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GLEICHHEIT/6028: Das Hochwasser von Louisiana und das Versagen des amerikanischen Kapitalismus


World Socialist Web Site
Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Das Hochwasser von Louisiana und das Versagen des amerikanischen Kapitalismus

Von Patrick Martin
18. August 2016


Das großflächige Hochwasser im südlichen US-Bundesstaat Louisiana, eine Folge der extremen Regenfälle vom Wochenende, zeigt dass die amerikanische Gesellschaft im Jahr 2016 genauso wenig auf eine umfassende Naturkatastrophe vorbereitet ist wie vor genau 11 Jahren, als der Hurrikan Katrina in etwa auf dasselbe Gebiet auftraf.

Bisher wurde von elf Menschen berichtet, die ums Leben kamen, und viele Tausende sind obdachlos geworden. Die Associated Press berichtete: "Ein katastrophaler 48-stündiger Regenschwall [...] sorgte dafür, dass Tausende von Menschen in Louisiana verzweifelt versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Viele fragten sich, wie eine Region, die Hurrikane gewohnt ist, derartig überrascht werden kann."

Die Überschwemmung in Louisiana ist die jüngste in einer langen Reihe von Katastrophen, die das vermeintlich reichste Land der Welt getroffen haben. Die Folgen von Naturereignissen enthüllen wie immer die nackte Wirklichkeit des gesellschaftlichen Lebens, gleichgültig ob es sich dabei um Hurrikane, Hochwasser, Tornados oder Erdbeben handelt. Millionen von Menschen, die von Tag zu Tag, von einer Gehaltszahlung zur nächsten leben, haben nicht die Mittel, um mit den finanziellen Folgen solcher Ereignisse fertig zu werden. Die Politiker ergehen sich dann in hohlen Versprechungen und leeren Gesten. Die Medien beleuchten nur kurz die Situation der Menschen, die im Allgemeinen vernachlässigt und unbeachtet bleiben. Und nachdem die unmittelbare Ursache abgeklungen ist, sind die von den Verwüstungen Betroffenen wieder auf sich selbst gestellt. Gleichzeitig wird nichts unternommen, um sich auf die nächste Katastrophe vorzubereiten.

Tausende Bewohner des Bundesstaats strömten in Scharen in das Katastrophengebiet, darunter viele aus New Orleans und anderen Städten, die nicht direkt betroffen waren, und boten freiwillig ihre Hilfe bei der Rettung und Versorgung der Opfer an. Im Gegensatz dazu war die Reaktion der Regierung völlig unzureichend.

Die Regierung des Bundesstaats Louisiana und die lokalen Bezirksregierungen waren völlig überfordert von den Ausmaßen der Katastrophe und der umfassenden Notsituation. Mindestens 40.000 Häuser wurden beschädigt, die meisten davon erheblich. Etwa 30.000 Menschen wurden gerettet, viele davon aus ihren Autos, als sie versuchten aus dem Überschwemmungsgebiet zu fliehen.

Im Unterschied zu Hurrikanen, bei denen Unterkünfte schon vorab zur Verfügung gestellt werden, gab es nur wenige solcher Einrichtungen, die auf die Auswirkungen eines Tiefdruckgebiets mit Rekordregenmengen von bis zu 56 Zentimetern vorbereitet waren. Am Dienstag wurden dann mehr als 11.000 Menschen in Unterkünften zusammengepfercht, die von den Lokalbehörden zur Verfügung gestellt wurden.

Die Büros der Staatsregierung waren am Montag in mindestens 27 Gemeinden geschlossen, d.h. in fast der Hälfte des Staates. Auch das Gebäude des Gouverneurs in Baton Rouge, die Noteinsatzzentrale der Regierung, wurde vorübergehend evakuiert, als Wasser in den Keller eindrang. Zehntausende Einwohner des Staats sind ohne Strom, und die Reparaturarbeiten werden durch die vom Wasser blockierten Straßen behindert.

Das von der Überschwemmung betroffene Gebiet ist überwiegend ländlich, ausgenommen von einigen Vorstädten rund um Baton Rouge und New Orleans. Louisiana ist einer der ärmsten Staaten der USA. Haushaltskürzungen sowohl von demokratischen als auch republikanischen Staatsregierungen haben es regelrecht verwüstet. Straßen und Brücken sind in marodem Zustand, was die vielen Autofahrer belegen, die von der Überschwemmung eingeschlossen wurden. Die Rettungsdienste sind mit viel zu geringen Mitteln ausgestattet. Einzige Ausnahme ist die Nationalgarde, die ein Teil des US-Militärs ist.

Die Regierung von Barack Obama hat nicht mehr getan als die Regierung Bush nach Katrina. Obama hatte nicht vor, seinen Urlaub auf Martha's Vineyard zu unterbrechen. Er wird die Insel nur kurz verlassen, um Wahlkampf für Hillary Clinton zu machen. Er hat die vom Regen betroffene Gegend obligatorisch zum nationalen Katastrophengebiet erklärt, wozu am Montag vier Gemeinden gehörten, die am Dienstag auf zwölf Gemeinden erweitert wurden. Der Gouverneur von Louisiana John Bel Edwards, ein Demokrat, erklärte, das Katastrophengebiet würde letzten Endes dreißig Gemeinden umfassen, d.h. den halben Staat.

