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IMI/553: Nachgereicht - Nie wieder Krieg! Nie wieder Krieg von deutschem Boden!


IMI - Informationsstelle Militarisierung e.V.
IMI-Standpunkt 2013/049

Nachgereicht: Nie wieder Krieg! Nie wieder Krieg von deutschem Boden!

Redebeitrag bei der Kundgebung in Stuttgart am Antikriegstag 2013

von Tobias Pflüger, veröffentlicht am 10. September 2013



Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Stuttgarterinnen und Stuttgarter, (diejenigen, die das hören, was nicht so einfach ist, bei dem Weinfest dort drüben),

Wir sind wieder am Vorabend eines neuen Krieges und wieder ist es so, dass Deutschland so tut, als ob es mit diesem Krieg nichts zu tun hat. Am 1. September 1939 überfiel Deutschland Polen, damit begann der zweite Weltkrieg. Aus Erinnerung an diesen Tag wird seither in Deutschland und Österreich der Antikriegstag - oder wie es im Osten Deutschlands heißt - der Weltfriedenstag begangen. Hauptträger der Aktionen sind immer der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Friedensbewegung. Ich halte diese Zusammenarbeit für sehr sehr wichtig.

Wir gedenken der vielen Millionen Toten, die dieser zweite Weltkrieg gebracht hat, durch einen Angriffskrieg und Vernichtungskrieg den Deutschland begonnen und durchgeführt hat. Die Konsequenz ist und bleibt deshalb: Nie wieder Krieg! Nie wieder Krieg von deutschem Boden!

Mit dieser klaren Aussage wurde 1999 das erste Mal offiziell gebrochen: Das damalige Jugoslawien wurde angegriffen auf Geheiß der damaligen rot-grünen Bundesregierung.

Mit Tornados der Bundeswehr wurden zum Teil genau die Ziele beschossen, die zuvor im zweiten Weltkrieg schon mal bombardiert wurden.

Seither ist auch die Bundeswehr im Krieg, es gibt immer mehr Auslandseinsätze. Heute am 1. September 2013 befinden sich 5.719 Soldaten im Auslandseinsatz. Die Bundeswehr selbst schreibt auf ihrer Homepage: "Von der Armee zur Landesverteidigung im Kalten Krieg ist die Bundeswehr zu einer Armee für internationale Einsätze weltweit geworden. Das mögliche Spektrum reicht von der humanitären Hilfe nach Naturkatastrophen über Stabilisierungsoperationen in Krisengebieten bis zum hochintensiven Gefecht." Das ist offen und ehrlich, was die Bundeswehr hier schreibt.

Wir müssen immer wieder sagen: Das Grundgesetz gibt das nicht her: Dort heißt es: "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf." (...) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt." Was hier passiert ist ein permanenter Bruch des Grundgesetzes! Deshalb ist es richtig darauf hinzuweisen, diese Auslandseinsätze der Bundeswehr sind falsch, diese Auslandseinsätze müssen beendet werden!

Der Schwerpunkt der deutschen Soldaten in den Auslandseinsätzen ist in Afghanistan: 3.973 Soldaten. Offiziell sollen sie 2014 abgezogen werden. Aber es sollen dann noch Truppen - auch der Bundeswehr, insbesondere Kampftruppen dort bleiben.

Damit die Bundeswehr später in den Auslandseinsatz kann, muss natürlich zuvor geübt werden. Was wird geübt bei der Bundeswehr? Konkret werden diese Kriegs- und Kampfeinsätze geübt z.B. im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) der Bundeswehr, in der Colblitz-Letzlinger Heide bei Magdeburg. Dort wird jetzt eine Übungsstadt gebaut, namens Schnöggersburg, mit Hochhaussiedlungen, Elendsviertels und selbst einer U-Bahn. Dort wird Häuserkampf geübt und Aufstandsbekämpfung. Das ist etwas, wo wir sehr aufpassen müssen, insbesondere als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, wenn eine Armee Aufstandsbekämpfung übt. Da müssen wir sagen, eine Armee, die Aufstandsbekämpfung übt, das lehnen wir ganz klar ab!

