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GLEICHHEIT/4788: Konkursverwalter - Detroit war "dumm, faul, glücklich und reich"


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Konkursverwalter Kevyn Orr: Die Arbeiter von Detroit waren "dumm, faul, glücklich und reich"

Von Eric London und Barry Grey
10. August 2013



In einem am 3. August veröffentlichten Interview mit dem Wall Street Journal zeigt der Detroiter Notstandsverwalter Kevyn Orr seine Verachtung für die arbeitende Bevölkerung und offenbart die reaktionäre, unternehmensfreundliche Agenda, die dem Konkurs von Detroit zugrunde liegt.

Der Artikel unter der Überschrift "Wie Detroit wieder auf die Füße kommen kann" ist eine schwärmerische Befürwortung von Orr und die parasitäre Finanzelite, für die er spricht.

Orr ist ein millionenschwerer Konkursanwalt mit engen Verbindungen zur Wall Street. Er hat diktatorische Vollmachten erhalten, um öffentliches Vermögen zu verhökern und Angriffe auf die Renten, Gesundheitsversorgung und Sozialsysteme durchzuführen. Mit der überparteilichen Unterstützung durch den republikanischen Gouverneur Rick Snyder und den Demokratischen Bürgermeister David Bing, meldete er im letzten Monat für die "Sozialsysteme" von Detroit, einer Stadt mit 700.000 Menschen, Konkurs an.

Orr hat vor, mithilfe des Bundes-Konkursgerichts Tarifverträge auszuhebeln und die Verfassung von Michigan, die die Renten der Beschäftigten im öffentlichen Dienst garantiert, außer Kraft zu setzen, um die Versorgungsleistungen von 21.000 Rentner und 10.000 aktiven städtischen Arbeitnehmern drastisch zu kürzen.

Er hat angekündigt, das städtische Müllentsorgungsunternehmen bereits im November an private Investoren zu verkaufen, wodurch die Arbeitsplätze von Hunderten städtischen Arbeitern bedroht sind. Er engagierte vor kurzem das Auktionshaus Christie, um den Wert der weltberühmten Sammlung des Detroiter Kunstinstituts für einen möglichen Verkauf zu schätzen, der die Zahlungen an die Banken und großen Anleihegläubiger gewährleisten soll, die die Schulden der Stadt halten.

Seit dem Konkursantrag vom 18. Juli haben die Medien zahlreiche Kommentare gebracht, in denen die Vorgänge um Detroit als Vorbild für ähnliche Angriffe auf die Renten, die Gesundheitsversorgung und Sozialsysteme in Städten in den ganzen USA dienen. Der Detroiter Konkurs, der mit der Obama Regierung koordiniert wird, ist eine neue Stufe bei den Angriffen auf den Lebensstandard der amerikanischen und internationalen Arbeiterklasse.

Inzwischen plant die Stadt in Zusammenarbeit mit Orr über 285 Millionen Dollar öffentliche Mittel an den Milliardär Mike Ilitch zu übergeben, um den Bau einer neuen Eishockey-Arena im Zentrum von Detroit zu subventionieren. Dies ist Teil einer Strategie, nach der Dienstleistungen und Infrastruktur in den Arbeitervierteln zusammengestrichen werden, während Teile der Innenstadt in ein Wohn- und Geschäftsviertel für die Besserverdienenden verwandelt werden. Dies weist darauf hin, wie der Bankrott der Stadt benutzt wird, um eine Schicht von Bankern, Immobilienfonds und Unternehmensberatern, die wie Geier über dem Finanzkadaver der ehemaligen Welthauptstadt der Autoproduktion kreisen, noch mehr zu bereichern.

Der Artikel im Journal stellt diese Kräfte als fortschrittliche Akteure dar, die gezwungen sind, ein Rückzugsgefecht gegen die dunklen Mächte der Unwissenheit und Trägheit, das heißt, die Arbeiterklasse zu führen. Orr ist nach Ansicht der Autorin Allysia Finley, ein Visionär, "der eine ansteckende Energie und Optimismus für die Zukunft ausstrahlt", und dessen "Strategie es ist, 'die wichtigsten Zutaten an der richtigen Stelle einzusetzen'" um in Detroit "Wachstum zu fördern", obwohl er von der "Arbeiterklasse" "schikaniert" wird.

