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GLEICHHEIT/5083: Britischer Endlos-Sparhaushalt nützt Unternehmern und Reichen


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Britischer Endlos-Sparhaushalt nützt Unternehmern und Reichen

Von Julie Hyland
28. März 2014



Als der britische Schatzkanzler George Osborne am Mittwoch, den 19. März, den Haushaltsplan vorstellte, sparte er nicht an den üblichen Floskeln. Die Regierung sei entschlossen, "hart arbeitenden Familien" zu helfen und "Sparer" und "Macher" zu belohnen.

Was als Haushaltsplan für die "aufstrebende Mittelschicht" daherkommt, enthält eine Reihe von Steuersenkungen und Renteneinschnitten. Im Vorfeld der Wahlen von 2015 will Osborne damit nicht nur die schwache konservative Wählerbasis stärken, sondern er versucht, sich selbst zu profilieren und als Rivalen von Premierminister David Cameron in Stellung zu bringen.

Die meisten Schlagzeilen heben die Tatsache hervor, dass Menschen mit privater Altersvorsorge, die im Ruhestand eine einmalige Barzahlung erhalten möchten, nicht länger eine Lebensrente von Versicherern kaufen müssen. Aber dies und die Erhöhung des steuerfreien Einkommens um fünfhundert Pfund auf 10.500 Pfund (etwa 12.700 Euro) werden mit weiteren Kürzungen bei den öffentlichen Ausgaben erkauft.

Die konservativ/liberaldemokratische Koalition hat zwar die öffentlichen Ausgaben schon um über 180 Milliarden Euro gekürzt, damit jedoch noch nicht einmal die Hälfte ihres Sparziels erreicht. Mit der jetzt offiziellen Verlängerung der Sparpolitik bis in die Jahre 2018-2019 machte Osborne klar, dass noch einiges auf die Menschen zukommt.

Wie der Schatzkanzler bestätigte, will er eine Charta für Budgetverantwortung vorlegen, die strenge Richtlinien bei den Ausgaben sicherstellt und vom Parlament abgesegnet werden soll. Darin sollen die Sozialausgaben durch eine Obergrenze gedeckelt werden, angeblich um Ausgaben zu stoppen, die "sich jeder Kontrolle entziehen".

In Zukunft soll das Amt für Budgetverantwortung für jedes der nächsten fünf Jahre eine Prognose erstellen. Falls Regierungspläne die Obergrenze zu durchbrechen drohen, muss das Parlament erst zustimmen. Osborne prahlte: "In Zukunft muss jede Regierung, die mehr für Versorgungsleistungen ausgeben will, der Öffentlichkeit ehrliche Auskunft über die Kosten geben, die Zustimmung des Parlaments einholen und Rechenschaft über die Obergrenze der Sozialausgaben ablegen."

Nur Beamtenpensionen und Arbeitslosengeld sind von der Obergrenze ausgenommen, die für 2015-2016 bei knapp 144 Milliarden Euro festgelegt wird. Das bedeutet, dass das Wohngeld, das für die unter Fünfundzwanzigjährigen jetzt schon stark gekürzt wurde, noch einmal stark zusammengestrichen wird. Betroffen sind auch die Leistungen für Behinderte und Betreuer, so zum Beispiel die Beihilfe zu Pflege und Unterhalt von Behinderten.

Mutterschafts- und Vaterschaftsgeld für neugebackene Eltern werden gedeckelt. Dies führt Osbornes Prahlerei, bei den Kinderbetreuungskosten zu helfen, ad absurdum. Auch Rentner werden schlechter gestellt, weil die jetzigen flankierenden Hilfen (einschließlich der Hilfe bei Heiz- und Transportkosten) von der Kostenobergrenze abhängig sein werden.

Für die überwiegende Mehrheit, vor allem der jungen Menschen, behauptet Osborne noch nicht einmal, sein Budget werde sie vom Druck der sinkenden Reallöhne entlasten. Stattdessen hat das Schatzamt in den Tagen vor dem Budget Statistiken veröffentlicht, die angeblich beweisen sollen, dass nur wenige Menschen als Folge der staatlichen Sparpolitik zu leiden haben.

So wird behauptet, die meisten Arbeiter hätten in sechs der letzten sieben Jahre reale Einkommenssteigerungen erzielt. Die Löhne der Vollzeitbeschäftigten seien unter Berücksichtigung der Inflation seit 2006 (mit Ausnahme von 2011) jährlich gestiegen. Dies wurde vom Institut für Steuerstudien (IFS) widerlegt. Das zeigte, dass die Schatzamtszahlen für höchstens zehn Millionen Menschen gelten, die ihren Arbeitsplatz gewechselt haben oder neu auf den Arbeitsmarkt eingetreten sind. Fast vier Millionen Selbstständige und schätzungsweise eine Million Menschen mit "Null-Stunden-Vertrag" sind in der Studie des Schatzamts nicht berücksichtigt.

Die Schatzamtsanalyse "hat jeden Kontakt zur Wirklichkeit verloren", stellte das IFS fest, sie ignoriere "das Drittel der Vollzeit-Beschäftigten, die keine dauerhafte Beschäftigung mehr haben, und die 27 Prozent, die in Teilzeit arbeiten".