Aber: Diese Aufstandsbekämpfung durch die Bundeswehr ist schon längst Alltag : Im Kosovo, in Afghanistan, auch so genannte "Riot Control". Ist es also eine Frage der Zeit, bis das auch hierzulande der Fall sein wird? Das Bundesverfassungsgericht hat mit 15:1 beschlossen, dass ein Bundeswehr-Einsatz im Innern möglich ist. Der Richter Reinhard Gaier, der die einzige Gegenstimme abgegeben hat, hat ein sehr gutes, sehr lesenswertes Minderheitenvotum geschrieben. Einsätze sollen bei Situationen "katastrophischen Ausmasses" stattfinden können. Gaier dazu: "Es handelt sich um gänzlich unbestimmte, gerichtlich kaum effektiv kontrollierbare Kategorien, die in der täglichen Anwendungspraxis viel Spielraum für subjektive Einschätzungen, persönliche Bewertungspräferenzen und unsichere, wenn nicht gar voreilige Prognosen lassen. Jedenfalls bei Inlandseinsätzen militärisch bewaffneter Streitkräfte ist das nicht hinnehmbar. Im Schatten eines Arsenals militärischer Waffen kann freie Meinungsäußerung schwerlich gedeihen." Gaier hat recht, wir lehnen einen Bundeswehr-Einsatz im Innern mit aller Entschiedenheit ab!

Die Bundeswehr im Auslandseinsatz kostet auch ziemlich viel Geld. In einer Anfrage auf eine Anfrage der Linksfraktion heißt es, dass für "Einsatzbedingte Zusatzkosten" der Auslandseinsätze der Bundeswehr seit 1992 gut 17 Milliarden Euro zusätzlich bezahlt wurden. Das "Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) - garantiert kein linksradikaler Verein - sagt, allein der Afghanistan-Einsatz wird 2014, wenn alles zusammengerechnet wird, 34 Milliarden Euro gekostet haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde, was könnte man mit diesem Geld alles sinnvolles machen? Vieles, was nicht gemacht wird derzeit. Damit könnte man Sozialausgaben, die dringend notwendig sind, begleichen.

Wenn man die Bundeswehr in Auslandseinsatz schickt, dann braucht die - imanent gesehen - auch eine Bewaffnung. Also schafft man eine ganze Reihe Waffensystem an. Wir haben es gerade erlebt, sie haben den "Euro-Hawk", eine Spionage-Drohne, um das mal genau zu benennen, was es ist, in den Sand gesetzt. Verpulvert wurden dafür fast 1 Milliarde Euro. Jetzt hat Thomas De Maiziere ein neues Problem mit einem Waffensystem. Es wurde die Beschaffung eines Transporthubschraubers namens NH90 genehmigt Gesamtkosten 4,36 Milliarden Euro, davon sind fast wieder eine halbe Milliarde Euro sinnlos verschwendet worden, für eine nicht brauchbare Variante des NH 90. Stellen wir uns mal vor, dass in irgendeinem anderen Politikbereich Millionen und Milliarden so in dem Sand gesetzt werden wie es bei Rüsungsbeschaffung gemacht wird. Liebe Freundinnen und Freunde, ich halte das für einen riesen großen Skandal, wie da Geld raus geschmissen wird. Das Geld brauchen wir woanders wie z.B. im Sozialbereich. Ich glaube, dass wir diese Rüstungsprojekte einfach streichen sollten!

Baden-Württemberg ist führend nicht nur beim Rüstungsexport sondern auch bei den verschiedenen Einrichtungen für Bundeswehr-Auslandseinsätze; ich erinnere hier nur an das Kommando Spezialkräfte (KSK). Diese Kampftruppe der Bundeswehr, das schreiben selbst Zeitschriften der Bundeswehr, wie die Zeitschrift für Innere Führung, sei eigentlich eine Truppe der Exekutive. Auch die zuständigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die Mitglieder des Verteidigungsausschusses bekommen nur unzureichende Informationen darüber wo diese Truppe eingesetzt wurde. Ich bin dafür, dass man die Bundeswehr abrüstet und dass man anfängt mit den kriegsführungsfähigsten Teilen, insbesondere dem Kommando Spezialkräfte. Das Kommando Spezialkräfte muss aufgelöst werden!

Wir sind am Vorabend eines Krieges und Deutschland sagt, sie würden nicht mitmachen. Es ist gelogen. Wir haben hier in Stuttgart das AFRICOM. Im AFRICOM werden diese Einsätze wenn der Krieg kommt, konkret geplant. Heike Hänsel hat mir gerade mitgeteilt, dass die Linksfraktion gestern eine Strafanzeige gegen das AFRICOM wegen Vorbereitung eines Angriffskrieges eingereicht hat. Sehr gut!