Nur eine Handvoll der Einwohner des betroffenen Gebiets verfügen über eine Versicherung gegen Überschwemmungen. Das sind proportional viel weniger als in New Orleans, etwa zehn Prozent im Vergleich zu vierzig Prozent. Die meisten Überschwemmungsopfer sind finanziell ruiniert, ihre Häuser und Grundstücke überflutet. Sie sind gezwungen, alles ganz von vorne auf eigene Kosten wieder aufzubauen. Erneut bleiben die arbeitenden Menschen, wie bei Katrina, sich selbst überlassen, ohne soziales Sicherheitsnetz, das sie unterstützen würde.

Die Regierung Obama hat Ressourcen in Billionenhöhe bereitgestellt, als die Finanzaristokratie 2009 an der Wall Street mit einer Katastrophe konfrontiert war. Sie gibt für Militär und Geheimdienst das Geld mit vollen Händen aus - fast eine Billion Dollar jedes Jahr. Aber Hilfe für die Überschwemmungsopfer wird nur äußerst sparsam verteilt, so wie bei den Opfern der Überschwemmungen in West Virginia, Maryland und Texas oder bei anderen Wetterereignissen wie Tornados, Dürren und Erdrutschen.

Die armselige Reaktion der US-Regierung entlarvt auch den verlogenen "Krieg gegen den Terror", der jetzt fast fünfzehn Jahre seit den Anschlägen vom 11. September 2001 geführt wird. Für die "Terrorismusbekämpfung", den Ausbau der Streitkräfte und die Notfallplanung wurden enorme finanzielle Mittel verschleudert. Aber wenn ein wirklicher Notfall eintritt - und zwar einer, der absolut vorhersehbar war -, gähnt der Staatsapparat und dreht ihm den Rücken zu.

Bei der jüngsten Naturkatastrophe gibt es noch einen weiteren Aspekt. Mehr als alle anderen vorangegangenen Ereignisse geht sie direkt auf den Klimawandel zurück. Ein Bericht auf der Website der New York Times vom 16. August stellt fest, dass die Regengüsse in Louisiana von letzter Woche das achte Ereignis innerhalb der letzten fünfzehn Monate war, das die wissenschaftlichen Voraussagen für solche außergewöhnlichen Fälle überschreitet. Diese Voraussagen gehen davon aus, dass sie sich nur einmal in 500 Jahren oder mit einer 0,2-prozentigen Wahrscheinlichkeit ereignen.

Dr. David Easterling, Angestellter bei der Nationalen Ozean- und Atmosphärenbehörde (NOAA), erklärte gegenüber der Times, Berichte von 79 cm Regen in manchen Teilen Louisianas in der letzten Woche seien "ziemlich atemberaubend". Das sei ein Ereignis, das nur alle 1.000 Jahre vorkommt. Der Artikel fährt fort: "Dr. Easterling erklärte, solche Annahmen würden auf der Grundlage gemacht, dass das Klima stabil ist, ein Prinzip, das sich überholt hat."

Der Juli war der wärmste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen. Er folgte auf einen Juni, der ebenfalls der wärmste je aufgezeichnete war. Je höher die Temperatur, umso größer ist Fähigkeit der Luft, Wasserdampf zu speichern und umso größer ist dementsprechend der mögliche Niederschlag, wenn der Wasserdampf sich in Regen verwandelt.

Wie würde eine Gesellschaft, die auf rationaler Planung und sozialen Bedürfnissen basiert und nicht auf dem privaten Profit, auf eine solche Krise reagieren?

Die Ressourcen der Gesellschaft einschließlich der Arbeitskraft, der geschulten Rettungskräfte und der lebensnotwendigen Dinge wie Unterkünfte, Kleidung und Lebensmittel würden in vollem Umfang mobilisiert und in umfassenden Mengen zur Verfügung stehen, sobald sie benötigt werden. Vorausplanungen würden sicherstellen, dass Gebieten, die besonders anfällig für solche Katastrophen sind, wie z.B. das tief gelegene sumpfige Gelände von Süd-Louisiana, besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es würden außerdem alle Anstrengungen unternommen werden, um die Technologie der Gesellschaft an das wissenschaftliche Verständnis über die treibenden Kräfte des Klimawandels anzupassen, indem die Verwendung fossiler Brennstoffe und anderer Emissionen reduziert würde, die zur globalen Erwärmung beitragen.

Eine solche Reaktion wäre das Gegenteil der chaotischen, ungeplanten und vollkommen gleichgültigen Reaktion der amerikanischen kapitalistischen Gesellschaft auf die jüngste Naturkatastrophe. Sie wäre nur möglich unter einer sozialistischen, geplanten Wirtschaft, die von der Arbeiterklasse demokratisch kontrolliert wird.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 18.08.2016
Das Hochwasser von Louisiana und das Versagen des amerikanischen Kapitalismus
http://www.wsws.org/de/articles/2016/08/18/pers-a18.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. August 2016

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