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GLEICHHEIT/5903: US-Kommandeur - Militärische Option gegen Russland bleibt auf dem Tisch


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

US-Kommandeur: Militärische Option gegen Russland bleibt auf dem Tisch

Von Bill Van Auken
26. April 2016


Der Kandidat der Obama-Regierung für den Posten des Nato-Oberkommandierenden und für den Vorsitz des amerikanischen European Command hat in einer Erklärung vor einem Senatsausschuss die ohnehin scharfen Spannungen zwischen den USA und Russland weiter angeheizt. Er erklärte dort, das Pentagon solle "alle Optionen auf dem Tisch lassen", darunter auch die Anwendung militärischer Gewalt gegen Russland, um jede Gegenwehr Russlands gegen den ungehemmten Aufbau von amerikanischen und Nato-Truppen an seinen Grenzen zu durchkreuzen.

Armeegeneral Curtis Scaparrotti, der General Philip Breedlove als Oberkommandierender der Nato in Europa nachfolgen soll, gab seine provokativen Äußerungen am Donnerstag bei einer Nominierungsanhörung im Militärausschuss des Senats von sich. Damit deutete er Pläne für eine weitere Eskalation in der zunehmend gefährlichen Konfrontation der USA und der Nato mit der Russischen Föderation an.

Scaparrotti wurde von Republikanischen und Demokratischen Senatoren zu immer aggressiveren Äußerungen im Zusammenhang mit den jüngsten Zwischenfällen veranlasst. Dabei waren russische Kampfflugzeuge sehr nahe an den US-Zerstörer USS Donald Cook herangeflogen, der in der Nähe russischer Gewässer in der Ostsee operierte. Scaparrotti erklärte, die USA sollten Russland warnen, dass ähnliche Manöver in Zukunft mit militärischer Gewalt beantwortet werden könnten.

"Wir sollten uns ihnen entgegenstellen und klar machen, was akzeptabel ist und was nicht", sagte der General. "Wenn wir das klargemacht haben, müssen wir es auch durchsetzen." Er fügte hinzu, eine seiner ersten Handlungen als Kommandeur der Nato und des European Command werde sein, die Einsatzvorschriften der amerikanischen und der Nato-Truppen in der Region zu überarbeiten.

Der künftige Nato-Kommandeur argumentierte weiter, die USA sollten eine Panzerbrigade mit ca. 4.500 Soldaten dauerhaft an der russischen Grenze stationieren, statt die Brigaden in Polen, Rumänien, Bulgarien und den ehemaligen baltischen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen ständig auszuwechseln.

Der aktuelle Plan - beginnend im Februar 2017 -, kontinuierlich alle neun Monate die Truppen in diesen Ländern zu wechseln, soll die Fiktion aufrecht erhalten, dass Washington das Abkommen von 1997 nicht verletzt. Darin hatte die Nato Moskau zugesagt, "keine zusätzliche dauerhafte Stationierung von größeren Kampftruppen" nahe der russischen Grenze vorzunehmen.

Scaparrotti schlägt vor, auf diese Heuchelei zu verzichten, weil die dauerhafte Stationierung einer vollständigen einzelnen Brigade "dem Ausbau der Beziehungen zu Osteuropa etwas mehr Substanz und etwas mehr Stärke" verleiht. Außerdem würde sie eine effizientere Nutzung der amerikanischen Truppen ermöglichen.

Der General fuhr fort, er sei der Meinung, Washington solle der Ukraine alle Waffen liefern, die sie benötige, um sich gegen die angeblich von Moskau unterstützten Separatisten in der östlichen Region Donbass zu verteidigen, wie zum Beispiel Javelin-Anti-Panzer-Raketen. Moskau hingegen hat eine direkte Beteiligung im Donbass bestritten.

Auf Fragen der Senatoren erklärte Scaparrotti, Russland stelle die bei weitem größte militärische Bedrohung für die USA dar, und das amerikanische Militär solle in der Auseinandersetzung mit der Atommacht "alle Optionen auf dem Tisch lassen", auch militärische Gewalt.

