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GLEICHHEIT/4251: Rettung spanischer Banken zieht "Daumenschrauben" weiter an


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Herausgegeben vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale

Rettung spanischer Banken zieht "Daumenschrauben" weiter an

Von Stefan Steinberg
13. Juni 2012



Bemerkungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble am Montag widersprechen direkt den Versicherungen des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy, mit dem Rettungspaket für die spanischen Banken vom Wochenende seien "keine Bedingungen verbunden".

Die Rettung der spanischen Banken wurde am Wochenende hastig auf einer Telefonkonferenz der Finanzminister der Eurozone vereinbart, um einen möglichen Kollaps des europäischen Bankensystems zu verhindern. Der Handel kam zustande, nachdem amerikanische und europäische Regierungen, der Internationale Währungsfonds und internationale Banken starken Druck auf die spanische Regierung ausgeübt hatten.

Als Rajoy das Abkommen bekanntgab, wollte er unbedingt den Eindruck vermeiden, dass die Rettungsaktion ein ausgewachsener Bailout sei. Er erklärte das Abkommen zu einem "Sieg für Spanien", der dem "europäischen Projekt neue Glaubwürdigkeit" verleihe.

Erste Medienberichte sprachen von einem "Mini-Bailout" und betonten, das Geld für die spanischen Banken sei mit weniger strengen Sparauflagen und einer geringeren Haushaltsaufsicht durch die Europäische Union und den IWF verbunden als im Fall der 400 Milliarden-Euro-Kredite an Griechenland, Irland und Portugal.

Die Finanzminister der Eurozone erklärten, Spanien habe "seine Hausaufgaben" schon gemacht, indem es "bedeutende" Haushalts- und Arbeitsmarktreformen durchgeführt habe. Die europäischen Börsen reagierten am frühen Montag positiv. Die Euphorie war jedoch äußerst kurzlebig.

Im Lauf des Tages verloren die Börsen ihre Gewinne weitgehend wieder. Die europäische Presse war allgemein der Ansicht, dass die Maßnahme den europäischen Führern, die am Rande des ökonomischen Abgrunds stehen, nur eine geringe Atempause verschafft habe.

Die Behauptung der spanischen Regierung, mit den EU-Krediten seien keine weiteren Bedingungen verbunden, dienen der Irreführung der spanischen Öffentlichkeit. Diese hat zuletzt mehrere Massendemonstrationen gegen eine Sparpolitik, welche die Arbeitslosigkeit auf Rekordwerte treibt, durchgeführt.

Rajoys Behauptung wurde umgehend von Finanzminister Wolfgang Schäuble desavouiert. Dieser sagte am Montag im Radio, das Abkommen mit Spanien unterliege der gleichen strikten Aufsicht der Troika (EU, EZB, IWF), wie im Fall von Griechenland, Irland und Portugal.

Einen weiteren Dämpfer erhielt Rajoy von der Tageszeitung El Mundo, die in ihrer Montagsausgabe schrieb, dass die Zins- und Ratenzahlungen von 1,8 Milliarden Euro im Jahr für die Kredite "die Regierung zwingen werden, die Daumenschrauben der Sparpolitik noch weiter anzuziehen. (...) Eins ist sicher: Niemand verleiht hundert Milliarden Euro, ohne etwas dafür zu verlangen".

Die Details der Bedingungen des spanischen Bailouts sind noch in keiner Weise bekannt, aber was man weiß, widerspricht den Behauptungen bestimmter Politiker. So hat der griechische SYRIZA-Führer, Alexis Tsipras, erklärt, der Bailout sei der Beweis dafür, dass es möglich sei, die Europäische Union unter Druck zu setzen und ihre Sparpolitik zu verwässern.

Vor dem jüngsten Schritt hatten eine ganze Reihe von Gesprächen und Ankündigungen internationaler Zentralbanken deutlich gemacht, dass niemand eingreifen wollte, um den Druck von den europäischen Banken zu nehmen. Eine nach der anderen weigerten sich die Europäische Zentralbank, die Bank von England und die amerikanische Federal Reserve, ihre Haltung zu ändern.

Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag forderte US-Präsident Barack Obama "entschiedene" Schritte der europäischen Führer, "um ihr Finanzsystem zu stabilisieren und sobald wie möglich schwache Banken zu rekapitalisieren".