Das AFRICOM ist Teil einer Kriegsführungsmaschinerie. Wir haben hier das EUCOM und wir haben hier das AFRICOM. Drohneneinsätze werden mit koordiniert im AFRICOM. Liebe Freundinnen und Freunde, ich bin dringend dafür, dass wir Demonstrationen machen vor diesem AFRICOM und ich bin dafür, dass wir die Schließung fordern des AFRICOM!

Der US-amerikanische Präsident Barack Obama will wohl tatsächlich den Befehl erteilen Syrien anzugreifen. Jetzt hat er sich ja entschieden diese Entscheidung dem Kongress zu übergeben - heute Nacht habe ich nicht gut schlafen können und habe mir überlegt was könnte dann passieren, vielleicht macht der US-Kongress das Gleiche wie das britische Parlament. Ich würde mir wünschen, dass der Kongress mehrheitlich Nein sagt zu diesem Krieg!

Ich weiß, dass gerade in den USA Freundinnen und Freunde der Friedensbewegung dafür kämpfen, dass die Abgeordneten des Kongresses mit 'Nein' stimmen. Das wäre ein klares Zeichen. Wenn man sich die Stimmung in der Bevölkerung in den USA, in Großbritannien, in Frankreich, hierzulande, überall auf der Welt anschaut, ist die Stimmung überall gegen diesen Angriff. Und ich will es sehr deutlich sagen: Den Menschen in Syrien selbst hilft ein Angriff überhaupt nicht im absoluten Gegenteil!

Heute morgen kam im SWR Radio ein Bericht, da ist ein Mann interviewt worden, der jetzt in Jordanien ein Flüchtlingslager aufbauen soll. Wenn der Angriff beginnt, rechnet er mit offiziell 120.000 weiteren Flüchtlingen aus Syrien. Inoffiziell geht er von bis zu 200.000 zusätzlich zu den schon jetzt 1,5 Millionen Flüchtlingen aus.

Liebe Freundinnen und Freunde, es ist ja überhaupt nicht das Ziel einer solchen Militäraktion den Menschen vor Ort zu helfen, im Gegenteil, es ist ja das Ziel dieser Militärintervention, dass ein US-amerikanischer Präsident sein Gesicht wahrt, weil er zuvor gesagt hat, es gäbe rote Linien ab der eine Militärintervention sein müsse. Und ob diese Linie überschritten ist, ist ja auch noch unklar. Es gab ein Giftgaseinsatz in Syrien und den untersuchen Inspektoren der Vereinten Nationen im Moment und die US-amerikanische Regierung sagt, sie weiß jetzt schon, wer und wie und was es war.

Liebe Freundinnen und Freunde, es ist selbstverständlich, dass diese Untersuchung der UN möglich sein muss und dass informiert wird, was da tatsächlich passiert ist. Nur die US-Regierung will das ja nicht mal abwarten.

Wir sind gegen jeglichen Einsatz von Chemiewaffen, ob es nun von Assad oder seinen Generälen oder von den Rebellen gemacht wurde, es ist in jedem Fall unmenschlich! Es ist aber ebenfalls unmenschlich, jetzt den Krieg zu erklären. Wir werden ab heute immer wieder deutlich machen: Nein dieser Krieg gegen Syrien darf nicht sein, er hilft der Bevölkerung nicht, im Gegenteil, er macht die Situation noch viel schlimmer, als es jetzt schon ist.

Es sind ja zwei Präsidenten, die gerade diesen Krieg vorbereiten, in die mal Hoffnungen gesetzt worden sind. Ein gewisser Francois Hollande und ein gewisser Barack Obama. Das sind nun die zwei Kriegspräsidenten, die Hoffnungen waren wohl vergeblich.

Was wir jetzt brauchen, ist, dass von Deutschland aus eine starke Friedensbewegung sagt, wir wollen diesen Krieg nicht. Und dass sämtliche militärische Infrastruktur, die es hierzulande gibt, nicht für diesen Krieg zur Verfügung gestellt wird. Keine zur Verfügungsstellung von Ramstein, von Spangdahlem, vom AFRICOM, vom EUCOM usw. Eine bundesdeutsche Regierung kann das bestimmen. Sie muss eine Überfluggenehmigung erteilen und sie muss verhindern, dass von diesen Militärstandorten Krieg geführt wird. Und was macht die Bundesregierung in Moment? Angela Merkel und Guido Westerwelle, sie halten den Kriegsherren den Rücken frei und geben im internationalen Kontext Signale, dass Deutschland zwar nicht dabei wäre beim Bomben, aber im Prinzip einen solchen Krieg nicht so falsch findet, also schon unterstützt.