Es fuhr fort: "In Wirklichkeit zeigen die neuesten Zahlen, dass unter David Cameron die Reallöhne um über 1.600 Pfund pro Jahr gesunken sind. Und die IFS-Zahlen zeigen, dass Familien in diesem Jahr aufgrund der Veränderungen bei Steuer und Sozialleistungen seit 2010 im Durchschnitt um 891 Pfund schlechter gestellt sind."

Das IFS pochte auf seine Erkenntnisse und forderte den Schatzkanzler auf, jenen zu helfen, die es "mehr verdient" hätten, in diesem Fall Familien mit "mittlerem Einkommen", deren Gehälter dadurch, dass sie in die höchste Einkommensgruppe fallen, vierzig Prozent Einkommenssteuer zu bezahlen haben. Sie würden zu Unrecht bestraft, beschwerte sich das IFS.

Kaum jeder Siebte verdient genug, um den Spitzensteuersatz zu zahlen. Bei den restlichen 85 Prozent der Arbeiterschaft sind die Löhne nicht nur zu niedrig, sondern sie fallen ständig.

Nur wenige Tage, ehe die Schatzamt-Zahlen veröffentlicht wurden, gab die Regierung bekannt, dass Lohnerhöhungen im öffentlichen Sektor nicht mehr als ein Prozent betragen dürften. Das ist die Hälfte der aktuellen Inflationsrate, wie der Verbraucherpreisindex zeigt, und das nach einem zweijährigen Lohnstopp.

Die soziale Ungleichheit befindet sich auf Rekordniveau. Eine Studie der Hilfsorganisation Oxfam zeigte, dass die fünf reichsten Familien in Großbritannien mehr besitzen als die unteren zwanzig Prozent der Bevölkerung.

Hier die fünf reichsten Familien in Großbritannien (laut A Tale of Two Britains): der Herzog von Westminster (7,9 Milliarden Pfund), die Brüder David und Simon Reuben (6,9 Milliarden Pfund), Srichand und Gopichand Hinduja (6 Milliarden Pfund), die Cadogan-Familie (4 Milliarden Pfund) und der Chef von Sports Direct, Mike Ashley (3,3 Milliarden Pfund).

Sie besitzen zusammengenommen ein Vermögen von 28,2 Milliarden Pfund, während das ärmsten Fünftel der Briten (12,6 Millionen Menschen) über ein Vermögen von 28,1 Milliarden Pfund verfügt.

Ein früherer Bericht von Oxfam, Arbeiten für Wenige, zeigte, dass die reichsten 85 Menschen auf der Welt genauso viel besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung, das sind 3,5 Milliarden Menschen.

Die britischen Ergebnisse sind Teil dieses Trends. Sie zeigen, dass das Einkommen des reichsten 0,1 Prozents in den letzten zwanzig Jahren fast viermal schneller gewachsen ist als das der unteren 90 Prozent der Bevölkerung. Steigende Lebenshaltungskosten haben dazu geführt, dass die meisten Menschen tatsächlich einen Rückgang ihrer Reallöhne erfahren. Wie Oxfam berichtet, haben 95 Prozent der Bevölkerung seit 2003 nach Abzug der Wohnkosten einen zwölfprozentigen Rückgang des real verfügbaren Einkommens erfahren, während die verfügbaren Einkommen der reichsten fünf Prozent gestiegen sind.

Immer mehr Menschen greifen, um zu überleben, auf die wohltätigen Lebensmittelbanken zurück. Wie Oxfam-Direktor Ben Phillips sagte: "Großbritannien wird zu einer tief gespaltenen Nation, mit einer wohlhabenden Elite, deren Einkommen spiralförmig wächst, und Millionen Familien, die kämpfen müssen, um über die Runden kommen."

In dem Bericht von Oxfam wird besonders hervorgehoben, dass zum ersten Mal überhaupt mehr Arbeiter- als andere Haushalte arm sind. Während die soziale Sicherheit und die öffentlichen Dienstleistungen gekürzt werden, sinken die Löhne und steigen die Lebenshaltungskosten. Dies habe eine "zutiefst schädliche Situation" geschaffen, in der Millionen kämpften, um über die Runden zu kommen.

Die Pläne zur Deckelung der Sozialhilfe werden die Krise von Millionen Familien nur verschärfen. Derweil befürworten sämtliche bürgerlichen Parteien diese Politik. Während die Konservative Partei sich darauf vorbereitet, die Sozialleistungen um weitere zwölf Milliarden Pfund zu kürzen, hat Labour angekündigt, die Deckelung der Sozialausgaben durch die Regierung zu unterstützen. Parteichef Ed Miliband versprach, im Falle eines Wahlsiegs die Sparmaßnahmen der Koalition fortzusetzen. Labour "ist entschlossen, die Kosten der Sozialhilfe und der sozialen Sicherheit zurückzufahren", sagte er.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 28.03.2014
Britischer Endlos-Sparhaushalt nützt Unternehmern und Reichen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2014