9s2p2HVEtY

[17] http://www.melodieundrhythmus.com/mr-4-2014/fettes-brot-auf-truppenbesuch/

[18] http://bildungohnebundeswehr.blogsport.de/2016/04/19/alljaehrlich-ruft-der-hafengeburtstag/

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Quelle:
IMI-Standpunkt 2016/018 vom 2. Mai 2016
Maritimes Militäraufgebot
Bundeswehr beim 827. Hafengeburtstag in Hamburg
http://www.imi-online.de/2016/05/02/maritimes-militaeraufgebot/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2016

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