Nein! Was wir wollen ist eine klare Ansage: Deutschland beteiligt sich nicht an diesem Krieg und Deutschland will diesen Krieg auch unmöglich machen, indem es die militärische Infrastruktur nicht zur Verfügung stellt!

Und liebe Freundinnen und Freunde, es ist so, dass offensichtlich da jetzt eine Eigendynamik des Militärischen läuft. Ich weiß, dass kein Mensch eine vernünftige Begründung bekommt, warum da jetzt in Syrien militärisch interveniert werden soll, aber die Eigendynamik läuft.

Was wir gemeinsam hinbekommen müssen, ist eine andere Grundstimmung, so, dass es immer unpopulärer wird, für den Krieg und Angriff auf Syrien zu sein. Die Situation ist ja bei vielen in der Bevölkerung so, dass sehr viele sagen, "Nein einen Krieg finde ich nicht gut." ich würde mir wünschen, dass aus diesem "einen Krieg finde ich nicht so gut", mehr wird, dass wir überall Proteste, Aktionen, direkte Aktionen gegen diesen aufkommenden Krieg organisieren und dazu bietet sich das AFRICOM wunderbar an, das halte ich für eine gute Möglichkeit!

Liebe Freundinnen und Freunde, lasst mich jetzt paar Worte zur Landespolitik in Baden-Württemberg sagen: Ich empfinde es nach wie vor für als ein riesen Skandal, dass ein Grün-Rote Landesregierung nach wie vor eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr hat, dass die Bundeswehr priviligiert und ungehindert in die Schulen gehen und de facto werben darf. Wir fordern, dass diese Kooperationsvereinbarung endlich aufgelöst wird!

Und an den Universitäten hier in Baden-Württemberg ist es nach wie vor so, dass es umfangreich Rüstungsforschungen gibt, die Stuttgarter Universität ist hier führend. Und was immer wieder eingefordert wird und was aber nicht umgesetzt wird, dass es endlich ein rechtverbindliche Zivilklausel an den Universitäten in Baden-Württemberg eingeführt wird. Das heißt keine Rüstungsforschung an den Universitäten in Baden-Württemberg!

Liebe Freundinnen und Freunde, wir haben jetzt eine ganze Reihe von Tagen vor uns, während der wir deutlich machen müssen, wir sind gegen diesen neuen Krieg und deutlich machen müssen, dass Deutschland auch an diesem Krieg beteiligt sein wird, durch Waffenlieferungen (auch an Verbündete), durch die stationierten Bundeswehreinheiten an der türkisch-syrischen Grenze und durch die US-amerikanischen Militäreinrichtungen hierzulande. Wir fordern einen sofortigen Abzug der PATRIOT-Rakteneeinheiten aus der Türkei!

ZU den Rüstungsexporten, insbesondere in den Nahen Osten hat die jetzige Bundesregierung die Rüstungsexporte forciert. "Im ersten Halbjahr 2013 erteilte die Bundesregierung Ausfuhrgenehmigungen für die sechs Staaten des Golfkooperationsrats im Wert von 817 Millionen Euro. Der mit Abstand wichtigste Abnehmer ist Katar mit 635 Millionen Euro, gefolgt von Saudi-Arabien mit 118 Millionen Euro. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, ... Bereits im vergangenen Jahr hatten sich die Exportgenehmigungen von 570 Millionen auf 1,42 Milliarden Euro mehr als verdoppelt", so war im Stern zu lesen.

Liebe Freundinnen und Freunde jeder Rüstungsexport ist falsch, wir fordern ein Ende aller Rüstungsexporte! Und ich bin der Meinung, wir sollten nicht nur an Rüstungsexporte ran, wir sollten an den Rüstungsproduktion ran. Rüstungsproduktion ist tödlich und muss unterbunden werden!

Lasst uns nun gemeinsam dafür kämpfen, dass das, was wir wollen, nämlich keinen Krieg und die Konsequenz dessen was uns der Zweite Weltkrieg gelehrt hat, nämlich "Nie wieder Krieg - Nie wieder Krieg vom deutschen Boden aus", dass das endlich Wirklichkeit wird. Vielen Dank.

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Quelle:
IMI-Standpunkt 2013/049, veröffentlicht am 10. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2013