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GLEICHHEIT/5883: Panama Papers verschärfen politische Krisen weltweit


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Panama Papers verschärfen politische Krisen weltweit

Von Andre Damon
6. April 2016


Am Sonntagabend begannen mehr als 100 Zeitungen auf der ganzen Welt in Zusammenarbeit mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) Berichte über Korruption, Geldwäsche und andere betrügerische Aktivitäten führender Politiker und Geschäftsleute zu veröffentlichen. Das ICIJ bezeichnete es als das "größte Datenleck von Insiderinformationen der Geschichte."

Die Berichte basieren auf 11,5 Millionen vertraulichen Dokumenten des panamaischen Unternehmensdienstleisters Mossack Fonseca. Sie liefern detaillierte Informationen über mehr als 214.000 Offshore-Gesellschaften.

Das ICIJ erklärt, die Dokumente "enthüllen die Offshore-Holdingunternehmen von 140 Politikern und öffentlichen Funktionären aus der ganzen Welt, darunter zwölf amtierende und ehemalige Staatsoberhäupter. Unter ihnen befinden sich die Premierminister von Island und Pakistan, der Präsident der Ukraine und der König von Saudi-Arabien."

Die Veröffentlichung des Berichtes löste in mehr als einem Dutzend Ländern politische Skandale und Ermittlungen aus, u.a. in Island, Großbritannien, Chile, Frankreich, Russland, der Ukraine, Argentinien, den USA, Deutschland, Brasilien, Kanada, Norwegen und Schweden.

Unter anderem enthüllten die Dokumente, dass der isländische Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson von der gemäßigt rechten Fortschrittspartei in seiner Zeit als Abgeordneter große Summen in einem Offshore-Unternehmen versteckte. Daraufhin demonstrierten in der Hauptstadt Reykjavik fast 10.000 Menschen und forderten Neuwahlen.

Die Dokumente enthüllten außerdem, dass Ian Cameron, der Vater des britischen Premierministers, und andere bekannte Mitglieder der Konservativen Partei zu den Kunden von Mossack Fonseca gehörten. Auf die Frage, ob die Familie des Premierministers noch mehr Geld in den Fonds angelegt habe, antwortete eine Sprecherin Camerons: "Das ist eine private Angelegenheit."

Ukrainische Abgeordnete forderten eine Untersuchung, weil aus den Dokumenten hervorging, dass Präsident Petro Poroschenko sein Vermögen auf ein Offshore-Konto verlagert hatte, um weniger Steuern zahlen zu müssen. Poroschenko war 2014 durch einen von den USA und der EU unterstützten Putsch an die Macht gekommen.

Einige Unterlagen deuten darauf hin, dass der argentinische Präsident Mauricio Macri Direktor eines Offshore-Unternehmens auf den Bahamas war.

Amerikanische und britische Zeitungen versuchten, die Enthüllungen für Propaganda gegen Russland auszunutzen. Der britische Guardian konzentrierte seine Berichterstattung auf die Behauptungen, Personen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin seien in Offshore-Geschäfte in Milliardenhöhe verwickelt. Reuters erklärte als Reaktion auf die Behauptungen des Guardian, es könne "diese Details nicht bestätigen."

Die Dokumente umfassen etwa 2,6 Terabyte. Sie wurden der Süddeutschen Zeitung im August 2015 von einem Unbekannten zugespielt, der erklärt hatte, er wolle kriminelles Fehlverhalten aufdecken. Vor der koordinierten Veröffentlichung der Berichte am Sonntag wurden die Akten ein Jahr lang von über 300 Journalisten geprüft.

Die Dokumente enthüllen, dass Mossack Fonseca kein Einzelfall ist, sondern als wichtiger Bestandteil des Geschäftsgebarens führender internationaler Banken verstanden werden muss. Das ICIJ erklärte dazu: "Die Dokumente machen deutlich, dass die großen Banken wichtige treibende Kräfte hinter der Schaffung schwer zu findender Unternehmen auf den britischen Virgin-Islands, in Panama und anderen Steuerparadiesen sind. In den Unterlagen sind fast 15.600 Briefkastenfirmen aufgelistet, die Banken für Klienten gegründet haben, die ihre Finanzen verbergen wollen. Tausende von ihnen wurden von internationalen Riesen wie UBS und der HSBC gegründet."

Laut dem ICIJ bot die Firma u.a. die Rückdatierung von Unternehmensdokumenten und die Vernichtung von Beweisen an, um Strafverfolgung zu verhindern. Das Unternehmen hat jegliche Beteiligung an kriminellen Aktivitäten dementiert.

Das ICIJ hatte bereits im vergangenen Jahr Dokumente veröffentlicht, die aufzeigen, dass der Schweizer Privatbank-Ableger der HSBC, der größten Bank Europas, jahrelang in Steuerhinterziehung und Geldwäsche verwickelt war. Laut Berichten hatte das Unternehmen eine Tochtergesellschaft, die Devisenpakete im Wert von hunderttausenden von Dollars in Bar ausgab und ihre wohlhabende Klientel beim Steuerbetrug beriet.

Der Bericht des ICIJ dokumentiert umfassend die Behauptungen des Ökonomen Gabriel Zucman von der University of California. Dieser hatte geschätzt, dass acht Prozent des weltweiten Finanzkapitals, etwa 7,6 Billionen Dollar, in Offshore-Steueroasen verborgen liegen. Als Reaktion auf die Berichte erklärte er: "Diese Enthüllungen zeigen, wie tief schädliche Praktiken und Kriminalität in der Welt der Offshore-Firmen verwurzelt sind."

Ein Datenleck allein hat ein weltweites Netz von über 200.000 Offshore-Mantelgesellschaften enthüllt. Man stelle sich vor, was Lecks bei anderen gut aufgestellten Anwaltskanzleien und Banken enthüllen würden."

Mark Williams, Dozent an der Universität von Boston, erklärte gegenüber Bloomberg: "Dieses Leck beweist, dass das globale Geschäft mit Offshorefirmen trotz eindeutigen Gesetzen gegen Steuerhinterziehung, kriminelle Verwendung und Geldwäsche weiterhin für Reiche mit guten Beziehungen offensteht."

Obwohl die USA das viertbeliebteste Land für die Mantelgesellschaften sind, die Mossack Foncseca gegründet hat, wurde keiner bekannten Person aus den USA der Besitz eines Kontos nachgewiesen. Einige Experten spekulierten, dies läge einfach daran, dass reiche Amerikaner dank der äußerst begrenzten Finanzregulierung in einigen Bundesstaaten und lokalen Zuständigkeitsbereichen ihr Geld leichter im eigenen Land verstecken oder waschen können.

Shima Baradaran Baughman, Professor für Rechtswissenschaften an der University of Utah, erklärte dem Magazin Fusion: "Amerikaner können direkt in Wyoming, Delaware oder Nevada Mantelgesellschaften gründen. Sie müssen gar nicht nach Panama, um eine Mantelgesellschaft für rechtswidrige Aktivitäten zu gründen."

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Quelle:
World Socialist Web Site, 06.04.2016
Panama Papers verschärfen politische Krisen weltweit
http://www.wsws.org/de/articles/2016/04/06/pana-a06.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2016

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