Er betonte ferner die Notwendigkeit höherer Ausgaben für die amerikanische U-Bootflotte, um der, wie das Pentagon behauptet, 50-prozentigen Steigerung der U-Boot-Patrouillen Russlands im Nordatlantik und Mittelmeer begegnen zu können.

"Wir besitzen gegenwärtig die Untersee-Vorherrschaft", sagte er. "Und [...] wir sollten diese Vorherrschaft behalten."

Am Donnerstag brachte die New York Times auf ihrer Titelseite einen Artikel über die angebliche Bedrohung durch die russische Unterseeflotte, der alle Merkmale einer Propagandaaktion des Pentagon aufwies. Er zitierte den Kommandeur der U-Bootflotte, Admiral John Richardson, mit den Worten: "Wir sind zurück im Wettrüsten der Großmächte. Ich glaube, nicht viele Leute verstehen, wie stark Russland die Nato und die Europäische Union als existentielle Bedrohung wahrnimmt."

Die tatsächlichen Zahlen in diesem Artikel machen allerdings klar, dass die amerikanische U-Boot-Flotte der russischen sowohl quantitativ wie qualitativ mehrfach überlegen ist. Washington gibt mehr als zehnmal so viel für seine Rüstung aus wie Moskau.

Die Aussagen vor dem Kongress-Ausschuss folgten auf ein spannungsgeladenes Treffen des Nato-Russland-Rats von Mittwoch. Es war das erste seit Februar 2014, als ein von den USA und der Nato inszenierter Putsch in der Ukraine dazu führte, dass Russland die Krim, die strategische Basis seiner Schwarzmeerflotte, annektierte. Das hat die Spannungen in der Region verschärft.

Nach dem Treffen kam der russische Nato-Botschafter, Alexander Grushko, auf die Kontroverse um die russischen Flugzeuge zurück, die dem US-Zerstörer sehr nahe gekommen waren. Er wies darauf hin, dass das Kriegsschiff in den Gewässern nahe der russischen Enklave Kaliningrad operiert habe, die die Heimatbasis der baltischen Flotte Russlands ist.

Grushko bezeichnete die Operationen des Zerstörers als Provokation und betonte, dass das Vorgehen der russischen Flugzeuge internationalem Recht entsprochen habe.

Er betonte: "Die Schlüsselfrage ist, was die Donald Cook so nahe bei Kaliningrad zu suchen hatte." Er fragte, was wohl die Reaktion der USA wäre, wenn ein mit atomwaffenfähigen Cruise Missiles bestücktes russisches Kriegsschiff vor New York kreuzen würde.

Der russische Botschafter erklärte, es könne keine wirkliche Verbesserung der Beziehungen geben, solange die Nato Russland immer mehr einkreise. Die USA hätten die militärischen Ausgaben für Operationen an den Grenzen Russlands vervierfacht. Es gebe Pläne für ständige militärische Manöver und Stationierungen sowie für Stützpunkte von Panzern, Artillerie und Munition. Hinzu komme die Mobilisierung einer Schnellen Eingreiftruppe, zu der 40.000 Soldaten der Luftwaffe, der Marine, von Bodentruppen und Sondereinheiten gehören.

Die Androhung militärischer Gewalt gegenüber Russland durch den frisch ernannten US-Kommandeur in Europa ergänzt ähnliche Drohungen von US-Außenminister John Kerry Anfang letzter Woche. Er hatte erklärt, der US-Zerstörer hätte das Recht gehabt, die russischen Flugzeuge abzuschießen. Das hätte zu einer militärischen Konfrontation zwischen nuklear bewaffneten Mächten mit unabsehbaren Folgen führen können.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 26.04.2016
US-Kommandeur: Militärische Option gegen Russland bleibt auf dem Tisch
http://www.wsws.org/de/articles/2016/04/26/nato-a26.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2016

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