Vorher hatte Obama den britischen Premierminister David Cameron am Telefon gedrängt, die deutsche Regierung stärker unter Druck zu setzen, damit sie der Freigabe von zusätzlichem Geld für die Rettung europäischer Banken zustimme. Cameron reiste am Donnerstag nach Berlin, um Obamas Botschaft zu übermitteln.

Kanzlerin Angela Merkel wies den britischen Premierminister zurück und erklärte ihm, für die Lösung der Krise gebe es kein "Zaubermittel". Sie ließ ihn wissen, dass für sie ein Auseinanderbrechen der Europäischen Union nicht undenkbar sei, wenn es nötig sei, um die deutschen Interessen zu wahren.

Obamas Bemerkungen am Freitag waren seine Antwort auf Merkels Weigerung, sofort zu handeln. Die deutsche Regierung hat die spanische Regierung wiederholt aufgefordert, für ihre Banken EU-Gelder zu akzeptieren und im Gegenzug die gleichen strengen Sparvorgaben und die scharfe Kontrolle ihrer Haushaltspolitik durch Brüssel hinzunehmen, die Berlin schon an frühere Bailouts geknüpft hat.

Auch der IWF, mehrere Ratingagenturen und internationale Banken verstärkten den Druck, mehr Geld für die Banken freizugeben.

Am Freitag erklärte die Chefin des Internationalen Wahrungsfonds, Christine Lagarde, die Krise erfordere dringendes Handeln. Gleichzeitig machte sie aber klar, dass der IWF finanziell nicht zu einem Rettungspaket beitragen werde. Lagarde äußerte sich am gleichen Tag, an dem der IWF einen detaillierten Bericht über das Ausmaß der Verschuldung der spanischen Banken herausgab. Der Bericht wurde drei Tage eher veröffentlicht als geplant. Damit wollte man Druck auf die Eurozonenfinanzminister ausüben, zu einer Vereinbarung zu kommen, ehe die Finanzmärkte am Montag ihre Tore öffneten.

Für das Abkommen vom Wochenende spielten auch die bevorstehenden Wahlen in Frankreich und nächsten Sonntag in Griechenland eine Rolle. Die europäische Bourgeoisie fürchtet, dass ein deutliches Votum in beiden Ländern, besonders aber in Griechenland, gegen die Austeritätspolitik ausfallen könnte. Dies könnte den "langsamen Ansturm" auf die europäischen Banken in einen schweren Sturm verwandeln.

Die jüngsten Zahlen aus mehreren europäischen Ländern belegen eine wachsende Tendenz hin zu einer Rezession auf dem ganzen Kontinent.

Am Montag zeigte das Statistikbüro Insee, dass die französische Industrieproduktion von März auf April um 0,7 Prozent zurückgegangen ist. Besonders hart traf es die Auto- und die Metallindustrie.

Ebenfalls am Montag berichtete das Statistikinstitut Istat aus Rom, dass die italienische Wirtschaft im ersten Quartal um 0,8 Prozent zurückgegangen sei.

Wie Daten vom Freitag zeigten, ist die griechische Wirtschaft in den ersten drei Monaten von 2012 weiter geschrumpft, und dieses Jahr wird sie wohl um mehr als fünf Prozent zurückfallen. Griechenland steckt schon im fünften Jahr in der Rezession. Eine entscheidende Ursache bilden die von EU und IWF geforderten Sparmaßnahmen für das 130 Milliarden-Euro-Rettungspaket.

Die griechische Arbeitslosenrate stieg im März auf einen neuen Rekord von knapp 22 Prozent. Damit liegt Griechenland kurz hinter Spanien (mit einer Rate von 24,4 Prozent).

Das einzige europäische Land mit nennenswertem Wachstum ist Deutschland, aber laut Zahlen des Bundesamtes für Statistik gehen die deutschen Exporte deutlich zurück, weil die europäischen Märkte einfrieren. Die deutschen Exporte in die Eurozone fielen im April um 3,6 Prozent. Auch die Nachfrage aus China und Indien schwächt sich ab. Die deutsche Automobilindustrie erfuhr im Mai einen Einbruch um dreizehn Prozent, verglichen mit dem gleichen Monat des Vorjahres.

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Quelle:
World Socialist Web Site, 13.06.2012
Rettung spanischer Banken zieht "Daumenschrauben" weiter an
http://www.wsws.org/de/2012/jun2012/bail-j13.shtml
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2012