Der Artikel bezeichnet die von "mutigen" Unternehmern geschaffenen Reichtümer, deren Mitarbeiter "Bio-Gemüse wie beispielsweise Mais in den nahe gelegenen Baulücken anbauen" als "Speerspitze der Zivilisation in Detroit". Der Autor versäumt es, darauf hinzuweisen, dass viele der Baulücken das Ergebnis von jahrzehntelangem Stellenabbau und Plünderungen sind, die in Detroit zur Schließung von elf der zwölf Autowerke geführt hat, in denen es früher hunderttausende anständig bezahlte Arbeitsplätze gegeben hat.

Die elitäre und zutiefst antidemokratische Anschauung, die sich durch den ganzen Artikel zieht, wird am prägnantesten von Orr selbst zusammengefasst, der dem Journal gegenüber äußert: "Lange Zeit war die Stadt dumm, faul, glücklich und reich." Die Zeit des Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg, klagt er, "hat uns eine Übereinkunft erlaubt, die besagte, dass Du dreißig Jahre lang einen guten Job und eine Rente und eine tolle Gesundheitsversorgung erhältst, Dir aber keine Gedanken über das machen musst, was kommt."

Was sagt der Schutzgeldeintreiber der Banken damit? Er hält es offensichtlich für eine absurde Situation, wenn arbeitende Menschen davon ausgehen können, einen sicheren Job zu haben, der ihnen ein angemessenes Einkommen und die minimalen Lebensnotwendigkeiten, wie eine medizinische Versorgung und eine Rente garantiert. Natürlich mussten Arbeiter auch auf dem Höhepunkt des Nachkriegsbooms kämpfen, um ihren Familien menschenwürdige Bedingungen und ihren Kindern die Möglichkeit einer College-Ausbildung zu bieten. Aber Orr kann seinen Klassenhass kaum verbergen, wenn er von den sozialen Bedingungen spricht, die das Ergebnis von massiven und blutigen Kämpfen waren, die frühere Arbeitergenerationen gegen die Auto-Bosse und Banker geführt haben.

Dieses Phänomen - was andere Vertreter seiner Klasse "Mittelschichtarbeiter" genannt haben - muss ausradiert werden und die Arbeiterklasse wieder als Objekt hemmungsloser Ausbeutung, verarmt und ohne Rechte, in den ihr "angemessenen" Status zurückversetzt werden.

Wie Orr in dem Interview vorschlägt, müssen grundlegende Dienstleistungen wie öffentliche Bildung, Feuerwehr, Müllabfuhr und öffentliche Verkehrsmittel eingeschränkt, privatisiert oder abgeschafft werden. "Ich ziehe es vor, das als Modernisierung zu betrachten, weil einige dieser Dienste anachronistisch sind", sagt er.

Der Journal Artikel bringt die anti-demokratischen Ansichten zum Ausdruck, die Hand in Hand mit dem Klassenkriegsprogramm gehen, das von Orr propagiert wird. "Die Leute sagen, ich bin ein Diktator", sagte Orr der Zeitung gegenüber. "Ich begrüße das nicht, aber wenn ich einer sein werde, dann werde ich ein gnädiger Diktator sein."

Das Journal stellt fest: " Orr ist zwar optimistisch, aber er erkennt, dass es mit der Rückgabe der Kontrolle an die ordnungsgemäß gewählten Führer der Stadt ein 'Risiko' gibt..."

Mit anderen Worten, es wäre viel besser für Städte (und damit implizit für das ganze Land), auf Wahlen ganz zu verzichten und die Kontrolle an "gnädige Diktatoren" wie Orr zu übergeben, die die wirtschaftliche und soziale Agenda der Konzerne und Banken effizienter umsetzen können.

Die Finanz-Aristokratie, für die das Wall Street Journal und Orr sprechen, ist sich genau darüber bewusst, dass ihr Versuch, die Uhr um hundert Jahre zurückzudrehen und alle sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse auszuradieren, wachsende soziale Opposition provozieren wird. Das Interview deutet an, welche Vorbereitungen getroffen werden, um dieser Herausforderung zu begegnen.

"In den 120 Tagen seit [Orrs] Amtsantritt haben die Dinge bereits begonnen, besser zu werden", schwärmt die Autorin. Die Stadt hat "neue Taser [Elektroschocker], kugelsichere Westen, Autos und PCs für die Polizei in Auftrag gegeben ...".

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Quelle:
World Socialist Web Site, 10.08.2013
Konkursverwalter Kevyn Orr: Die Arbeiter von Detroit waren "dumm, faul, glücklich und reich"
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2013