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GRASWURZELREVOLUTION/963: Frauenrechte sind Menschenrechte


graswurzelrevolution 335, Januar 2009
für eine gewaltfreie, herrschaftslose gesellschaft

Frauenrechte sind Menschenrechte
... auch jenseits der Jahrestage und Jubiläen.
Die Association for Women's Rights in Development

Von Rita Schäfer


"Frauenrechte sind Menschenrechte". So das Motto internationaler Frauenorganisationen.


Die Association for Women's Rights in Development (AWID) arbeitet seit vielen Jahren daran, die Rechtslage von Frauen weltweit zu verbessern. Und das nicht nur während internationaler Jahrestage und Jubiläen, sondern kontinuierlich. Zentralen Stellenwert hat der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Denn körperliche und sexualisierte Gewalt demütigen und entwürdigen Frauen im Alltag. Sie verhindern die Umsetzung grundlegender Rechte und schränken ihre Handlungsspielräume massiv ein. Zu den Gewalttätern zählen Ehemänner und Väter, ebenso wie Lehrer, Polizisten und Militärs.

Um so wichtiger ist die Vernetzung zwischen Frauen-Rechtsorganisationen, die der Gewalt in allen Lebensbereichen ein Ende bereiten wollen. Das verdeutlichte die internationale Konferenz, zu der AWID über 2000 Aktivistinnen aus allen Kontinenten im November nach Kapstadt eingeladen hatte. Mehrheitlich kamen sie aus afrikanischen Ländern - einschließlich der Magreb-Staaten. Auch aus dem Nahen Osten und aus asiatischen Ländern waren viele Aktivistinnen angereist. Lateinamerikanische Feministinnen trugen ebenfalls ihre Positionen vor.

Regionale Foren luden zum Dialog über spezifische Rechtsprobleme ein. Hier ging es z.B. um Landrechte und Reformen des Familienrechts. Auch unterschiedliche feministische Positionen wurden in den regionalen Foren diskutiert. Daneben setzten die Konferenzplanerinnen klare inhaltliche Schwerpunkte. Dazu zählte die Diskussion über weltweit festzustellende fundamentalistische Tendenzen und die damit verbundenen Angriffe auf Frauen- und Menschenrechte. Ausdrücklich beschränkte AWID die Auseinandersetzung über die vielschichtigen Probleme im Spannungsfeld von Fundamentalismus und Frauenrechten nicht auf islamische Länder.

Denn der Fokus wurde auch auf extremistische Positionen in anderen Religionen gerichtet. Das betraf u.a. die Auswirkungen des christlichen Fundamentalismus in Zentral- und Lateinamerika. Im Vorfeld der Konferenz hatte AWID in enger Zusammenarbeit mit Frauenrechtlerinnen in aller Welt Detailstudien über die konkreten Auswirkungen fundamentalistischer Entwicklungen in einzelnen Ländern durchgeführt.

Deren Ergebnisse wurden nun vorgestellt und als Grundlage für die Konzeption systematischer Gegenstrategien genutzt. Daneben konzentrierten sich viele Diskussionsforen auf die reproduktiven Rechte von Frauen und Mädchen und die Rechtslage von Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung. Hierbei legten die Konferenzplanerinnen einen Schwerpunkt auf lateinamerikanische und islamische Gesellschaften. So stellten Lesben aus dem Magreb und dem Nahen Osten, aber auch aus Indonesien ihre Positionen zur Diskussion. Manche Muslima fühlten sich durch die provokant vorgetragenen Kritiken und Veränderungsvorschläge persönlich angegriffen.

Dies verdeutlichte, dass ein Frauenrechtskonzept, das die Rechte von Lesben, bisexuellen und transgender Menschen berücksichtigt, noch lange nicht Konsens innerhalb der internationalen Frauenrechtsbewegung ist.

Der konstruktive Umgang mit grundlegenden Meinungsverschiedenheiten und Differenzen zwischen Frauen betraf auch die Frage, wie Frauenrechtsaktivistinnen mit HIV-positiven Mitstreiterinnen umgehen. Schließlich machen die Angst vor Infektionen, verinnerlichte Tabus und Schuldzuschreibungen gegenüber den Infizierten vor den Frauenorganisationen nicht Halt. Für zusätzliche Konflikte sorgte die Tatsache, dass viele internationale Geber in der Entwicklungszusammenarbeit inzwischen AIDS-Organisationen gegenüber Frauenrechtsorganisationen bevorzugen. Dennoch ist allen Beteiligten klar, dass sie nur durch gezielte Kooperationen und Allianzen Veränderungen erreichen können. Faktisch werden viele Frauen durch Vergewaltigungen mit den HI-Virus infiziert.

Frauenrechtlerinnen sind besonders von sexualisierten Gewaltakten bedroht. Deshalb widmeten sich mehrere Foren der dringlichen Frage, wie sie besser geschützt werden können. Dabei schilderten Frauen aus Simbabwe, der Demokratischen Republik Kongo und aus Mexiko, wie Diktatoren, Militärchefs und Warlords systematisch Vergewaltigungen als Einschüchterungsstrategie anordnen. Um so wichtiger ist die internationale Kritik an solchen Machenschaften. Denn noch immer genießen namentlich bekannte Vergewaltiger und deren Auftraggeber Straffreiheit. Selbst in Südafrika, das immer als Vorbild für die Vergangenheitsbewältigung gilt, sind politisch motivierte Vergewaltigungen noch unzureichend aufgearbeitet. Das ist ein Grund, warum sexualisierte Gewalt dort unter neuen Vorzeichen ungestraft weiter praktiziert wird. Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2010 haben sich nun Frauenorganisationen aus dem südlichen Afrika zusammengeschlossen, um gegen Mädchen- und Frauenhandel vorzugehen. Sie wollen verhindern, dass junge Mädchen und Frauen Opfer krimineller Netzwerke und der ausbeuterischen sexuellen Abenteuerlust internationaler Fußballfans werden.

Für ihre Kampagne brauchen sie viele AllianzpartnerInnen, insbesondere auch hier in Europa.

Weitere Infos: http://www.awid.org/forum08/


Anmerkung der Graswurzelrevolution-Redaktion:
Rita Schäfers Studie "Frauen und Kriege in Afrika" (s. Rezension in GWR 332) behandelt ein lange verdrängtes Thema. Die Autorin skizziert Kolonialherrschaft, bewaffnete Konflikte und Geschlechterverhältnisse in Süd-, West-, Zentral- und Ostafrika. Neben Unterschieden in den einzelnen Ländern treten auch Ähnlichkeiten zu Tage: etwa die Kontinuität von sexualisierter Gewalt durch Herrschaftseliten und in den Befreiungsbewegungen. Wer eine Lesung mit Dr. Rita Schäfer organisieren will, kann sich wenden an: redaktion@graswurzel.net. Wir leiten Anfragen direkt an die Autorin weiter.


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Quelle:
graswurzelrevolution, 38. Jahrgang, GWR 335, Januar 2009, S. 5
Herausgeber: Verlag Graswurzelrevolution e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2009